Character Design. Umsetzung, Methoden und Mechanismen.


Bachelorarbeit, 2009

73 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Kurzfassung

Einleitung

Die Methoden und Mechanismen hinter dem Charakter Design

Visuelle Vereinfachungen
Natürliche Zeichen
Konventionelle Zeichen
Ikone
Piktogramm
Symbol
Metapher
Verwendung beim Charakter Design

Denkmuster und Wahrnehmung
Ähnlichkeiten
Selektive Wahrnehmung
Imaginäre Wahrnehmung
Muster
Kollektive Wahrnehmungsmuster und Kollektivsymbole
Intersubjektivität
Assoziationen
Archetypus
Erkennungsmerkmale und Abstraktion
Verwendung beim Charakter Design

Erfahrungen
Kulturelle und soziale Erfahrungen
Individuelle Erfahrungen
Urban Legends und weit verbreitete Irrtümer
Zielgruppe

Kindchenschema

Überzeichnung
Stereotyp
Kategorisierung
Klischees
Verwendung beim Charakter Design

Identifizierung mit Charakter
AIME Wert
Brain Scripts
Verkettung
Helden braucht die Welt
Ablauf der Geschichte

Vermenschlichung

Zusammenfassung

Ein Charakter sagt mehr als 1000 Worte Milieu und Setting

Größe, Proportionen und Form
Größe und Proportionen
Form des Charakters und dessen Gesichtes

Posen und Silhouette

Kleidung, Frisur, Accessoires und Farben

Blickwinkel und Richtung

Etiketten
Image Etikette
Brain Skript Etikett und Verhaltens Etikett

Zusammenfassung

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Danksagung

Ich danke meinem Betreuer Dr. Martin Pichlmair für seinen Rat und seine Unterstützung. Ebenso Universitätsprofessor Peter Purgathofer, der zusammen mit Dr. Martin Pichlmair das lehrreiche und interessante Praktikum „Game Design“, in dessen Verbindung auch diese Bakkalaureatsarbeit entstand, anbot.

Ebenfalls einen großen Dank an meine Eltern Johanna und Gerhard Tintel, die mich immer unterstützten und mir mein Studium ermöglichten.

Schließlich möchte ich mich auch noch bei meinen KorrekturleserInnen Prof. Eva Fischel, Sandra Janic, Evelyn Koller, Prof. Gerhard Tintel und Dagmar Wyka bedanken.

Kurzfassung

„Der erste Eindruck zählt“, wer kennt dieses Sprichwort, in der Psychologie auch als Primäreffekt1 bezeichnet, nicht? Das Gegenüber wird schnell als angenehm oder unangenehm, sympathisch oder unsympathisch, nett oder gefährlich eingestuft. Viele Eigenschaften, die Lebensgeschichte, die Lebensumstände, ... kennen wir nicht, trotzdem können wir uns schnell ein Bild vom Gegenüber machen. Oft schreiben wir dem Gegenüber auch Werte und Eigenschaften aufgrund des ersten Eindruckes zu, reimen uns Zusammenhänge und verschiedenste Faktoren zusammen.

Tauschen wir das Gegenüber durch ein Bild von ihm aus, tritt dieser Effekt ebenfalls auf, genauso wie bei erfundenen Personen, wie es beim Charakter Design der Fall ist. Charakter Design ist somit ein wichtiger Aspekt in der bildenden Kunst und in vielen anderen Bereichen und Branchen, der oft im kreativen Schaffen mit einfließt, dessen Mechanismen und Methoden aber oft nicht bewusst gemacht werden, in unserem Leben aber allgegenwärtig sind.

Gutes Charakter Design ist mehr als einem Charakter ein Aussehen zu verschaffen. Es ist vielmehr dem Charakter eine Identität zu geben, Ausstrahlung, Persönlichkeit, Leben einzuhauchen und ihm eine Lebensgeschichte die auch visuell zu erkennen ist, zu verschaffen2. Dazu werden die inneren Werte, Eigenschaften, Ideologien, Einstellungen, Lebenswerte, ... des Charakters visuell nach außen gekehrt und lösen beim Rezipienten Emotionen und Sinneseindrücke aus die bewusst gelenkt werden können. Deswegen ist, neben der Story, das Charakter Design der wichtigste Aspekt des visuellen Erzählens.3

Die vorliegende Bakkalaureatsarbeit behandelt folglich nicht nur die visuelle Umsetzung des Charakter Designs, sondern vor allem die Mechanismen und Methoden dahinter. Welche gibt es, wie funktionieren diese, warum gibt es sie und wie helfen sie uns im Alltag? Somit ist diese Bakkalaureatsarbeit nicht nur ein Blick auf die Umsetzung des Charakter Designs, sondern auch ein tiefer Blick in unsere Psyche und deren Funktionsmechanismen.

Einleitung

Der Mensch besitzt zwei Instrumente, um seine Erfahrungen, Gefühle, Erlebtes, ... weiter zu geben und zu vermitteln: die Schrift und das Bild. Beim Charakter Design bedient man sich der bildlichen Sprache, wobei in einigen Bereichen in denen Charakter Design anzutreffen ist, die bildliche Sprache zusätzlich mit Schrift ergänzt bzw. unterstützt wird (zum Beispiel Manga, Comics, Graffitis, ...).

Unter Charakter Design versteht man die Gestaltung, sprich visuelle Umsetzung, einer Figur. Die hohe Kunst des Charakter Designs ist es aber, nicht nur dem Charakter ein Aussehen zu geben, sondern Charaktereigenschaften, Verhalten, Fähigkeiten, Persönlichkeit, ... nach außen zu kehren und dem Charakter Leben einzuhauchen.

