Vater Unser. Über Sinn und Bedeutung des Gottesnamens Vater bei den Kirchenvätern


Hausarbeit, 2009

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Einleitung
- Sinn und Ziel der Seminararbeit
- Quellenlage

B) Hauptteil
1. Analyse der These: „Vaterunser enthält keine originär christl. Elemente“
1.1 Inwiefern ist die These richtig?
1.2 Gottesbezeichnung „Vater“ schon im AT
1.2.1 Vater als „Liebender“
1.2.2 Vater als „Schöpfer“
1.2.3 Vater als „Gerechter“
1.3 Kontinuität von AT und NT
1.4 Vorläufiges Fazit
2. Einwände gegen die Vaterschaft Gottes
2.1 Die Geschöpflichkeit des Menschen
2.2 Die Sündhaftigkeit des Menschen
3. Widerlegung der These
3.1 Warum wurde Jesus verurteilt?
3.2 Neuer Sinn des Vaternamens
3.2.1 Wer ist Jesus Christus?
3.2.1.1 Christus, der Sohn Gottes – Vater als Zeuger
3.2.2 Die Christen, wiedergeborene „Kinder Gottes“
3.2.2.1 Ontologische Vaterschaft – Vater als geistiger Zeuger
3.2.2.2 Moralische Kindschaft – Kinder als „Gerechtfertigte“

C) Schluss

I. Tabellarische Zusammenfassung

II. Fazit

III. Neue Gegenthese: „Keiner kann sagen ‚Vater’, außer im Glauben.“

Literaturverzeichnis

A) EINLEITUNG

- Sinn und Ziel der Seminararbeit

„Gottes Worte und Taten sind Wunder. Sie jagen dem Menschen Furcht und Schrecken ein, selbst die Engel zittern darüber. Was ihr aber heute von uns hört, ist so gewaltig, daß kein Erstaunen im Himmel, keine Furcht auf der Erde und kein Erschrecken der ganzen Schöpfung größer ist als dies: Der Sklave wagt es, seinen Herrn ‚Vater’ zu nennen, der Schuldige nennt den Richter seinen Erzeuger, die gesamte Schöpfung erklärt sich selbst als Kind Gottes.“[1]

Gott, den ewig seienden Schöpfer und Herrn des Universums, ja den Heiligen selbst „Vater“, gar „Abba“ zu nennen, ist wahrlich ein gewaltiges Wagnis und hat schon viele Menschen in Staunen und Zittern versetzt, auch und erst recht die Kirchenväter.

Ausgehend von den Schriften und Vaterunser-Auslegungen der Kirchenväter also, verfolgt die vorliegende Arbeit drei Ziele:

a) Als Ganzes sollen die vielfältigen Bedeutungen und der eigentliche (christliche) Sinn der Vaterschaft Gottes aufgezeigt und erklärt werden.
b) Dabei soll Klaus Bergers These, das Vaterunser enthalte „keine originär christlichen Elemente“[2] und sei „nicht typisch für Jesus und seine Jünger“[3], anhand der Kirchenväter-Auslegung des Vaterunsers (teilweise) widerlegt werden.
c) Schließlich soll im Schlussteil das Ergebnis zusammengefasst werden, um dann die Gegenthese aufzustellen, dass „keiner Gott „Vater“ nennen kann, außer im Glauben an Jesus Christus.“

- Quellenlage

Primärquellen sind v.a. die Vaterunser-Auslegungen von Tertullian, Origenes, Cyprian, Johannes Chrysostomus, Theodor von Mopsuestia, Petrus Chrysologus und Cyrill von Jerusalem, wobei auch andere Väter und Schriften mitberücksichtigt werden.[4]

Sekundärquellen bilden v.a. der „Vaterunser“-Artikel von Klaus Berger (Anm. 2) und die Dissertation von Maria-Barbara von Stritzky[5] über die frühchristliche Interpretation des Vaterunsers.

B) HAUPTTEIL

1. Analyse der These: „Vaterunser enthält keine originär christlichen Elemente“

Im ersten Kapitel soll untersucht werden, wie die These: „Das Vaterunser enthält keine originär christlichen Elemente“ zu verstehen ist und was an ihr richtig ist.

