Nachtseiten in Heinrich Heines Versepos 'Deutschland. Ein Wintermärchen'


Magisterarbeit, 2007

79 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Autor und Text
1. Heinrich Heine
2. „Deutschland. Ein Wintermärchen“

III. Der Traum in der Romantik
1. Der Traum in der romantischen Literatur
2. Die Verwendung des Traums bei den romantischen Dichtern

IV. Die Träume des „Wintermärchens“
1. Analyse der Träume des „Wintermärchens”
1.1 Die Kölnepisode (Caput IV-VII)
1.1.1 Inhalt
1.1.2 Analyse des Kölner Traums
1.1.2.1 Das Einschlafen
1.1.2.2 Der Traum
1.1.2.3 Das Erwachen
1.1.2.4 Das Gedanke-Tat-Motiv
1.1.2.5 Die Beziehung des Autors zum Doppelgängermotiv
1.1.2.6 Religionskritik
1.1.2.7 Zusammenfassung
1.2 Die Barbarossa-Capita (Caput XIV-XVII)
1.2.1 Inhalt
1.2.2 Analyse der Barbarossa-Capita
1.2.2.1 Einleitung in die Barbarossa-Capita
1.2.2.2 Die Ammenmärchen
1.2.2.3 Die beiden Träume
1.2.2.4 Reflexionen
1.3 Der Aufenthalt in Minden (Caput XVIII)
1.3.1 Inhalt
1.3.2 Analyse des Mindener Traums
1.3.2.1 Bedeutung des preußischen Adlers
1.3.2.2 Verweise zur Odyssee
1.4 Der Hamburgaufenthalt (Caput XX-XXVI)
1.4.1 Inhalt
1.4.2 Analyse des Traums
1.4.2.1 Kennzeichnung des Hamburger Traums
1.4.2.2 Die Hammonia-Begegnung
1.4.2.3 Das Finale des Hamburger Traums
1.4.2.4 Verarbeitung der Zensur
2. Die Träume des „Wintermärchens“ im Vergleich zu den Träumen der Romantik
3. Romantikbezüge des „Wintermärchens“

V. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

O Herr! spottet nicht unserer Träumer, dann und wann, wie Somnambüle sprechen sie Wunderbares im Schlafe, und ihr Wort wird Saat der Freyheit. Keiner kann absehen die Wendung der Dinge. [...] – Wenn einst, was Gott verhüte, in der ganzen Welt die Freyheit verschwunden ist, so wird ein deutscher Träumer sie in seinen Träumen wieder entdecken.[1]

Zwei Dinge kann ich über Heinrich Heine mit Gewissheit und ohne eine Fußnote zu gebrauchen sagen: Er war ein Revolutionär und Skeptiker. Revolutionär in seinem Umgang mit Literatur und den reaktionären deutschen Verhältnissen und Skeptiker im Hinblick auf deren Umsetzbarkeit. Dass seine Skepsis berechtigt war, zeigt, dass seine Schriften zur Zeit ihrer Veröffentlichung oft auf Unverständnis stießen und seine politischen Bemühungen darin mündeten, dass er Deutschland verlassen musste. Sein Wille zur Veränderung jedoch blieb auch nach seinem 13-jährigen Pariser Exil ungebrochen. So veröffentlichte er 1844 das Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“[2], in dem Heine – vielleicht stärker denn je – versuchte seine Leserschaft aufzurütteln und nach einem „neuen Deutschland“ verlangte. Schon der Titel „Deutschland“ lässt eine Generalabrechnung mit den sozialen und politischen Zuständen in Deutschland erwarten. Der Zusatz „Ein Wintermärchen“ verweist über das Stichwort „Märchen“ auf die Romantik, da in ihr das Volksmärchen literarisch aufgegriffen wird. So werde ich zunächst auf die Verwendung des Traumes in der romantischen Literatur eingehen, bevor ich die fünf im Werk vorkommenden Träume unter den Gesichtspunkten des Romantischen und der Zeitkritik untersuche. Dabei interessiert mich auf welche Art und Weise Heine die Stilmittel der Romantik verwendet, da ich vermute, dass er den Zusammenhang zwischen politischer und romantischer Dichtung besonders in den Träumen des Reisenden[3] herstellt. Darin greift er weitere typische Motive der Romantik auf, wie zum Beispiel das Doppelgänger-Motiv im Kölner Traum oder den volkspoetischen Barbarossa-Mythos in den Barbarossa-Träumen. Wie häufig diese Romantikverweise im Text vorkommen, wie wichtig die romantischen Reminiszenzen sind und mit welcher Funktion er sie besetzt, werde ich in der Analyse der einzelnen Träume wie auch am Ende dieser Arbeit – unter der Berücksichtigung des gesamten Werkes – detailliert herausarbeiten.

Im Folgenden werde ich so vorgehen, dass ich zunächst auf die spezielle Verbindung von Autor und Text eingehe. Danach erläutere ich die Funktion und die Verwendungsweise des literarischen Traums in der Romantik, dann folgt der textanalytische Teil der Arbeit. Darin werde ich zunächst den Inhalt des jeweiligen Abschnitts, in dem der Traum situiert ist, kurz wiedergeben. Darauf folgt die Einordnung des Traums in seinen Kontext. Dann konzentriere ich mich auf den Traum selbst, seine Funktion, seine werkimmanente und werkübergreifende Intention und seine Struktur. Abschließend nehme ich einzelne Aspekte heraus, um sie tief gehend zu analysieren. Denn neben den romantischen und politischen Verweisen im „Wintermärchen“ setzt Heine in den Traumsequenzen einzelne weitere Schwerpunkte. Im Traum der Kölnepisode interessieren mich besonders das Verhältnis von Gedanke und Tat, die Umsetzung der Gedanke-Tat- Problematik, Heines persönliche Beziehung zum Doppelgängermotiv und letztlich die Religionskritik. In den Barbarossa-Capita werde ich verstärkt auf Heines Kritik an der politischen Restauration und den auf verschiedene Weisen verwendeten und instrumentalisierten Barbarossa-Mythos eingehen. Während der Analyse des Mindener Caputs beschäftige ich mich intensiv mit der Darstellung der einschüchternd präsentierten preußischen Staatsgewalt und den mythologischen Verweisen, besonders die zur Odyssee. In der Analyse des Hamburger Traums stehen die Begegnung mit Hammonia und Heines Verarbeitung der Zensur unter meiner besonderen Betrachtung. Am Ende des Analyseteils werde ich rückblickend die Funktion der Träume im Ganzen betrachten und versuchen, das „Wintermärchen“ in Hinsicht auf seine Stellung im Bezug zur Romantik einzuordnen.