Charakter Design ist nicht an eine Branche oder ein Einsatzgebiet gebunden, sondern in vielen Bereichen anzutreffen. Dazu zählt unter anderem:

- Analoges und digitales Zeichnen: Manga, Comic, Karikatur, Art Design, ...
- 3D Renderings: Stills, Animationen, ...
- Spiele: PC, Konsolen, ...
- Film: Visuell Effects, Animationsfilm, ...
- Graffiti und Airbrush
- Werbung
- Bildende Kunst
- Theater

Die in dieser Bakkalaureatsarbeit beschriebenen Mechanismen und Methoden sind auch in anderen Bereichen 1:1, beziehungsweise angepasst, anzutreffen, unter anderem Literatur, Politik, PR, Tattoos, Maskenbildner, Puppenbauer, Experience Economy, Produktdesign, Entertainment, Freizeitparks, ...

Gutes Charakter Design ist essentiell, da es in Kombination mit illusionären Welten verwendet wird, die stimmig und in sich auf gewisse Art und Weise logisch und konsistent sein müssen. Kommt es zu einem Fehler in dieser illusionären Welt, führt dies oft zu einem Zusammenbruch dieser Illusion. Ist in einem mittelalterlichen Film ein Cowboy zu sehen, führt dies zum Zusammenbruch der illusionären Welt, die gezeigt wird. Wenn bei einem Art Design ein Macho ein Tutu trägt, ist dies auch nicht stimmig, außer diese Unstimmigkeit ist gewollt und Teil der Message an den Rezipienten. Deswegen ist es wichtig, eine in sich logische, widerspruchsfreie Welt zu schaffen, die nach außen hin vielleicht auf den ersten Blick nicht logisch erscheint, in sich aber konsistent ist und bleibt. Somit wird sichergestellt, dass der Rezipient nicht aus der illusionären Welt aufgrund von Fehlern im Design gerissen wird.

Wir erkennen schlechtes Charakter Design sehr leicht und schnell, ohne dass uns bewusst ist, welche Methoden und Mechanismen dahinter stehen. Im folgenden Kapitel werden jene Mechanismen psychologisch erläutert, die in den verschiedensten Bereichen des Charakter Designs auftreten. Das darauf folgende Kapitel setzt sich mit den wichtigsten Aspekten bei der visuellen Umsetzung dieser Mechanismen auseinander.

Die Methoden und Mechanismen hinter dem Charakter Design

In diesem Kapitel werden jene Mechanismen und Methoden in unserem Gehirn erklärt, die wirken, wenn wir einen Charakter betrachten. Sie sind nicht nur ausschlaggebend dafür, dass wir glauben sehr viel über den Charakter zu wissen, sondern helfen uns auch im Alltag in vielen Bereichen.

Am Anfang wird auf Zeichen und Symbole eingegangen, die wir aus dem Alltag kennen, oft nicht bewusst beachten und glauben, sie seien logisch. Doch steckt nicht Logik dahinter, sondern die Wahrnehmung und Denkmuster, die zum größten Teil erlernt und stark kulturabhängig sind. Deswegen wird zuerst auf die verschiedensten visuellen Vereinfachungen, die wir alle aus dem Alltag kennen, näher eingegangen, anschließend auf die Denkmuster und unsere Wahrnehmung, und schlussendlich woher wir diese haben.

Danach widmet sich ein Unterkapitel dem wichtigsten Schema, dem Kindchenschema, das nicht nur evolutionsbiologisch sehr wichtig ist, sondern auch im Bereich Charakter Design, vor allem in Animationsfilmen, von großer Bedeutung ist.

Da das Kindchenschema meist im Zusammenhang mit Überzeichnung steht, wird auf die verschiedensten Arten der Überzeichnungen anschließend eingegangen.

Am Schluss dieses Kapitels steht die Identifizierung mit dem Charakter im Vordergrund, warum diese wichtig ist, welche Methoden, Ansätze und Aspekte es zu beachten gibt, und wie das Hineinversetzen des Rezipienten in Tiere beziehungsweise Objekte stark verbessert werden kann.

Visuelle Vereinfachungen

Es gibt zwei Arten von Zeichen, die im Zusammenhang mit visuellen Vereinfachungen agieren4: natürliche Zeichen und konventionelle Zeichen. Diese werden in der Semiotik, sprich der Lehre von den Zeichen, verwendet. Aufgrund der Verankerung in der Wahrnehmung sind sie aber auch in der visuellen Sprache wichtig und werden oft fälschlicher Weise nicht beachtet. Auf die einzelnen Zeichenarten, deren Ausprägungen, ... wird unter anderem auf den folgenden Seiten eingegangen.

Natürliche Zeichen

Natürliche Zeichen5 sind, wie der Name schon suggeriert, Zeichen die natürlich und in der Natur anzutreffen sind. Ihnen geht etwas anderes voran und sind somit eng mit ihnen verbunden. Ein Beispiel für natürliches Zeichen ist Rauch für Feuer, da es ohne Feuer keinen Rauch gibt. Ein anderes natürliches Zeichen sind die Kaninchenspuren für Kaninchen, da es ohne Kaninchen keine Kaninchenspuren gibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beim Charakter Design können natürliche Zeichen bewusst genutzt werden, um einerseits den AIME Wert (dazu später mehr), da der Fantasie freien Lauf gelassen wird, stark zu steigern, anderseits die Richtung, die von der Fantasie eingeschlagen wird, bewusst vom Künstler vorgegeben werden kann.

