Erlebnispädagogik in der Berufsschule

Der Hochseilgarten als Medium für die Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz


Examensarbeit, 2008

126 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

Vorwort

1. Das Erlebnis
1.1 Die inflationäre Nutzung des Begriffes „Erlebnis“
1.2 Ein Defintionsversuch des Erlebnisbegriffes
1.2.1 Alltägliche und außergewöhnliche Erlebnisse
1.2.2 Die soziologische Sicht auf den Begriff Erlebnis
1.2.3 Die psychologische Sicht auf den Begriff Erlebnis
1.2.4 Die pädagogische Sicht auf den Begriff Erlebnis
1.2.5 Zusammenfassung des Definitionsversuch „Der Erlebnisbegriff“

2. Historische Wurzeln der Erlebnispädagogik
2.1 Jean Jacques Rousseau (1712-1778)
2.2 John Dewey (1859-1952)
2.3 Kurt Hahn (1886-1972)
2.3.1 Biografische Daten von Kurt Hahn
2.3.2 Das Erziehungskonzept

3. Die Erlebnispädagogik der Gegenwart
3.1 Erlebnispädagogik- ein Defintionsversuch
3.2 Methodische Prinzipien in der Erlebnispädagogik
3.3 Reflexionsmodelle der Erlebnispädagogik
3.4. Das Lernmodell nach Simon Priest

4. Transfer in der Erlebnispädagogik
4.1 Begriffsbestimmung Transfer
4.2 Transfermodelle in der Erlebnispädagogik
4.3 Hemmende und Fördernde Faktoren für den Transfer
4.3.1 Transferhemmende Faktoren in der Erlebnispädagogik
4.3.2 Transferfördernde Faktoren in der Erlebnispädagogik

5. Die Berufsschule
5.1 Der Begriff der beruflichen Bildung
5.2 Zur Geschichte der Berufsausbildung in Deutschland vor dem 20. Jahrhundert
5.3 Georg Kerschensteiner
5.4 Drei Entwicklungsphasen der Berufsschule
5.5. Die berufliche Handlungskompetenz
5.5.1 Der Kompetenzbegriff
5.5.2 Der Kompetenzbegriff in der Berufsbildenden Schule

6. Der Seilgarten
6.1 Definition des Begriffes Seilgarten
6.2 Beschreibung der einzelnen Elemente
6.2.1 Die hohen Elemente
6.2.1.1 Team Beam
6.2.1.2 Coaching Bridge
6.2.1.3 Der Lianengang
6.2.1.4 Flying Bridge
6.2.1.5 Pamper Pole
6.2.2 Die Sicherungstechniken
6.2.3 Die niedrigen Elemente
6.2.3.1 Mohak Walk
6.2.3.2 Die Wippe
6.2.3.3 The Wall
6.3. Grundsätzliche Prinzipien im Seilgarten
6.3.1 Einsatzmöglichkeiten von Seilgärten
6.3.2 Grundüberlegungen zur Durchführung eines Seilgartenttraining
6.3.3 Der Wertevertrag
6.3.4 Prinzip der frei gewählten bzw. selbstbestimmten Herausforderung
6.3.5 Spiele
6.3.6 Vertrauensbildenen Maßnahmen
6.3.7 Problemlöseaufgaben
6.4. Das ABC Konzept von Project Adventure
6.4.1 Die Phasen des ABC Konzeptes
6.4.1.1 Die Vorbesprechung
6.4.1.2 Die Durchführungsphase
6.4.1.3 Die Nachbesprechung
6.5 Die Wirksamkeit von Seilgartenaktivitäten
6.6 Die Bedeutung des Seilgartens für die Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz

7. Zusammenfassende Thesen

8. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zusammenhang von Ereignissen, Erlebnissen und Erfahrungen aus erlebnispädagogischer Sicht

Abbildung 2: Die Abenteuer-Welle

Abbildung 3: Das Zonenmodell

Abbildung 4: The Mountain Speak for Themselves

Abbildung 5: Outward-Bound plus

Abbildung 6: Das metaphorische Modell

Abbildung 7: Reflexionsansätze nach Simon Priest

Abbildung 8: Das Spinnenetz

Abbildung 9: Spezifischer Transfer

Abbildung 10: Unspezifischer Transfer

Abbildung 11: Metaphorischer Transfer

Abbildung 12: Team Beam

Abbildung 13: Coaching Bridge

Abbildung 14: Der Lianengang

Abbildung 15: Flying Bridge

Abbildung 16: Pamper Pole

Abbildung 17: Top-Rope Sicherung

Abbildung 18: Mohak Walk

Abbildung 19: Die Wippe

Abbildung 20: The Wall

Abbildung 21: Der Zyklus des Erfahrungslernens

Vorwort

„Und denkt daran, dass ihr in allen Fächern mehr durch Handlungen als durch Worte belehren müsst. Denn Kinder vergessen leicht, was sie gesagt haben und was man ihnen gesagt hat, aber nicht, was sie getan haben und was man ihnen tat.“

(J.J. Rousseau)

Seit 19 Jahren arbeite ich als Pädagoge. In dieser Zeit beschäftigt mich immer verstärkter der Begriff der Erlebnispädagogik. Als Erzieher waren es die Klettertouren im Harz mit Jugendgruppen. Während meiner Zeit als Diplom-Sozialpädagoge in der Jugendgerichtshilfe Braunschweig waren es Segeltouren auf dem Ijsselmeer, sowie das Klettern im Ith und Harz, bei denen ich erlebnispädagogisch tätig war. Im Jahr 2000 lernte ich das Konzept der Ropes-Course bzw. Hochseilgarten auf einem Congress in Hannover kennen. Inzwischen, als Fachlehrer an einer Berufsbildenden Schule arbeitend, war es mein Ziel, das Konzept des Hochseilgartens in das Bildungsangebot unserer Berufsbildenden Schule einfließen zu lassen. Nachdem ich 2001 eine Ausbildung zum Seilgartentrainer beim bsj e.V (Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugendsozialarbeit) in Marburg absolvierte, arbeite ich seit 2004 nach dem ABC-Konzept von Project Adventure in dem schuleigenen Seilgarten. Meine Kollegen und ich sind bemüht, die Erlebnispädagogik wieder dort stattfinden zu lassen, wo sie ursprünglich hergekommen ist – in der Schule!

Insbesondere der technologische Wandel und die Entwicklung von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungs- bzw. Wissensgesellschaft bedeutet ein Umdenken für die berufliche Bildung. Waren gerade in den 70er Jahren sog. „Hard Skills“ (Fachwissen) in der Ausbildung junger Menschen gefragt, sind heutzutage Soft Skills (Soziale Kompetenz, Teamfähigkeit) und Meta Skills (Kommunikations- fähigkeit, innere Haltung) immer bedeutsamer. Diese geforderten Schlüssel- qualifikationen lassen sich nicht mehr mit den bisherigen, doch sehr „kopflastigen“ Unterrichtsformen erreichen. Die Heterogenität in den Klassen und die Einsicht, dass jeder Schüler und jede Schülerin seinen/ihren individuellen Lernweg hat, lassen den Frontalunterricht beim dem Ziel der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen scheitern. Für die Ausbildung von Schlüsselqualifikationen wird verstärkt auf handlungsorientierte Lehr-Lernmethoden verwiesen. So haben sich vor wenigen

Jahren die Rahmenrichtlinien im berufsbildenden Bereich von einem fächerspezifischen Curriculum zu einem lernfeldorientierten Curriculum entwickelt. Demzufolge haben sich stark fachorientierte Rahmenrichtlinien, die stark input- orientiert waren, zu Handreichungen ausgebildet, die die Orientierung an die berufliche Tätigkeit in den Vordergrund stellen, also outcome-orientiert sind. Das Kernfeldcurriculum ist durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Zum einen ist es der fachübergreifende Ansatz, sowie die Kompetenzorientierung und der Tätigkeitsbezug. Bei diesem Wandel der beruflichen Bildung kann das berufliche Bildungswesen auf den ganzheitlichen Ansatz der Erlebnispädagogik zurückgreifen. Der Seilgarten kann als ein Stilmittel der Erlebnispädagogik angesehen werden. Im Seilgarten wird der Schüler bzw. die Schülerin als ganzer (Kopf Herz und Hand) Mensch angesprochen, in für ihn spannende reale Szenarien geführt, bei denen die Kommunikation und Kooperationsbereitschaft in der Gruppe, aber auch das Kennenlernen der eigenen Grenzen (physisch und psychisch) erlebt und reflektiert wird.

Zunächst werde ich in dieser Arbeit die Erlebnispädagogik erläutern. Als erstes werde ich mich unterschiedlichen Sichtweisen des Begriffes ´Erlebnis´ zuwenden. Anschließend werde ich auf die Wurzeln der Erlebnispädagogik eingehen.

Besondere Berücksichtigung bei dieser historischen Betrachtung wird bei J.J. Rousseau, John Dewey und natürlich dem Begründer der Erlebnistherapie Kurt Hahn liegen. Ein Definitionsversuch sowie die Grundlagen der modernen Erlebnispädagogik werden im nächsten Kapitel geschildert. Dabei werde ich Reflexions- und Transfermodelle der modernen Erlebnispädagogik erläutern.

Neben der Vorstellung der Erlebnispädagogik ist der zweite Schwerpunkt meiner Arbeit die Darstellung des beruflichen Bildungswesens in Deutschland und ihr gesellschaftlicher Auftrag. Auch in diesem Teil meiner Arbeit nähere ich mich dem Inhalt über die historische Betrachtung des Begriffes Bildung bzw. Berufsbildung. Ich werde die aktuellen Bildungsstandards aufzeigen und besonders auf das Lernfeldkonzept eingehen. Ein weiterer Abschnitt dieses Schwerpunktes wird darin liegen, den Begriff „Berufliche Handlungskompetenz“ zu vertiefen, indem die Fachbegriffe Methodenkompetenz, Fachkompetenz und Personalkompetenz näher erklärt werden.