1.1 Inwiefern ist die These richtig?

Klaus Berger schreibt wörtlich:

„Dann aber besteht das eigentlich theologische Problem des Vaterunsers darin, daß es zwar das Gebet der Gemeinde sein soll [...], aber keine originär christlichen Elemente enthält: In ihm ist weder von der Person Jesu noch von der durch ihn geschehenen Erlösung die Rede“[6]

In der Tat: Jesus, der Sohn Gottes, wird nicht erwähnt, sondern nur der Vater. Wenn dazu noch der Vater in der letzten Bitte um Erlösung gebeten wird, die ja eigentlich das spezifische Charakteristikum des Sohnes, „des Erlösers“, darstellt, dann scheint die These Bergers wirklich plausibel und das Vaterunser gar nicht so christlich zu sein, wie es vielleicht schien.

Aber ist denn nicht die Gottesbezeichnung „Vater“ an sich spezifisch christlich?

1.2 Gottesbezeichnung „Vater“ schon im AT

Berger antwortet mit einem klaren Nein und belegt eindeutig, dass die Anrede „Vater unser (im Himmel)“ schon – wenn auch selten – im AT, im Spätjudentum und in rabbinischen Gebeten zu finden ist.[7] Für ihn ist also ganz klar:

„Die Anrede ‚unser Vater’ ist hier nicht etwa für das Gottesverhältnis Jesu oder der Jünger typisch, sondern findet sich in jüdischen Gebetsformeln“[8]

Damit liefert uns Berger die erste dogmatische Grundprämisse: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Gott ist nicht nur der Vater der Christen, sondern (zumindest)[9] auch der Vater der Juden.

Das wirft nun die große Frage auf: wie ist Gottes universelle Vaterschaft zu verstehen?[10]

1.2.1 Vater als „Liebender“

Die erste Assoziation, die man mit dem Wort „Vater“ verbindet, ist hoffentlich die der Liebe, Nähe, Fürsorge, usw. Dass Gott wie ein guter Vater für alle Menschen ist, findet sich oft im AT und ist grundlegend für das jüdisch-christliche Gottesbild:

„Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ (Ps 8,5-6) „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf.“ (Ps 27,10)

Allerdings findet man auch Stellen, die von einer partikularen bzw. besonderen Vaterschaft & Liebe Gottes zu Israel, dem auserwählten „Volk Gottes“, sprechen:

„Dann sag zum Pharao: So spricht Jahwe: Israel ist mein erstgeborener Sohn.“ (Ex 4,22) „Denn ich bin Israels Vater und Efraim ist mein erstgeborener Sohn.“ (Jer 31,9) „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,3)

Hier gilt also das Verhältnis: Gott : Mensch = Liebender : Geliebter

bzw.: Vater : Kind = lieben : geliebt sein

Demnach gilt: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Gott liebt alle Menschen (bes. Israel) so, als ob er ihr Vater wäre.

1.2.2 Vater als „Schöpfer“

Grundlegend und selbsterklärend sind z.B. diese Stellen:

„Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.“ (Jes 64,7) „Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen?“ (Mal 2,10)

Gott ist der Schöpfer der Welt und Ursprung allen Lebens. Wer ist also Vater, wenn nicht der Urheber des Lebens? Hiermit wird also durch die reine Vernunft[11] die universelle Vaterschaft Gottes auf die gesamte lebendige Schöpfung ausgeweitet.

Hier gilt also das Verhältnis: Gott : Mensch = Schöpfer : Geschöpf

bzw.: Vater : Kind = erschaffen : geschaffen sein

In diesem Sinn hat also Berger Recht: weil Gott der Schöpfer und Urheber der Menschen ist, der sie zudem noch „nach seinem eigenen Abbild“ geschaffen hat (vgl. Gen 1,27), ist er quasi ihr „Vater“. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Gott ist Schöpfer und „Vater“ aller Menschen.