Konventionelle Zeichen

Sind fast immer willkürlich7gewählt und deren Bedeutung ist reine Vereinbarungssache. Oft gibt es aber Ähnlichkeiten zwischen dem konventionellen Zeichen und dem abgebildeten Objekt. Es kann aber auch ein Objekt aus verschiedenen bekannten Objekten kreiert werden: ein Einhorn, das es bekanntlich nicht gibt, ist eine Mischung aus einem Nashorn und einem Pferd, also 2 uns bekannten Objekten. Meistens gibt es aber auch aufgrund der Wahrnehmung, Denkmuster, ... von Ähnlichkeiten, die in unserer Psyche entstehen, so aber nicht gegeben sind. Andere Kulturen weisen andere Denkmuster, Sehmuster und eine andere Wahrnehmung auf, sodass Straßenschilder für sie logisch erscheinen, während wir deren Bedeutung nicht erkennen können und umgekehrt sie bei uns Probleme haben.

Beispiele für konventionelle Zeichen sind Ikone, Piktogramme und Symbole, auf die nun näher eingegangen wird.

Ikone

Das Wort Ikon stammt aus dem Griechischen und bedeutet Bild8. Unter Ikon versteht man ein Zeichen, welches sich auf das Merkmal der Ähnlichkeit seines bezeichneten Gegenstandes bezieht. Somit unterscheidet es sich von einer rein willkürlichen Bezeichnung. Typische Beispiele für Ikone sind Bilder mit Motiven, die realen Objekten visuell ähnlich sind, zum Beispiel Porträts.

Viele alte Schriften benutzen Ikone, wobei diese visuellen Darstellungen und deren dahinter stehende Bedeutung in der heutigen Zeit anders verwendet und gedeutet werden würden. Ein Vogel steht heutzutage eher für ein Tier als eine Gottheit und eine korpulente Dame würde auch aufgrund der verbreiteten Schönheitsideale nicht mehr dem entsprechen was zur damaligen Zeit mit dieser visuellen Darstellung ausgedrückt wurde.

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Betrachten wir ikonische Zeichen näher, erkennen wir, dass es sich nicht um eine Abbildung, sondern um eine scheinbare Abbildung handelt10. Das abgebildete Fahrrad könnte weder stehen, noch fahren. Die Verbindung zwischen dem Zeichen und der Vorstellung die sie verursacht, beruht also nicht auf der Abbildung eines realen Objektes, sondern auf einer scheinbaren Abbildung (Abstraktion). Die Abbildung ist folglich weder exakt noch natürlich. Der Grund, warum wir es als Fahrrad erkennen und andere (zum Beispiel Kulturen) nicht, ist die Wahrnehmung, im speziellen Fall, kollektive Wahrnehmungsmuster. Doch dazu später mehr.

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Heutzutage sind Ikone unter anderem in Form von Piktogrammen weit verbreitet: Verkehrsschilder, Zeichnungen, Lagepläne, Landkarten, Gemälde und vieles mehr. Sie sind aber auch im Charakter Design anzutreffen, wie zuvor gezeigt13.

Piktogramm

Das Wort Piktogramm stammt aus dem Lateinischen und heißt gemalt, beziehungsweise Bild14. Unter Piktogramm versteht man ein einzelnes Ikon oder Symbol, das in einer grafischen Darstellung vereinfacht wurde und visuell Informationen wiedergibt. Sie sind Vorläufer verschiedener Schriften, darunter die Keilschrift, hieroglyphischen Schrift und Weiterentwicklungen wie den japanischen und chinesischen Schriftzeichen.

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Die Globalisierung, Internationalisierung und Standardisierung trägt einen sehr großen Teil dazu bei, genauso wie die Sprachunabhängigkeit und den Informationen, die Piktogramme schnell vermitteln können, so dass diese in unserem Leben weit verbreitet und überall anzutreffen sind. Sie helfen uns, in anderen Ländern sich zurecht zu finden, warnen uns vor Gefahren und vermitteln uns rasch Informationen.

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Zu beachten ist aber, dass es viele Piktogramme gibt, die nicht interkulturell verständlich sind. Grund dafür ist, dass die Vorlage des stilisierten Abbildes dem Betrachter bekannt sein muss und das Piktogramm dadurch intuitiv verständlich ist.

Beispiele für Piktogramme sind Verkehrsschilder, Pflegehinweise an Textilien, WC-Piktogramme und Verbotsschilder. Heutzutage sind vor allem auf PCs und deren grafische Benutzeroberflächen Piktogramme allgegenwärtig meist in Form von Metaphern, die in diesem Bereich oft als Icons bezeichnet werden.

Symbol

Das Wort Symbol kommt aus dem Griechischen und bedeutet “etwas Zusammengefügtes”19. Im Allgemeinen ist ein Symbol ein Bedeutungsträger, der eine Vorstellung von etwas hervorruft, das nicht unbedingt gegenwärtig sein muss. Ursprünglich wurden Symbole verwendet, um das Gegenüber zu identifizieren. Zum Beispiel wurde ein Knochen oder Tongegenstand zerbrochen, beide Parteien bekamen einen Teil und beim nächsten Treffen konnte man durch Zusammensetzen erkennen, ob das Gegenüber wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Dadurch assoziierte man auch den anderen durch das festgelegte Symbol. Über diese Kennzeichen entwickelten sich Symbole hin zu Sinnbildern.

Symbole zogen auch in andere Bereiche ein, wie etwa dem christlichen Glauben. Die weiße Taube als Symbol für Frieden ist in unserem Kulturkreis ein bekanntes Beispiel, ebenso wie das Kreuz ein bekanntes Zeichen aus dem Christentum ist.

Symbole zogen im Lauf der Zeit unter anderem in die Bildende Kunst ein, bei der es eine eigene Kunstströmung gibt, den Symbolismus20. Ein wichtiges Zitat aus dem „Symbolischen Manifest“ des französischen Dichters Jean Moréas lautet „Die wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, eine Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszusprechen“. Der Symbolismus beeinflusste unter anderem den Surrealismus. Die moderne Version des Symbolismus ist der „abstrakte Symbolismus“, der auch in der zeitgenössischen Romanliteratur, wie zum Beispiel dem Roman Illuminati von Dan Brown zu finden ist.