Im dritten Teil meiner Arbeit wende ich mich dem Hochseilgarten ausführlich zu. Als erstes werde ich den Begriff Hochseilgarten definieren. Dabei gehe ich auf die Unterschiede von Hohen Elementen und Niedrigen Elementen, sowie auf die unterschiedlichen Einsatzgebiete ein. In diesem Zusammenhang ist es interessant, sich die Entstehung des „Seilgartenkonzeptes“ genauer anzusehen. Vor ca. 70 Jahren wurde die erste Seilgartenanlage an einer Outward Bound Schule in Aberdovey errichtet. Insbesondere die amerikanische Association for Challenge Course Technology (ACCT) und das Erziehungsprogramm Project Adventure, das die reformpädagogischen Absichten von Outward Bound in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in verschiedene Schulsysteme, wie auch soziale und therapeutische Einrichtungen integriert, ist für die Verbreitung des Seilgartenkonzeptes maßgeblich verantwortlich. Zum Abschluss meiner Arbeit werde ich aufzeigen, inwiefern die Erlebnispädagogik, am exemplarischen Beispiel des Seilgartenkonzeptes, den Forderungen der aktuellen beruflichen Bildungsstandards begegnen kann und für die Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz eine wichtige Rolle spielen kann.

Zum Ende des Vorwortes möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich bei einigen Personen zu bedanken, die mich bei der Entstehung dieser Arbeit unterstützt haben. Da waren Monika Boxhammer und meine Mutter Marita Drewitz, die die Arbeit Korrektur gelesen haben. Einen ganzen besonderen Dank kommt meiner Frau Steffi zuteil. Sie ist es, die mir trotz ihrer ´ganzen´ Stelle in der Schule und den Wünschen und Forderungen unserer 4 jährigen Tochter Carlotta den Rücken so freigehalten hat, dass das Aufnehmen des Studiums überhaupt erst möglich wurde. Ihre Ermutigungen und Hilfen haben mich diese Arbeit schreiben lassen.

1. Das Erlebnis

1.1 Die inflationäre Nutzung des Begriffes „Erlebnis“

Der Begriff „Erlebnis“ wird in den letzten Jahren so inflationär wie kaum ein anderer Begriff benutzt. An jeder Ecke wird uns ein „Erlebnis“ versprochen. Der normale Einkauf von Lebensmitteln oder Konsumgütern verspricht ein Erlebniskauf zu werden. Der Urlaub wird zur Erlebnisreise, das Freizeitverhalten sollte ein Erlebnis sein, wie z. B.: der Besuch im Erlebnispark, das ultimative Lauferlebnis, der Erlebniszoo, die Erlebnisgastronomie usw. Auch wenn diese genannten Erlebnisse nur Subsitute für tatsächliche originäre Erlebnisse sind, wird daran deutlich, dass Menschen heutzutage ein Bedürfnis nach Erlebnissen haben, das sich die Werbung zu Nutze machen möchte. Wolfgang Müller meint: „Während die Erlebnispädagogik nach wie vor versucht, das „wahre" und „authentische" Erlebnis zu retten, hat das Erlebnis als fluides Phänomen nahezu alle gesellschaftlichen Räume erfasst. In den vielfältigen Erlebnisangeboten von marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen scheint es sich besonders wohl zu fühlen. Dies ist erkennbar an der Existenz unzähliger unternehmensinterner wie unternehmensexterner Erlebnismärkte.“[1]

Der Begriff Erlebnismarkt wird wie folgt definiert: „Ein Erlebnismarkt evolutionärer oder genuiner Art ist ein realer oder virtueller Ort, an dem Unternehmen aus kommerziellen Gründen (potentielle) Erlebnisse anbieten, die von unternehmensinternen oder unternehmensexternen Zielgruppen nachgefragt werden, und deren Zweck darin besteht, den Absatz von Gütern und Dienstleistungen zu fördern.“[2]

Der Begriff wird in unserer Gesellschaft dementsprechend unterschiedlich genutzt. Müller identifiziert zwei unterschiedliche erlebnisorientierte Menschenbilder: den Erlebnismenschen pädagogisch- geisteswissenschaftlicher Herkunft und den ´Homo eventus´ mit einer marktwirtschaftlichen Provenienz. Der Erlebnismensch pädagogisch-geisteswissenschaftlicher Herkunft repräsentiert den ganzheitlichen, humanen und emanzipierten Menschen, wobei der Homo eventus als hedonistischer, egozentrischer Sensualist beschrieben wird. Beide Menschenbilder haben gemein, dass sie den Menschen als erlebnisorientiertes Wesen betrachten. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass der Erlebnismensch davon ausgeht, dass ein Erlebnis benötigt wird, um Defizite auszugleichen. Der Homo eventus sieht in Erlebnissen die Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung.[3]

So sind also die vielen „Erlebnismöglichkeiten“, die uns durch Werbung und Ähnliches im Alltag jederzeit begegnen, eher von Natur des Homo eventus, und nicht zu verwechseln mit den Erlebnissen, mit denen die Erlebnispädagogik arbeitet.

1.2 Ein Definitionsversuch des Erlebnisbegriffes

Begibt man sich auf die Suche nach einer feststehenden Definition des Begriffes Erlebnis findet man viele unterschiedliche Arten und Ausprägungen dieses Begriffes. So heißt es im Deutschen Wörterbuch[4]:

„1. Ereignis, Geschehen, das jemand erlebt. 2. Ereignis, das einen starken Eindruck hinterläßt.“. Im Bedeutungswörterbuch heißt es: „Geschehen, an dem jemand beteiligt war und durch das er stark und nachhaltig beeindruckt wurde.“[5]

Im Internetauftritt von wissen.de wird ein Erlebnis folgendermaßen definiert:

„1. allgemein das subjektive Gewahrwerden von inneren oder äußeren Zuständen (z.B. Wahrnehmen, Erinnern, Fantasieren usw.); nur in Selbstbeobachtung analysierbar…. 2. stark gefühlsbetontes und unmittelbares Ergriffenwerden anlässlich eines Ereignisses oder einer Begegnung…“[6]

Zusammenfassend lassen sich folgende Elemente des Begriffes Erlebnis nennen: Ein Erlebnis ist:

- ein Zusammenwirken aus inneren und äußeren Zuständen
- tritt unmittelbar auf
- immer subjektiv
- hinterläßt nachhaltig „Spuren“
- ist stark gefühlsbetont

1.2.1 Alltägliche und außergewöhnliche Erlebnisse

Den obengenannten Definitionen folgend ergibt sich nicht aus jedem Ereignis ein Erlebnis. Erlebnisse entstehen bei einer Synthese der verschiedenen Definitionen, wenn Situationen oder Ereignisse äußerlich und innerlich auf einen Menschen einwirken, die subjektiv als stark gefühlsbetont wahrgenommen werden und nachhaltig das Verhalten und Beurteilen zukünftiger Situationen beeinflussen. Nicht jedes Ereignis führt zwangsläufig zu einem nachhaltigen Erlebnis. Hier kann man also von alltäglichen Erlebnissen sprechen. Diese alltäglichen Erlebnisse, werden nur für einen kurzen Zeitraum in Erinnerung behalten, und haben keinen hervorzuhebenden Einfluss auf die zukünftigen Verhaltenweisen. Für die Erlebnispädagogik spielen verständlicherweise die alltäglichen Erlebnisse keine Rolle. Es sind die außergewöhnlichen Erlebnisse, die einen Menschen stark betreffen und nachhaltig wirken, die für die Erlebnispädagogik von starkem Interesse sind.

1.2.2 Die soziologische Sicht auf den Begriff Erlebnis

In unserer heutigen Gesellschaft spielen die Bedürfnisbefriedigung und der „besondere Moment“ eine immer größere Rolle. Schulze sieht in der Ausbreitung und Normalisierung der gesellschaftlichen Erlebnisorientierung etwas Neuartiges.

„Erlebnisorientierung ist die unmittelbarste Form der Suche nach Glück. Als Handlungstypus entgegengesetzt ist das Handlungsmuster der aufgeschobenen Befriedigung, kennzeichnend etwa für das Sparen, das langfristige Liebeswerben, den zähen politischen Kampf, für vorbeugendes Verhalten aller Art, für hartes Training, für ein arbeitsreiches Leben, für Entsagung und Askese. Bei Handlungen dieses Typs wird die Glückshoffnung in eine ferne Zukunft projiziert, beim erlebnisorientierten Handeln richtet sich der Anspruch ohne Zeitverzögerung auf die aktuelle Handlungssituation. Man investiert Geld, Zeit, Aktivität und erwartet nun den Gegenwert auf der Stelle.“[7] In unserer Wohlstandsgesellschaft haben immer mehr Menschen immer größere Handlungsmöglichkeiten, sich zu verwirklichen. Dies führt zu einer Verschiebung der Problemperspektive. Nicht mehr die grundsätzliche Frage: Wie erreiche ich mein Ziel? (größeres Auto, bessere Wohnung/Haus, mehr Sicherheit u.ä.), sondern die Frage: Was will ich überhaupt erreichen/erleben? wird die immer bedeutendere Frage unserer Gesellschaft.

