Value at Risk. Konzept zur Messung von Risiken


Seminararbeit, 2008

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1 Überblick
1.2 Geschichte

2. Das Konzept des Value at Risk
2.1 Was ist der Value at Risk?
2.2 Methodik des Value at Risk

3. Praktische Umsetzung des Value at Risk
3.1 Übersicht der Methoden zur Value at Risk-Ermittlung
3.2 Die Methoden und deren Aufbau
3.2.1 Einführungsbeispiel
3.2.2 Varianz-Kovarianz-Methode
3.2.3 Maximum-Loss-Verfahren
3.2.4 Historische Simulation
3.2.5 Monte-Carlo-Simulation
3.2.6 Factor Push
3.3 Die Methoden im Vergleich
3.4 Aggregation zum Gesamt-Value at Risk
3.5 Die Determinanten des Value at Risk

4. Das Risikomaß in der Praxis
4.1 Anwendungen des Value at Risk
4.2 Vergleichende Studien
4.2.1 Group of Thirty
4.2.2 Deloitte-Studie 2007
4.3 Value at Risk in Geschäftsberichten

5. Kritik und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Überblick

Risikomanagement spielt eine große Rolle bei allen Aktivitäten auf den Finanzmärkten. Diese wachsen durch fortschreitende Globalisierung immer weiter zusammen, wodurch die internationale Konkurrenz weltweit ansteigt. Bei steigenden Volumina sinken die Gewinnmargen und erfordern somit eine erhöhte Umschlaggeschwindigkeit der Finanzprodukte, um die Erträge zu stabilisieren und – wenn möglich – zu erhöhen. Damit steigen die Risiken, die jedes Geschäft mit sich bringen und jedes involvierte Unternehmen ist bestrebt, diese Risikozunahme systematisch zu kontrollieren und zu steuern. Spätestens seit der Finanzkrise in den frühen Neunzigern, die für zahlreiche Unternehmen das Ende bedeutete, weiß man, dass astronomische Verluste durch schlechte Überwachung und schlechtes Management von finanziellen Risiken drohen.

Bei Inkaufnahme eines Risikos, was Voraussetzung für eine gebührende Kapital- Performance ist, kann ein vollkommenes Ausbleiben der Konsequenzen bei Risikoeintritt nicht verhindert werden. Im Risikocontrolling spielt die Feststellung dieses Risikopotenzials eine zentrale Position, da ein Unternehmen sicherstellen muss, dass etwaig auftretende Verluste auch gedeckt werden können. Der Value at Risk erfasst dieses Risikopotenzial und ermöglicht seinen Betrachtern, die Marktrisiken zu messen, zu steuern und zu kontrollieren.

1.2 Geschichte

Die Verbreitung des Value at Risk wurde von der amerikanischen Investmentbank J.P. Morgan in den USA aufgrund ihrer Veröffentlichung der RiskMetrics im Jahr 1994 weit vorangetrieben, doch bereits viele Jahre zuvor – in den Siebzigern – arbeiteten amerikanische Handelsbanken mit Risikomaßen sehr ähnlicher Statur, um ihre Handelsrisiken zu messen. Bereits 1993 wurde die Value at Risk-Methode in einer von der Group of Thirty (vgl. Kapitel 4.2.1) publizierten Studie im Bereich der Marktrisiken zur „best practice“ ernannt.

Er bildete sich schnell unter großem Lob von vielen Seiten zum Standardrisikomaß im Finanzsektor bei U.S. amerikanischen Unternehmen heraus. Heute gehört dieses Risikomaß auch in Deutschland trotz einiger Kritiker zum Usus. Den Durchbruch erzielte der Value at Risk in Deutschland mit der Anerkennung als internes Maß zur Marktrisikomessung für Banken durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).1

Nach dem großen Anklang bei den Finanzdienstleistungsunternehmen breitete sich seine Nutzung inzwischen auch auf andere Branchen (z.B. Industrie- und Handelsunternehmen) zur Messung meist finanzwirtschaftlicher Risiken aus und selbst der Bankenaufsicht dient der Value at Risk als Form der Berichterstattung durch die Banken.