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Historisch entwickelte sich das Symbol hin zu einem Sinnbild, das stellvertretend für etwas nicht Wahrnehmbares steht, das oft auch anders nicht artikulierbar ist. Darunter fallen zum Beispiel Geglaubtes und Gedachtes. Spricht man zum Beispiel über Liebe, weiß jeder für sich, was mit Liebe gemeint ist. Somit kann über Liebe gesprochen und diskutiert werden, obwohl Liebe weder etwas Greifbares noch Handfestes ist, geschweige denn jemand Liebe real gesehen hat, da es ein Gefühl ist, das wir mit „Liebe“ bezeichnen. Trotzdem kennen wir das Sinnbild Liebe und wissen, was damit assoziiert wird und gemeint ist. "Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, diese in ein Bild, und zwar so, dass die Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.“22

Heutzutage sind Symbole in Religion, Mythos, Kunst und vielen anderen Bereichen zu finden, meistens in einem nicht rein rational übersetzbaren und interpretierbaren Zusammenhang. Verkehrszeichen (Piktogramm) sind genau definiert, während Symbole wie Liebe oder ein Herz die rationale Ebene übersteigen, oft kulturell verschieden sind (zum Beispiel hat die weiße Taube in anderen, nicht christlichen Kulturen eine andere, beziehungsweise keine Bedeutung), einen Bedeutungsüberschuss aufweisen und somit nicht eindeutig erkennbar sind.

Darüber hinaus sind Symbole sprachunabhängige Schriftzeichen, die meistens auch von sprachunkundigen Besuchern leicht zu verstehen sind und für Analphabeten oft die einzige Orientierung bieten. Folglich ist leicht ersichtlich, dass Firmen und Marken weltweit sich Symbolen bedienen, um ihren Unternehmen nach außen ein Sinnbild zu geben beziehungsweise einen Wiedererkennungseffekt, der oft auch ein positives Erscheinungsbild eines Unternehmens suggeriert und manipuliert.

Metapher

Das Wort Metapher stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „anderswohin tragen“23. Metapher ist eine rhetorische Figur, bei der Wörter nicht wörtlich genommen, sondern in einer übertragenen Bedeutung verwendet werden. Dabei gibt es in der Regel aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit zwischen dem Wort und der übertragen gemeinten Bedeutung eine Beziehung.

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Wenn „jemandem das Herz brechen“ als Metapher herangezogen wird, kann einerseits sehr gut die Verbindung zu Symbolen („Herz“), anderseits auch die „Übertragung“ erkannt werden. Das Symbol „Herz“ steht für Liebe und somit wird in dieser Metapher auf ein Symbol verwiesen, das für jeden verständlich ist, aber in seiner Ausprägung individuell im Rezipienten verankert ist. Die Übertragung „brechen“ assoziiert man mit kaputt gehen (zum Beispiel wenn ein Tonkrug, Glas, Teller, ... zerbricht, ist dieser kaputt) und folglich, dass das Zerbrochene nicht mehr zu gebrauchen ist.

Verwendet man nun in der visuellen Sprache ein Herz, das in zwei Teile geteilt ist, kommt einem gleich die Metapher „ jemandem das Herz brechen“ in den Sinn und somit können Metaphern auch in der visuellen Sprache verwendet werden.

Verwendung beim Charakter Design

Visuelle Vereinfachungen und viele der Mechanismen und Methoden dahinter, wirken auf den ersten Blick sehr einfach, sind dies aber nicht. Natürliche Zeichen verbinden bekannte Zeichen aus der Natur, konventionelle Zeichen verbinden erlernte Zeichen. Dabei sind viele Faktoren verantwortlich, ob wir konventionelle Zeichen erlernen müssen, alleine entschlüsseln können oder durch die angeeignete Wahrnehmung ableiten können aus zum Beispiel anderen uns bekannten Zeichen, oder der Sichtweise die wir mit der Zeit erlangen.

Symbole können, wie in Manga und Anime vielfältig und vielfach verwendet, ausdrücken, was sonst kaum, schwer oder gar nicht ausdrückbar ist. In Manga sind Symbole, neben der Übertreibung, die später noch erläutert wird, ein wesentliches Merkmal dieser Richtung.

Metaphern sind nicht nur in der wörtlichen Sprache, sondern auch in der visuellen Sprache wichtig, vor allem in Kombination mit Symbolen. Doch warum gibt es diese Verbindung zwischen visuellen Zeichen und einer Vorstellung? Wie kommen diese Verbindungen zustande und warum gibt es trotzdem Unterschiede, so dass nicht alle Menschen diese Verbindungen aufweisen? Hauptsächlich verantwortlich dafür sind Denkmuster und Erfahrungen, auf die in den nächsten Seiten näher eingegangen wird.

Denkmuster und Wahrnehmung

Denkmuster und Wahrnehmung helfen uns im Alltag und sind ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit Symbolen. Zu beachten ist, dass Wahrnehmung kein passives Registrieren von Reizen ist, sondern einen aktiven und schaffenden Charakter besitzen25. Wahrnehmen ist ein Prozess, der teilweise erlernt wird und darüber hinaus auch kulturellen Gegebenheiten unterliegt.

In der (kognitiven) Psychologie wird Denken als eine Mischung aus Verarbeitung logisch abstrakter Symbole und der eigentlichen Gedächtnisleistung angesehen26. Beim Denken an sich wird auf Vorstellungen, Erinnerungen und Begriffe zurückgegriffen, die in einem gewissen Rahmen oft Denkmustern unterliegen. Auf diese, genauso wie Wahrnehmung, Muster, ... wird auf den folgenden Seiten näher eingegangen.