II. Autor und Text

Für das Gesamtverständnis des Textes sind einige Details aus Heines Leben hilfreich, auf die ich im Folgenden eingehen möchte.

1. Heinrich Heine

Heine wird 1797 in Düsseldorf geboren und stirbt 1856 in Paris. Seine Schaffensphase beginnt in der Romantik, doch sein Werk weist in der Kombination epochentypischer Motive und Stilmittel einerseits und realistischer Darstellungen andererseits darüber hinaus.

Heine drückt sich im „Wintermärchen“ oft uneindeutig aus. Dieses literarische Stilmittel der Uneindeutigkeit zieht sich durch sein gesamtes Œuvre.[4] Selbst nach ausgiebiger Interpretation seiner Schriften lässt sich nur eines mit Gewissheit sagen: Heinrich Heine wollte sich nicht festgelegen. Er chiffriert einzelne Passagen und lässt stets interpretatorische Freiräume. Dabei hält er sich auch generell nicht an traditionelle Muster, sondern bricht bewusst mit literarischen Standards. Diese Ambivalenz zwischen Leseerwartung und dem was Heine dem Leser anbietet, stellt unter anderem Wilhelm Gössmann fest:

Eine solche Ambivalenz im Umgang mit dem Publikum läßt sich gerade am „Wintermärchen“ deutlich machen, das gleichermaßen Lesegewohnheiten des Publikums bestätigt und brüskiert.[5]

Heine wollte sich sein ganzes Leben lang inszenieren, aus sich selbst eine Kunstfigur machen. „Heinrich Heine ist ein Plural. Wer irgend meint, ihn hier fassen, dort festlegen zu können, hat nichts von ihm begriffen.“[6] Auf seinem 1797 ausgestellten Geburtsschein steht Harry, unter seinen ersten Veröffentlichungen das Anagramm[7] „Sy Freudhold Riesenharf“[8] und auf seinem Grabstein Henri Heine. Ähnlich wie Heinrich Heines künstlerische Identität ist auch sein Wechselmut im Leben nicht greifbar sondern mehrdeutig. Es beginnt bei der Verschiebung seines Geburtsjahres auf den Beginn des 19. Jahrhunderts, um somit der „erste Mann des Jahrhunderts“ zu werden.[9] Über sich selbst schreibt er, dass er sich „als letzten Dichter der Kunstperiode“[10] sieht. Des Weiteren beschreibt Heine auch seinen Vater und seine Mutter in Briefwechseln und Werken in anderem Licht, als sie als Menschen wirklich waren. Diese Aufzählung über die verzerrte Darstellung von Heines Leben in seinen Schriften könnte man weiter fortführen. Dennoch geben uns schon die wenigen Beispiele einen entscheidenden Hinweis: Heines Ziel ist es nicht, die Realität realistisch zu Papier zu bringen. Er hat immer den Ehrgeiz, sie in einer literarisch pointierten Darstellung zu verfremden. Seine künstlerisches Wesen bringt ihn dazu, sich und seine Umwelt zu poetisieren und zu idealisieren.

Heine selbst hat den Zeitgeist adäquat erfasst und zu charakterisieren versucht. Er spricht vom Ende der Kunstperiode, womit er die Klassik und Romantik, die Goethezeit meint.[11]

Heine stellt sich gegen die bloß ästhetische Deutung von Kultur und Leben, in der die Kunst „sozusagen höchster Selbstzweck“[12] ist. In der Zeit des Jungen Deutschlands aber, der Zeit von cirka 1830 bis 1848, wird „die Problematik von Politik und Öffentlichkeit in Konkurrenz zur ästhetischen Lebenseinstellung“[13] gestellt. Heine selbst schreibt in „Die romantischen Schule“[14] im Rückgriff auf Jean Paul:

Sein Herz und seine Schriften waren aber eins und dasselbe, sein Wort hatte nie eine versteckte Absicht, wie bey den schlegelschen Romantikern, und war nie geschieden von seinem Privatleben, wie bey den Goetheschen Kunstdichtern. Diese Eigenschaft, diese Ganzheit finden wir auch bey den Schriftstellern des jungen Deutschlands, die ebenfalls keinen Unterschied machen wollen zwischen Leben und Schreiben, die nimmermehr die Politik trennen von der Wissenschaft und der Kunst, und die zu gleicher Zeit Gelehrte, Künstler und Apostel sind.[15] Jedoch erkennt Heine auch, dass die Literatur zur politischen Tendenz, zur bloßen Ware wird, daß man sie kommerzialisiert und für die verschiedensten Zwecke vermarktet.[16]

Durch diese Erkenntnis und seine enorme künstlerische Schaffenskraft stellt Heine sich gegen die so genannten Tendenzpoeten[17], verurteilt sie öffentlich und schafft durch sein Werk „Deutschland. Ein Wintermärchen“ die perfekte Synthese aus politischer Dichtung und einem poetischen Werk, „wie man es mit diesem Anspruch und dieser dichterischen Intensität im 19. Jahrhundert nicht wieder findet“[18].

