Medea - Filmanalyse zu "Der Schlaf der Vernunft"


Seminararbeit, 2006

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Entstehung des Filmes
1. Der Inhalt
2. Die Intention von Ula öckl
3. Die Figur der Dea = Medea

III. Deas Rache: Traum oder Wirklichkeit?
1. Traum im Film
2. Indizien eines Traum
3. Realität oder Fantasie? Wirkung auf den Zuschauer

IV. Technische Umsetzung
1. Die Vergangenheit
2. Der hnitt als Assoziation
3. Die metaphorische oder vergleichende Bildsprache
4. Das akustische Leitmotiv
5. Black & White Heads

V. Resümee

I. Einleitung

Bei dem Drama Schlaf der Vernunft - eine moderne Adaption des Medea-Stoffs - fungierte Ula Stöckl sowohl als Drehbuchautorin als auch als Regisseurin. Der Film wurde von der Ula Stöckl Filmproduktion, der Common Film Produktion gemeinsam mit dem ZDF produziert und von Ula Stöckl zwischen 1983 und 1984 in Schwarzweiß auf 35 mm gedreht. Unabhängig von den Kinovorführungen sowie den zahlreichen Festivalbeteiligungen wurde der Film vom ZDF am 24.März.1986 für das breite Publikum erstmals ausgestrahlt. Die Originallänge beträgt 82 Minuten, die der Analyse vorgelegte DVD-Fassung entspricht allerdings einer Spielzeit von ca. 78 Minuten, weshalb Werte innerhalb der Analyse auf diese Zeit bezogen werden müssen (vgl. Tabelle 2, Anhang). Exemplarische Darlegungen bezüglich einiger Filmabschnitte innerhalb meiner Arbeit liegen dem auf der DVD-Fassung aufbauenden, selbsterstellten Sequenzprotokoll (siehe Tabelle 3, Anhang) zugrunde. Das gesamte Filmwerk setzt sich aus einer Reihe einzelner Subsequenzen zusammen, wobei jede Subsequenz als eine eigenständige Handlungseinheit angesehen wird, welche beispielsweise durch einen Ortswechsel oder einer veränderten Figurenkonstellation bestimmt wird (vgl. Hickethier, 1996, S. 38). Das Protokoll selbst ist in einzelne Kapitel untergliedert, welche sich wiederum in einzelne Subsequenzen (S) mit fortlaufender Nummerierung unterteilen. Ebenfalls wird die Anzahl der Einstellungen (E) pro Subsequenz festgehalten und ein kurzer Überblick über das Handlungsgeschehen gegeben.

Die Resonanz beim Publikum und die Lobeshymnen der Filmkritiker waren überwältigend und so nahm der Schlaf der Vernunft an über zwanzig Filmfestspielen und Festivals (vgl. Tabelle 1, Anhang) weltweit Teil und wurde auch mit diversen Sprachen untertitelt. Mit ihrer modernen Kino/ Fernseh- Adaption des Medea-Stoffs gewann Ula Stöckl 1984 schließlich den Deutschen Filmpreis und den Preis der deutschen Filmkritik.

In meiner folgenden Arbeit werde ich auf die Entstehungsgeschichte von der Schlaf der Vernunft eingehen und wie Ula Stöckl den Medea-Stoff in einer modernen Version für die Leinwand adaptiert hat. Des Weiteren führe ich an, welche besondere Rolle die Darstellung der Morde als Rachephantasie beziehungsweise als Traumsequenz spielen. Abschließend gehe ich darauf ein, welche außer- gewöhnlichen sowie konventionellen Methoden und Schnitttechniken Stöckl benutzt, um aus dem Schlaf der Vernunft ein sehenswertes Fernseherlebnis zu machen.

II. Die Entstehung des Filmes

1. Inhalt

Dr. Dea Jannsen, eine Frauenärztin und Wissenschaftlerin, führt schon lange Zeit mit ihren Mitarbeitern einen Feldzug gegen den örtlichen Arzneimittelkonzern Mondeal (Konzernchef = Karl Erdmann), da dessen Produkte, insbesondere die Verhütungspille, verheerende Nebenwirkungen wie Krebs verursachen können.

Dabei vertreten Dea und ihr Mann Reinhard - ebenfalls ein Wissenschaftler - unterschiedliche Meinungen gegenüber der Firma, da dieser dort in leitender Position tätig ist. Der Kampf gegen den Konzernchef Erdmann ist allerdings nicht ihr einziges Problem, da seit einigen Tagen die Steuerfahndung in Deas Wohnung die Bücher prüft. Während der Jahre wurde Johanna, die Tochter des Konzernchefs, Deas Assistentin sowie Reinhards heimliche Geliebte.