Ähnlichkeiten

Oft gibt es zwischen Symbol und dem damit verbundenen, assoziierten Gegenstand, eine Beziehung aufgrund der Ähnlichkeiten, genauer gesagt den gemeinsamen Eigenschaften27. Nicht alle Eigenschaften müssen übereinstimmen, sondern der Grad der Ähnlichkeit ergibt sich aus dem Verhältnis gemeinsamer Eigenschaften zu den zu unterscheidenden Eigenschaften.

“In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht”28 und “Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.”29 zeigt sehr gut eine Grundproblematik: Alles unterliegt einer ständigen Veränderung30 (ein Baum wächst, der Fluss fließt, der Flussverlauf ändert sich, der Mensch altert, das Auto nutzt sich ab, die Umwelt verändert sich,…), welche zur Folge hat, dass es im Universum vermutlich kein Ding gibt, das gleich zu einem zweiten ist. Darüber hinaus ist das Ding zu sich selbst nur in einem Augenblick gleich, da durch die Veränderung es davor und danach einen abweichenden Zustand aufweist.

Umso wichtiger sind Ähnlichkeiten in der Wahrnehmung und im Alltagsleben. Könnte der Mensch seine Umgebung, als Beispiel wird ein Fluss herangezogen, nicht wiedererkennen da über Nacht jemand einen Stein in den Fluss geworfen hat, und somit der Fluss nicht mehr identisch ist mit dem Fluss am Tag zuvor, ergäbe dies große Probleme. Menschen, die man kennt, unterliegen wie alles andere, Veränderungen. Würden wir den Menschen, der uns gegenüber steht, nicht mehr erkennen aufgrund der Tatsache, dass ihm ein Haar über Nacht ausfiel, ein Zahn fehlt, er eine Verletzung aufweist, die er beim letzten Treffen nicht aufwies, würde es ein Alltagsleben und zwischenmenschliche Kontakte unmöglich machen. Die Identität wird also in Wahrheit über die Feststellung der Ähnlichkeiten authentifiziert. Darüber hinaus erfolgt auch oft eine Klassifizierung, indem Dinge mit vielen Ähnlichkeiten, oder gleichen Ausprägungen von Ähnlichkeiten zusammen gezogen werden zu einer Gruppe. Es gibt zum Beispiel unendlich viele Gewächse, die wir in Klassen einteilen und diese ebenfalls oft wieder in Gruppen unterteilen: „Baum“, „Blume“, „Rose“, „Blut Rose“31, „Obst“, „Gemüse“, ...

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Trotzdem haben Ähnlichkeiten auch ihre Schattenseite. Gemeinsame Eigenschaften, somit auch die Ähnlichkeit, hängen mit einer tief philosophischen Problematik zusammen, nämlich der des Erkennens der Wirklichkeit. Oft wird die Wahrnehmung manipuliert, unterliegt Denkmustern, die uns unbekannt oder unbeachtet sind. Als Beispiel sei hier erneut die Liebe erwähnt, aufgrund derer mit dem Partner viele Gemeinsamkeiten und gemeinsame Eigenschaften gefunden werden und wenige beziehungsweise kaum abweichende Eigenschaften gefunden werden können. Folglich glauben wir, dass der/ die PartnerIn uns ähnlich ist, da das Verhältnis Gemeinsamkeiten gegenüber den Unterschieden sehr hoch ist. In diesem Zusammenhang ist die selektive Wahrnehmung unter anderem ein Hauptverursacher, sodass eine große Ähnlichkeit zustande kommt, die so nicht gegeben ist.

Selektive Wahrnehmung

Unter selektiver Wahrnehmung versteht man ein Phänomen aus der Psychologie33. Dabei werden nur bestimmte Aspekte der Umwelt wahrgenommen, andere ausgeblendet. Es gibt verschiedene Prozesse, die meist unterbewusst ablaufen und dieses Phänomen verursachen. Darunter fallen unter anderem Erfahrungen, Erwartungen, Einstellungen und Interessen.

Grundsätzlich beruht selektive Wahrnehmung auf der Fähigkeit, Muster zu erkennen. Muster zu erkennen ist ein grundlegender Mechanismus des menschlichen Gehirns, wobei das Gehirn ständig auf der Suche nach Mustern ist. Grund dafür ist, dass es eine an sonst unbewältigbare Anzahl an Informationen und Reize gibt, die uns überfluten. Darüber hinaus muss oft rasch reagiert und gleichzeitig wahrgenommen werden. Um aber rasch reagieren und wahrnehmen zu können, füllt die selektive Wahrnehmung, meist in Verbindung mit Schemata, Löcher, bei denen wir glauben zu wissen womit sie gefüllt werden müssen34. Dadurch ersparen wir uns viel Zeit, einen zweiten Blick, nachdenken und nachfragen.

Eine Folge der selektiven Wahrnehmung ist, dass Argumente für die eigene Haltung und das Füllen von Löchern stärker wahrgenommen wird, während schwächende Argumente und Fehler beim Füllen meist ausgeblendet werden. Um zum Beispiel „Liebe“ aus dem Unterkapitel „Ähnlichkeit“ zurück zu kommen, werden die gemeinsamen Ähnlichkeiten viel stärker wahrgenommen, während die abweichenden ausgeblendet und nicht, beziehungsweise schwächer, wahrgenommen werden. Grund dafür ist die selektive Wahrnehmung, die uns in unserer Haltung „ich liebe den anderen Menschen“ bestärken möchte, und den Beigeschmack „vielleicht liebt der andere mich doch nicht“ versucht auszublenden.

