Menschenbilder als Bezugssysteme für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung


Diplomarbeit, 2003

95 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung
2.1 Erläuterungen
2.2 Bildung
2.3 Weiterbildung
2.4 Bildungsmanagement
2.5 Berufliche Weiterbildung
2.6 Berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement: begriffliche Abgrenzung
2.7 Berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement – Zuständigkeitsbereiche der Betriebswirtschaftslehre oder der Pädagogik?
2.8 Zusammenfassung

3. Spannungsfelder
3.1 Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung als Spannungsfelder zwischen pädagogischen Idealen und wirtschaftlichen Anforderungen
3.1.1 Einflüsse bzw. Interessen der Erwachsenenbildung
3.1.2 Einflüsse bzw. Interessen der Wirtschaft
3.1.3 Einflüsse bzw. Interessen des Staates
3.1.4 Die „Vermarktlichung“ der Weiterbildung
3.2 Bildungscontrolling
3.3 Zugänge zur Konzeption von Bildungsprogrammen mit wirtschaftlichem Kontext
3.3.1 Wer konzipiert?
3.3.2 Zugänge aus pädagogischer Perspektive und Zugänge aus betriebswirtschaftlicher Perspektive
3.3.3 Das Bild von den BildungsempfängerInnen
3.4 Die Bedeutung einer grundlegenden Orientierung in der Betriebswirtschaft: Die normative Ebene des Managements
3.5 Zusammenfassung

4. Die Frage nach den neuen Leitbildern: Menschenbilder der BWL und der Pädagogik als Bezugspunkte für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung
4.1 Einführung/Überleitung
4.2 Menschenbilder
4.2.1 Menschenbilder als Bezugssysteme für theoretisches und praktisches Handeln
4.3 Die Frage nach den Menschenbildern von Bildungsmanagement und beruflicher Weiterbildung
4.4 Homo oeconomicus
4.4.1 Einführung in das Menschenbild homo oeconomicus
4.4.2 Dimensionen des Begriffs
4.4.3 Wissenschaftstheoretische Einordnung des homo oeconomicus
4.4.4 Zentrale Annahmen über den in der Wirtschaft tätigen Menschen – die Eigenschaften des homo oeconomicus
4.4.4.1 Präferenzen und Restriktionen
4.4.4.2 Die rationale Entscheidung
4.4.4.3 Das Eigennutzaxiom
4.4.4.4 Interaktionsstrategien des homo oeconomicus mit seinen Mitmenschen
4.4.5 Homo oeconomicus als Menschenbild für die berufliche Weiterbildung und das Bildungsmanagement
4.4.6 Die kritische Hinterfragung des homo oeconomicus auf axiomatischer Ebene
4.4.7 Die kritische Hinterfragung des homo oeconomicus auf phänomenologischer Ebene
4.4.8 Die kritische Hinterfragung des homo oeconomicus auf politisch-ethischer Ebene
4.4.9 Homo oeconomicus als Bezugspunkt für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung?
4.5 Menschenbilder der Pädagogik – pädagogische Anthropologie
4.5.1 Methodik und Systematik der pädagogischen Anthropologie
4.5.2 Methoden- und Theorienpluralismus in der pädagogischen Anthropologie – ein Überblick
4.5.2.1 Exkurs: Die Kritik der Frankfurter Schule am empirisch-analytischen Wissenschaftsmodell
4.5.3 Folgerungen über das Menschenbild des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung
4.6 Kein Menschenbild als eine Alternative – Hartmut von Hentig (1999)
4.7 Zusammenfassung

5. Perspektiven einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Pädagogik und Betriebswirtschaft auf den Gebieten Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung
5.1 Die Pädagogik im Bereich der beruflichen Weiterbildung – von Werten, Idealen und die Frage nach dem Ziel
5.2 Die Gefahren eines einseitigen Menschenbildes – praktische Implikationen
5.3 „Ganzheitliche Bildung“ – eine Utopie?
5.4 Die Frage nach der Leitdisziplin
5.5 Über das Engagement von PädagogInnen im Bildungsmanagement und in der beruflichen Weiterbildung
5.6 Moderne Prinzipien für das Bildungsmanagement und für die berufliche Weiterbildung nach Ulrich Gonschorrek (2003)
5.7 Konsequenzen für Betriebe und Unternehmen
5.8 Zusammenfassung

6. Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Unbestritten ist, dass gewandelte Anforderungen das Lehr- und Lernhandeln verändern werden. Rollen und Aufgaben von Lehrenden, von Lernenden und von Bildungseinrichtungen bekommen andere Akzente…neue Leitbilder sind gefragt“ (Heuer 2001, S. 14).

Besonders im Bereich der Erwachsenenbildung (insbesondere im wirtschaftlichen Kontext) entsteht durch wirtschaftliche Dynamik, gesellschaftliche Veränderungen, politische Einflüsse und pluralisierte Lebensformen ein bildungsrelevantes Spannungsfeld. Aus Sicht der Pädagogik sollte diesem viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, da aufgrund einer hohen Komplexität der Sachverhalte zahlreiche Chancen, spannende Herausforderungen und beunruhigende Gefahren nebeneinander, kaum ausreichend systematisch geordnet, koexistieren.

Vor allem die Auswirkungen der wirtschaftlichen Dynamik, die nicht zuletzt auch durch eine neoliberale Politik auch gezielt herbeigeführt wurden, reichen weit in den Gegenstand der Weiterbildung hinein. Bildungsprozesse, -programme und -konzepte werden verstärkt nach ökonomischen Kriterien bewertet – Bildung muss sich betriebswirtschaftlich rechnen! Inwieweit sich Bildung aber berechnen und berechenbar machen lässt, ist für zahlreiche Bildungsexperten fraglich, insbesondere da Auswirkungen und Ergebnisse von Bildung bei verschiedenen Bildungsempfängern verschieden lange Wirkungsdauer aufweist bzw. verschieden wirken kann – oft zeigen sich Resultate von Bildungsmaßnahmen erst über viele Jahre hinweg. Darüber hinaus fordern BildungsexpertInnen immer wieder auch ein ökonomisch zweckfreies Lernen, Bildung um des Menschen willen, ohne erst Legitimation durch wirtschaftliche Kennzahlen zu erhalten. Menschen lernen sehr verschieden, manchmal über Um- und Abwege. Bildung die gemanagt wird und sich in erster Linie an wirtschaftlichen Zahlen orientiert, tut sich schwer diese Tatsachen ausreichend zu berücksichtigen.