1.2.3 Vater als „Gerechter“

Eine noch tiefere Möglichkeit, die Vaterschaft Gottes zu verstehen, bietet uns v.a. die Weisheitsliteratur des Spätjudentums:

„Das Ende der Gerechten preist er glücklich und prahlt, Gott sei sein Vater. (...) Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich Gott seiner an und entreißt ihn der Hand seiner Gegner.“ (Weish 2,16.18) „Sei den Waisen wie ein Vater und den Witwen wie ein Gatte! Dann wird Gott dich seinen Sohn nennen!“ (Sir 4,10)

Anders als bei dem Vater-Sohn-Verhältnis, das dem Mensch durch sein bloßes Geschaffen-sein geschenkt wird, ist es bei der moralischen Vater-Sohnschaft, bei der der Mensch selbst zum aktiven Mitgestalter dieses Verhältnisses wird, so dass es auch von seinem moralischen Handeln abhängt, ob er in ein solches tritt oder nicht.

Daher kann man dieses moralische Gott-Mensch-Verhältnis als eine höherwertige Vater-Sohnschaft bezeichnen, da hier nicht nur die Liebe von Gott zu Mensch, sondern auch die Liebe von Mensch zu Gott konstitutiv ist und damit auch die Freiheit, Moralfähigkeit und Selbstverwirklichungskraft des Menschen berücksichtigt wird.

Also kann und muss man hiermit sagen, dass zwar alle Menschen im allgemeinen Sinn „Kinder Gottes“heißen, aber im engeren Sinn eigentlich nur die Gerechten verdienen, so genannt zu werden, da sie nicht nur nach dem Abbild Gottes geschaffen sind, sondern Gott auch in ihrem moralischem Verhalten gleichen, wie es so schön heißt: „Wie der Vater, so der Sohn“.

Also gilt hier das Verhältnis: Gott : Mensch = Gerechter : „Gerechter“[12]

bzw.: Vater : Kind = gerecht sein : „gerecht sein“

Gott ist der „Gerechte / Gute“ schlechthin (vgl. Mk 10,18), daher ist er der „Vater“ der Gerechten. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Also ist Gott (im engeren Sinn) nur „Vater“ der Gerechten (und nicht der Ungerechten).

1.3 Kontinuität von AT und NT

Schließlich begründet Berger seine These damit, dass er eine gewisse Kontinuität bzw. Kohärenz zwischen dem alttestamentlichen Gebet und dem neutestamentlichen Vaterunser aufzeigt, indem er parallele Stellen vom „18-Bitten-Gebet des gleichzeitigen Judentums“ zitiert, z.B.:

„3: Du bist so heilig, und furchtbar ist dein Name. 4: Unser Vater, schenke uns in Gnaden die Erkenntnis über dich. 5: Du sorgst für Lebende. 6: Vergib uns, unser Vater, wir sündigten an dir. Wische unsere Missetaten aus. 7: Erlöse uns um deines Namens willen“[13]

Die Ähnlichkeit der beiden Gebete ist unbestreitbar und damit auch die Kontinuität des jüdisch-christlichen Glaubens und Betens.

Verstärkt wird die These von Otto Dibelius:

„Die Bitten des Vaterunsers bilden eine Zusammenfassung dessen, was der jüdisch-christlichen Frömmigkeit als das Wesentliche, das vor allem anderen Wünschenswerte erschien, und in dieser Zusammenfassung und der in sie gelegten Bedeutung tragen sie den Stempel jüdisch-christlichen Geistes.“[14]

Ja, der der Herr selbst scheint dies zu bestätigen, indem er sagt:

„Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben [...] sondern um zu erfüllen.“ (Mt 5,17)

1.4 Vorläufiges Fazit

Somit scheint das Vaterunser mit gutem Grund gar kein spezifisch christliches, sondern ein der gemeinsamen jüdisch-christlichen Tradition entsprechendes Gebet zu sein, das beide, Juden und Christen, ja sogar alle (gerechten) Menschen problemlos miteinander beten könnten, da Gott schließlich der „Vater“ aller Menschen ist.

2. Einwände gegen die Vaterschaft Gottes

Allerdings ergeben sich gegen die These, dass Gott der Vater aller Menschen sei, zwei fundamentale Einwände, nämlich 1. die Geschöpflichkeit und 2. die Sündhaftigkeit des Menschen.

2.1 Die Geschöpflichkeit des Menschen

Es wurde zwar festgestellt, dass Gott auf verschiedene Weise „Vater“ der Menschen genannt wird, aber nie auf eigentliche Weise, sondern immer nur so, dass Gott wie ein Vater für die Menschen ist und so, als ob er ihr Vater wäre, d.h. bisher wurde nur bildlich oder metaphorisch von Gottes Vaterschaft geredet.