„Das Erleben des Lebens rückt ins Zentrum. Unter dem Druck des Imperativs ´Erlebe dein Leben !´ entsteht eine sich perpetuierende Handlungsdynamik, organisiert im Rahmen eines rasant wachsenden Erlebnismarktes, der kollektive Erlebnismuster beeinflußt und soziale Milieus als Erlebnisgemeinschaften prägt.“[8]

Schulze unterscheidet den Begriff des Erlebnisses in zwei mögliche Sichtweisen. Zum einen sieht er den Begriff alltagsverständlich als Material. Schulze geht davon aus, dass man im Alltagssprachlichen dazu neigt, Materialien für das Erleben von Erlebnissen eine bedeutende Rolle zuzusprechen.

In einer über den Alltagsverstand hinausgehenden Betrachtungsweise, sieht er den Erlebnissbegriff nicht als Material, sondern als Gestaltungsmöglichkeit. „Erlebnisse werden nicht vom Subjekt empfangen, sondern von ihm gemacht“[9]

Für Schulze kommt es nicht so auf das Material, als vielmehr auf die Gestaltung der Verarbeitung an. Das Material ist zwar nicht unerheblich, ist aber nicht der zentrale Bestandteil eines Erlebnisses. Als Beispiel werden Menschen angeführt, die in einer materialreichen Umwelt leben und sich selbst leer fühlen, und kaum etwas erleben. Dem gegenüber stehen Menschen, die in einer materialarmen Umwelt leben und dafür in der Auseinandersetzung mit sich selbst oder ihrem Leben sehr intensive Erlebnisse haben. Schulze nennt drei Elemente, die bei der Verarbeitung von Erlebnissen eine zentrale Rolle spielen.

- Subjektbestimmtheit
- Reflexion
- Unwillkürlichkeit

Subjektbestimmtheit:

„Erlebnisse entstehen in einem singulären inneren Universum.“[10] Ein Ereignis im Hier und Jetzt wird erst durch die Integration in einen schon vorhandenen individuellen subjektiven Kontext zum Erlebnis. Das heißt, das jeder Moment durch das Subjekt bewertet und eingeordnet wird, und bei dem einen als alltäglich oder belanglos und bei dem anderen als außergewöhnlich und prägend für die Zukunft empfunden wird. Schulze schreibt: “Die Situation interagiert mit dem Subjekt.“[11] Als Beispiel der das Element der Subjektbezogenheit verdeutlicht, beschreibt Schulze ein Fussball- stadion mit fünfzigtausend Zuschauern, die den gleichen Torschuss sehen, ihn aber alle unterschiedlich erleben. Alle haben es mit dem gleichen Material (Torschuss) zu tun, doch interagiert es (Subjektivität des Einzelnen) mit unterschiedlichen Kontexten.

Reflexion:

„Ein Erlebnis kann seinerseits erlebt werden. Reflexion ist die Selbstverarbeitung des Subjektes.“[12] Schulze bezeichnet den Menschen als „selbstreferentiell“. Demnach besitzt der Mensch verschiedene Bewusstseinebenen. Die eine Ebene ist die Wahrnehmung eines Ereignisses/Erlebnisses, die zweite Ebene ist die Reflexionsebene, bei der der Mensch durch Erinnern, Erzählen, Interpretieren und Bewerten versucht, den Ursprungserlebnissen eine feste Form zu geben. „Reflexion ist der Versuch des Subjektes, seiner selbst habhaft zu werden.“[13]

Unwillkürlichkeit:

„Etwas Unerwartetes ergreift uns, während das erwartete Ergriffensein ausbleibt.“[14] In der Reflexion wird versucht, dem Ursprungsgedanken Form zu geben. Das Erlebte wird noch einmal bedacht mit dem Ziel, etwas Neues entstehen zu lassen. Ein Mensch ist in der Lage, durch Reflexion und Metareflexion (Reflexion über die Reflexion) bestimmte Situationen im Vorfeld als erlebnisarm bzw., erlebnisreich einzuschätzen. Man weiss, was einem gefällt und was nicht. Dennoch passiert es, dass uns etwas Unerwartetes stark berührt und ein erwartetes Ergriffensein ausbleibt. Das liegt an zwei Gründen. Zum einen ist jede Situation nur begrenzt kontrollierbar, und zum anderen ist die Verfassung von dem Subjekt unvorhersehbar. Demzufolge steht die Subjektbezogenheit bei der Verarbeitung von Erlebnissen in einem direkten Zusammenhang zur Unwillkürlichkeit von Erlebnissen.

Aus dieser Betrachtung lässt sich erkennen, dass die Erlebnispädagogik, die Erlebnisse `herstellen` will und diese auch pädagogisch nutzen will, immer auch etwas nicht Planbares besitzt. Ein perfektes Setting[15] macht das vorbereitete Ereignis nicht zwangsläufig zum Erlebnis. Die Verfassung des Subjektes kann der Pädagoge letztendlich nicht hundertprozentig beurteilen, sie (die Verfassung des Subjektes) bleibt im Verborgenen, stellt sowas wie die `Black Box` dar.

Kritiker der Erlebnispädagogik sehen in diesem Problem der „pädagogisierten Erlebnisse“ eine große Schwachstelle. So schreibt Oelkers: „Man kann nicht ernsthaft glauben, daß eine ständige Konfrontation mit pädagogisierten Erlebnissen Kinder zu besseren Menschen macht, aber legitim ist ´Erlebnispädagogik´ letztlich nur, wenn sie genau dies behauptet.“[16] Dem entgegen zu halten ist die Aussage von Witte, der folgendes sagt: „Die Geschichtlichkeit, also die Einbettung der Erlebnisse in den vergangenen Lebenskontext, ist einerseits Ursache für deren hohe bildende Kraft, auf der anderen Seite entsteht durch die sich daraus ergebende Subjektivität ein Dilemma für die Erlebnispädagogik. So muß davon ausgegangen werden, dass ein und dieselbe Situation von verschiedenen Menschen unterschiedlich erlebt wird. Vorausgegangene Erfahrungen, individuell variierende Wertungsgesichtspunkte oder einfach nur die augenblickliche Stimmung, in der sich der Teilnehmer befindet, sind neben einer Vielzahl weiterer situativer Besonderheiten dafür ursächlich. Nur gilt diese Aussage viel generalisierter. Die mangelnde Absehbarkeit und Beherrschbarkeit von Erlebnissen ist lediglich eine Form des allgemeinen Problems, von der jede Erziehung betroffen ist. Betrachten wir die grundlegende Selbstbestimmungstendenz des Menschen, so ist das Ergebnis von Erziehung grundlegend nicht bestimmbar. Der Mensch ist eben keine triviale Maschine die nach dem Input-Output-Prinzip funktioniert.“[17]

1.2.3 Die psychologische Sicht auf den Begriff Erlebnis

Für Arnold wird der Begriff des Erlebnisses „zum Zentralbegriff des Psychologie“. [18] In dieser Arbeit möchte ich mich auf die Gedanken von Felix von Cube und Csikszentmihalyi beschränken, weil sie bei der Erarbeitung einer Vorstellung, was Erlebnispädagogik ist durchaus hilfreich sein kann. Eine umfassendere Erörterung des Begriffes Erlebnis aus psychologischer Sicht würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.

Von Cube sieht in dem Menschen das Bestreben, Unsicherheit in Sicherheit zu verwandeln. Deshalb strebt man Risiken an, die sich bei deren Bewältigung in Sicherheit verwandeln. Jeder Kletterer wandelt bei jedem Schritt im Fels Unsicherheit in Sicherheit um. In der Religion oder in der technischen Entwicklung unserer Welt sieht von Cube das Bestreben nach Sicherheit und Kontrolle. Für von Cube existieren vier evolutionäre Grundprinzipien der Sicherheit. Der Instinkt, der dem Individuum gefühlsmäßig Sicherheit vermittelt, stellt das erste Prinzip dar. Das Lernen ist das zweite Prinzip und verschafft dem Individuum die notwendigen Informationen, die es benötigt. Das Denken (drittes Prinzip) hilft dem Individuum, logisch Sachverhalte zusammenzufassen. Das vierte Prinzip ist die Neugier, die aus Unbekanntem Bekanntes machen will. Als wesentliche Eigenschaft des Neugiertriebes formuliert von Cube ein Lustprinzip. Von Cube spricht, in Anlehnung von Csikszentmihalyi, vom `Flow-Erlebnis´.

Csikszentmihalyi untersuchte den psychischen Zustand, den er als Flow bezeichnet bei Tänzern, Schachspielern, Kletterern und Chirugen. „Jeder von ihnen „erlebt den Prozeß als ein einheitliches ,Fließen' von einem Augenblick zum nächsten, wobei er Meister seines Handelns ist und kaum eine Trennung zwischen sich und der Umwelt, zwischen Stimulus und Reaktion, oder zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verspürt.“[19]

Flow-Erleben ist ein subjektives und situatives Gefühl von Entspannung und psychischer Ordnung, das einen Menschen umgibt, während er hochkonzentriert eine Herausforderung meistert. Flow wird durch insgesamt acht Elemente definiert. Es ist die:

- Verschmelzung von Handlung und Bewußtsein
- die Selbstvergessenheit (bis hin zu transzendalen Momenten)
- die Leichtigkeit der Konzentration
- das Gefühl, Handlungen und das Umfeld kontrollieren zu können
- man bekommt sofortige Rückmeldungen seines Handelns
- es vollzieht sich ein verändertes Zeitgefühl
- die Situation ist für den Handelnden klar strukturiert und besitzt eindeutige Ziele
- das Empfinden, dass die eigenen Fähigkeiten den jeweiligen Anforderungen genügen [20]

Treffen die Elemente zusammen, kann ein Mensch in den Flow-Zustand ´gleiten´. Menschen, die im Flow sind, geben sich diesem Zustand aus intrinsischer Motivation heraus hin. Csikszentmihalyi nennt eine intrinsisch motivierte Tätigkeit eine