So tut sich auf dem Gebiet der Bildung im wirtschaftlichen Kontext ein Spannungsfeld auf, zwischen pädagogischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen, das stark zwischen ökonomischen Sinn, Zweck und Effizienz von Bildung und der gesellschaftlichen Verantwortung von Bildung, jenseits einer wirtschaftlichen Verzweckung polarisiert.

Ulrike Heuer (2001) charakterisiert dieses Spannungsfeld in Anlehnungen an ExpertInnenmeinungen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durch Anforderungen und Interessen der beteiligten Positionen (vgl. Heuer 2001, S.14):

„- Anforderungen von VertreterInnen aus der Wirtschaft richten sich auf ein dynamisch angelegtes Weiterbildungssystem, das betrieblich-funktionalen Anforderungen gerecht wird;
- Anforderungen von VertreteInnen der Politik lauten, dass die Bildungsbereitschaft dauerhaft zunehmen soll. Eine bessere Verwertung von Bildung soll erreicht werden und gleichzeitig sollen demokratische Prinzipien gefördert werden;
- Anforderungen der Erwachsenenbildung (Wissenschaft und Träger) zielen darauf, dass die persönliche Entfaltung der TeilnehmerInnen gefördert wird, sodass sie ihre Fähigkeiten in gesellschaftliche Gestaltungskraft umsetzen können, unter der Prämisse von sozialer Verantwortung.“

Das „Forum Bildung“ des deutschen Bildungsministeriums für Bildung und Forschung definiert in vergleichbarer Form, drei grundlegende Zieldefinitionen von Weiterbildung (Pressemitteilung „Forum Bildung“ vom 20.11.2000 zitiert in: Heuer 2001, S. 14):

„- Entwicklung der Persönlichkeit
- Teilhaben an der Gesellschaft und
- Beschäftigungsfähigkeit.“

Die oben skizzierten Positionen des Spannungsfeldes Weiterbildung und Wirtschaft, sowie die drei sehr unterschiedlichen Zielsetzungen von Bildung in diesem Spannungsfeld machen bereits deutlich: Es bedarf an Orientierung und klaren Positionen des eigenen Handelns um als PädagogIn in diesem Handlungsfeld nicht zwischen den Positionen „verloren zu gehen“.

Dieses Spannungsfeld, und die Frage wie sich PädagogInnen in diesem zurechtfinden könnten, ist Gegenstand dieser Arbeit. Zum einen soll dies beschrieben und besser verständlich gemacht werden. Demzufolge soll diese Arbeit keine empirisch-analytische sein, sondern der Exploration des bereits beschriebenen Spannungsfeldes gewidmet sein, sie soll dem Erörtern und Beschreiben eines Ist-Zustandes dienen, Einblick geben – auch mit einem starken interdisziplinären Interesse bezüglich der wirtschaftlichen Position. Eine mathematisch-analytische Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Theorien und Annahmen soll und kann (noch) nicht Intention dieser Arbeit sein.

Zum anderen soll diese Arbeit auch unterstützen, Orientierung vom pädagogischen Standpunkt aus gesehen zu finden als Hilfestellung bei der Erstellung von Bildungskonzepten. Dem Zitat von Ulrike Heuer (2001) vom Anfang der Einleitung folgend, soll dementsprechend über Leitbilder nachgedacht werden, an denen sich Bildungsmaßnahmen der Weiterbildung orientieren können, insbesondere über jene Menschenbilder, die den besonders involvierten Wissenschaftsrichtungen Pädagogik und Betriebswirtschaft zugrunde liegen.

Unter anderem gilt es zu klären, ob die beschriebenen Ziele miteinander kongruent sind oder einander ausschließen, und damit auch die Frage, ob sich wirtschaftliche und pädagogische Ziele in diesen Bereichen grundsätzlich widersprechen, oder ob es ergänzende, integrierende Zielsetzungen gibt, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der polarisierenden Interessenslager möglich und sinnvoll machen. Lässt sich angesichts der unterschiedlichen Interessenslagen ein Bildungsprogramm im Bereich der beruflichen Weiterbildung und des Bildungsmanagements konzipieren, welches pädagogischen und wirtschaftlichen Anforderungen, im Sinn der oben angeführten Zielsetzungen, in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht wird? Wenn dies machbar ist, unter welchen Bedingungen kann dies geschehen, welche Faktoren versprechen Erfolg? Welche Faktoren verhindern auch Erfolg?

Mit diesen Fragen setzt sich diese Arbeit auseinander. Angesichts der enormen Größe, Vielfalt und Komplexität dieses Themas können aber unmöglich alle theoretisch und praktisch relevanten Faktoren, die dieses Thema beeinflussen, behandelt werden. Es macht also notwendig die Arbeit auf mir wichtig erscheinende Gebiete einzugrenzen.

2. Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung

2.1 Erläuterungen

Wie bereits in der Einleitung gezeigt, ist eine Betrachtung des Handlungsfeldes Bildungsmanagements aus mehreren teilweise sehr verschiedenen Positionen möglich: Aus Sicht der Pädagogik, der Betriebswirtschaftslehre, der Politik und der Bildungsnehmer. Dadurch wird bei der Bearbeitung dieses Handlungsfeldes ein gewisses Maß an Interdisziplinarität und Interesse für andere Perspektiven und Blickwinkel nötig. Als PädagogIn ist es manchmal auch wichtig, den eigenen Standpunkt zu klären und oft auch nötig diesen zu verändern. Die folgende Beschreibung des Bildungsmanagements findet aber jedenfalls selbstverständlich aus der Perspektive der Erziehungs- und Bildungswissenschaft statt. Mein Zugang versteht sich aus pädagogischer Perspektive mit interdisziplinärem Interesse. In diesem Sinne sollen nun die Begrifflichkeiten geklärt werden, die für den weiteren Verlauf dieser Arbeit notwendig sein werden.

2.2 Bildung

Bildung kann man als „Prozess der Entfaltung und Entwicklung der geistigen und seelischen Kräfte eines Menschen, wie auch das Ergebnis dieser Kräfte“ auffassen (May/May 2000, S. 120). Reinhold (1992) versteht unter Bildung „den Prozess, in dem und durch den der Mensch Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber und gerade auch Normen und Werte vermittelt bekommt und Einstellungen und Werthaltungen entwickelt. Bildung meint aber auch das Produkt dieses Prozesses, nämlich die durch Bildung entstandene Persönlichkeit. Unter Bildung versteht man aber auch das Vermögen, einseitige oder vielseitige durch (zumeist schulische) Sozialisation vermittelte reproduzierbare Kenntnisse in verschiedenen Bereichen zu reproduzieren“ (Reinhold 1992, S. 58).