Man kann also vielleicht Gott „Vater“ nennen, aber nicht auf eigentliche und wirkliche Weise, d.h. nicht im wörtlichen und begrifflichen Sinn, da man sonst das unfassbare Wesen Gottes mit menschlichen Worten und Begriffen begrenzen würde und ihm durch eine anthropomorphe Redeweise menschliche Eigenschaften zuweisen würde, wie z.B. Geschlechtlichkeit, Begrenztheit oder ungenügende Vaterbild-Projektionen usw., die ihn zum Geschöpf degradieren würden. Man würde also entweder Gott „vermenschlichen“ oder umgekehrt den Menschen – auf die Stufe Gottes erhebend – „vergöttlichen“, was beides nicht sein kann (wie später noch deutlicher erklärt wird).

[...]


[1] Petrus Chrysologus, Über das Gebet des Herrn, in: Quellen geistlichen Lebens: die Zeit der Väter, Bd.1, Hg. Geerlings Wilhelm – Greshake Gisbert, Mainz 1980, S. 213 (Künftig zitiert: Chrysologus, Gebet des Herrn.)

[2] Berger Klaus, Artikel „Vaterunser“, in: Sacramentum mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis, Bd. 4, Freiburg – Basel – Wien 1969, S. 1147 (Künftig zitiert: Berger, Vaterunser.)

[3] ebd., S. 1148

[4] Genaue Literaturangaben befinden sich im Literaturverzeichnis.

[5] Von Stritzky Maria-Barbara, Studien zur Überlieferung und Interpretation des Vaterunsers in der frühchristlichen Literatur, in: Münsterische Beiträge zur Theologie, Bd. 57, Münster 1989 (Künftig zitiert: Von Stritzky. Frühchristl. Vaterunser.)

[6] Berger, Vaterunser, S. 1147

[7] ebd., S. 1148

[8] ebd., S. 1148

[9] Um einem Missverständnis gleich vorzubeugen, schreibt Berger: „Es wäre falsche Apologetik, zu behaupten, die jüdischen Gebete seien nur national, das Vaterunser dagegen rein religiös ausgerichtet.“, ebd., S. 1147

[10] Vgl. Artikel „Vaterschaft Gottes“, in: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), Hg. Kasper Walter u.a., Bd. 10, Freiburg – Basel – Rom 2001, Kap. II, 3.b, S. 546f.: „Eine wichtige Frage bleibt umstritten: ist die Vaterschaft Gottes universal bezogen auf die Menschen, also schöpfungstheologisch zu verstehen, oder partikular, eben erwählungstheologisch?“ Ist Gott also nur Vater der Christen oder aller Menschen?

[11] D.h. unabhängig von Zeit und Ort, Volk und Glaube, Gut und Böse.

[12] Selbstverständlich kann der Mensch nicht auf gleicher Ebene so gerecht sein wie Gott, sondern eben nur so gerecht wie es ein Mensch sein kann.

[13] Berger, Vaterunser, S. 1147

[14] Dibelius Otto, Das Vaterunser – Umrisse zu einer Geschichte des Gebets in der alten und mittleren Kirche, Giessen 1903, S. 61 (Künftig zitiert: Dibelius, Vaterunser.)

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Vater Unser. Über Sinn und Bedeutung des Gottesnamens Vater bei den Kirchenvätern
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Katholische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar im Fach "Alte Kirchengeschichte"
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V127947
ISBN (eBook)
9783640344871
ISBN (eBook)
9783640407422
ISBN (Buch)
9783640407521
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wissenschaftlich und spirituell zu lesen. Einfache Sprache und tiefer Sinn.
Schlagworte
Kirchenväter, Gebet, Vater unser, Gottesname, Vater, Patrologie, Abba, Name Gottes, Gottesanrede, Gottesbezeichnung, Kinder Gottes
Arbeit zitieren
Petar Komljenovic (Autor:in), 2009, Vater Unser. Über Sinn und Bedeutung des Gottesnamens Vater bei den Kirchenvätern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127947

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