„autotelische“ Tätigkeit. Beispielhaft wären in diesem Fall alle Sportarten, die als Hobby betrieben werden. „Eine Aktivität wurde als autotelisch betrachtet, ([...]griechisch: auto = selbst und telos = Ziel, Absicht) wenn sie vom Ausübenden zwar eine formelle und beträchtliche Energieaufwendung verlangte, ihm aber wenig oder gar keine konventionelle Belohnung brachte.“[21]

Die erfahrene Freude und umfassende Befriedigung im Handeln steigert die Motivation, die Situation zu bestehen. Das wiederum steigert das Selbstvertrauen, die Zufriedenheit und ermöglicht somit auch ein Gefühl der Solidarität mit anderen Handelnden in derselben Situation. Hieraus lassen sich persönlichkeitsbildende Eigenschaften ableiten. Csikszentmihalyi ist der Meinung, dass diese positiven Erfahrungen auch auf andere Lebensbereiche übertragbar sind. „Wenn sie [die betreffende Person – Anm. d. A.] später an die Erfahrung zurückdenkt, wird sie gewöhnlich zu dem Schluß kommen, dass ihre Fähigkeiten während der Flow- Episoden zur Bewältigung der Umweltanforderungen genügten, und diese Reflexion kann zu einer wichtigen Komponente eines positiven Selbstkonzeptes werden.“[22]

Eine Übertragbarkeit von Erlebnissen und Erfahrungen aus einer Situation in eine andere ist also nach Csikszentmihalyi möglich. Mit dieser „Dekontextualisierung von Erlebnissen“ arbeitet die Erlebnispädagogik. Sollte es möglich sein, die Flow- Erlebnisse für Lernerfahrungen innerhalb der Erlebnispädagogik zu nutzen, wären die Erlebnispädagogen bei der Wirksamkeitsdiskussion von erlebnispädagoischen Angeboten ein großes Stück weiter.[23]

1.2.4 Die pädagogische Sicht auf den Begriff Erlebnis

In der Pädagogik ist es heute üblich, dass Ziele definiert werden, Handlungs- anleitungen entworfen, Settings und Richtlinien geschaffen werden. Doch wie sollen innerhalb der Erlebnispädagogik solche verläßlichen klar überprüfbaren Elemente formuliert werden? Gerade das Erlebnis gilt als unwillkürlich, außergewöhnlich und nicht planbar. Demzufolge lassen sich laut Oelkers Erlebnisse nicht pädagogisieren.[24]

Im Grunde ist es also absurd die Begriffe Erlebnis und Pädagogik zusammen zufassen. Oelkers schreibt: „… wenn man Erleben pädagogisiert, also von einem steuerbaren Prozeß der Erziehung ausgeht, der die freie Form des Erlebens mit Intentionen des Verbesserns und so mit Zielsetzungen außerhalb des Erlebens verbindet, dann geht es nicht mehr um autobiographische Zusammenhänge, die sich ungeplant – zufällig – einstellen und mit denen man, so oder so, leben muß, sondern es geht um geplante Erwartungen, um Angebote oder Zielsetzungen, in irgendeiner Hinsicht besser zu werden. Erziehung setzt voraus, daß Defizite vorhanden sind und Perfektion erst im nachhinein erzielt werden kann. Das gilt auch für das Assoziationsfeld Erlebnispädagogik. Der Term, erneut eine beliebte Bezeichnung für Innovation, verknüpft zwei Elemente, die sich stark widersprechen, nämlich Erleben und die Zielerwartung ´Erziehung´.“[25]

Für Oelkers besitzen Erlebnisse durchaus ein pädagogisches Potential „ vermutlich sind sie [die Erlebnisse, Anmerk. v. A. ] die stärkste pädagogische Kraft“[26] Aber dieses Potential wirkt gerade pädagogischer Intention entgegen. Um ihre prägende Wirkung zu behalten, müssen Erlebnisse spontan und selten auftreten. Damit entziehen sie sich aber jeglicher pädagogischer Planbarkeit. Unplanbar ist aber nicht das Erlebnis selbst, dieses lässt sich arrangieren. Unplanbar ist die Konsequenz aus einem Erlebnis. Die Verarbeitung des Erlebnisses geschieht subjektiv im Individuum selbst. Die Erlebnispädagogik sollte also mit entsprechenden pädagogischen Methoden Einfluss auf diese Verarbeitung nehmen. Nicht das Erlebnis selbst, sondern die Reflexion dessen, muß zum Gegenstand der praktischen Arbeit in der Erlebnispädagogik werden. Das Erlebnis kann nur als Medium dienen, einen Prozeß der Verarbeitung in Gang zu setzen. Deshalb muß die Frage, wie Erlebnisse erzieherisch genutzt werden können, ins Zentrum der Bemühungen gerückt werden. Methoden die den pädagogischen Umgang mit Erlebnissen ermöglichen, werden in einem späteren Teil meiner Arbeit vorgestellt.

Oelkers meint, dass in der Erlebnispädagogik nur positive Erlebnisse eine Rolle spielen. Durch die Tatsache, dass es aber ebenso auch negative Erlebnisse gibt, die unberücksichtigt bleiben, macht sich die Erlebnispädagogik unglaubwürdig. Diese Annahme ist meiner Auffassung falsch, denn auch an dem vermeintlich negativen Erlebnis (Scheitern eines Vorhabens, Erleben von Ängsten, Unzufriedenheit u.ä.) besteht die Möglichkeit, durch eine sensible Aufarbeitung und Reflexion, Positives zu entdecken, und dieses ´negative´ Erlebnis gewinnbringend für die Persöhnlichkeits- entwicklung zu nutzen.

Waltraut Neubert charakterisiert 1930, orientiert an Ditlehys phänomenologischem Charakteristikum des Erlebnisses, sieben wesentliche Momente für ein Erlebnis. Die sind: Unmittelbarkeit, die gegliederte Einheit, das Spannungsgefüge, den historischen Charakter, die Entwicklungsfähigkeit, den Objektivationsdrang und den Zusammenhang von Leben, Ausdruck und Verstehen.[27]I Ausgehend von Neuberts Definition und inspiriert von Ziegenspeck nennt Balz weitere Bestimmungsmerkmale für ein Erlebnis: Intensität, Affektiver Gehalt, Wahrnehmung, Aktivität, Spannungsmoment, Gegenstandbezug, Subjektivität und Ich-Wirksamkeit sind für Balz Bestimmungsmerkmale von Erlebnissen.

Balz leitet vier Dimensionen ab, die die pädagogische Bedeutung von Erlebnissen aufzeigen.

a) Die erste Dimension nennt er „Eingelassen-sein“. Angelehnt an Csikszentmihalyi meint er den Zustand des Flows. Das völlig versunken sein im Hier und Jetzt ist ein pädagogischer Wert des Erlebnisses.
b)die zweite Dimension lautet Befindlichkeitssteigerung. Erlebnisse können für Balz einen „psychischen Reinigungseffekt haben. „ Es lässt sich eine Aktivierung oder Vitalisierung der Person feststellen mit der Folge, dass nach dem Erlebnis eine größere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit spürbar ist.“[28]
c) Die dritte Dimension ist für Balz die „Alltagsflucht“. Der Autor sieht einen pädagogischen Wert in der Tatsache, dass man sich im Erlebnis „einmal ganz ausleben, richtig Gefühle zeigen“ kann. Balz ist der Auffassung, dass Erlebnisse so etwas wie eine Katharsis ermöglichen.
d) Als letzte Dimension der pädagogischen Bedeutung von Erlebnissen sieht Balz die „Identitätsbildung“. Er sieht durch die Intensität eines Erlebnisses die Möglichkeit, dass dieses Erlebnis prägend für die Zukunft sein kann. „Das Erlebnis gibt Aufschluß darüber, was jemand kann, und damit auch darüber, wer man ist, und trägt so zur Selbstfindung und Selbsterfahrung bei. Auf diese Weise kann die individuelle Sicht der eigenen Persönlichkeit, immer auch im Spiegel der anderen, reifen.“[29]

1.2.5 Zusammenfassung des Definitionsversuches „Der Erlebnisbegriff“

Für die Pädagogik relevante Erlebnisse sind nicht die alltäglichen, sondern die außergewöhnlichen. Diese Art von Erlebnissen stellen besondere, herausragende Momente dar. Ein Mensch entwickelt Handlungskompetenz durch die Verarbeitung von verschiedenen Erlebnissen. Durch die positive oder auch negative Wertung einzelner Erlebnisse lernt der Mensch die Welt kennen. Der entscheidende Faktor hierbei liegt in der Subjektivität der Verarbeitung. Ausgehend von der individuellen Entwicklungsgeschichte, und der momentanen Verfassung eines Menschen verarbeitet, bewertet jeder Mensch ein Ereignis für sich und individuell. Das führt dazu, dass die Erlebnispädagogik Erlebnisse nicht generalisieren kann, denn ein und das gleiche Erlebnis kann auf zwei Menschen unterschiedlich wirken, und dementsprechend zu unterschiedlichen Erkenntnissen führen. Durch intensive Beobachtungen, Vorgespräche und Erfahrung werden sich Erlebnisse für Teilnehmer wahrscheinlich herstellen lassen.[30]