2. Das Konzept des Value at Risk

2.1 Was ist der Value at Risk?

Der englische Begriff „Value at Risk“ bedeutet übersetzt „Wert im Risiko“ und beschreibt ein Maß zur Quantifizierung eines Risikos einer Position oder eines ganzen Portfolios. Mit diesem Konzept lassen sich realitätsnahe Risikopotenziale abschätzen und, wenn gewünscht, in einem einzigen Verlustwert wiedergeben. Man muss auf Schätzungen zurückgreifen, da Zufallsereignisse der Umwelt oder der Finanzmärkte in der Zukunft nicht bestimmbar und außergewöhnlich verheerende Vorfälle möglich sind, die ein Unternehmen bis in den Bankrott treiben können. Man betrachtet, anders ausgedrückt, gewöhnliche Marktbedingungen. Der Value at Risk stellt unter der Annahme eines Konfidenzniveaus den Schwellenwert dar, der übereinstimmend mit dieser Annahme während der Haltedauer nicht überschritten wird, wenn das in Kauf genommene Risiko eintritt. Folglich bleibt ein Restrisiko (je nach Konfidenzniveau und Schätzungsgenauigkeit), dass der berechnete Wert doch überschritten wird.

Wenn beispielsweise der Value at Risk eines Portfolios mit einem Konfidenzniveau von 99 Prozent und einer Halteperiode von einem Handelstag bestimmt wurde, so gibt dieser Wert an, welchen Verlust das Portfolio oder die Risikoposition in 99 Prozent der Fälle innerhalb eines Tages statistisch gesehen maximal generieren kann.2 Folglich existiert zu jedem Konfidenzniveau genau ein Value at Risk bei konstanter Halteperiode und unveränderter Portfoliozusammensetzung.3

Definition:

„Wird eine Wahrscheinlichkeit x und eine Halteperiode von t Tagen zugrundegelegt, so ist der Value at Risk einer offenen Position der Verlust, der nur mit einer Wahrscheinlichkeit von x Prozent innerhalb der nächsten t Tage überschritten wird.“4

Somit erhält der Value at Risk vier unabdingbare Eigenschaften:5

I. Es handelt sich um Geldeinheiten (in der gewünschten Währung)
II. Er besitzt eine Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau)
III. Er erstreckt sich über eine festgelegte Zeit (Haltedauer / Zeithorizont)
IV. die absolute Wertänderung wird statistisch nicht überschritten (Verlustmaximum)

Beim Value at Risk wird unterstellt, dass die Struktur der einzelnen Position oder des Portfolios während der Halteperiode unverändert bleibt. Die Tageanzahl der festgelegten Haltedauer ist unterschiedlich. So wird in Finanzdienstleistungsunternehmen eine Haltedauer von einem oder wenigen Tagen angenommen, während andere Unternehmen unter Einhaltung gesetzlicher Vorschriften längere Perioden wählen. Die bestimmten Wahrscheinlichkeiten variieren leicht, halten sich aber meist in einem Bereich zwischen 95 und 99 Prozent auf. Wichtig ist, dass die der Berechnung zugeführten Parameter in die Betrachtung mit einbezogen werden, da der Value at Risk isoliert beurteilt nicht besonders aussagekräftig ist.

α-Quantil

Statistisch gesehen geht der Value at Risk von einem α-Quantil aus. Dieses Quantil wird durch das gewählte Konfidenzniveau bestimmt. Wird eine Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent gefordert, so beträgt das α-Quantil einem Prozent (= 1 – 99 %) und bezeichnet die dunkel markierte Fläche in der Abbildung 1. Diese Fläche unterhalb der Dichtefunktion f(x) (vgl. Abbildung 1) erstreckt sich entlang der Abszissenachse (die sog. x-Achse) von -∞ bis zum Produkt aus z-Wert und der Standardabweichung σ dieser Dichtefunktion. Die Ergebnisfläche des Value at Risk liegt unterhalb der Dichtefunktion f(x) zwischen der oberen Grenze des α-Quantils und x = 0. Folglich geht man bei der Risikobewertung davon aus, dass die potenziellen Wertänderungen des betrachteten Portfolios während der Haltedauer wahrscheinlichkeitskonform außerhalb des α-Quantils anzufinden sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Dichtefunktion der Normalverteilung mit ausgewähltem α-Quantil Quelle: Meyer, C., 1999, S. 29