Umso wichtiger ist es beim Charakter Design, ein stimmiges Charakter Design dem Rezipienten zu bieten. Ansonsten wirkt man nicht mit der selektiven Wahrnehmung, die bei gutem Charakter Design den Rezipienten in die illusionäre Welt zieht und ihn damit verzaubert, sondern gegen die selektive Wahrnehmung und verstärkt Ecken und Kanten, die es möglicherweise gibt, blendet stimmiges aus und zerstört somit eine ansonsten gute, illusionäre Welt.

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Weiters ist beim Wahrnehmen einer Figur zu beachten, dass diese sich vom Hintergrund abhebt, sich von diesem heraus löst und in den Vordergrund tritt. Der größte Teil dessen, was wir erfahren, muss aber im Hintergrund bleiben, damit etwas im Vordergrund wahrgenommen werden kann! Folglich kann durch einen geschickten Hintergrund die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf den Charakter gelenkt werden, sodass dieser gut in den Vordergrund treten kann.

Imaginäre Wahrnehmung

„Die imaginierte Welt ist eine, die man sich ›einbildet‹. Sie ist ein Bild, das nicht abbildet, sondern sich an die Stelle der Wirklichkeit setzt. Sie ist eine zweite Welt, die das Verhalten in der ersten steuern und sogar dominieren kann. Die Einbildungskraft bedient sich der Materialien, aus denen man lebt: Erfahrungen, Eindrücke, Obsessionen, Wünsche. Aber was sie daraus zeugt, ist etwas Neues, das sich der sonstigen Wirklichkeit auch entgegensetzen kann. Das Denken ist mit dem Problem der Bilder niemals fertig geworden und wird heute, da in den Bilderfluten des modernen Medienzeitalters Imagination und Wirklichkeit durcheinander gewirbelt werden, noch weniger damit fertig. [...] Die Juden waren nicht das, was Hitler in ihnen ›sah‹. Aber er hat sie dazu gemacht; er hat sie als Bazillen ›gesehen‹ und hat sie als Bazillen umbringen lassen. Und diejenigen, die dabei mitwirkten oder es gleichgültig geschehen ließen, haben sie dann ebenfalls so ›gesehen‹, zumindest aber dieser Sichtweise entsprechend gehandelt. Früher nannte man das ›Verblendung‹.“36

Muster

Alle bedeutsamen Dinge weisen Muster auf37, sprich wahrnehmbare Eigenschaften, aufgrund derer wir sie identifizieren können. Das Gehirn ist visuell und inhaltlich darauf getrimmt diese zu erkennen. Indem zum Beispiel Kanten visuell verstärkt werden und inhaltlich, indem mithilfe der Wahrnehmung nach Ähnlichkeiten gesucht wird.

Die visuelle Mustersuche ist auch der Grund für das Phänomen „optische Täuschung“. Dabei handelt es sich um eine Wahrnehmungstäuschung, aufgrund derer falsche Annahmen getroffen werden38.

Wahrnehmung ist subjektiv und unterliegt der Beeinflussung des Gehirns.

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Beim Charakter Design muss auf beide Arten der Mustersuche geachtet werden. Im negativen Sinne einerseits auf die visuelle, damit das Gehirn nicht falsche Muster findet beziehungsweise Muster sucht die es so nicht gibt, anderseits auf die inhaltliche, die aufgrund dieser falsche Vorstellungen entstehen können. Muster können aber auch im positiven Sinne verwendet werden! Da Kanten verstärkt werden und somit Silhouetten verstärkt werden, können diese verwendet werden, um ein besseres Charakter Design zu entwickeln. Ebenso werden Kontraste und Größenunterschiede verdeutlicht. Bewegung kann ebenso künstlich auf Einzelbildern erzeugt werden wie vieles andere auch.

Kollektive Wahrnehmungsmuster und Kollektivsymbole

Wie schon im Unterkapitel Ikone angedeutet, sind kollektive Wahrnehmungsmuster sehr wichtig im Zusammenhang mit visueller Sprache. Sie sind ausschlaggebend dafür, dass wir zwischen Abbildung und Vorstellung eine Verbindung41 aufbauen und aufrufen. Diese Verbindung wird vom Betrachter hergestellt aufgrund Gemeinsamkeiten zwischen ikonischem Zeichen und Wahrnehmung des Gegenstandes. Ob nun ein Zeichen als bekannt angesehen wird und somit eine gewisse Vorstellung hervorruft, hängt von drei Faktoren42 ab: Wahrnehmungsmuster, Abbildungskonventionen (dazu später mehr) und Erfahrungen des Betrachters (dazu ebenfalls später mehr).

Alle Mitglieder einer Gesellschaft weisen einen gewissen Vorrat an kollektiven Wahrnehmungsmustern auf, genauso wie Kollektivsymbole43. Darunter versteht man kulturelle Stereotypen (dazu später mehr). Als Beispiel sei hier aufgrund der „Wirtschaftskrise“ das Wahrnehmungssymbol „Boot“ genannt. Wenn Politiker in unserem Land davon sprechen, dass wir alle in einem Boot sitzen, weiß jeder einerseits was damit gemeint ist, anderseits welche Auswirkungen es auf das Kollektiv aber auch auf das Individuum hat.

Intersubjektivität

Die Umwelt und wie wir diese wahrnehmen, wird unter anderem durch soziale und kulturelle Faktoren bestimmt. Im Wort Intersubjektivität stecken die Wörter inter (zwischen) und Subjekt (Person). Bei Intersubjektivität geht man davon aus, dass Personen untereinander Subjektives erkennen und nachvollziehen können44. Damit das aber funktioniert, muss, wie eingangs erwähnt, die Umwelt ähnlich wahrgenommen werden. Eine Adelsfamilie wird vermutlich Subjektives einer auf der Straße lebenden Familie schwer oder kaum verstehen können und umgekehrt.