Der Fokus der Erlebnispädagogik muss nicht die ´Herstellung von Erlebnissen´ sein, sondern die Reflexion von diesen ´evtl. eingetretenen Erlebnissen´. Die Erlebnispädagogik muss Teilnehmer von erlebnispädagogischen Aktionen mit Hilfe pädagogischer Maßnahmen unterstützend begleiten können. Die Teilnehmer müssen befähigt werden, die gemachten Erfahrungen zu internalisieren und in den Alltag zu transferieren. Die gemachten Erlebnisse müssen in den Lebenskontext des jeweiligen Teilnehmers integriert werden. Folgendes Schaubild zeigt den Zusammenhang von Ereignissen, Erlebnissen und Erfahrungen aus erlebnispädagogischer Sicht.[31]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zusammenhang von Ereignissen, Erlebnissen und Erfahrungen aus erlebnispädagogischer Sicht

2. Historische Wurzeln der Erlebnispädagogik

Ziel dieses Kapitels ist es, einen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Erlebnispädagogik zu geben bzw. den theoretischen Überbau zu beleuchten. Kurt Hahn, der als Begründer der Erlebnispädagogik gilt, obwohl er selbst sein Konzept Erlebnistherapie genannt hat, stellt fest: „Hier (in Schloß Salem; Anm. d. A.) ist alles gestohlen, und das ist gut so, von Hermann Lietz, der wie kein anderer wagte, Jungen zu Mitträgern der Verantwortung zu machen, von Goethe, von den englischen public schools, von den Boy Scouts, von der deutschen Jugendbewegung nach den Freiheitskriegen, von Plato. Sie werden nichts finden, wovon wir sagen können: das haben wir entdeckt."[32]

Wie schon das Zitat von Kurt Hahn deutlich macht, besitzt die Erlebnispädagogik zahlreiche Wurzeln. Ziegenspeck hat in seiner Reihe ´Wegbereiter der Erlebnispädagogik´ mehr als fünfzig Autoren gewürdigt, deren Wirken bzw. theoretisches Gedankengut der Erlebnispädagogik zuzurechen ist. Die Vorstellung aller Wegbereiter der Erlebnispädagogik würde den Umfang meiner Arbeit sprengen. Aus diesem Grund beleuchte ich neben Kurt Hahn, der als Begründer der Erlebnistherapie gilt, und aus diesem Grund nicht fehlen darf, Jean-Jacques Rousseau und John Dewey. Rousseau, der in der Zeit der französischen Aufklärung lebte, hat mit seinen Erziehungsgedanken das spätere Erziehungswesen folgenreich beeinflusst, und bietet noch heute der „Diskussion um handlungs- und erlebnisorientierte Formen des Erfahrungslernens einen reichhaltigen Nährboden.“[33]

John Dewey ist der wohl wichtigste amerikanische Pädagoge des letzten Jahrhunderts, und gilt als Vater des Erfahrungslernens. [34]Seine Überlegungen zur Erziehung bilden das Fundament des ABC- Konzeptes[35] von Project Adventure.

Wiederum dieses ABC-Konzept spielt ein tragende Rolle bei dem Seilgartenkonzept der Berufschule, welches im Laufe dieser Arbeit noch näher betrachtet werden soll.

2.1. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)

Jean-Jacques Rousseau lebte vor ca. 250 Jahren. Seine Mutter stirbt bald nach seiner Geburt der Vater kümmert sich kaum um ihn. Mit 16 Jahren verlässt er seine Geburtsstadt Genf und zieht in die Welt. Turin, Venedig, Dijon, Paris und die Provinz sind wichtige Stationen in seinem Leben. So spontan seine Aufenthaltsorte waren, wechselt er auch seine ausgeübten Berufe. Schreiberlehrling, Handwerker, Priesterkandidat, Musiklehrer, Erzieher sind einige von ihm ausgeübten Berufe. In der Literatur wird er als Egozentriker, als „Gesellschafts und Lebemensch, der sich gern in Kabaretts und Kneipen herumtrieb“, beschrieben.[36] Rousseau lebte in der Zeit der Aufklärung. Dieses Zeitalter (17.u.18.Jahrhundert) ist gekennzeichnet durch die geistige Entwicklung der westlichen Gesellschaft. Das Bestreben, das Denken mit den Mitteln der Vernunft von althergebrachten Vorstellungen zu befreien und Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen war vorherrschend. Berühmt wurde Rousseau durch den Gewinn der von der Dijon Akademie gestellten Preisfrage ob der Fortschritt der Wissenschaft und Künste zur Veredelung der Sitten beigetragen habe. Die Verneinung dieser Frage kam unerwartet und widersprach den Wissenschaftlern der damaligen Zeit. Seine berühmtesten Werke sind der ´Contract social´ (Der Gesellschaftsvertrag) und ´Émile´, die beide 1762 erschienen sind. Diese beiden Werke stellen sein politisches und pädagogisches Denken dar. Rousseau meint mit dem Gesellschaftsvertrag eine Welt der Freiheit zu erschaffen. Wer sich dem gesellschaftlichen Willen aus freiem Willen unterordnet, gibt zwar seine natürliche Freiheit auf, gewinnt dadurch aber die rechtliche Freiheit, den Schutz und die Geborgenheit der Gemeinschaft. Das Volk ist souverän und gibt sich seine eigenen, von allen akzeptierten Gesetze. Herrschaft beruht bei Rousseau auf Übereinkunft.[37] Das Werk ´Émile´ beschreibt, wie Menschen dazu erzogen werden können, diesem Gesellschaftsvertrag beizutreten. Schon der erste Satz von Émile offenbart seine Denkrichtung. „Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt, alles entartet unter den Händen des Menschen“[38]

Drei Dinge erziehen laut Rousseau den Menschen. Die Natur, die Dinge oder die Menschen. Von diesen drei Erziehungsmitteln kann der Erzieher weder die Natur noch die Dinge (Begebenheiten) beeinflussen, sondern ausschließlich die Menschen.

Diese Beeinflussung sollte sich lediglich auf die Verstärkung durch die Natur und die Dinge und dem Abwenden von negativen Einflüssen, reduzieren. Für Rousseau hindern Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Zivilisation den Lauf der Natur und der Dinge, die erzieherisch die natürlichen Bedürfnisse des Kindes bedienten.

´Zurück zur Natur´ ist die leitende Prämisse in dem Erziehungskonzept von Rousseau. Das Kind soll die Möglichkeit bekommen, in der aktiven Auseinandersetzung mit realen Gegenständen, die Folgen seines Handelns unmittelbar zu spüren. "Er (der Zögling - T.F.) soll keine Strafen kennenlernen, sondern die Folgen seiner Handlungen fühlen; diese werden dann zum richtigen Verhalten erziehen. Als Emil zum Beispiel eine Fensterscheibe zerschlägt, muß er bei einem offenen Fenster schlafen; der Schnupfen, den er möglicherweise - als 'natürliche Folge' seines Verhaltens - bekommt, wird ihn veranlassen, künftig behutsamer mit den Dingen umzugehen "[39]

Die Erziehung der Aufklärung war ausgesprochen kopflastig. Sie bestand überwiegend aus der Förderung der Vernunft, Lernen im Unterricht, Erwerb von Wissen. Rousseau entlarvte die verkopfte Anhäufung von Wissen seiner Zeit als zu einseitig. Er wollte aus den Schülern keine Wissenschaftler machen, sondern ihnen die Freude am Lernen schenken. Diesen Paradigmenwechsel verdeutlichen Heckmair und Michl, wenn sie schreiben: “Der berühmte Satz von René Descartes´ ich denke, also bin ich´ wird zu (bei Rousseau, Anm.d.A.)´ich erlebe, also bin ich´“.[40]

Die gesellschaftliche Utopie des Gesellschaftsvertrages sowie die pädagogischen Ideale bei Émile unterliegen dem gleichen Gedankenkonstrukt. „In gleicher Weise, wie der junge Mensch in individueller Freiheit die ´kausale´ Verbindung von Ursachen und deren Folgen innerlich vollziehen sollte, gewann auch der Staatsbürger, als freiwilliger Teilhaber an den republikanischen Verhältnissen, in den Ursachen und Folgen der selbstauferlegten Rechte und Pflichten an Autonomie und Mündigkeit. So übernahm der Gesellschaftsvertrag in der Nationalerziehung die Rolle der Natur. Es zeigte sich, dass menschliche Vernunft, tugendhaftes Handeln und die Erfahrung von Gemeinwohl durch den individuellen Einsatz sich aufeinander bezogen. Der Rückbezug auf die Natur galt dem subjektiven Schaffen und dem individuellen Wohl. Der Rückbezug auf den Gesellschaftsvertrag sollte in der gemeinschaftlichen Lebens- und Arbeitsweise unter den republikanischen Verhältnissen dem Allgemeinwohl dienen. Für Rousseau stellten die Natur im individuell-freiheitlichen Sinne und die Vernunft im gemeinschaftlich nationalen Sinne pädagogische Entwicklungsebenen dar, deren Funktionen für den Einzelmenschen und die Gemeinschaft nahezu identisch sind.“[41]

Zusammenfassend lässt sich zu Rousseau folgendes sagen. Er formulierte die Kindheit als eigene Lebensphase.[42] Unmittelbare Erfahrungen (über die Sinnesorgane wahrgenommen) sind für ein nachhaltiges Lernen notwendig, und entspricht der Lebenswelt des Kindes. Hände, Augen, Ohren, Nase und Zunge werden eingesetzt, um die es umgebende Welt zu erkunden. Erst durch die Erkundung der Umwelt werden Urteile, Vorstellungen, Ideen und die Moral und Sittlichkeit gebildet. Für Rousseau hat der Erzieher die Aufgabe, den natürlichen Drang des Kindes, der von der Natur vorgezeichnet ist, weder zu stören noch zu unterbrechen. Das Kind soll eigene Erfahrungen sammeln, statt rezeptiertes Wissen aus Büchern beigebracht zu bekommen.

Dies Gedankenkonstrukt, welches knapp 250 Jahre alt ist, bildet einen entscheidenden `Brückenpfeiler´ zur heutigen Erlebnispädagogik.