Die oben angeführten Definitionen von Bildung werden in dieser Arbeit als geeignet erachtet. Trotzdem möchte ich jedoch noch eine Definition anführen, in deren Geist große Teile dieser Arbeit angelegt sind. Sie versteht „…Bildung als Ausstattung von Individuen mit solchen Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen und Einsichten (Kompetenzen), mit deren Hilfe sie Lebenssituationen selbstverantwortlich bewältigen können“ (Tenfelde 2000, S. 120).

Die Pädagogik als Wissenschaft von der Erziehung und Bildung hat sich die Erforschung von Bildung zum Gegenstand gemacht und erfüllt dabei nach Horst Schaubund Karl Zenke (2002) im Wesentlichen vier Aufgaben (vgl. Schaub/Zenke 2002, S. 419):

- Beschreibung von Erziehungs-, Unterrichts- und Ausbildungsprozessen in Gegenwart und Zukunft.
- Interpretation der Programme der Theorien über Erziehung und Bildung im Feld ihrer weltanschaulichen, wissenschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen. Verständlich gemacht werden sollen die Werte, Normen und Interessen, von denen her die Ziele, Formen, Maßnahmen und Methoden der Erziehung entwickelt werden bzw. entwickelt worden sind.
- Erklärung der organisatorischen und der zwischenmenschlichen Gestaltung von Erziehungs- und Bildungsprozessen und dessen beabsichtigten Wirkungen.
- Klärung der pädagogischen Grundbegriffe und bildungstheoretische Analyse der gesellschaftlichen Entwicklungen, um eine reflektierte, öffentlich kontrollierbare und verantwortungsbewusste Gestaltung der pädagogischen Prozesse zu ermöglichen.

Aus den bereits genannten Definitionen und den beschriebenen wesentlichen Aufgaben der Pädagogik, ergeben sich jene Perspektive und jener Standpunkt mit dem sich diese Arbeit auseinandersetzt.

2.3 Weiterbildung

Im Nachschlagewerk DUDEN (2003) wird Weiterbildung als sich fachlich, beruflich oder politisch Weiterbilden definiert (vgl. Kunkel-Razum et al 2003, S. 1797).

Winfried Böhm (1994) definiert Weiterbildung als „die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (Böhm 1994, S. 732). Im aktuellen Gebrauch ist Weiterbildung der Überbegriff für Fortbildung, Umschulung und Erwachsenenbildung. Der modernen Weiterbildung werden verschiedene Denkströmungen und Zugänge zugeordnet, zum Beispiel sozialwissenschaftliche, kritische, systemtheoretische,… (vgl. Böhm 1994, S. 732).

Peter Faulstich (2003) setzt den Begriff in einen noch wesentlich komplexeren Zusammenhang. Er meint, dass Weiterbildung entgrenzt von den traditionellen Institutionen der Erwachsenenbildung verstanden werden sollte. Vielmehr vollzieht sich Weiterbildung kontinuierlich durch alle Phasen des Lebens. Weiterbildung dient dem Menschen zur Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit und ist auf komplexer Art und Weise und in unterschiedlichster Form mit der Biographie eines jeden Menschen vernetzt. Weiterbildung wird oft illusionistisch als chancengleich für alle Bildungsempfänger verstanden, die Realität widerspricht dieser Hoffnung aber immer wieder. Weiterbildung kann aber sehr wohl für jeden Bildungsteilnehmer neue Chancen und Perspektiven eröffnen und Persönlichkeitspotentiale entfalten. Demzufolge kann Weiterbildung auch als lebensentfaltende Bildung verstanden werden (vgl. Faulstich 2003, S. 14ff).

2.4 Bildungsmanagement

Bildungsmanagement ist das Planen, Durchführen und Steuern von Bildungsprozessen mit Hilfe von modernen Managementgrundsätzen und –instrumenten.

Franz Decker (2000) beschreibt Bildungsmanagement als „das Steuern und Gestalten von persönlichen, betrieblichen, von sozialen, kulturellen und organisatorischen Entwicklungs-, Qualifizierungs- und Lernprozessen. Aus- und Weiterbildner werden zu Managern der Qualität von persönlicher Entwicklung, von Qualifikation und Verhalten, von organisatorischer Gestaltung“ (Decker 2000, S. 16). So wie es der PädagogInnen allgemein als Aufgabe zugeschrieben wird, verstehen auch BildungsmanagerInnen ihre Aufgabe als „planen, koordinieren, organisieren und durchführen von Bildung“ (Decker 2000, S. 12). Franz Decker (2000) präzisiert folgende Aufgabenbereiche des Bildungsmanagements in detailierterer Form (Decker 2000, S. 12):

„- die Lernveränderungen/Bildungsbedarf abschätzen
- das vorhandene Bildungspotential zu fördern und zu entwickeln
- neue Weiterbildungskonzepte, -formen, -methoden, -organisationen zu entwickeln
- die notwendigen Bildungsmittel zu kalkulieren, zu budgetieren und zu finanzieren
- neue Lehr-Lern-Prozesse wirkungsvoll zu gestalten.“

Der wesentliche Unterschied zwischen Bildungsmanagement und allen anderen Bereichen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft ist nun, dass Bildungsmanagement, die Planung, die Durchführung, die Kontrolle und die Koordination von Bildung eng mit wirtschaftlichen Kriterien verknüpft bzw. mit Hilfe von Managementinstrumenten durchführt und an Managementgrundsätzen orientiert (vgl. Decker 2000, S. 19). Die Ziele des Bildungsmanagements unterliegen zu einem wesentlichen Anteil ökonomischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen, was dazu führt das Bildungsziele und Bildungsprinzipien weniger idealistisch, sondern vielmehr pragmatisch und anforderungsbezogen im ökonomischen Sinne, formuliert werden (vgl. Gonschorrek 2003, S. 220f).