Heine richtet sich klar gegen eine kaiserlich-absolute Monarchie und plädiert für eine konstitutionelle Monarchie[19] in Deutschland, um eine nationale Einheit zu schaffen.[20] Im April 1848, also vier Jahre nach dem Erscheinen des „Wintermärchens“ schreibt Heine an seinen Freund Alfred Meisner:

Meine Gefühle bei dem Umschwung, den ich unter meinen Augen vor sich gehen sah, können Sie Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ch leicht vorstellen. Sie wissen, daß ich kein Republikaner war, und werden nicht erstaunt sein, daß ich noch keiner geworden. Was die Welt jetzt treibt und hofft, ist meinem Herzen völlig fremd, ich beuge mich vor dem Schicksal, weil ich zu schwach bin, ihm die Stirn zu bieten, aber ich mag ihm den Saum seines Kleides nicht küssen, [...]. Gerne wollte ich aus dem mich beängstigenden Getümmel des öffentlichen Lebens wegflüchten, in den unvergänglichen Frühling der Poesie und der unvergänglichen Dinge, [...].[21]

Heine wünscht sich zwar nicht zurück in die Welt der Kunstperiode, in der die Kunst als solches im Vordergrund stand und die Zustände beständig waren, aber eine Sehnsucht danach durchzieht sein ganzes Werk. Er würde gerne die Annehmlichkeiten dieser Zeit genießen, da er seinen Lebensstil nicht alleine durch seine Veröffentlichungen finanzieren kann, wodurch er bis zum Tod seines reichen Onkels Salomon Heine auf dessen finanzielle Unterstützungen angewiesen ist:

Doch die Emolumente[22] die mit den Aemtern verbunden, [...] stimmten den Dichter etwas ernsthafter, und er mußte die weltlichen Vortheile anerkennen, die eine absolute Monarchie dem Talent gewährt, während dasselbe in Republiken beständig der Scheelsucht der Mittelmäßigkeit, der plebejischen Verleumdung, wo nicht gar dem Ostracismus bloßgestellt ist. Heinrich Heine sagte: Seit dreißig Jahren diene ich der Freiheitsgöttin treu und redlich, und alles was ich in ihrem Dienst gewonnen, ist die Rückenmarkdarre[23].[24]

2. „Deutschland. Ein Wintermärchen“

Das 1844 veröffentlichte „Wintermärchen“ ist eine Symbiose aus versifizierter Reisedokumentation und politischer Satire und fußt auf einer tatsächlich stattgefundenen Reise, die Heine nach 13-jährigem Pariser Exil[25] im Oktober 1843 von Paris nach Hamburg unternimmt. Das Motiv der Reise gibt dem „Wintermärchen“ den einheitlichen Rahmen für die Darstellung des vorrevolutionären Deutschland. Dabei ist sehr interessant, dass die einzelnen Stationen der Reise durch preußisch regiertes Land führen, wo die Schriften des Jungen Deutschlands[26] verboten sind, das Reiseziel Hamburg jedoch von Preußen politisch unabhängig ist. Die im „Wintermärchen“ erwähnten Reisestationen sind real existierende Städte und Gegenden. Den Charakter dieses Reiseberichts unterstreicht Heine durch die scheinbar authentische Darstellung der Sachverhalte. Zum Beispiel benennt er die Kapitel mit dem wissenschaftlichen Terminus „Caput“ und verwendet seine reale Reiseroute als Vorlage für das „Wintermärchen“.

Trotz des starken Realitätsbezugs und der realistischen Schreibart darf man nicht vergessen, dass das „Wintermärchen“ im doppelten Sinne ein Kunstwerk ist, das in 27 Capita und durchgehend vierzeiligen Strophen, die aus jeweils zwei Langzeilen bestehen, humoristisch-pointiert über Deutschlands politischen Winterschlaf während der Restauration berichtet. „Diese Art des Beschreibens ist nachromantisch, biedermeierlich, der Stil im Vormärz“[27] , damit ähnelt es Heines ersten politischen Schriften, den Reisebildern: nicht umfassend oder objektiv, dafür aber ironisch pointiert.

Neben der scheinbaren Authentizität verleiten auch die starken Bezüge des Reisenden zu Heinrich Heine selbst dazu, das Werk autobiographisch zu lesen. Die Hauptfigur ist eine Heine ähnliche, aber nicht dem Autor entsprechende Person. Sie trägt keinen Namen, wird weder innerlich noch äußerlich explizit beschrieben und reist durch Deutschland, um seinen „Freunden“ ein „neues Lied“ (92) zu dichten und seine Mutter in Hamburg zu treffen. Aber, auch wenn man den Reisenden nicht mit dem Autor gleichsetzen kann, stehen durch die ständige Gegenwart des Dichters [...] im Wintermärchen satirische Kritik und heiteres oder pathetisches Bekenntnis besonders eng nebeneinander.[28]

Heines Kampf für die Freiheit hat seine Hochzeit mit dem „Wintermärchen“ erreicht, was er explizit in seinem Brief an seinen Verleger Campe 1844 ausdrückt:

Es ist ein gereimtes Gedicht, welches, [...] die ganze Gährung unserer deutschen Gegenwart, in der keksten, persönlichsten Weise ausspricht. Es ist politisch romantisch und wird der prosaisch bombastischen Tendenzpoesie hoffentlich den Todesstoß geben. Sie wissen ich prahle nicht, aber ich bin diesmal sicher daß ich ein Werkchen gegeben habe, das mehr furore machen wird als die populärste Broschüre und das dennoch den bleibenden Werth einer klassischen Dichtung haben wird. [...] Aber zugleich werden Sie sehen, daß dieses Büchlein durch keine Censur gehen darf. [...] Kurz ich will überraschen, einen Schlag machen –[29]

Der Jude Heine erlebte in Deutschland, nicht nur wegen seiner jüdischen Herkunft, eine Zeit der Einschränkung, weshalb für ihn die politische Dichtung eine enorme Wichtigkeit einnimmt. Aber auch wegen seiner politischen Schriften musst er nach Paris ins Exil gehen, wo er dann auch das „Wintermärchen“ schreibt. Er spürt, dass dort „nicht nur wie in Deutschland geträumt [wird], das heißt gedacht und philosophiert, sondern politisch gehandelt [wird]“[30]. Der sich als Europäer sehende Heine will diese Revolution auch für sein Heimatland Deutschland.[31] Durch das „Wintermärchen“ will er Deutschland aus seinem politischen Winterschlaf wecken, jedoch nicht – wie man, durch den Titel gelenkt, erwarten könnte – märchenhaft, mittelalterlich und ritterlich, sondern er möchte durch die romantisch anmutende, schnell umschlagende Erzählstruktur “überraschen, einen Schlag machen“, der ganz Deutschland aus dem schläfrigen, vergangenheitsbehafteten Zustand weckt.