2.2 John Dewey (1859- 1952)

John Dewey ist für Heckmair und Michl der wohl wichtigste amerikanische Pädagoge des letzten Jahrhunderts. [43] Er wächst relativ behütet auf und macht nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Schule einen hervorragenden Studienabschluss. Als Zwanzigjähriger arbeitet er zwei Jahre als Lehrer an einer kleinen High School.

Er beschäftigt sich immer intensiver mit grundlegenden pädagogischen und philosophischen Fragen und geht 1882 an die Universität nach Baltimore. Von da aus wechselt er an die Universität Michigan, wo er 1889 die Leitung der philosophischen Abteilung übernimmt. 1894 wechselt er an die Universität Chicago. Er arbeitet mit Schulreformern zusammen und kritisiert zunehmend die Lehrmethoden der herkömmlichen Schulen. In einem Brief an seine Frau schreibt er:

„Manchmal denke ich, daß ich damit aufhöre, Philosophie direkt zu lehren, um sie stattdessen auf dem Weg über die Pädagogik zu lehren. Wenn du an die Tausende und Abertausende von jungen Leuten denkst, die Jahr für Jahr in den Schulen von Chicago ruiniert werden, dann möchtest du am liebsten auf die Straße laufen und herumheulen wie die Leute von der Heilsarmee. "[44] Als Konsequenz seiner Schulkritik eröffnet Dewey 1896 ein Laborschule, die unter dem Namen `Dewey- School´ weltberühmt wird. Das Konzept dieser Schule basiert ausschließlich auf Dewey Hypothesen. „Ihm [Dewey, Anm.d. A.] geht es darum, die Gegenstände des Lehrplans in den Erfahrungshorizont des Kindes zu heben. Dies bedeutet keine "Verkindlichung" der Sachverhalte, sondern deren Übersetzung in das kindliche Handlungsinteresse. Die aktive Weltaneignung durch das Kind soll entsprechend den Zielen des Lehrplanes gesteuert werden. Dies läuft auf die Konstruktion einer Umwelt hinaus, in der die Kinder mit Problemen konfrontiert sind, zu deren Lösung sie Fähigkeiten und Fertigkeiten aus Wissenschaft, Geschichte und Kunst einsetzen müssen. Ihre spontanen Aktivitäten sollen durch das Konstrukt der Lernumwelt unausweichlich in Richtung von Lösungen und Erfüllungen gebracht werden, die den Erfahrungsschatz der Menschheit repräsentieren. Diesen Prozeß einer wohldurchdachten wechselseitigen Durchdringung nennt er ´Lehrplan´.“[45] 1904 verlässt er die Universität Chicago im Streit und arbeitet von 1905 bis an sein Lebensende an der Columbia Universität in New York.

Für die Vertreter des Rationalismus im 16. Jahrhundert war die Welterkenntnis nur durch Verstand und Denken greifbar. Sie behaupteten, dass es Vernunftswahrheiten gäbe, die von aller Erfahrung unabhängig und von höherem Rang seien, als die aus der Erfahrung geschöpften Erkenntnisse. Dieser Auffassung widersprachen die Anhänger des Empirismus. Bei ihnen stellte die Erfahrung den Ursprung und die Rechtfertigung aller Erkenntnisse dar. Jahre später nahm John Dewey die Diskussion über Vernunft und Erfahrung wieder auf. Er sah ein großes Problem darin, dass die Betonung der intellektuellen oder kognitiven Seite den Menschen sowohl von seiner unmittelbaren Umgebung, als auch von seiner emotionalen, affektiven Seite entfremdet. Er stellte fest, dass die vordringlichste Sorge des Menschen nicht die Durchdringung einer abstrakten und unerreichbaren Wirklichkeit sei, sondern die Auseinandersetzung mit Wohlstand und Not, Erfolg und Versagen, Leistung und Frustration, Gut und Böse etc. [46]

Deweys Erziehungstheorie baute auf diesen Erkenntnissen auf. Er sah die Hauptaufgabe der Pädagogik in der Vermittlung von Denkformen zur Bewältigung konkreter Probleme. Seiner Meinung nach entsteht Lernen aus der Erfahrung von Herausforderung und deren Bewältigung. Im Anschluss an die Lösung einer Schwierigkeit findet eine Reflexion des Prozesses statt, so dass das, was erfahren wurde, generalisiert und wieder benützt werden kann. Als Konsequenz hielt Dewey wenig von einem Lernen von Texten und Lehrern. Die Aufgabe eines Lehrers sei es, die physische und soziale Umwelt zum Erwerb wertvoller Erfahrungen anstatt zum Erwerb von isolierten Fähigkeiten und Techniken zu benützen.

Diese Erfahrungen sollten das Kind fordern, aber nicht überfordern. Jedes Erlebnis muss nach Dewey beim Lernenden eine aktive Suche nach Information und Produktion neuer Ideen provozieren, die wiederum die Basis für weitere Erfahrungen mit neuen Problemen stellen werden, ansonsten sei es wertlos. Dewey gewinnt seinen Begriff von Erziehung auf dem Hintergrund der bestehenden Theorien von John Locke und Rousseau, Fröbel und Hegel, Herbart u. a. Alle diese Theorien gehen von einem einseitigen Modell aus, das man so beschreiben kann: Die beiden Größen in jedem Modell der Erziehung sind das menschliche Individuum, der menschliche Geist auf der einen Seite und die natürliche und soziale Umwelt auf der anderen. Diesen Dualismus empfindet Dewey als grundsätzlich falsch. Dualistische Denkmodelle bestehen aus zwei typischen Ausgangsannahmen: erstens, dass beide Größen oder Faktoren dieses Verhältnisses fest fixiert sind, und zweitens, dass jeweils die eine Seite als aktiv und die andere als passiv aufgefasst wird.

D.h. entweder wird Erziehung als ein Vorgang verstanden, in dem sich latente Kräfte von innen nach außen entfalten, oder als ein Vorgang, in dem irgendetwas von außen in das Individuum hineingetragen wird. Diese statischen Modelle gehen von einem festen, gegebenen Erziehungsziel aus, das das Individuum erreichen soll. Wenn dieses Ziel erreicht ist, ist der Erziehungsvorgang beendet. Das Kind ist dann erwachsen und hat die Pflichten und Rechte eines Erwachsenen. Die Erziehung selbst besteht darin, auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Erziehung ist nichts anderes als Vorbereitung auf dieses Ziel. Das Individuum wird in all diesen Theorien als Form verstanden, die Welt als der Stoff, als das Material, dem das Individuum seine Form aufprägt. Je nach dem Vorrang, der der einen oder anderen Seite eingeräumt wird, entstehen also die verschiedenen Erziehungstheorien, die entweder alles von der Entfaltung schon angeborener Anlagen oder von dem Heranbringen schon fertiger Inhalte erwarten.

„In seinen Analysen bezieht sich Dewey immer wieder auf Rousseau. Grundlegende Wahrheiten über Erziehung hätte niemand besser ausgesprochen. So auch, wenn es darum geht, die Quellen der Erziehung zu bezeichnen: die Natur, die Menschen und die Dinge. Allerdings kritisiert er [Dewey, Anmerk. d. A.] Rousseaus Konstruktion, die von einem schematischen Nebeneinander dieser drei Einflüsse ausgehe. Dewey sieht die Wechselwirkung der drei Quellen und das erzieherische Potential, das eben durch ihre Verbindung erst erschlossen werden kann.“[47]

Für Dewey besteht der Grundirrtum aller kritisierten Theorien in ihrem Dualismus, d.h. die Scheidung von Stoffen einerseits, Betätigungen und Fähigkeiten andererseits. Dagegen betont Dewey: „Es gibt nichts derart wie eine Fähigkeit an sich, zu sehen oder zu hören oder sich zu erinnern; es gibt nur die Fähigkeit, etwas zu sehen oder zu hören, sich an etwas zu erinnern. Es ist Unsinn, von der Schulung einer — geistigen oder physischen — Fähigkeit unabhängig von dem stofflichen Inhalt zu reden“. [48] Dewey geht davon aus, dass menschliche Kräfte die Ergebnisse der Beschäftigung angeborener Tendenzen mit bestimmten Inhalten sind. Aus zunächst verschwommenen Reaktionen werden allmählich diejenigen herausgelöst, die für eine Verwertung des Reizes am geeignetsten sind. An die Stelle der einseitigen dualistischen Theorien setzt Dewey also eine Theorie der dynamischen Wechselwirkung; und dementsprechend anders muss seine Erziehungstheorie aussehen. Erfahrungen beruhen nicht darauf, dass von außen dargebotenes Material passiv rezipiert wird, sondern auf Wechselwirkungen zwischen angeborenen Betätigungen mit der Umwelt, die sowohl die Umwelt als auch die Betätigungen ständig verändern. Wenn Erziehung genau darin besteht, die geeigneten Reaktionen auf die Umwelt auszulesen, dann muss man sagen: Erziehung ist beständige Erneuerung der Erfahrung, und das steht im Gegensatz zu jeder dualistischen Theorie des Geistes, nämlich der Vorstellung, es gebe so etwas wie einen fertigen Geist mit Fähigkeiten des Beobachtens, Erinnerns, Wollens, Denkens usf. auf der einen Seite und eine fertige Umwelt, die nur darauf wartet, aufgenommen zu werden, auf der anderen.[49]

Folgendes Zitat von Dewey macht deutlich welche Dynamik er zwischen den Polen Individuum und Umwelt sieht:

„Wie eine Decke aus feinem Gewebe erstreckt sich meine Erfahrung vielmehr aus meinen Sinnen heraus in die Welt, überzieht die Wirklichkeit und geht in sie ein. Die Natur ihrerseits erstreckt sich über meine Erfahrung in mich hinein. Wir berühren einander durch die Decke der Erfahrung, wir hängen miteinander zusammen“.[50] Für den Erziehungsprozess stellen nach Dewey diejenigen Erfahrungen die herausragende Kategorie dar, die im Spannungsfeld der handelnden Auseinandersetzung des Individuums mit den Bereichen der gegenständlichen, sprachlichen und sozialen Realität stehen. Zentral in den theoretischen Ausführungen Deweys ist das Rückschauen auf das Handeln. Erst in der Verbindung von Handeln und dem Rückschauen auf das Handeln findet Erfahrung als Lernen statt. Erst dann wird das Handeln bedeutungsvoll und das Individuum lernt, sich und die gegenständliche sowie die soziale Umwelt zu verstehen.