Bildungsprozesse im Rahmen des Bildungsmanagements werden stark von Managementgrundsätzen durchdrungen. Dies zeigen vor allem das Bestreben Bildungsmaßnahmen im analytischen Sinn messbar zu machen, also den Versuch Bildung im mathematisch-analytischen Sinn zu quantifizieren. Bildungsmaßnahmen sollen in ökonomischen Zahlen wiedergegeben werden können, z.B. in Input- und Outputeinheiten (vgl. Hummel 2001, S. 12ff). So ist im Rahmen des Bildungsmanagements etwa der Versuch besonders modern geworden Bildung einem Bildungscontrolling zu unterziehen, indem Planungs-, Kontroll- und Steuerungsinstrumente (die zumeist aus den Wirtschaftswissenschaften kommen, und deren pädagogischer Wert in vielen Fällen erst diskutiert werden muss) für Prozesse der Qualifizierung bereitgestellt werden. Mit Hilfe des Bildungscontrollings sollen Bildungsprozesse gesteuert und überprüft werden, dahingehend ob Ziele und Schwerpunkt der Bildungsmaßnahme richtig gesetzt wurden bzw. erreicht worden sind (vgl. Hummel 2001, S. 14).

Neben oben angeführten Charakteristika des Bildungsmanagements, der marktmäßigen Koordination, der Ausrichtung an ökonomischen Zielen und der Anwendung von Managementgrundsätzen und – instrumenten zeichnet sich Bildungsmanagement nach Landsberg/Weiß (2001) vor allem durch seinen interdisziplinären Zugang aus, wobei die Bildungsdimension insbesondere durch eine „Zweidimensionalität“ determiniert wird: „…pädagogisch und ökonomisch – oder anders ausgedrückt: Ökonomität bedarf der Bildung und Bildung bedarf der Ökonomität“ (Landsberg/Weiß zit. nach: Hummel 2001, S. 15).

Ob nun Ökonomität der Bildung bedarf, und Bildung der Ökonomität bedarf, soll im weiteren Verlauf der Arbeit noch ausführlicher diskutiert werden. Nicht weiter bewiesen werden muss wohl, dass Bildungsmanagement tatsächlich ein beträchtliches pädagogisch-betriebswirtschaftliches Spannungsfeld darstellt, wo pädagogische und betriebswirtschaftliche Interessen und Methoden zum Teil sehr unsystematisch und unstrukturiert miteinander vermischt werden. Umso notwendiger scheint es für alle Beteiligten, über dementsprechende Orientierung und Klarheit bezüglich der eigenen Position zu verfügen.

2.5 Berufliche Weiterbildung

Laut Horst Schaub und Karl Zenke (2002) ist die berufliche Weiterbildung an berufstätige Menschen adressiert und soll „die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern und den inhaltlichen, sozialen, politischen, und arbeitsorganisatorischen Veränderungen der Produktionsprozesse in den Unternehmen anpassen. Je nach dem Schwerpunkt dient die berufliche Weiterbildung also der Stabilisierung oder der Spezialisierung, der Anpassung oder dem beruflichen Aufstieg. In jedem Fall aber soll die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Berufstätigen verbessert werden“ (Schaub/Zenke 2002, S. 80).

Nach Richard Merk (1998) unterteilt man die berufliche Weiterbildung in die Bereiche Fortbildung und Umschulung, wobei die Fortbildung entweder der Anpassung oder der beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen an den Wandel der Arbeitsanforderungen (Anpassungsbildung) dient, oder der Verbesserung der Verbesserung der Qualifikationen für den beruflichen Aufstieg (Aufstiegsbildung). Bei der Umschulung handelt es sich um Maßnahmen, die dem Erwerb neuartiger Berufsqualifikationen dienen, die aufgrund tiefgreifender, technischer und ökonomischer Veränderungen am Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Ebenso dienen sie den erwachsenen Lernern für das individuelle Fortkommen (vgl. Merk 1998, S. 39).

Vollzogen wird die berufliche Weiterbildung in erster Linie „vor Ort“ also in den Betrieben und Behörden (vgl. Gonschorrek 2003, S. 16). Die Träger der beruflichen Weiterbildung sind sehr oft die Betriebe selbst (vgl. Geißler 1994, S. 9), wobei dem Staat noch gewisse Lenkungsfunktionen und Selektionsfunktionen bezüglich Inhalt und Form beruflicher Bildungsprogramme zumindest theoretisch zukommt, da ihm Verteilung und Administration von beträchtlichen Fördergeldern obliegt (z.B. europäische ESF-Fördergelder)[1] (vgl. Heuer 2001, S. 27f).

Ingesamt ist aber berufliche Weiterbildung „in der Praxis vergleichsweise wenig geregelt und obliegt in weiten Teilen der Verantwortung der Unternehmen“ (Pieler 2001, S. 47). Es gibt also verhältnismäßig wenige verbindliche Ausbildungsstandards, Inhalte und Durchführungsmaßnahmen. Auch die Qualität der externen Anbieter von beruflicher Weiterbildung variiert stark und ist oft schwer vergleichbar. „Im Rahmen der Personalentwicklung und Weiterbildung bedarfsgerechte und unternehmensbezogene Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen“ (Merk 1998, S. 49), stellt daher viele Unternehmen vor eine große Herausforderung.

Wer in den Genuss von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen kommt scheint von Fall zu Fall sehr verschieden zu sein. Während Richard Merk (1998) meint, dass sich berufliche Weiterbildungsmaßnahmen an alle MitarbeiterInnen richten (vgl. Merk 1998, S. 49), sieht etwa Pieler (2001) gering qualifizierte MitarbeiterInnen, oder jene die keine Schlüsselpositionen in Unternehmen besetzen, als tendenziell benachteiligt an (Pieler 2001, S. 47). Es ist also zu befürchten, dass ähnlich wie bei der Bildung durch marktmäßige Koordination, jene in bereits privilegierten Positionen Befindliche auch an bessere Bildungsangebote herankommen als schlechter Gestellte. In der Praxis gesehen ist es wohl von Betrieb zu Betrieb verschieden, wie die Verteilung von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen gehandhabt wird.

Ganz generell ist berufliche Weiterbildung einer hohen Dynamik und damit starken Veränderungen ausgesetzt: So sehen Christine Bötel und Elisabeth Krekel (2000) durch wirtschaftliche Dynamik, neue Technologien und gesellschaftliche Veränderungen einen ständigen Wandel der Anforderungen an die Qualifikationen der Berufstätigen; „…durch den andauernden wirtschaftlichen und technischen Wandel und die daraus resultierenden Veränderungen der Organisations- und Produktionsstrukturen in den Unternehmen“ (Bötel/Krekel 2000, S.5).