III. Der Traum in der Romantik

Bevor ich mit der Analyse des „Wintermärchens“ beginne, werde ich zunächst einen theoretischen Vorbau präsentieren, bei dem ich die Rolle, die Gestalt und die Verwendung des Traums in der Romantik darstellen werde. Es ist nötig, auf die Verwendungsweise des literarischen Motivs des Traums in der Romantik einzugehen, um danach Heines Verwendungsweise in Relation zu der, der Romantiker einschätzen zu können.

1. Der Traum in der romantischen Literatur

Der Traum der romantischen Dichter ist durch eine ähnliche, von schnellen Wechseln der Zustände und Begebenheiten geprägte, Bewegungsstruktur gekennzeichnet .[32] Außerdem ist für sie die Zentrierung auf das Subjekt und sein Seelenleben durchgehend wichtig. Es geht ihnen um das Selbst und seine Innerlichkeit. Deshalb erringt der Traum auch diesen enormen Stellenwert zu Beginn des 19. Jahrhunderts, da er für das Subjekt nichts gibt, was ihm stärker eigen wäre als sein Traum. Für die Romantiker ist der Traum eine Art lebendig wirkende Instanz ihres Selbst, die ihnen ermöglichte, in die tiefsten Winkel ihres Bewusstseins einzudringen und dort das Körperliche mit dem Geistigen zu verbinden. Sie gehen davon aus, dass sich im Traum Prozesse abspielen, die auf den metaphysischen Ursprung des Menschen hindeuten. Interessant ist, dass die Romantiker den Traum als psychisches Phänomen ansehen, aber nicht meinten, ihn nach psychologischen Gesichtspunkten zergliedern zu müssen. Der Traum stellt für sie eine letzte Verbindung zum religiösen Ursprung dar und ist somit ein religiöses und metaphysisches Phänomen, das dem Romantiker Selbstund Welterkenntnis ermöglicht.

Der Traum durchdringt Welt und Leben, er poetisiert Welt und Natur, er kann an die Stelle von Welt und Leben treten.[33]

Paul Gerhard Klussmann schreibt über diesen metaphysischen Traumgedanken: „Der Traum ist dem Romantiker Zeichen dichterischer Lebenserfahrung und Weltdurchdringung.“[34] Etwas später beschreibt er die zentrale Bedeutung des romantischen Traums als „Initiation, Weg nach Innen, Vision künftigen Lebens und prophetische Schau“[35]. In metapoetischer Lesart beschreibt er ihn, ein Novalis Zitat[36] zugrunde legend, in folgender Weise:

„Die Weltwerdung des Traums ist die Schöpfungstat des Dichters.“[37]

2. Die Verwendung des Traums bei den romantischen Dichtern

Bei Novalis wird die Welt zum Traum, und das Ich ist in der Natur wieder zu finden. Somit ist seine Traumauffassung eine sehr philosophische. Er nimmt der Welt im Traum das Negative der Realität des Subjekts und sieht in dieser neuen, dieser zukünftigen Welt die Verwirklichung des Ichs. Novalis verbindet im Traum alle Bereiche, in denen die Sehnsucht des Romantikers verläuft: Nacht, Liebe und Tod. Bei ihm hatte der Traum nichts mehr mit der eigentlichen psychischen Form zu tun.

Er macht ihn zum Symbol für das Leben selbst, und zwar für das kommende Leben. Er strebt in allen seinen Gedanken auf ein Künftiges, Ewiges zu, ein goldenes Zeitalter, das ihm bald als etwas Zeitloses erscheint, bald als eine wirkliche, kommende Periode der Menschengeschichte.[38]

Wenn für Novalis aber die Verknüpfung von Traum und Wunderbarem der Ausdruck eines großen, zeitlosen Weltzusammenhangs ist, so ist der Traum für Ludwig Tieck ganz für sich da. „Wesentlich ist für Tieck vor allem die Schönheit und Bewegtheit des Traums“[39]. Dabei geht es bei Tieck aber nicht um die gewöhnliche Schönheit, sondern die Traumbilder sind „‚seltsam’, Ungeahntes wird in ihnen geschaut, beglückende Bilder, wie sie die Wirklichkeit nicht kennt“[40]. Das romantische Ich gewinnt im Traum den weiten und offenen Spielraum seiner Freiheit, den Ort höchster Wunscherfüllung, der geistigen und sinnlichen Liebeserfahrung, der Weltkommunikation.[41]

Es stehen sich bei Tieck Tagund Nachtseite stark getrennt gegenüber. Letztere ist es auch, die als positiv gilt, was der Meinung der meisten Romantiker entspricht. Ilse Weidekampf schreibt dazu:

Gerade jener Gegensatz zwischen zwei voneinander getrennten Welten setzt sich aber durch die jüngere Romantik bis zu Heine hin fort[42], nicht der Gedanke des Zusammenfallens aller Gegensätzlichkeiten in einer höheren Einheit.[43]

Jedoch beginnt sich dieser harte Gegensatz schon bei Achim von Arnim aufzulockern, denn bei ihm ist die negative Wirklichkeit nicht mehr ausschließlich das Störende, das dem positiven Traum gegenüber steht. Sie sind nicht mehr klar getrennt, sondern stehen in direkter Beziehung zueinander.