z-Wert

Für die Wahl des Quantils wird häufig aus analytischen Gründen ein z-Wert der Standardnormalverteilung genutzt. Er drückt den Abstand zur kritischen Stelle des α

–Quantils der Normalverteilung aus, wenn man die Standardabweichung mit dem zum einseitigen Konfidenzniveau übereinstimmenden Faktor z α multipliziert. Zu jedem sog. z-Wert existiert ein Konfidenzniveau und umgekehrt:

Aus dieser allgemeinen Beschreibung lässt sich die Formel zur Berechnung des Value at Risk bei einer Normalverteilung erstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Methodik des Value at Risk

Das Vorgehen bei der Ermittlung des Value at Risk lässt sich in folgende Schritte zusammenfassen:

- Portfoliostrukturanalyse und Risikofaktoridentifikation
- Modellierung des Marktes
- Verhaltensbeschreibung der Risikofaktoren
- Statistische Ermittlung des Value at Risk

Portfoliostrukturanalyse und Risikofaktoridentifikation

Portfolios bestehen meist aus mehreren Finanzinstrumenten und können sehr stark in Charakter und Volumen variieren. Deswegen ist es sinnvoll, das Bündel in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen und damit die Komplexität herabzusetzen, um es besser und vor allem genauer untersuchen zu können. Von größter Bedeutung ist es, herauszufinden, welche Positionen linearen und welche nichtlinearen Charakter besitzen, da vor allem diese Eigenschaft die Wahl der Berechnungsmethode beeinflusst.

Nachdem die Portfoliozusammensetzung erkannt wurde, muss nun das darauf einwirkende Marktrisiko bestimmt werden, da es zu Preisschwankungen des Portfoliowertes im Zeitablauf führt. Der Markt wird durch mehrere Risikofaktoren beeinflusst, welche in primäre und sekundäre Marktrisiken unterteilt werden können. Zu den primären Risiken am Markt gehören das Zinsänderungs-, das Aktienkurs-, das Fremdwährungs- und das Rohwarenpreisrisiko. Zu den sekundären Preisrisiken werden das Spread-, das Basisrisiko und Greeks zugeordnet. Neben dem Marktrisiko existieren noch andere, wie Kredit-, Liquiditäts- und operationelle Risiken. In größeren Risikomanagementsystemen werden diese Risiken und das Marktrisiko separat festgestellt, beleuchtet und im Anschluss aggregiert (vgl. Kapitel 3.4).6In dieser Arbeit soll lediglich das Marktrisiko betrachtet werden.

Modellierung des Marktes

Die primären und sekundären Marktrisiken bestimmen die Preise am Markt. Der Value at Risk versucht, den Werdegang des Marktes abzubilden, um die Wertentwicklung des Basisportfolios prognostizieren zu können. Da die zukünftige Marktentwicklung nicht vorhersehbar ist, versucht man die zufällige Wertänderung mit stochastischen Modellen wiederzugeben (z. B. der Random Walk).7 Es wird außerdem versucht, mit einer Sensitivitätsanalyse die Reaktionsstärke des Portfolios auf Marktpreisschwankungen vorauszuahnen.