2.6 Berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement: begriffliche Abgrenzung

Berufliche Weiterbildung ist ein Teil der Weiterbildung und zielt darauf ab, Personen die im Beruf stehen für eben solchen zu qualifizieren. Zentrale Aufgabe der Weiterbildung im beruflichen Kontext ist dabei, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen, die im Berufsalltag stehen zu sichern (vgl. Diekmann 2001, S. 56). Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung orientieren sich dabei maßgeblich an den Herausforderungen und Ansprüchen der Arbeitswelt. Die im Rahmen von beruflicher Weiterbildung vermittelten Inhalte, Fähigkeiten und Kenntnisse „müssen geeignet sein, dem einzelnen Mitarbeiter die allumfassende berufliche Handlungskompetenz zu sichern, die er benötigt um von den Unternehmen nachgefragt zu werden“ (Diekmann 2001, S. 56).

Bildungsmanagement wird oft mit beruflicher Weiterbildung oder Bildung in Unternehmen gleichgesetzt. Die Begriffe berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement sind aber nicht deckungsgleich, d.h. sie meinen nicht ein und dasselbe. Bei der beruflichen Weitebildung geht es wie bereits dargestellt um die Vermittlung von Inhalten, Fähigkeiten und Kenntnissen um die Beschäftigungsfähigkeit der Lernenden zu steigern (vgl. Heuer 2001, S. 14), um ihnen damit berufliche Handlungskompetenz, fächerübergreifende Kompetenz und Schlüsselqualifikationen zu vermitteln (vgl. Diekmann 2001, S. 56). Beim Bildungsmanagement geht es jedoch in erster Linie darum, wie Bildung durchgeführt wird.

Franz Decker definiert (1995) das Bildungsmanagement als das Planen, Durchführen und Steuern von Bildungsmaßnahmen als auch die Leitung von Schulen, Bildungseinrichtungen und Bildungsmaßnahmen mit Hilfe von Managementmethoden und –grundsätzen (vgl. Decker 1995, S. 82). Harald Geißler (1994) ergänzt, dass sich Bildungsmanagement mit „operationalisierbaren Lernprozessen befasst, die in der Regel fachlicher Art sind“ und sich mit „Schlüsselqualifizierung und mit Bildung befassen“ (Geißler 1994, S. 15). Charakteristisch für das Bildungsmanagement ist also, dass wirtschaftliche Methoden herangezogen werden, um Bildung zu steuern, zu beurteilen und zu planen. Diese Methoden werden zwar meistens von und in Unternehmen bei der Bildung ihrer MitarbeiterInnen eingesetzt, dies ist aber nicht zwingend der Fall. Bildungsmanagement kann praktisch in fast allen Bereichen des Bildungswesens eingesetzt werden.

Begrifflich voneinander ausreichend abgegrenzt sind die Begriffe berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement dann, wenn begriffen wird, dass

- berufliche Bildung die Vermittlung von Fähigkeiten, Kenntnissen und Wissen meint, die Menschen für ihren Beruf qualifiziert, weiter- oder höherqualifiziert, mit dem Ziel der erhöhten Beschäftigungsfähigkeit bzw. mit dem Bestreben durch Bildung entsprechend bessere Arbeit leisten und mehr verdienen zu können.

und

- Bildungsmanagement die Art und Weise meint wie (mit welchen Methoden) Bildung durchgeführt, geplant und gesteuert wird.

Zumeist wird berufliche Weiterbildung mit Hilfe von Bildungsmanagement durchgeführt, dies muss aber nicht zwingend der Fall sein (vgl. Gonschorrek 2003, S. 14ff). In vielen Fällen wird in Unternehmen oder von Unternehmen mehr oder weniger professionelles Bildungsmanagement durchgeführt. Bildung von Mitarbeitern muss in Betrieben jedoch nicht in jedem Fall mit Managementgrundsätzen und- instrumenten realisiert werden. Andererseits jedoch wird Bildungsmanagement jedoch nicht nur in Unternehmen, sondern in weit mehr Fällen angewandt. Bildungsmanagement kann in Non-Profit-Organisationen, Verwaltungen, Schulen, bei privatwirtschaftlichen wie auch bei freien Trägern z.B. Volkshochschulen oder im öffentlichen Bildungsbereich angewendet werden (vgl. Decker 1995, S. 82).

Im Rahmen dieser Arbeit interessiert mich als Verfasser insbesondere jenes Feld, wo Bildungsmanagement auf berufliche Weiterbildung angewendet wird. Obwohl es viele verschiedene Abstufungen und Graubereiche gibt, ist meiner Meinung nach etwa Bildungsmanagement auf Schulen angewendet ein vollkommen anderes Thema. Dennoch werden in weiten Teilen dieser Arbeit Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung gesondert erwähnt, da Ausführungen dieser Arbeit in beide Bereiche hineinreichen.

2.7 Berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement – Zuständigkeitsbereiche der Betriebswirtschaft oder der Pädagogik?

Folgt man der bereits zitierten Definition von Franz Decker (2000), nach der Bildungsmanagement als das planen, koordinieren, organisieren und durchführen von Bildung verstanden wird, so scheint selbstverständlich zu sein, dass Bildungsmanagement ein typisches Aufgabengebiet der Pädagogik sei, da Bildung und Weiterbildung grundsätzlich als traditionelle Betätigungsfelder der Pädagogik angesehen werden (vgl. Schaub/Zenke 2002, S. 419). Diese Annahme ist jedoch nur eingeschränkt richtig.

Einerseits steckt im Wort `Bildungsmanagement´ das Wort `Bildung´, welche unzweifelhaft Zuständigkeit der Pädagogik ist, andererseits verdeutlich die Endung `-management´ einen starken Bezug zur Betriebswirtschaftslehre, deren Teilbereich die Managementwissenschaft ist (vgl. Geißler 1994, S. 9). Laut Harald Geißler (1994) und Franz Decker (2000) ist Tatsache, dass in vielen Fällen in den vergangenen Jahren eine Entwicklung von der Aus- und Weiterbildung als pädagogisch-didaktische Aktivität hin zu einem Management von Bildung, die in erster Linie wirtschaftliche Zielsetzungen und Interessen verfolgt, eingesetzt hat. Die Pädagogik als Wissenschaft trifft seither in diesem Handlungsfeld verstärkt auf die Präsenz der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Betriebswirtschaft, was zu Folge hat, dass Managementinstrumente und –grundsätze immer stärker Bildungsprozesse beeinflussen (vgl. Decker 2000, S. 12). Ökonomische Prämissen und Axiome, wie (finanzielle, zeitliche und personale) Ressourcenknappheit bzw. Effizienz und Outputorientierung (vgl. Decker 2000, S. 13) stehen pädagogischen Konzepten und Programmen gegenüber, die mit den wirtschaftlichen Postulaten, Forderungen und Diktaten von vorneherein nicht gerade viel gemein haben.