Clemens Brentano verwendet den Traum ähnlich wie Achim von Arnim, denn auch bei ihm stehen Traum und Wirklichkeit in einem „eigentümlichen Zwiespalt miteinander“[44]. Brentano fühlt sich der Traumwelt zugehörig, kann sich ihr aber nicht hingeben, weil er sich nach der eigentlichen Wirklichkeit sehnt, die aber in der positiven Form unerreichbar ist und deshalb Resignation bleiben muss. Für ihn ist der Traum ein Symbol für Verlorenes und Unerreichbares, das sich nicht erfüllt. Im Traum verändert er aktiv die Wirklichkeit, die dann beim Erwachen wieder zur alten Form zurückfällt. Bei Arnim löst sich jedoch dieser Zwiespalt und damit gegensätzlich zu Heine, in der Religion; der Traum wird umfassendes Gleichnis für eine christlich-spiritualistische Weltauffassung.[45]

Bei Joseph von Eichendorff, wie bei den meisten Romantikern, geschieht das Wunderbare im Traum, jedoch sieht Eichendorff seine Umwelt beziehungsweise die Natur mit ganz neuen Augen. Das vom Schlafenden erkannte, kann der Wachende nur erahnen „und wie der Traum so ist auch die Poesie ein Freiwerden und Gestalten solcher Ahnung“[46]:

Nie wird die Ahnung vom Wesen dieser Welt etwas Klares, Greifbares; sie soll nicht festgehalten und erkannt werden, sondern bleibt verworrenes Wellenschlagen der Seele.[47]

Die Gebrüder Schlegel gehen in ihren Schriften nur wenig auf das Thema „Traum“ ein und was sie schreiben ist eher aus der Perspektive der Aufklärung als aus der, der Romantik gesehen.

Man könnte geradezu sagen, dass der Traum etwas ihnen Entgegengesetztes war, so sehr liegt bei ihnen der Ton auf allem, was nicht mit ihm zusammenhängt: Bewußtsein, Besonnenheit, Absicht. [...] Die Seele ist das Niedere, zu ihr gehören auch Schlaf und Traum. [...] Nur wo sie selbst dichten, erscheint den Brüdern Schlegel der Traum als etwas Wesentliches, Wertvolles, weil er dichterisch ist.[48]

Für sie bleibt der Traum bloß ein einzelnes Element, das aber keinen anregenden Charakter hat, wie zum Beispiel für die Dichter Novalis, Tieck, Arnim oder Eichendorff. Diese Betrachtungsweise liegt darin begründet, dass für die Gebrüder Schlegel die wirkliche Welt positiv war, wodurch der Traum seine größte Stärke verlor, nämlich den positiven Kontrast gegenüber der negativen Wirklichkeit zu bilden.

In der Poesie der Romantik ist das Wunderbare der Versuch mit dichterischen Mitteln eine Welt zu erschaffen, die dem göttlichen Zusammenhang selbst entspricht. In den Träumen und ihrem Geflecht an Symbolen und Motiven glauben die Romantiker, die von Gott gegebene „Urund Natursprache der menschlichen Seele“[49] zu vernehmen.

Unter dem Einfluß [Gotthilf Heinrich von] Schuberts und der Theorien des Magnetismus und Somnambulismus wird in der späteren Romantik das Unbewußte zum Träger einer Welt, die außerhalb des Menschen liegt und sich in ihm abspiegelt. Das Unbewußte ist ein Abbild der Natur, des göttlichen Weltalls im Menschen. Es ist also psychische Funktion und zugleich Erscheinungsform für etwas Überindividuelles.[50]

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Traum der Romantik zumeist tief in das Innerste des Subjekts hinein geht und sogar darüber hinaus, bis er in eine Gemeinschaft mit der nicht-individuellen, kosmischen respektive göttlichen Wirklichkeit eingeht. Er öffnet den Zugang zu einem Unbewussten, worin ein steter Austausch zwischen Welt und Person stattfindet. Die Romantik vollzieht den Übergang von der reinen Psychologie zur Metaphysik. Die Abgründe der Natur besitzen für die romantischen Dichter eine gewisse Heiligkeit und der Tod ist das offene Tor zur „heiligen Nacht des Absoluten“. Das von den Romantikern erträumte goldene Zeitalter, ist ein Ort, der jenseitig zur irdischen Welt gelegen ist.[51] Egal welche Position die Romantiker vertraten, ob sie den vorwärtsgerichteten Bestrebungen der Frühromantiker oder den resignierenden Gedanken der Dichter in der Spätromantik nachgingen,[52] der Traum [...] steht jedes Mal in der Beleuchtung dieser zweiten Welt und wird dadurch dem Problem des Daseins überhaupt eingeordnet, sei es nun im philosophischen, religiösen, magnetistischen oder poetischindividuellen Sinne.[53]

IV. Die Träume des „Wintermärchens“

Im nachfolgenden Analyseteil werde ich mich vom Geschehen auf der Tagesebene hin zu dem der Nachtseite bewegen. Die von mir behandelten Nachtseiten sind der nächtliche Spaziergang am Rhein in der Kölnepisode (Caput IV-VII), in der hauptsächlich die Gedanke-Tat-Problematik und die katholische Kirche thematisiert wird. Die Begegnung mit Barbarossa in den so genannten Barbarossa-Capita im Kyffhäuser (Caput XIV-XVII), in denen der Rückschritt des politischen Deutschlands und seine Vergangenheitsverbundenheit kritisiert werden. Der stark mythologisch aufgeladene Traum in Minden (Caput XVIII), in dem der Reisende mit dem preußischen Adler kämpft und die Angst vor dem militärischen Preußen ausgedrückt wird und die Hammoniabegegnung in der Hamburgepisode (Caput XX-XXVI), in der der Reisende Deutschlands düstere politische Zukunft voraussieht. In wie weit die Szenen als Traum gekennzeichnet sind und wie das Traumgeschehen funktioniert, werde ich dann in den einzelnen Kapiteln eruieren.