Dea lebt in ihrer Wohnung mit ihrer Mutter, einer alten Italienerin, die noch mehr als sie auf die alten Prinzipien und Konventionen schwört, sowie mit ihren beiden Töchtern Georgia und Laura, die gegen ihre Mutter immer mehr aufbegehren, weil sie einen ganz anderen moderneren Lebensstil pflegen wollen.

Deas Alltag ist aber noch von weiteren Katastrophen gekennzeichnet und je mehr Dea von ihrem Mann, ihren Kindern, ihrer Freundin und anderen verletzt, hintergangen und in die Ecke gedrängt wird, umso mehr gelangt sie zu dem Entschluss, dass sie sich aus dieser Misere nur durch radikale und aggressive Veränderungen befreien kann, welche sie daraufhin in ihrer Traum- oder Fantasiewelt auslebt und in die Realität umsetzt.

2. Die Intention von Ula Stöckl

Ula Stöckl, die Regisseurin und Drehbuchautorin war schon immer vom Medea-Stoff fasziniert.

So war auch schon der Film Das goldene Ding (1971) - eine Verfilmung der Argonautensage - von ihr mit geschrieben sowie mit produziert worden. Im selbigen sehen wir auch im Abspann den Schriftzug: „Ende Teil I“. Definitiv wurde hierzu kein zweiter Teil produziert, allerdings sind im Schlaf der Vernunft, wenn die Kamera einen Fernseher im Film einfängt, einzelne Szenen aus Das goldenen Ding zu erkennen. Nun könnte man hier rein spekulativ eine Interpretation dahingehend ansteuern, dass sich Das goldene Ding in der Darstellung schon weit vom Mythischen entfernt hat und so könnte man sagen, dass der Schlaf der Vernunft nun noch einen Schritt weiter geht, denn es handelt sich hier um einen radikalen Bruch mit allem Mythischen und wir sehen den Medea-Stoff in einer reinen, modernen Profanität.

Wie auch immer war der Ausgangspunkt für Schlaf der Vernunft ebenfalls ein Medea-Projekt. Das Fernsehen, genauer das Zweite Deutsche Fernsehen, wollte jedoch anfangs nicht mitproduzieren und so ging Ula Stöckl einen Kompromiss ein, da es für sie nicht wichtig war, dass sie Medea heißt und er Jason.

Somit konstruierte sie also eine Geschichte mit den Protagonisten Dea und Reinhard Jannsen, die aber unter der Schreibtischvorlage identisch blieb mit dem, was sie sich vorstellte, was in der alten Medea-Vorlage in einer heutigen, modernen Version vorkommen soll (vgl Goethe-Institut, WWW-Dokument, „Der Schlaf der Vernunft“).

In der ursprünglichen, mythologischen Figur Medea sieht Ula Stöckl eine Frau, die einst eine Königin war und die gegenüber den weltlichen Machtstrukturen ebensoviel zu vergeben oder zu gewinnen hatte wie Jason.

„Und aus Liebe zu einem Mann hat sie alles, was sie zur Königin gemacht hat, zurückgelassen [...]“ (Tast/ Zerrath/ Magoulas-Frahm, 1986, S.184).

Ula Stöckl transferierte diesen Stoff auf die heutige Zeit und auf die moderne Frau, die sich nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, als der Vater noch für die Tochter bestimmt hat und wie der Ehemann dann diese Machtstrukturen übernommen hat. Sie wollte eine Frau zeigen beziehungsweise die Probleme einer Frau darstellen, die sich aus einer erkämpften, neugewonnenen Unabhängigkeit ergeben und wie schwierig es ist, sich in dieser neuen Selbstständigkeit auch noch wohl zu fühlen (vgl Goethe-Institut, WWW-Dokument, „Der Schlaf der Vernunft“).

Ula Stöckl sagte dazu: „Warum hängen Frauen denn so sehr an ihrer Abhängigkeit? Weil sie sich in der Unabhängigkeit erst mal wie auf dem Mond fühlen.“ (Goethe- Institut, WWW-Dokument, „Der Schlaf der Vernunft“).