Wie bereits beschrieben ist dieses Aufeinandertreffen von Pädagogik und Betriebswirtschaft in den Handlungs- und zugleich auch Spannungsfeldern berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement besonders offensichtlich. Bildungsmanagement angewendet auf berufliche Weiterbildung wird in erster Linie von Unternehmen in Auftrag gegeben, die sich durch Schulung und Höherqualifikation ihrer MitarbeiterInnen Vorteile gegenüber Mitbewerber auf dem freien Markt erhoffen. Ob diese Bildung auch humanistischen Idealen, die oft seitens der PädagogInnen vertreten und gefordert werden, folgt, interessiert aus wirtschaftlicher Perspektive vordergründig wenig. Es zählt der Wettbewerbsvorteil. „Im Vordergrund steht … die Qualifikation für den individuellen und kollektiven Wettbewerb – für die Brauchbarkeit am Arbeitsmarkt“ (Lenz 1994, S. 19), das heißt an oberster Stelle steht seitens der wirtschaftlichen Träger der beruflichen Weiterbildung der Nutzen der Bildung für das Unternehmen (vgl. Franz 2002, S.24). Für Pädagogen, deren Zielsetzung es ist, den auszubildenden Menschen optimal durch Bildungsprozesse zu führen und zu begleiten, stellt dieses starke wirtschaftliche Komponente, was sowohl Zielsetzung von, aber auch Planung und Durchführung der Bildung betrifft, eine enorme Herausforderung dar. Die Pädagogen bewegen sich in einem Szenario, in dem Marktprinzipien stark Weiterbildung tangieren und durchdringen (vgl. Meisel 2002, S. 9) – und es stellt sich die Frage inwieweit und auf welcher Basis PädagogInnen und BetriebswirtInnen, angesichts sehr unterschiedliche Auffassungen von Wert und Wesen der Bildung in Theorie und Praxis, in diesem Szenario Anknüpfungspunkte finden um interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Kann es tatsächlich auch wirtschaftliches Interesse sein, dass oft humanistisch geprägte PädagogInnen in diesen Handlungsfeldern „systematische Anregungen und, Korrekturen und weitsichtige Perspektiven, sowie didaktische Unterstützung geben“ (vgl. Geißler 1994, S. 9), um dieses Bildungsprozesse zu gestalten und zu prägen?

Eben damit will sich diese Arbeit auseinandersetzen, nämlich mit dem Versuch systematische Anregungen, weitsichtige Perspektiven und Korrekturen von `gemanagter beruflicher Weiterbildung´ aus Sicht der pädagogischen Position zu erörtern, um für interdisziplinäres, pädagogisches Handeln im Bereich der beruflichen Weiterbildung und des Bildungsmanagements Orientierung zu geben. Im Raum steht also die Fragestellung, was für PädagogInnen in diesem Spannungsfeld an gestalterischer Aktivität möglich ist, wie Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung nicht nur effizient und wirtschaftlich, sondern auch im pädagogischen Sinn wert- und qualitätsvoll sind? Es gilt diese Fragestellung weiter zu verdeutlichen und zu vertiefen.

2.8 Zusammenfassung

Berufliche Weiterbildung und Bildungsmanagement sind zwei Begriffe, die nicht dasselbe meinen. Bildungsmanagement ist das Planen, Durchführen und Koordinieren von Bildung mit modernen Managementgrundsätzen und –instrumenten. Unter beruflicher Weiterbildung versteht man die Weiterbildung von Erwachsenen in Bezug auf ihr Arbeitsleben bzw. ihre beruflichen Fähigkeiten. Berufliche Weiterbildung kann mit Hilfe eines professionellen Bildungsmanagements durchgeführt werden, dies muss jedoch nicht zwingend der Fall sein. Professionelles Bildungsmanagement kann sich also um die Durchführung von beruflicherWeiterbildung annehmen, es ist jedoch auch möglich, diese in allen anderen Bildungsbereichen einzusetzen, etwa in Schulen, Universitäten und Volkshochschulen. Im Rahmen dieser Arbeit interessiert vor allem jenes Handlungsfeld in dem berufliche Weiterbildung mit Hilfe von Bildungsmanagement durchgeführt wird.

Jedenfalls haben beide Begriffe eines gemeinsam: sie sind Handlungs- und zugleich Spannungsfelder aus politischen, pädagogischen und wirtschaftlichen Interessen. Bildung bekommt einen engen Bezug zu wirtschaftlichen Kriterien. Dementsprechend können Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung zusammenfassend als Bildungsbereiche mit starkem wirtschaftlichen Bezug oder als Bildungsbereiche im wirtschaftlichen Kontext bezeichnet werden. Weder in der Praxis noch aus wissenschaftlicher Sicht scheinen alle Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten einwandfrei geklärt und es ist nicht eindeutig, inwiefern sich welche Wissenschaft wo zuständig fühlt.

Auf der einen Seite stehen die Interessen der WirtschaftsvertreterInnen, die fordern, dass ihre MitarbeiterInnen durch qualitativ hochwertige Bildung, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erwerben. Auf der anderen Seite bezieht die Erziehungs- und Bildungswissenschaft Stellung, die sich, wie es scheint (und wie noch gezeigt werden soll), schwer tut, den eigenen Standort zu bestimmen. Einerseits ist die Chance verlockend sich auf einem spannenden und ungeheuer dynamischen Gebiet zu etablieren, andererseits gibt es durchaus begründete Vorbehalte sich zu engagieren: Verdrängt eine an ökonomischen Zielsetzungen orientierte Weiterbildung zunehmend den emanzipatorischen und aufklärerischen Strang der Weiterbildung? Wird eine kritische, an humanistisch-pädagogischen Idealen orientierte Haltung, seitens einer rein auf funktionale Bedürfnisse, zugeschnittene Bildung verdrängt? Und läuft die Pädagogik gar Gefahr zu einer Hilfswissenschaft der Pädagogik zu verkommen? Kaum einzumischen in die Beantwortung dieser Fragen scheint sich das politische Interessenslager, dessen VertreterInnen momentan hauptsächliches Anliegen zu sein scheint, für Weiterbildungsmaßnahmen möglichst wenig Verantwortung übernehmen und Geld ausgeben zu müssen.