1. Analyse der Träume des „Wintermärchens”

Meine These ist, dass Heine das Traummotiv nutzt, um im Traum die Tagesebene satirisch zu kontrastieren. Durch diese Betrachtungsweise eröffnet sich dem Leser eine Art Palimpseststruktur[54] im Werk. Dieses Operieren auf mehreren Ebenen wäre typisch für Heines Werk. Das Kontrastieren würde auch den Kritikern trotzen, die das „Wintermärchen“ als reine, unpoetische Tendenzschrift sehen. Zudem vermute ich, dass Heine durch Uneindeutigkeiten und literarische Tiefe sein kritisches Werk an der Zensur vorbeischleusen zu möchte. Denn durch den Gebrauch des Traums, der eben nur die Gedanken einer schlafenden Figur sind, wird die relativ klar formulierte Kritik formal abgemildert. Ob es ihm gelingt, die poetische und die kritische Funktion des Traums zu verbinden, wird sich erst nach der intensiven Beschäftigung mit den Träumen entscheiden lassen.

1.1 Die Kölnepisode (Caput IV-VII)

Der erste Traum des „Wintermärchens“ ist in der so genannten Kölnepisode situiert. Diese beginnt im vierten Caput, in dem der Reisende durch Köln flaniert und in einer Art Reisebericht beschreibt, was ihm auffällt. Dabei geht er nicht linear vor, „sondern konzentriert sich auf Aspekte, die miteinander verbunden sind“[55]. Er setzt sich mit der heiligen Stadt Köln und dem durch den Dom symbolisierten finsteren Mittelalter auseinander, äußert sich kritisch über das deutsch-französische Verhältnis, beleuchtet die Macht des Dichters im schauerromantischen Licht und kritisiert die Politisierung der Heiligen Drei Könige.[56]

1.1.1 Inhalt

Im ersten Köln-Caput erreicht der Reisende Köln in der Nacht, trinkt Wein und beschaut sich die vom Katholizismus geprägte Stadt wie auch den unvollendeten Dom. Im zweiten Caput „bietet ein Gespräch mit dem Vater Rhein, Rheinromantik und das aus der Rheinkrise hervorgegangene deutschfranzösische Spannungsverhältnis“[57] wird angesprochen. Der europäisch denkende Heine will im Streit um die Forderung Frankreichs, den Rhein als Landesgrenze festzulegen, vermitteln und den dadurch geschürten Franzosenhass bei den Deutschen mildern. Er spricht freundschaftlich mit dem Rhein über die Veränderungen der Verhältnisse in Deutschland und Frankreich. Der Reisende erzählt dem Rhein, dass die Franzosen umgedacht hätten und ihre politische Revolution, bei der sie den Deutschen weit voraus waren, zu einer auch geistig-philosophischen Revolution gewendet hätten, bei der die Deutschen diesmal Vorbild seien. Eine verkehrte Welt, was auch Heine damals trotz seiner Vaterlandsliebe, oder wahrscheinlich gerade deswegen, schmerzte: Die Franzosen wurden als Revolutionsvorbild schwächer und sollten doch eigentlich ganz Europa stärken:

Sie philosophiren und sprechen jetzt Von Kant, von Fischte und Hegel, [...]

Sie werden Philister ganz wie wir Und treiben es endlich noch ärger; Sie sind keine Voltairianer mehr, Sie werden Hengstenberger. (102)

Heine fordert für Deutschland die Rechtslage der Franzosen[58], was nach dem Sturz Napoleons nicht mehr realisierbar ist. Napoleons „Code Civil“[59] hat seine Macht verloren und somit ist auch die Chance auf eine mögliche Gleichstellung der Juden und Christen vergangen.

In Caput VI, dem dritten Köln-Caput, berichtet der Reisende von der Begegnung mit einem „vermummten Gast“ (103), der ihn beim Schreiben aufsucht und ihm seine Macht als Autor verdeutlicht. Diese Kraft, die ihm sein Schreiben gibt, erfährt er deutlich im darauf folgenden Traum-Caput VII. In ihm wandert der träumende Reisende mit dem „schwarze[n], vermummte[n] Begleiter“ (106) durch das im Mondlicht hell erleuchtete Köln. Jedes Haus, welches er auf seinem nächtlichen Weg mit Herzblut bestreicht, wird von der „dunklen Gestalt“ (107) heimgesucht. Auch zum Höhepunkt im Dom folgt der Doppelgänger seinem Gebieter auf jeden Schritt. Dort versuchen die der Vergangenheit angehörigen „heil’gen drey Könige“ dem Träumenden Respekt abzuverlangen, den er „lachenden Muths“ (108) versagt und hinzufügt:

So sprach ich, und ich drehte mich um, Da sah ich furchtbar blinken

Des stummen Begleiters furchtbares Beil – Und er verstand mein Winken.

[...]

er schlug Sie nieder ohn’ Erbarmen. (109)

1.1.2 Analyse des Kölner Traums

Der Kölner Traum steht am Ende der Kölnepisode und erstreckt sich über das gesamte Caput VII. Nach den drei vorherigen Köln-Capita wird nun das in ihnen am Tag erlebte, im Traum weitergeführt.

1.1.2.1 Das Einschlafen

Der Reisende reflektiert beim Einschlafen über die Deutschen und ihre Rolle in der Restauration. In dieser Reflektion wird deutlich, dass das deutsche Volk – in politischer Hinsicht – einen festen Schlaf hat. Hierbei hat das Traummotiv eine doppelte Funktion: In der einen wird im Traum die soziale Entstehungsgeschichte dargestellt, die zweite macht das Traummotiv in seiner subversiven Funktion fruchtbar[60]:

Man ruht in deutschen Betten so weich, Denn das sind Federbetten.

