Hoch- und Niedergerichtsrechte in der Grundherrschaft

Die Rechtspflege im alten Reich unter besonderer Berücksichtigung der Patrimonialgerichtsbarkeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Reichsgerichtsverfassung
Bedeutungsverlust der Grafengerichte des Königs: Vom Landgericht zum Femegericht
Der oberste Gerichtshof des Reiches: Vom königlichen Hofgericht zu Reichskammergericht und Reichshofrat

Die Patrimonialgerichte: Ländliche Privatgerichte des 18. u. 19. Jahrhunderts
Kompetenzen: Die Patrimonialgerichte als erste Instanz der Niedergerichtsbarkeit
Die politisch-soziale Dimension: Patrimonialgerichtsbarkeit ausschließlich als Unterdrückungsapparat ?

Fazit

Literatur

Einleitung

Aufgrund der Vielzahl an sich häufig wandelnden Institutionen, deren Grundlagen, Träger und Kompetenzen ist es äußerst schwierig, eine befriedigende Darstellung der Rechtspflege im römisch-deutschen König- und Kaiserreich zu erstellen, ohne den Rahmen einer solchen Arbeit zu sprengen. Da es meiner Meinung nach jedoch von größter Wichtigkeit ist, die jahrhundertealten und seit dem frühen Mittelalter gewachsenen Strukturen aufzuzeigen, um so die Tragweite des Wandels in der deutschen Rechtslandschaft bis in die Neuzeit hinein voll zu erfassen, habe ich mich bewusst entschieden, zum Ausgangspunkt dieser Arbeit diejenigen Strukturen und Prinzipien zu machen, welche seit der Zeit Karls des Großen im Reich bestand hatten.[1] Ausgehend davon skizziere ich die Entwicklungen der Gerichtsverfassung des Reiches vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit, um aufzuzeigen, wie immer mehr exklusive richterliche Kompetenzen dem Monarchen durch die erstarkenden Reichsstände entzogen wurden. Ich möchte hier bewusst den Schwerpunkt auf die Organe der ordentlichen Reichsgerichtsbarkeit legen, da diese aufgrund der hervorragenden Quellenlage[2] zu den am Besten erforschten Facetten der Rechtspflege im alten Reich zählen und eine Darstellung landesherrlicher Gerichtsbarkeit aufgrund der Fülle unterschiedlicher Institutionen in diesem Rahmen nur äußerst oberflächlich und ungenau erfolgen könnte. Der zweite Schwerpunkt dieser Arbeit liegt neben der ordentlichen Reichsgerichtsbarkeit auf der Rechtspflege der Patrimonialgerichte, welche sich bis zum Ende des alten Reiches zur wichtigsten Form privater Rechtsprechung entwickelt hatten. Da noch im Jahre 1800 ca. 80 Prozent der Gesamtbevölkerung der deutschen Staaten auf dem Lande lebten[3] und von diesen Menschen die meisten vor jenen Gerichten ihr Recht zu suchen hatten, hat wohl keine andere Art von Gerichtshof den rechtlichen Alltag der Deutschen im Zeitalter der Staatenbildungen stärker geprägt.

Die Reichsgerichtsverfassung

Seit dem Mittelalter war die deutsch-römische Gerichtslandschaft einer steten Zweiteilung in Hoch- und Niedergerichtsbarkeit unterworfen. Dies war zunächst einer strikten Funktionaldifferenzierung geschuldet. Die Hochgerichte befassten sich originär ausschließlich mit den gewichtigen Fällen der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. Mit dem sich immer ausgeprägter entwickelten System der peinlichen Strafen zur Ahndung von Verbrechen wandelte sie sich im Bereich der Kriminalgerichtsbarkeit im Laufe des Hochmittelalters zur Blut- oder Halsgerichtsbarkeit, also derjenigen Gerichtsbarkeit, welche solche Vergehen verhandelte, die mit einer Körper- oder Todesstrafe bedroht waren.[4] Dagegen beschränkte sich die Zuständigkeit der Niedergerichte auf Streitfälle geringen Wertes und auf die Ahndung nur minder schwerer Vergehen, welche meist mit Geldbuße oder Ehrenstrafen bedroht waren. Gewalt über Leben und Tod stand den Richtern der Niedergerichte nur im Ausnahmefall zu, nämlich im Falle einer handhaften Tat im Sinne eines Notgerichts.[5]

Jedoch bereits im 13. Jahrhundert wurde die Scheidung in Hoch- und Niedergerichte durch eine ständische Verschiebung der Gerichtszugehörigkeit dahin gehend verändert, dass sich die Zuständigkeit der Gerichte nicht mehr nach dem Gegenstand des Verfahrens, sondern vielmehr nach der Zugehörigkeit der Rechtsparteien zu einem bestimmten Stande bemaß.[6] So wurden Adel, höhere Geistlichkeit und Städte vom Niedergericht befreit. Diese nahmen fortan ihr Recht in allen Angelegenheiten vor den Landesgerichten, wie etwa vor landesherrlichen Hofgerichten. Die ehemaligen Niedergerichte wandelten sich nun zu Landgerichten für die einfache Bevölkerung, vor allem aus dem Bauernstande. Diese Gerichte erhielten nun vielerorts ebenfalls die Blutgerichtsbarkeit und wurden so zu niederen Landes- oder Hochgerichten. Für die Verhandlung der eigentlichen Niedergerichtsfälle waren nunmehr Dorf oder Kirchspielsgerichte zuständig, welche unter Vorsitz eines Dorfschulzen tagten, welcher sein Amt als Lehen ererbt hatte.[7]