Bei längerer Auseinandersetzung mit diesem Thema wird deutlich, dass die Beantwortung der oben gestellten Fragestellungen ein weiteres Ausholen verlangt. Es geht darum jenes Spannungsfeld, in dem Bildung mit starkem wirtschaftlichen Bezug stattfindet, eingehender zu beleuchten und zu klären um eigene Position, Orientierung und Antworten aus zahlreichen Möglichkeiten finden zu können. Damit ergibt sich der weitere Verlauf dieser Arbeit. Es geht um eine intensive, grundsätzliche Auseinandersetzung über Bildung im wirtschaftlichen Kontext, also um eine diskursive Auseinandersetzung zwischen den Positionen von VertreterInnen der Pädagogik und VertreterInnen der Betriebswirtschaft. Nicht zuletzt beschrieben sollen die Interessen jener Gruppe werden, die bei der Aufzählung von Ulrike Heuer (2001) in Kap 1.4 fast schon symptomatisch vergessen wurde: Es sind dies die eigentliche Zielgruppe der Bildung, jene Männer und Frauen die sich im Rahmen von beruflicher Weiterbildung weiterbilden oder weitergebildet werden, die sich erhoffen durch Bildung eine höhere Arbeitsplatzsicherheit, ein besseres Einkommen oder berufliche Aufstiegschancen zu erhalten, oder aber einfach nur mit ihrer gegenwärtigen Situation besser zurecht zu kommen.

3. Spannungsfelder

3.1 Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung als Spannungsfelder zwischen

pädagogischen Idealen und wirtschaftlichen Anforderungen

Welche Spannungsfelder sich auftun, wenn pädagogische Ziele und Ideale mit wirtschaftlichen Anforderungen auf dem Gebiet des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung aufeinander treffen, lässt sich nach den bisherigen Ausführungen bereits erkennen. Diese Spannungsfelder zu beschreiben und zu diskutieren, um sie letztendlich besser zu verstehen, ist wohl Voraussetzung für PädagogInnen, um die Spannungen zum Wohle aller Beteiligter zu entschärfen bzw. aufzulösen. Diese Auseinandersetzung kann aber auch genutzt werden, um auf gesellschaftlich erwünschte und unerwünschte Auswirkungen der Bildungsprozesse in diesem Spannungsfeld hinzuweisen, um so gestalterisch in gesellschaftliche Entwicklungen einzugreifen. Aus diesem Anliegen heraus, soll im Folgenden auf wesentliche, gemeinsame Aspekte der Spannungsfelder eingegangen werden. Wie bereits in Kap 1.1 beschrieben, treffen in diesen Spannungsfeldern drei maßgebliche Interessengruppen aufeinander, die auf Zielsetzung, Gestaltung und Durchführung dieser Bildungsmaßnahmen Einfluss nehmen wollen: VetreterInnen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft, VertreterInnen der Wirtschaft und VertreterInnen der Politik.

3.1.1 Einflüsse bzw. Interessen der Erwachsenenbildung

Seitens des pädagogischen Interessenlagers gibt es, diese Spannungsfelder betreffend, wohl mehrere Zugänge und Denkströmungen, da es innerhalb der pädagogischen Disziplin verschiedene Positionen mit verschiedenen Auffassungen gibt, die mehr oder weniger kritisch an diese Handlungsfelder herangehen. Auf diese verschiedenen Denktraditionen wird in Kap. 4 detaillierter eingegangen.

Ganz generell kann man jedoch wohl die Aufgaben und Interessen der PädagogInnen damit zusammenfassen, dass sie versuchen ihre Klientel beim Erwerb und Umsetzen von Wissen zu unterstützen. Dem individuellen Lernerfolg von Bildungsmaßnahmen wird zumeist ein größerer Wert beigemessen als deren Wirtschaftlichkeit, und der Begriff „soziale Verantwortung der Bildung“ hat wohl ein schwereres Gewicht als aus wirtschaftlicher Perspektive. Ulrike Heuer (2001) sieht das Hauptinteresse der WeiterbildnerInnen also darin, Bildungsprogramme zu konzipieren und Rahmenbedingungen in den besagten Spannungsfeldern so zu gestalten, dass durch Bildung „die persönliche Entfaltung der TeilnehmerInnen gefördert wird, sodass sie ihre Fähigkeiten in … Gestaltungskraft umsetzen können, unter der Prämisse von sozialer Verantwortung“ (Heuer 2001, S. 14).

Heuer (2001) definiert grundsätzlich zwei historische Stränge der Lehr- und Lernkulturvertreter, die, mehr oder weniger ausgeprägt, bis heute pädagogische Zielsetzungen und Vorstellungen bezüglich der Weiterbildung prägen (Heuer 2001, S. 16f):

Der erste Strang ist „die Lehr- und Lernkultur mit emanzipatorischem Anspruch. Der dringliche Wunsch nach mehr Sorgfalt in der industriellen Produktion bzw. im Umgang mit der Natur und der Wunsch nach Geschlechtergerechtigkeit waren Motoren der Entwicklung“ dieses Stranges. Der erwachsene Mensch soll demnach emanzipiert werden, entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen bzw. auch einzufordern. Veränderungen der Gesellschaft im emanzipatorischen Sinn werden „gefördert und gefordert“.

Der zweite Strang ist eine „Lehr-/Lernkultur zur Modernisierung der Gesellschaft“. Moderne Kommunikations- und Informationsmedien, sowie wirtschaftliche Konzepte der Humanressource, sind „Triebkräfte dieser Lehr-/Lernkultur“. Die Entwicklung dieses Stranges geht mit der „spürbaren Veränderung der Arbeits- und Lebenswelt seit Mitte der 1980er Jahre (neue Technologie im Arbeitseinsatz, sowie neue Arbeitsorganisation und veränderte Lebensweisen)“ einher.

Es scheint, dass der zweite Strang die Bildungskultur der beruflichen Weiterbildung und des Bildungsmanagements zu dominiert. Zahlreiche pädagogische AutorInnen sehen den emanzipatorischen Anspruch von Bildung in diesem Bereich als gefährdet. Elke Gruber (1997) hilft jenes prekäre Spannungsverhältnis zu verdeutlichen „in dem sich seit der Aufklärung Bildung, vor allem berufliche Bildung immer bewegt hat und noch bewegt: Nämlich einerseits für den jeweiligen Arbeitsmarkt zu qualifizieren, d.h. Menschen vor allem brauchbar zu machen und anderseits einen Beitrag zur individuellen Menschenbildung, als Freiheit zu Urteil und Kritik zu leisten“ (Gruber 1997, S. 11). Bezüglich beruflicher Weiterbildung wirkt dieser Sachverhalt noch dramatischer: Kann überhaupt etwas anderes seitens der wirtschaftlichen Auftraggeber interessieren, als Menschen brauchbar zu machen? Ist individuelle Menschenbildung, die zu ungebundenem Urteil und freier Kritik befähigt, denn überhaupt erstrebenswert? Werner Lenz (1995) nähert sich diesem Sachverhalt aus seiner Sicht wie folgt und befürchtet: „Unter dem ökonomischen Diktat, dass sich gegen Ende dieses Jahrhunderts immer mehr hervorkehrt, zeigt sich Bildung nicht mehr als Träger von Humanisierung und Aufklärung sondern als zweckrationale, systemerhaltende Einrichtung[2] “ (Lenz 1995, S. 14).