Hier fühlt die deutsche Seele sich frey Von allen Erdenketten.

O deutsche Seele, wie stolz ist dein Flug In deinen nächtlichen Träumen!

[...]

Franzosen und Russen gehört das Land, Das Meer gehört den Britten,

Wir aber besitzen im Luftreich' des Traums Die Herrschaft unbestritten.

Hier üben wir die Hegemonie, Hier sind wir unzerstückelt; Die andern Völker haben sich

Auf platter Erde entwickelt. – – (105f.)

Heine polemisiert in dem Passus die deutsche Versunkenheit in den „nächtlichen Träumen“ (106), die verhindert, dass sich Deutschland wie andere Länder bloß „auf platter Erde entwickelt“ (106) hat. Andererseits attestiert er Deutschland aber die „Herrschaft“ im „Luftreich des Traums“ (106) und das gerade dort der stolze Flug möglich wäre und der Traum die „Saat der Freyheit“[61] berge. Dadurch erscheint der darauf folgende Doppelgänger- Traum als eine „perspektivierende Illustration des Räsonnements über das Träumen“[62], aber auch als gleichzeitige Fortsetzung der Begegnung mit dem

„Liktor“ (115) auf der Tagesebene kurz zuvor. Außerdem drückt Heine in den oben zitierten Versen aus, dass die Deutschen am Tage in „Erdenketten“ lägen und sich erst auf der Nachtebene nicht nur davon lösen könnten, sondern der darauf folgende Flug sogar „stolz“ geschähe, wodurch sie anderen Ländern voraus wären.

Eines der wichtigsten politischen Ziele Heines wird auch in den Traum verlagert, nämlich die Vereinigung der deutschen Staaten, die im Traum schon gelungen ist, denn dort ist Deutschland „unverstückelt“ (106).[63] Durch diese Verweise in das Himmelreich der Träume kontrastiert Heine die Wirklichkeit und öffnet zusätzlich die Möglichkeit, die Träume auf die realen Umstände zu projizieren. Jedoch wird auch deutlich, dass hier die Sehnsüchte und Hoffnungen [...] nicht auf Realisierung hin gewendet werden können, sondern daß sie Sagbarmachungen sind von – oft sehr hellsichtig – erst geahnten Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung.[64]

[...]


[1] DHA, Bd. 7/1, S. 212 (Englische Fragmente. 1828, I. Gespräche auf der Themse).

[2] DHA, Bd. 4, S. 3. Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich darauf verzichten, den Ursprung des Titels nachzuweisen. Zudem werde ich zum größten Teil die Kurzform „Wintermärchen“ verwenden.

[3] Das „Ich“ des „Wintermärchens“ ist schwierig zu fassen, da es eine Mischung aus „lyrischem“ und „erzählendem Ich“ ist und dazu noch Züge des Autors selbst trägt. Da das „Wintermärchen“ ein gereimtes Werk ist, das in Verse und Strophen aufgeteilt und nach metrischen und rhythmischen Regeln aufgebaut ist, sollte man meinen, der Begriff des „lyrischen Ichs“ wäre treffend. Jedoch rückt das „Ich“, das in Form des Reisenden beziehungsweise träumenden Dichters vorkommt, als Erzähler seiner Reiseerlebnisse und als Berichterstatter der deutschen Zustände in den Vordergrund. Deshalb wäre auch der Terminus „erzählendes Ich“ oder auch „berichtendes Ich“ treffend. Zudem darf das „Ich“ nicht mit dem Autor Heine gleichgesetzt werden, obwohl es große Parallelen zu ihm aufweist. Das „Ich“ arbeitet stark mit Bezügen zu Heine selbst, wird aber durch Generalisierung und Selbstparodie entfremdet und uneindeutig gemacht. Aus diesen Gründen werde ich das „Ich“ nach seiner Tätigkeit als „Reisenden“ oder als „Träumenden“ bezeichnen.

[4] Wirth-Ortmann, Das Christusbild, S. 127.

[5] Gössmann, Heine, S. 142.

[6] Raddatz, Ein deutsches Märchen, S. 8.

[7] Anagramm aus dem Geburtsnamen „Harry Heine“ und seiner Heimatstadt „Duesseldorf“.

[8] DHA, Bd. 1/1, S. 22 (Junge Leiden. 1817-1821, Traumbilder).

[9] Vgl. HSA, Bd. 23, S. 289.

[10] DHA, Bd. 1/2, S. 591 (Entstehung und Aufnahme des ‚Buchs der Lieder’). Heine spricht wiederholt vom „Ende der Kunstperiode, die bei Goethes Wiege anfing und bei seinem Sarg aufhören wird“. DHA, Bd. 4, 72f., vgl. DHA, Bd. 5, 252ff., DHA, Bd. 7, 255.

[11] Gössmann, Abrechnung, S. 158.

[12] Gössmann, Abrechnung, S. 158.

[13] Ebd., S. 158.

[14] DHA, Bd. 8/1, S. 3.

[15] Ebd., S. 474.

[16] Gössmann, Abrechnung, S. 160.

[17] Die populärsten Dichter des Vormärzes, die Heinrich Heine mit dem Begriff der Tendenzpoeten belegt, sind Ludwig Börne, Karl Gutzkow, Georg Herwegh und Wolfgang Menzel. Vgl. Hooten, Vormärz, S. 9ff..

[18] Gössmann, Abrechnung, S. 160.

[19] Heine bekennt sich in den 1831-1832 verfassten Artikeln der „Französischen Zustände“ zur konstitutionellen Monarchie. Vgl. DHA, Bd. 12/1, S. 63-141 (Französische Zustände).