3. Die Figur der Dea = Medea

Die Protagonistin Dea bietet während des gesamten Films mit den meisten Nah- und Großaufnahmen die größtmögliche Identifikationsmöglichkeit für den Filmrezipienten (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1: Exemplarische Einstellungsverteilung (Anzahl der verschieden Einstellungen pro Person):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Darstellung Deas als Italienerin lässt sich in gewisser Weise mit den literarischen Medea-Vorlagen als die ‚Barbarin’ vergleichen. Des weiteren lebt sie wie Medea in einem fremden Land und auch ihr Jason (= Reinhard) verlässt sie einer Jüngeren (= Johanna) wegen, die von seinem Geblüt ist. Fern von ihrem Heimatland erfährt sie wie Medea Missgunst, Bosheit und steht dem intriganten ‚Volk’ als die ungeliebte ‚Barbarin’ gegenüber. Dies wird deutlich anhand des Konflikts mit dem Konzernchef Erdmann, welcher Dea sogar eine größere Summe Geld bietet, wenn sie das Land für immer verlassen würde. Weitere Indizien findet man in den Szenen mit der Steuerfahndung und der daraus resultierenden Anklage Deas sowie bei den revoltierenden Ausbrüchen ihrer älteren Tochter Georgia.

Signifikant im Schlaf der Vernunft ist allerdings, dass fast 89 % der Handlung in Deas Räumlichkeiten beziehungsweise Praxis spielen (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Handlungsort in %

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das heißt, Dea ist einerseits der ungeliebte Feind in einem fremden Land, andererseits begegnen ihr der Betrug ihres Mannes, die Anklage wegen Steuerhinterziehung sowie die Revolten der Töchter in ihren eigenen Räumlichkeiten und somit doch in Deas ‚Welt’. Auch die Mordszenen, außer die surreale Tötung Johannas, welche örtlich nur als Gewächshaus zu identifizieren ist (S 34), finden ebenfalls in Deas ‚Welt’ statt. In gewisser Weise ist Dea somit nicht nur der Feind in einem fremden Land, sondern ist auch ungeliebt in ihrer eigenen ‚Welt’ und wird dort hintergangen, betrogen und in die Ecke gedrängt. Um sich aus dieser Bredouille zu befreien und um in ihrer ‚Welt’ wieder glücklich und selbständig zu werden, muss sie dort auch zur Täterin werden.

Dargestellt wird die Protagonistin anfangs als die moderne Karrierefrau mit typisch feministischen Eigenschaften. Dies sehen wir beispielsweise durch Deas Einfühlungsvermögen bei einer Patientin, der durch einen medizinischen Eingriff unwissentlich die Eierstöcke entfernt wurden (S 17). Auch in der anfänglichen Traumsequenz verarbeitet sie Reinhards Betrug mit den typisch weiblichen Attributen wie lieb, sanftmütig, gefühlsbetont etc.. Erst im Wandel des Gesprächs und somit der Traumsequenz wird mit dem konventionellen Bild einer Frau gebrochen. Die Protagonistin nähert sich eher dem männlichen Bild der Gesellschaft an. Sie wird als rachsüchtig und ungewohnt gewalttätig für eine Frau dargestellt, deren Aggressionen in Mord- und Todschlag enden.

III. Deas Rache: Traum oder Wirklichkeit?

1. Traum im Film

Den Titel des Films, der auf Goyas Radierung Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer anspielt, hat Ula Stöckl auch zum ästhetischen Motto genommen.

Sie sagt selbst, dass sie stark von der Malerei beeinflusst wurde, insbesondere von den Surrealisten, von welchen sie ursprünglich auch in ihrem Drehbuch einige Zitate eingebaut hatte, welche im Film aber durch die Bildmontage doch verändert wurden (vgl Goethe-Institut, WWW-Dokument, „Der Schlaf der Vernunft“).

Für die Filmemacher allgemein hat sich durch ihr Medium und durch ihre gestalterischen Intentionen auch eine neue Möglichkeit der Illustration ergeben, die außerhalb der Leinwand nicht in dieser Form darstellbar wäre, die Fantasie oder das Surreale, was innerhalb einer Produktion oftmals eine zentrale Rolle spielt, sobald dies Verwendung findet. Unter dem Terminus Fantasie lassen sich unter dem filmischen Gesichtspunkt

„[...] alle diejenigen vorwiegend visuellen Erlebnisse zusammenfassen, die, ob sie nun bewusst imaginiert sind oder für real gehalten werden, Welten jenseits der eigentlichen Kamera-Realität angehören – das Übernatürliche, Visionen aller Art, poetische Bilder, Halluzinationen, Träume usw.“ (Kracauer, 1964, S.121).

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Medea - Filmanalyse zu "Der Schlaf der Vernunft"
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V119882
ISBN (eBook)
9783640236565
ISBN (Buch)
9783640238569
Dateigröße
932 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medea, Filmanalyse, Schlaf, Vernunft
Arbeit zitieren
Richard Biller (Autor:in), 2006, Medea - Filmanalyse zu "Der Schlaf der Vernunft", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119882

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