Subjektives ist nur einzelnen Individuen zugänglich, aber bestimmte Erfahrungen sind für mehrere Individuen vergleichbar. Oft werden Symbole oder Zeichen verwendet, da diese die gleiche Bedeutung für die jeweiligen Individuen besitzen. Dabei ist aber ebenfalls wieder eine gewisse „Gemeinsamkeit“ der Wahrnehmung wichtig!

Assoziationen

Assoziationen verknüpfen zwei oder mehrere ursprünglich getrennte Inhalte wie Gefühle, Ideen, Wahrnehmungen, ... miteinander45. Dies führt dazu, dass beim Aufruf einer der beiden Inhalte der andere ebenfalls aufgerufen wird. Zum Beispiel kann beim Anblick einer Rose der Duft der Rose aufgerufen werden. Wir erkennen die Rose durch das Ansehen als solche und da wir ebenfalls den Duft der Rose kennen, werden diese beiden Komponenten miteinander automatisch verknüpft und assoziiert.

Einer der Gründe dafür ist, dass beim Lernen des einen Inhaltes meistens auch der zweite Inhalt auftritt und dadurch eine Verkettung entsteht. Ausschlaggebend für diese Assoziationsstärke sind laut Aristoteles die räumliche und zeitliche Nähe sowie die Gegensätzlichkeit der Inhalte.

Dabei kann sehr gut eine Verbindung zu den natürlichen Symbolen erkannt werden, da im konkreten Beispiel Rose der Duft einer Rose natürlich mit der Rose zusammenhängt und die Rose der Auslöser für diesen Duft ist.

Für die Verbindungsstärke sind laut Thomas Brown ihre jeweiligen Intensitäten, Häufigkeiten des gemeinsamen Auftretens, die Zeit seit dem letzten Auftreten und die Anzahl der Verknüpfungen der konkurrierenden Verknüpfungen ausschlaggebend. Oft gibt es viele Verknüpfungen und situativ entsprechend dem Kontext wird entschieden, welche Verknüpfung verwendet wird. Beim Geruch einer Zitrone kann ein Duftbaum assoziiert werden, eine Zitrone im Form des Obstes, eine Geschirrspülflasche mit Zitronengeruch, eine Süßigkeit mit Zitronengeruch und vieles mehr. Beim Anblick einer Rose kann wie schon zuvor erklärt der Duft der Rose assoziiert werden, aber auch die Vergänglichkeit des Lebens oder der Schönheit.

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Archetypus

Archetypus stammt aus dem Griechischen und bedeutet Urbild47. Unter Archetypus werden kollektive Urbilder im Unterbewusstsein und kollektiver Wahrnehmung verstanden, die oft auch im Zusammenhang mit Vorstellungsmuster stehen.

Beispiele für Archetypen sind das Kind, der Krieger, der Beschützer, Jugend, Armut, Angst, Fluss, ein See, ... Diese Archetypen besitzen ein mehrdeutiges Gebilde, welche Assoziationen zu geistigen Ideen auslösen und in vielen Kulturen sich stark ähneln. Als Beispiel sei der Kreis für Geschlossenheit erwähnt. Weiters findet man in der Mythologie in unterschiedlichen Kulturkreisen ähnliche oder gleiche Muster und symbolische Bilder, sodass es Annahmen gibt, dass diese Urbilder in der Struktur der menschlichen Psyche verankert sind. Beispiele dafür sind Helden und deren Widersacher, „Baum des Lebens“, ... .

In vielen Bereichen wie Film, Theater, aber natürlich auch Charakter Design, spielen Archetypen eine wesentliche Rolle. Sie sind dafür verantwortlich, einzelne Rollen und ihre jeweilige Funktion zu charakterisieren, sprich Schablonen können beim Rezipienten als bekannt vorausgesetzt werden und somit leicht verwendet und aufgerufen werden. Hingegen sind andere „Schablonen“ meist abhängig vom Rezipienten und können nicht vorausgesetzt werden, sodass ein Einsatz von Archetypen eine große Risikominimierung darstellt. Beispiele für bekannte Archetypen in dem Bereich sind der Held, der Widersacher und der Liebhaber, welcher zugleich oft auch der Held ist.

Als Gegenstück zum Archetyp steht der Schattenarchetyp, der negative, sozial unerwünschte und unterdrückte Züge widerspiegelt48. Beispiele dafür sind der Fremde, Feind, Rivale oder anders negativ gesinnte Personen. Bekannte Umsetzungen sind Mr. Hyde aus „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“49 und Drachen (Schattenarchetyp), die vom Helden (Archetyp), meist einem Ritter, getötet werden müssen, um die Prinzessin zu retten. Dadurch kommt als Randerscheinung oft der Kampf „Gut gegen Böse“ zustande.

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Am Rande erwähnt sei, dass Schattenarchetyp in Kombination mit selektiver Wahrnehmung und einigen anderen hier vorgestellten Mechanismen und Methoden oft Ursache für Rassismus, Homophobie, Fremdenfeindlichkeit und vielem mehr sind.

Erkennungsmerkmale und Abstraktion

Das Wort Abstraktion kommt aus dem Lateinischen und bedeutet abgezogen51. Unter Abstraktion versteht man das Weglassen von Einzelheiten, wodurch eine Vereinfachung entsteht.