Inhaber aller Gerichtshoheit im deutsch-römischen König-und Kaiserreich war der Monarch als Oberhaupt des Reiches, der somit höchste richterliche Gewalt im ganzen Reich beanspruchen konnte. Dementsprechend leitete sich ursprünglich jede Gerichtsgewalt von ihm ab. Da aber natürlich ein Bedarf an Richtern in allen Territorien bestand, bedeutet dies, dass eine ausdrückliche Übertragung des richterliche Banns durch den Monarchen auf Gerichte von Nöten war, welche somit in seinem Name Recht sprachen.

„Den koning kuset men to richtere over egen unde len unde over iewelken mannes lif. De keiser ne mach aver in allen landen nicht sin, unde al ungerichte nicht richten to aller tit; dar umme liet he den vorsten gravescap unde den greven sculteidum.“ –Sachsenspiegel Landrecht III 52 § 2[8]

Dieses Prinzip der Bannleihe, welches bis ins 13. Jahrhundert allgemein anerkannt und akzeptiert war, wurde aber immer stärker verdrängt. Zuerst bemächtigten sich die aufstrebenden Territorialgewalten der Niedergerichte, doch später folgten auch die Hochgerichtsrechte, so dass zum Ende des 13. Jahrhunderts das Dingen unter Königsbann beinahe vollständig verschwunden war und sich nur in einigen Ausnahmefällen zu halten vermochte.[9]

Bedeutungsverlust der Grafengerichte des Königs: Vom Landgericht zum Femegericht

Seit der Zeit der Karolinger wurde die Hochgerichtsbarkeit im Reich von den Grafengerichten versehen. Diese Landgerichte dingten unter Königsbann und bildeten unterhalb des königlichen Hofgerichts die höchste Gerichtsinstanz des Reiches. Ihre Zuständigkeit umfasste alle Streitfälle um liegendes Gut, Freiheit der Person und schwere Straffälle.[10] Vorsitzender Richter dort war der Graf, welcher sein Amt durch Bannleihe direkt vom König erhielt.[11] Wie in allen Gerichten des Mittelalters üblich leitete dieser jedoch nur die Verhandlung, während die Urteile von Schöffen gesprochen wurden. Schöffe konnte ursprünglich jeder freie Mann der Grafschaft werden, mancherorts jedoch mussten Schöffen von adliger Herkunft sein und Gutsbesitz in der Grafschaft besitzen. Zwischen diesem Gutsbesitz und dem Schöffenamt bildete sich eine feste Verbindung, so dass das Schöffenamt mit dem Gut vererbt wurde.[12] Des weiteren bildeten die Dingpflichtigen der Gerichtsgemeinde den Gerichtsumstand, dessen Aufgabe es war, den von den Schöffen vorgeschlagenen Urteilen die Zustimmung zu geben (Vollbort) oder zu versagen (Urteilsschelte). Diese Mitwirkung der Gerichtsgemeinde trat jedoch immer mehr zurück und hörte schließlich ganz auf.[13]

[...]


[1] Vgl. Conrad, Hermann: Deutsche Rechtsgeschichte. Band I, Karlsruhe, 1962, S.374.

[2] Vgl. Diestelkamp, Bernhard: Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht. Betrachtungen zu Kontinuität und Wandel der höchsten Gerichtsbarkeit am Übergang zur Frühen Neuzeit, S.45-46, in: Dilcher, Gerhard u.a. (Hrsg.): Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey. Studien zu Grundbegriffen der germanistischen Rechtstheorie,Berlin, 1986.

[3] Vgl. Köbler, Gerhard: Rechtsgeschichte. Ein systematischer Grundriß [sic] der geschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts, München, 1978, S.131.

[4] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.374.

[5] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.381.

[6] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.374.

[7] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.381-382.

[8] Ebel, Friedrich, Thielmann, Georg: Rechtsgeschichte. Ein Lehrbuch, Band 1, Heidelberg, 1989, S.187.

[9] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.374.

[10] Vgl. ebd., S.375.

[11] Vgl. ebd., S.374.

[12] Vgl. Conrad: Rechtsgeschichte I, S.375.

[13] Vgl. ebd., S.375.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hoch- und Niedergerichtsrechte in der Grundherrschaft
Untertitel
Die Rechtspflege im alten Reich unter besonderer Berücksichtigung der Patrimonialgerichtsbarkeit
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Historisches Institut / Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit )
Veranstaltung
Seminar: Die historische Entwicklung von Staatlichkeit bis ca. 1800
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V123701
ISBN (eBook)
9783640291694
ISBN (Buch)
9783640291755
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hoch-, Niedergerichtsrechte, Grundherrschaft, Reichsgericht, Hofgericht, Patrimonialgerichtsbarkeit, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
Arbeit zitieren
Thorsten Häußler (Autor:in), 2009, Hoch- und Niedergerichtsrechte in der Grundherrschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123701

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