[20] Das werde ich später in den Abschnitten, die sich mit Kaiser Barbarossa beschäftigen (IV., 1.2 Die Barbarossa-Capita), noch intensiver herausarbeiten.

[21] HSA, Bd. 22, S. 270 (Brief Nr. 1216: Heinrich Heine an Alfred Meissner, 12. April 1848).

[22] Emolumente (von lateinisch emolere: herausmahlen) ist ein heute nicht mehr gebräuchlicher Begriff aus dem Rechtsund Wirtschaftsleben für Nebeneinnahmen. Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, S. 223.

[23] Die Rückenmarksdarre ist eine Rückenmarkserkrankung, die zumeist zu Muskelschwund und einer Verödung des Gehirns führt. Sie ist eine bestätigte Folge der Syphilis, an der Heine vermutlich litt. Siehe auch: Meyers Konversationslexikon, Bd. 13, S. 850.

[24] HSA Bd. 23, S. 217 (Brief Nr. 1442: Heinrich Heine an Gustav Kolb, 3. August 1852).

[25] Heine wurde in Deutschland, vor allem in den preußisch regierten Teilen, zunehmend stärker angefeindet. Deshalb ging er 1831, nach dem Ausbruch der französischen Julirevolution, nach Paris. Dort begann seine zweite Lebensund Schaffensphase. Siehe auch: Liedtke, Heine, S. 89f..

[26] Heine wurde von den Preußen auch als Dichter des Jungen Deutschlands angesehen, die ab 1835 per se verboten wurden. Vgl. Sughe, Junges Deutschland. S. 2ff..

[27] Gössmann, Abrechnung, S. 164.

[28] Kaufmann, Heine, S. 252.

[29] HSA, Bd. 22, S. 100 (Brief Nr. 998: Heinrich Heine an Julius Campe, 17. April 1844).

[30] Gössmann, Abrechnung, S. 161.

[31] Vgl. DHA, Bd. 4, S. 300 (Vorwort ‚Zum Einzeldruck von 1844’).

[32] Vgl. Heftrich, Vom Logos der Poesie, S. 88ff..

[33] Grobe, Traum und Narr, S. 23.

[34] Klussmann, Deformation des romantischen Traummotivs, S. 265.

[35] Ebd., S. 266.

[36] „Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt“ Novalis, Bd. 1, S. 319 (Heinrich von Ofterdingen).

[37] Klussmann, Deformation des romantischen Traummotivs, S. 266.

[38] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 3.

[39] Ebd., S. 7.

[40] Ebd., S. 7.

[41] Klussmann, Deformation des romantischen Traummotivs, S. 266.

[42] Interessant ist, dass Heine auch hier wieder eine Position als Wendeglied einnimmt.

[43] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 10.

[44] Ebd., S. 13.

[45] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 13.

[46] Ebd., S. 17.

[47] Eichendorff, Bd. 1, S. 67f. (Dichterfahrt).

[48] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 6f..

[49] Schubert, Symbolik des Traumes, S. 24.

[50] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 23.

[51] Für die Erkenntnisse des vorhergehenden Absatzes, vgl. Béguin, Traumwelt und Romantik, S. 388ff..

[52] Vgl. Schmitthenner, Blume der Nacht, S. 102.

[53] Weidekampf, Traum und Wirklichkeit, S. 27.

[54] Als Palimpsest wird ein altes Schriftstück, von dem der ursprüngliche Text heruntergekratzt und neu beschrieben wurde, bezeichnet. Die lesbare Schicht des metaphorischen Manuskripts überlagert die verborgene Schrift. Literarisch gesehen, verweist somit jedes sichtbare Detail auf einen verborgenen Sinn. Heines Erzählweise nimmt durch die Nutzung palimpsester Strukturen einen parabolischen Grundzug an, dem auch das Arbeiten des Traums auf zwei Ebenen, der latenten und der manifesten, und der Verweischarakter der Metaphorik sehr entgegen kommt. Grobe, Traum und Narr, S. 13.

[55] Grobe, Traum und Narr, S. 19.

[56] Vgl. Gössmann, Abrechnung, S. 165.

[57] Ebd., S. 165.

[58] Am 26. August wurden folgende Rechte für jeden französischen Bürger proklamiert: „Liberté, Egalité, Fraternité“, das bedeutet, dass jeder französische Bürger das Recht auf persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit und Weltbürgerlichkeit besitzt. (Vgl. Kinder, dtv- Atlas, Bd. 2, S. 297).

[59] Der Code Civil beinhaltete zahlreiche moderne Rechte, wie Gleichheit und Freiheit für jeden. Das bedeutete auch, dass der Jude Heine keine Diskriminierungen in der Zeit der Vormachtstellung Napoleons erdulden musste. Auch heute liegt der Code Civil noch vielen europäischen Gesetzbüchern, wie dem deutschen Bundesgesetzbuch, zugrunde. Vgl. Kinder, dtv-Atlas, Bd. 2, S. 305 und S. 327.

[60] Vgl. Clasen, Heines Romantikkritik, S. 226.

[61] DHA, Bd. 7/1, S. 212 (Englische Fragmente. 1828, I. Gespräche auf der Themse).

[62] Tempian, Ein Traum, S. 115.

[63] Siehe auch: Kinder, dtv-Atlas, S. 317 und S. 324.

[64] Clasen, Heines Romantikkritik, S. 227.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Nachtseiten in Heinrich Heines Versepos 'Deutschland. Ein Wintermärchen'
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Germanistisches Seminar)
Veranstaltung
Examen
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
79
Katalognummer
V114456
ISBN (eBook)
9783640150243
ISBN (Buch)
9783640150472
Dateigröße
683 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachtseiten, Heinrich, Heines, Versepos, Deutschland, Wintermärchen, Examen, Romantik, Traum, Kritik
Arbeit zitieren
M.A. Michael Hellmich (Autor:in), 2007, Nachtseiten in Heinrich Heines Versepos 'Deutschland. Ein Wintermärchen', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114456

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