John Dewey und seine Pädagogik bezeichnet Oelkers in dem Vorwort der dritten deutschen Ausgabe zu Dewey Werk ´Demokratie und Erziehung´ als bekannter Unbekannter, mit dem sich die deutsche Pädagogik, zu ihrem Nachteil, nicht wirklich auseinander gesetzt hat.[51] Erstaunlicherweise hat sich besonders Georg Kerschensteiner, der als Begründer der Berufsschule in dieser Arbeit noch eine Rolle spielen wird, als einer der wenigen deutschen Reformpädagogen von Deweys Arbeiten stark inspirieren lassen.

Durch die Tatsache, dass Dewey die Erfahrungen in den Mittelpunkt seiner pädagogischen Überlegungen stellt, kann er als ein Wegbereiter der Erlebnispädagogik angesehen werden. Insbesondere das aus Amerika stammende ABC-Konzept von Project Adventure[52] hat seinen theoretischen Hintergrund in den Arbeiten von John Dewey.

2.3. Kurt Hahn (1886-1972)

Wenn man die Geschichte der Erlebnispädagogik nachzeichnen möchte, darf der Name Kurt Hahn nicht unerwähnt bleiben. Kurt Hahn gilt als Vater der Erlebnispädagogik. Obwohl er keine eigenen neuen Ideen formulierte, sondern eher vorhandene Denkmuster großer Pädagogen aufnahm und seine ´Erlebnistherapie´ formulierte und verbreitete, kann man ihn als den Vorläufer der heutigen Erlebnispädagogik ansehen. Ziegenspeck formuliert, dass „der Reformpädagoge Kurt Hahn keine Theorie der Erlebnispädagogik entwickelt hat“, sondern in „einer Zeit lediglich praktische Hinweise gab und durch plausible Begründungen Öffentlich- wirksamkeit herzustellen vermochte“.[53]

2.3.1 Biografische Daten von Kurt Hahn

Kurt Hahn wird im Sommer 1886 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. Nach dem Abitur studiert er ab 1904 in Berlin, Heidelberg, Freiburg, Göttingen und Oxford Philosophie und Philologie. 1914 arbeitet Kurt Hahn als Angestellter in der „Zentralstelle für Auslandsdienst" im Auswärtigen Amt. Er gilt als ´Sachverständiger für Englandfragen´ und ist zuständig für die Interpretation der britischen Presse. Prinz Max von Baden[54] macht Hahn zu seinem Privatsekretär. Im April 1920 gründet Max von Baden mit Hahn die Schloss-Schule Salem, dessen Schulleiter Kurt Hahn ist. In den nächsten Jahren werden noch weitere Schulen gegründet.[55]

1923 entkommt Hahn einem geplanten Attentat. Zur offenen Konfrontation mit den Nationalsozialisten kommt es im August 1932, als Hahn als Reaktion auf die Verherrlichung der Potempamörder[56] durch Adolf Hitler folgendes Rundschreiben an die Mitglieder des Salemer Bundes verbreitet. „Durch das Telegramm von Hitler an die ,Kameraden' von Beuthen ist ein Kampf entbrannt, der über die Politik hinausführt. Es geht um Deutschland, seine christliche Gesinnung, sein Ansehen, seine Soldatenehre: Salem kann nicht neutral bleiben. Ich fordere die Mitglieder des Salemer Bundes auf, die in einer SA- oder SS-Tätigkeit sind, entweder ihr Treueverhältnis zu Hitler oder zu Salem zu lösen."[57]

Nachdem Hahn 1933, nach kurzer ´Schutzhaft´, wieder freigelassen wird, emigriert er nach England, wo er den Posten des Schulleiters des Landerziehungsheim Gordonstown annimmt. In den folgen Jahren wurden mehrere Zweigstellen eingerichtet und 1941 gründete Hahn zusammen mit dem Reeder Lawrence Holts die erste Kurzschule „Outward Bound Sea School“ in Aberdovey. Mit Gründung dieser Schule beginnt die Outward Bound Bewegung, welche heute noch aktiv ist.

1953 tritt Hahn gesundheitsbedingt von dem Posten des Schulleiters in Gordonstown zurück und verbringt seinen Lebensabend auf dem Hermannsberg bei Schloss Salem am Bodensee. 1974 stirbt Kurt Hahn in Ravensburg und wird in Salem beigesetzt.

2.3.2 Das Erziehungskonzept

Heckmair und Michl zitieren Röhrs, der Hahns Pädagogik folgendermaßen verortet:

„Man könnte sie [Hahns Pädagogik, Anmerk. d. A.] im Schnittpunkt der geistesgeschichtlichen Linien von Plato und den englischen Public Schools über die Kulturkritik des ausgehenden 19. Jahrhunderts einerseits sowie vom amerikanischen Pragmatismus in der Gestalt von William James bis zu den Landerziehungsheimen – insbesondere der Lietz’schen Prägung –andererseits ansiedeln. Von Plato wird gleichsam das Ziel und von James die Art der psychologischen Motivation als Orientierungshilfe übernommen.“[58]

Platons ´Politeia´[59], Goethes ´Wilhelm Meisters Wanderjahre´[60]und James ´moralisches Äquivalent des Krieges´ scheinen die Eckpfeiler von Hahns pädagogischen Überlegungen zu sein. Bei der Beschäftigung mit den Gedanken von James, ging es Hahn vor allem um dessen Forderung, das ´moralische Äquivalent für den Krieg´ zu finden. Kurt Hahn sah dieses moralische Äquivalent im Rettungsdienst gegeben: Lausberg zitiert Hahn: „Der amerikanische Philosoph William James sagte einmal, der Krieg zeige die menschliche Seele in ihrer höchsten Dynamik. Er irrt sich: die Leidenschaft des Retten entbindet die höhere Dynamik. Um die Jahrhundertwende hat James Erzieher und Staatsmänner angerufen, sie möchten das moralische Äquivalent für den Krieg finden. Es ist entdeckt worden.“[61]

Ausgehend von Erfahrungen des 1. Weltkrieges und seiner ´Gesellschaftsdiagnose´ war es Hahns Ziel eine Erziehung zur Selbstständigkeit zu konzipieren. Seine pädagogische Zielsetzung wird im folgenden Zitat deutlich: „Gebt den Kindern Gelegenheit, sich selbst zu entdecken ... Sorgt dafür, daß die Welt des Handelns und die Welt des Denkens nicht länger zwei getrennte feindliche Lager sind. Entwickelt Vorstellungskraft bei den entschlußfreudigen Jungen und Willenskraft bei dem Träumer, so daß in Zukunft hellsichtige Männer die Nerven haben, um den Weg zu führen, den sie gewiesen haben, und daß Tatmenschen die Phantasie haben, die Folgen ihrer Entscheidungen zu überblicken. Stärkt den Geist spontaner Disziplin und Zusammenarbeit, macht eine nationale Bruderschaft aus eurer Gemeinschaft, legt Grundlagen für den Klassenfrieden. Baut Brücken zur Außenwelt ... Bildet Soldaten aus, die auch den Frieden lieben" [62]

Wie schon erwähnt sieht Hahn die Gesellschaft als krank an. Folgende vier Mangelerscheinungen erkennt er.

a) Mangel an menschlicher Anteilnahme
b) Mangel an Sorgsamkeit
c) Verkümmerung der Initiative
d) Verfall der körperlichen Tauglichkeit

Mangel an menschlicher Anteilnahme:

Die Hektik und Ruhelosigkeit der damaligen Gesellschaft führt zu einem Mangel der menschlichen Anteilnahme. Die rasante Entwicklung der Technologien und der Zugang zu künstlichen Sensationen fördern die Sucht nach immer schnelleren Wechseln der oberflächlichen Eindrücke. Die Menschen verlieren die Fähigkeit der Selbstbesinnung und der Empathie.

Mangel an Sorgsamkeit

Für Hahn ist eine Folge der Industrialisierung, dass die Menschen nicht mehr genau beobachten. Die Bereitschaft für mühevolles und exaktes Arbeiten geht verloren, genauso wie die Fähigkeit zur Konzentration. „Die heutige Jugend will nicht mehr wandern und beobachten in diesem technischen Zeitalter. Sorgsamkeit und Geduld vertragen sich nicht mit der Hast des modernen Lebens. Das gilt nicht nur für den handwerklichen Bezirk.“[63]

Verkümmerung der Initiative

Durch die vielen neuen Eindrücke der neuen Kommunikationsmittel konnten die Kinder und Jugendliche an Erlebnissen teilhaben, sie aber nur als passive Zuschauer mitverfolgen. Das tatsächliche Erleben, und die damit verbundenen Anstrengungen sind den Kindern verwehrt. Dies führt zu einer Unfähigkeit des eigenverantwortlichen Handelns, sowie zu einer Verkümmerung der Initiative.