Verhaltensbeschreibung der Risikofaktoren

Die Risikofaktoren verursachen Schwankungen im Wert der Anlage. Je riskanter die einzelnen Positionen des Bündels, umso mehr können die Tageswerte des Portfolios von dem Basiswert im Laufe der Zeit abweichen. Diese Schwankungsintensität um den Mittelwert herum wird in der Volatilität ausgedrückt, die sich aus der Standardabweichung und dem ursprünglichen Portfoliowert errechnet. Portfolio Basiswert Betrachtet man mehr als eine Position, sind alle den Marktrisiken gleichzeitig ausgesetzt. Folglich verändern sich sämtliche Portfolioelemente im Zeitablauf und erzeugen eine Varianz (σ ²). Das gleichzeitige Verhalten kann in einer Kovarianz- Matrix abgebildet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Statistische Ermittlung des Value at Risk

Letztendlich wird der Zielwert berechnet. Mit der vorher modellierten Verteilung als Grundlage bestimmt das gewählte Konfidenzniveau das α-Quantil und damit den Schwellenwert der Verteilung. Das Ergebnis ist der annahmekonforme Geldwert, der dem Portfolio in der betrachteten Zeit wahrscheinlichkeitsgetreu maximal verloren geht.

3. Praktische Umsetzung des Value at Risk

3.1 Übersicht der Methoden zur Value at Risk-Ermittlung

Seit seiner Einführung wurden zahlreiche unterschiedliche Modelle entwickelt, um den Value at Risk zu bestimmen. Der Basisgedanke – das Bestimmen einer Wahrscheinlichkeit zur Berechnung des Verlustpotenzials – blieb allerdings bei allen Ansätzen erhalten. Die Gemeinsamkeit aller Verfahren besteht in dem Ziel, über möglichst exakte und realitätsnahe Einzelrisikobestimmungen zum Gesamtrisiko zu kommen.8Unterteilt werden die Value at Risk-Berechnungsmethoden in drei Klassen: die analytischen Modelle, Vollbewertungsverfahren und die Maximum- Verfahren.

Abb. 3: schematische Darstellung möglicher Value at Risk-Verfahren Quelle: Kohlhof, J. / Colina, G., 2000, S. 64, aus Hodler, B., 1999, S. 30

Das analytische Verfahren, die Varianz-Kovarianz-Methode, lässt sich in drei weitere Ansätze unterteilen, die an dieser Stelle nur genannt werden sollen: die Risk-Metrics- Methode von J. P. Morgan, die Delta-Normal-Methode und die Delta-Gamma- Approximation. Sie stützen sich auf die Annahme, dass die Größen, die die Marktwerte einzelner Risikopositionen beeinflussen, theoretisch normalverteilt sind. Die Vollberwertungsverfahren greifen auf empirische Werte oder simulierte Verteilungshäufigkeiten zurück. Maximum-Verfahren simulieren ein worst-case- Szenario, indem es beschränkte Optimierungsprobleme löst. Der Verlust dieses Szenarios ist das quantifizierte Risiko.9

[...]


1 Meyer, C., 1999, S. 17

2 Peterl, F., 2002, S. 26, zit. nach Biermann, 1998, S. 15 ff

3 Peterl, F., 2002, S. 26

4 Peterl, F., 2002, S. 27, zit. nach Linsmeier/Pearson, 1996, S. 4 ff

6 Kohlhof, J. / Colina, G., 2000, S. 38, aus Hodler, B., 1999, S. 18

7 Kohlhof, J. / Colina, G., 2000, S. 38, aus Hodler, B., 1999, S. 45 ff.

8 Schierenbeck, H., 2003, S. 73

9 Kohlhof, J. / Colina, G., 2000, S. 65

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Value at Risk. Konzept zur Messung von Risiken
Hochschule
Hochschule Wismar  (Controlling)
Veranstaltung
Risikomanagement
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V115853
ISBN (eBook)
9783640173587
ISBN (Buch)
9783640190737
Dateigröße
870 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Value, Risk, Risikomanagement, Monte-Carlo-Simulation, Historische Simulation, Varianz-Kovarianz-Methode, Risikomaß, Gesamt-Value at Risk
Arbeit zitieren
Christian Pohanka (Autor:in), 2008, Value at Risk. Konzept zur Messung von Risiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115853

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