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Beim Charakter Design werden bei der Abstraktion die Erkennungsmerkmale heran gezogen. Wissenschaftlich gesehen sind Erkennungsmerkmale Merkmale, durch die man von einem Besonderen auf ein Allgemeines schließen kann53. Oft werden für die schon weiter zuvor beschriebenen Ähnlichkeiten Erkennungsmerkmale heran gezogen. Für Erkennungsmerkmale sind nur Eigenschaften gut geeignet, die auffallend sind und somit hervortreten. In einer Gasse mit lauter weißen Häusern und einem grünen Haus, wird vermutlich als Erkennungsmerkmal beziehungsweise Orientierungshilfe das grüne Haus besser als eines der weißen Häuser geeignet sein. Genauso wie bei einem „allgemeinen“ Arzt vermutlich der Kittel ein besseres Erkennungsmerkmal darstellen wird, da „alle“ Ärzte einen tragen, als zum Beispiel ein Zahnarztbohrer, den nur ein Zahnarzt verwendet.

Negative Erfahrungen speichern sich aber stärker ab als positive, und diese speichern sich wiederum viel stärker ab als neutrale Erfahrungen. Dadurch sind „negative“ Erfahrungen wie Zahnarztbohrer, Spritze, Operation, ... ebenfalls mit Arzt assoziiert und Erkennungsmerkmale für diesen.

Durch Abstraktion aufgrund Erkennungsmerkmale wird einerseits der Charakter „vereinfacht“ und die Erkennungsmerkmale verstärkt, anderseits, da das Gehirn generell durch die Reduktion weniger Informationen erhält, auch weniger zu verarbeiten hat. Dies führt dazu, dass der Charakter einprägsamer wird und zugleich einfacher als Muster, Schablone und bekanntes Zeichen abgespeichert werden kann.

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Ein Wiederfinden, Assoziieren und Aufrufen im Gehirn wird ebenfalls forciert, da das Gehirn einfache, wenige Erkennungsmerkmale, dafür aber verstärkte, viel einfacher abspeichern und wiederfinden kann. Wer die Simpsons kennt, wird bei „blaue Haare“ gleich an Marge denken, bei gelb gleich an die Hautfarbe, oder bei den Schlümpfen an die blaue Hautfarbe.

Lego und Playmobilfiguren leben ebenfalls von einer erfolgreichen Abstraktion der Erkennungsmerkmale: Ein Cowboy und dessen Erkennungsmerkmale unterscheiden sich deutlich von denen eines Indianers oder Ritters. Bei anderen Figuren, die berufstätige Menschen darstellen, kann aufgrund der Erkennungsmerkmale und der Reduzierung leicht zwischen einem Arzt, Piloten, Polizisten, Feuerwehrmann unterschieden werden.

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Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Character Design. Umsetzung, Methoden und Mechanismen.
Hochschule
Technische Universität Wien  (Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung)
Note
1
Autor
Jahr
2009
Seiten
73
Katalognummer
V131547
ISBN (eBook)
9783640368426
ISBN (Buch)
9783640368686
Dateigröße
5176 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Character Design, Charakter Design, Charakterdesign, Characterdesign, 3D, Zeichnen
Arbeit zitieren
Martin Tintel (Autor:in), 2009, Character Design. Umsetzung, Methoden und Mechanismen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131547

Kommentare

  • Martin Tintel am 3.2.2014

    An einigen Stellen wurden direkte und indirekte Zitate angeführt und diese auch angegeben, wie man dem Verweis (Zahl) und der Quellenangabe hinten entnehmen kann. Eine Arbeit ohne direkte und indirekte Zitate ist sehr problematisch, da man ja alle "Behauptungen" belegen sollte, was ich auch tat. Ich versuchte auch, die direkten Zitate sehr kurz zu halten und möglichst wenige von ihnen zu verwenden. An allen Stellen, an denen zitiert wurde, wurde dies auch angegeben. Beispielsweise sind direkte Zitate auch klar als direkte Zitate zu erkennen, da sie in Anführungszeichen ("") geschrieben sind! Welche Stellen wurden denn Ihrer Meinung nach direkt wiedergegeben und nicht als direkte Zitate angeführt?

    Bei jenen Stellen die auf Wikipedia verweisen wählte ich die Quelle bewusst aus, da es sich hierbei um Wissen handelt, das in jedem Medieninformatikstudium Grundlagenwissen darstellt, in eigentlich jedem Universitätsskript vorkommt, nur für viele Menschen nicht zugänglich ist. Viele Skripte und interne Bücher sind nur schwer bis gar nicht zu bekommen (finden sie ein Mal ein Buch, das seit 15 Jahren nicht mehr im Laden erhältlich ist oder ein Skript zu einer LVA, die es seit mehr als 10 Jahren nicht mehr gibt). Daher verwies ich an diesen Stellen auf Wikipedia, damit meine Überlegungen, Theorien, Behauptungen und Schlussfolgerungen leichter nachzuvollziehen sind. Natürlich hätte ich an den Stellen ebenso viele andere Quellen angeben können, nur sind diese eben schwer auffindbar.

  • Dentler Mirjam am 26.7.2011

    Da ich über ein ganz ähnliches Thema meine Bachelorarbeit verfasse, habe ich mich nun dazu entschieden die Arbeit mir zu kaufen, auch wenn mir 30 Euro für eine solche Arbeit schon viel erscheinen. Aber die Neugier, wie jemand anders die selbe Problemstellung gelöst hat, hat mich doch dazu angetrieben das Geld zu investieren.

    Die Arbeit ist sehr gut gegliedert und auch interessant geschrieben, aber was mich wirklich geschockt hat sind die Quellenangaben. Fast 50% stammen von Wikipedia! Bei einer wissenschaftlichen Arbeit würde ich hier auf jeden Fall mehr erwarten. Kaum zu glauben, dass die Arbeit von der Universität angenommen wurde. Ich bin enttäuscht.

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Titel: Character Design. Umsetzung, Methoden und Mechanismen.



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