Verfall der körperlichen Tauglichkeit

In den körperlichen Tauglichkeiten stecken für Hahn die Grundlagen der Überwindungskräfte, die mit dem Verfall der körperlichen Tauglichkeit verkümmern.

Verantwortlich für den Verfall der körperlichen Tauglichkeit der Kinder waren nach Hahn die Methoden der modernen Fortbewegung sowie die ´Entartung des Sports´. Durch eine übertriebene Ehrung und Beachtung von besonders guten Sportlern, werden durchschnittlich begabte Kinder in ihrer Entfaltung von Höchstleistungen gehemmt. [64]

Hahn ist der Auffassung, dass die Gesellschaft krank ist. Sein Erziehungsansatz soll eine Art Therapie sein, dieses Kranke in der Gesellschaft zu beseitigen bzw. zu lindern. Dieser Logik folgend bezeichnet er seinen Ansatz als Erlebnistherapie. Der Begriff der Therapie darf bei Hahn nicht als feststehender medizinischer Begriff angesehen werden. Hahns Erlebnistherapie ist als Antwort der Verfallserscheinungen der Gesellschaft gedacht. Die Erlebnistherapie versucht die Mängel der Gesellschaft und die daraus resultierenden Schwächen der Kinder und Jugendlichen zu kompensieren, indem sie zu sinnhaften, unmittelbaren Erfahrungen anleiten will. „Wir glauben, daß jedes Kind einer 'grande passion', einer schöpferischen Leidenschaft fähig ist, die zu entdecken und zu befriedigen unsere vornehmste Pflicht ist ... Es ist Vergewaltigung, Kinder in Meinungen hineinzuzwingen, aber es ist Verwahrlosung, ihnen nicht zu Erlebnissen zu verhelfen, durch die sie ihrer verborgenen Kräfte gewahr werden können ... Wenn die Jugend die Lust auf Abenteuer nicht mehr besitzt, dann muß jede Zivilisation, mag sie noch so aufgeklärt sein, muß jeder Staat, mag er noch so wohlgeordnet sein, dahinwelken und verdorren"[65]

Die Erlebnistherapie von Kurt Hahn besitzt vier Elemente, die nicht voneinander zu trennen sind. Durch diese vier Elemente der Erlebnistherapie lassen sich nach Hahn die Mängel der Gesellschaft mindern. Dies sind:

a) Körperliches Training
b) Expeditionen
c) Projekte
d) Rettungsdienste

[...]


[1] Müller, W., 2002, S.9

[2] ebd. S.11

[3] vgl. ebd. S. 14-17

[4] Knaur, 1985

[5] Duden, 1970

[6] www.wissen.de, Stand: 30.03.2008

[7] Schulze, 1992, S. 14

[8] ebenda, S. 33

[9] ebenda, S.44

[10] ebenda, S. 44

[11] ebenda, S.45

[12] ebenda, S.45

[13] Schulze, 1992, S. 45

[14] ebenda, S. 46

[15] Als Setting werden hier die Rahmenbedingungen bezeichnet, die der Erlebnispädagoge herstellt, um das Ziel zu erreichen.

[16] Oelkers, 1995, S. 117

[17] Witte, 2002, S. 21

[18] vgl. Witte,2002, S. 18

[19] Csikszentmihalyi zit. n. Witte, 2002, S. 17

[20] vgl. Plöhn, 1998, S. 6

[21] Csikszentmihalyi, 1987, S. 29

[22] ebenda, S. 69

[23] vgl. Witte, 2002, S. 18

[24] vgl. Heckmair/Michl, 2004, S 91

[25] Oelkers, 1995, S. 113

[26] ebenda, S. 113

[27]vgl. Neubert, 1990, S. 19-24

[28] Balz, 1993, S. 10

[29] ebenda

[30] Erlebnisse lassen sich „nur“ wahrscheinlich herstellen. Die Subjektivität der Verarbeitung von Erlebnissen lässt sich auch nicht durch das hundertprozentig vorbereitete Setting garantieren.

[31] vgl. Günther, 2004, S. 27

[32] Herrmann, 1987, S. 65f in Kurt Hahn: Erinnerung-Gedanken-Aufforderungen. Beiträge zum 100.Geb…

[33] Fischer/Ziegenspeck, 2000, S. 101

[34] vgl. Heckmair/Michl, 2004, S. 45

[35] ABC Konzept:AdventureBasedCounseling ist ein innovatives, auf Gemeinschaft basierendes Gruppenberatungsmodell, das kooperative Spiele, problemlösende Initiativen, niedrige, hohe und herausfordernde Seilkurselemente und andere Abenteueraktivitäten benutzt.

[36] vgl. Heckmair/Michl, 2004, S. 17ff

[37] ebenda

[38] Rousseau, 1998, S.9

[39] Günther zit. nach Ziegenspeck/Fischer, 2000, S. 104

[40] Heckmair/Michl,2004, S. 17

[41] Ziegenspeck/Fischer, 2000, S. 109f.

[42] Rousseau teilt die Kindheit in vier Phasen ein. Alter der Natur (0-3 Jahre), Alter der Stärke (bis zum 12. Lebensjahr), Alter der Vernunft (12-15 Jahre), Alter der Einsicht ( bis zum 20.Lebensjahr)

[43] vgl. Heckmair/Mihl, 2004, S. 45

[44] Dewey ,zit. n. Schreier, 1991, S. 8

[45] Schreier, 1991, S.8

[46]vgl. Reiners, 1995, S.11

[47] Heckmair/Michl, 2004, S. 47

[48] Dewey, 1993, S. 94

[49] vgl. Suhr, 1994, S.51ff

[50] Schreier, 1991, S.17

[51] vgl. Dewey, 1993, Vorwort

[52] ABC-Konzept :AdventureBasedCounseling ist ein innovatives, auf Gemeinschaft basierendes Gruppenberatungsmodell, das kooperative Spiele, problemlösende Initiativen, niedrige, hohe und herausfordernde Seilkurselemente und andere Abenteueraktivitäten benutzt.

[53]vgl. Ziegenspeck, 1987, S. 117

[54] Max von Baden (1867-1929), war letzter Thronfolger des Großherzogtums Baden, preußischer General und für einen Monat der letzte Reichskanzler des Deutschen Kaiserreiches.

[55] (1925) Hermannberg, (1929) Spetzgard, (1931) Hohenfels, (1932) Birkelhof im Schwarzwald (ab 1934 ist Birkelhof selbstständig)

[56] In der Nacht vom 9. auf den 10. August 1932 drangen in dem oberschlesischen Dorf Potempa fünf uniformierte SA-Leute in die Wohnung des Arbeiters und Gewerkschafters Konrad Piecuch ein und prügelten ihn in Anwesenheit seiner Mutter zu Tode. Die Reichsregierung unter Reichskanzler Franz von Papen hatte am 9. August eine Notverordnung gegen politischen Terror erlassen, die für politisch motivierte Morde die Todesstrafe vorsah. Dies schien unter anderem nach der Aufhebung des SA-Verbots im Juni 1932 geboten. Die Mörder wurden von einem Sondergericht in Beuthen am 22. August 1932 zum Tode verurteilt. Hitler nannte von Papen daraufhin öffentlich einen „Bluthund“ und schickte den Tätern am 22. August ein Telegramm folgenden Inhalts: „Meine Kameraden! Angesichts dieses ungeheuerlichen Bluturteils fühle ich mich Euch in unbegrenzter Treue verbunden. Eure Freiheit ist von diesem Augenblick an eine Frage unserer Ehre. Der Kampf gegen eine Regierung, unter der dies möglich war, unsere Pflicht!“ Auf Empfehlung des Justizministers Franz Gürtner wandelte Reichspräsident Hindenburg am 2. September 1932 die Strafe in lebenslängliche Gefängnishaft um, da die am Vortag der Mordnacht erlassene Notverordnung noch nicht öffentlich verkündet worden war und den Tätern daher nicht bekannt gewesen sein konnte. Die Regierung Hitler ließ die Mörder am 23. März 1933 frei

[57] Lausberg, 2007, S. 25

[58] Röhrs zit. n. Heckmair/Michl, 2004, S. 37

[59] Zentrales Thema der Politeia ist die Frage: Was ist Gerechtigkeit? Platon erläutert die ´ideale Gemeinschaft´ in der die Macht der Erziehung das Gute hervorbringt. Nur in einem Gemeinwesen, wo die Regierenden interesselos und besitzlos herrschen, kann die Idee der Gerechtigkeit umgesetzt werden.

[60] 1776 beschrieb Johann Wolfgang von Goethe seine Erziehungstheorien und seine Vorstellung von einer idealen Erziehungstätte, der „pädagogischen Provinz". Demnach ist eine „pädagogische Provinz" eine Erziehungsstätte unter Isolation von äußeren Einflüssen, in der alle menschlichen Tätigkeiten in den Dienst der Pädagogik gestellt wurden.

[61] Lausberg, 2007, S. 57

[62] Hahn zit. n. Knoll, 1987, S. 15

[63] Hahn zit. n. Lausberg, 2007, S. 76

[64] vgl. Lausberg, 2007, S. 77

[65] Hahn zit. n. Knoll, 1987, S. 18

Ende der Leseprobe aus 126 Seiten

Details

Titel
Erlebnispädagogik in der Berufsschule
Untertitel
Der Hochseilgarten als Medium für die Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz
Hochschule
Universität Lüneburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
126
Katalognummer
V121662
ISBN (eBook)
9783640263202
Dateigröße
1945 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seilgarten, Hochseilgarten, Berufsschule, Erlebnispädagogik, berufliche Handlungskompetenz, Ropes-Courses
Arbeit zitieren
Andreas Wagner (Autor:in), 2008, Erlebnispädagogik in der Berufsschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121662

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