Oskar Negt (2001) scheint emanzipatorische Bildung im Spannungsfeld Bildung, Wirtschaft und Politik vollends als Verlierer zu sehen: „…noch nie in der Geschichte hat es eine so enge, dürftige, offizielle Definiton des Menschen gegeben wie heute: abgemagert, um seine Potentiale, seine Fähigkeiten gebracht. Er soll sich nicht ausruhen in der Bildung, Muße und Mußefähigkeit entwickeln, sondern sich schnell umbilden, flexibel sein, vergessen können, was er gestern gedacht hat“ (Negt 2001, S. 321). „Die vorherrschende ökonomische Ideologie definiert einen universell verfügbaren Menschen…Die Menschen verhalten sich systemgerecht nur, wenn sie bereitwillig und mit befriedigtem Gesichtsausdruck um die Sonne des Kapitals kreisen“ (Negt 2001, S. 320).

Im pädagogischen Lager scheint also vor allem aus der Sicht der kritischen Erziehungs- und Bildungswissenschaft viel Skepsis gegenüber dem Zusammentreffen von Bildung und Wirtschaft zu herrschen, wenn es gilt Bildungsprozesse zu konzipieren und durchzuführen, die letztendlich (betriebs-)wirtschaftliche Ziele verfolgen bzw. von solchen stark mitdeterminiert werden. Vorrangig ist die Sorge der PädagoInnen festzuhalten, dass wenn ausschließlich ein vordergründiger Kosten-Nutzen-Faktor über die Durchführung von Bildungsmaßnahmen entscheidet, die Gefahr im Raum steht, dass wichtige pädagogische, emanzipatorische Ziele der Erwachsenenbildung als bedeutungslos angesehen werden und mangels wirtschaftlicher Verwertbarkeit nicht mehr verfolgt werden. „Was keinen ökonomischen Nutzen oder keine gewinnbringende Verwertung verspricht, findet wenig Rückhalt…“ (Lenz 1995. S. 10).

3.1.2 Einflüsse bzw. Interessen der Wirtschaft

Im Gegensatz zur Erziehungs- und Bildungswissenschaft ließen sich die Betriebswirtschaftslehre und die Managementwissenschaft von Wertediskussionen und pädagogischen Bedenken weit weniger verunsichern, „was zur Folge hatte, dass sich Bildungsmanagement als Begriff und Forschungsgebiet sehr viel leichter und erfolgreicher in der Betriebswirtschaftslehre als in der Pädagogik durchsetzen konnte“ (Geißler, 1994. S. 263).

Aus Sicht des wirtschaftlichen Interessenlagers soll Bildung vor allem profitabel sein, effizient sein und möglichst wenig Zeit und Geld kosten.

„Bildungsinvestitionen in das Humankapital wurden zur betriebswirtschaftlichen Größe“ und Bildung zu einem Investitionsgut, das sich „individuell, betrieblich und gesellschaftlich rentieren muss, indem es kurz- oder langfristig Gewinne verspricht (Gruber 1997, S. 280). Da Bildung tatsächlich wirtschaftliche Gewinne versprach und verspricht, wurden und werden – jenseits aller pädagogischen Bedenken – berufliche Weiterbildung und Management von Bildung im Unternehmen, von Unternehmen als Wettbewerbsvorteil erkannt und durchgeführt. Berufliche Weiterbildung wurde in vielen Unternehmen in Form von Personal- und Organisationsentwicklung oder auch als Wissens- und Informationsmanagement integriert (vgl. Merk 1998, S. 7).

Auch in anderen Bildungsbereichen, wie in NPO´s, Behörden oder auch Schulen wurde und wird Bildung zunehmend auch zu einer wirtschaftlichen Angelegenheit. Es wird versucht und verlangt, dass Bildungsprozesse vermehrt auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht werden. Durch die starke Betonung der wirtschaftlichen Komponente entwickelte sich zunehmend die „Aus- und Weiterbildung … von einer rein pädagogischen Aktivität zum Bildungsmanagement“ (Decker 2000, S. 12), was unter anderem dazu geführt hat, dass die Managementkomponente und wirtschaftliche Durchführung der Bildung professioneller wurde. Damit einher geht das Interesse und der Versuch des wirtschaftlichen Interessenlagers, Bildungsprozesse nach ökonomischen Kriterien messbar, kontrollierbar und evaluierbar zu machen. Denn wenn Bildung ökonomisch effizient gestaltet und eingesetzt werden will, muss sie in Form von betriebswirtschaftlichen Größen, also in Kennzahlen ausgedrückt und beschrieben werden. Ob die pädagogische Qualität der Bildungsmaßnahmen damit ebenfalls professioneller geworden ist, ist fraglich.

[...]


[1] Es ist momentan jedoch vermehrt zu beobachten, dass auch Fördergelder zunehmend durch private Vergabestellen vergeben werden, d.h. private Unternehmen werden mit der Vergabe und Administration der Fördergelder nach vorgegebenen Richtlinien betraut.

[2] Im Allgemeinen bezieht Lenz seine Meinung auf das Verhältnis von Bildung und Wirtschaft im allgemeinen und noch nicht explizit auf berufliche Weiterbildung. Sein Kommentar soll jedoch helfen jenes Spannungsfeld zu verdeutlichen, in dem sich diese Arbeit bewegt.

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Menschenbilder als Bezugssysteme für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
95
Katalognummer
V115737
ISBN (eBook)
9783640171002
ISBN (Buch)
9783640172856
Dateigröße
702 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Geeignet für interdisziplinär interessierte LeserInnen, v.a. aus den Wissensfeldern Pädagogik, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Philosophie.
Schlagworte
Menschenbilder, Bezugssysteme, Konzepte, Bildungsmanagements, Weiterbildung
Arbeit zitieren
Mag. Christoph Mauthner (Autor:in), 2003, Menschenbilder als Bezugssysteme für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115737

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