Ethische Verantwortung und Ehrfurcht vor der Natur

Albert Schweitzers philosophischer Beitrag zu klimapolitischen Fragen der Gegenwart


Examensarbeit, 2009

127 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Natur in Zeiten eines anthropogenen Klimawandels
2.1 Das globale Klimasystem
2.1.1 Der Aufbau des Klimasystems
2.1.2 Die Variabilität des Klimasystems
2.1.3 Der Aufbau von Ökosystemen
2.1.4 Der Treibhauseffekt
2.2 Aktuelle und zukünftige klimabedingte Problemkreise
2.2.1 Problemkreis 1: Anthropogene Umwelteingriffe
2.2.2 Problemkreis 2: Beeinträchtigung menschlicher Lebensstandards
2.2.3 Problemkreis 3: Zunahme politischer Brennpunkte
2.3 Gegenwärtige Lösungsansätze klimabedingter Problemkreise
2.3.1 Politische Lösungsansätze
2.3.2 Ökonomische Lösungsansätze
2.4 Zusammenfassung

3 Eine philosophische Bestimmung der Natur
3.1 Der Naturbegriff
3.2 Naturethik vs. Naturphilosophie
3.3 Naturphilosophische Positionen
3.3.1 Das vorsokratische Naturverständnis
3.3.2 Das aristotelische Naturverständnis
3.3.3 Das mittelalterliche Naturverständnis
3.3.4 Das Naturverständnis der Renaissance
3.3.5 Das rationalistische Naturverständnis
3.3.6 Das Naturverständnis des Deutschen Idealismus
3.4 Naturethische Positionen
3.5 Zusammenfassung

4 Schweitzers Philosophie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ als elementares Verhältnis zur Natur
4.1 Schweitzers Leben als Ausdruck einer praktischen Naturethik
4.2 Kurzer Überblick über Schweitzers philosophisches Werk
4.3 Schweitzers Naturverständnis
4.4 Das Denken als grundlegende Beziehung zur Welt
4.4.1 Das Denken als Erwachen zum Leben
4.4.2 Das Denken als Selbstbesinnung
4.4.3 Das Denken als Weltanschauung
4.4.4 Das Denken als Suche nach dem Sinn des Lebens
4.5 Die vier Grundtypen der Lebens- und Weltanschauung
4.5.1 Die nichtethische Lebens- und Weltverneinung
4.5.2 Die ethische Lebens- und Weltverneinung
4.5.3 Die nichtethische Lebens- und Weltbejahung
4.5.4 Die ethische Lebens- und Weltbejahung
4.6 Die Humanität und ihre mögliche Erweiterung auf die Natur
4.7 Zusammenfassung

5 Von der „Ehrfurcht“ zur ethischen Verantwortung
5.1 Der Ehrfurchtsbegriff und die „Ehrfurcht vor dem Leben“
5.2 Der Verantwortungsbegriff
5.3 Ausgewählte Positionen einer Ethik der Verantwortung
5.3.1 Die Gesinnungs- und Verantwortungsethik Max Webers
5.3.2 Die Ethik einer Verantwortung aus der Furcht Hans Jonas‘
5.3.3 Die Handlungstheorie einer globalen Verantwortung Hannah Arendts
5.4 Schweitzers Bestimmung einer Ethik der Verantwortung
5.4.1 Merkmal 1: Persönliche Verantwortung
5.4.2 Merkmal 2: Verantwortung vor der Menschheit
5.4.3 Merkmal 3: Geschichts- und Zukunftsverantwortung
5.4.4 Merkmal 4: Natur- und Weltverantwortung
5.5 Zusammenfassung

6 Verantwortungsvolle Klimapolitik im Sinne Schweitzers
6.1 Schritt 1: Die Verantwortungsübernahme
6.2 Schritt 2: Die kritische Haltung gegenüber naturwissenschaftlichen Lösungsansätzen
6.3 Schritt 3: Die Auseinandersetzung mit der Natur
6.4 Schritt 4: Die Übertragung der Humanität auf die Natur
6.5 Schritt 5: Die optimistisch-praktische Naturethik des Weniger-Ist-Mehr

7 Schluss

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

QUELLENANGABEN

1 Einleitung

Die Geschichte von dem Verhältnis des Menschen zur Natur ist schon immer zwiespältig gewesen. Es ist im Grunde einerseits die Geschichte der gesamten Menschheit, die in ihrer bisherigen Entwicklung stets darum bemüht war, sich aus einer anfänglichen Abhängigkeit gegenüber der Natur zu befreien, die Natur „endgültig“ hinter sich zu lassen, die Grenzen zwischen Mensch und Natur in einer „vermenschlichten“ Natur zu verwischen und, durch den technischen Fortschritt beflügelt, „die Vermessung der Welt“ (Kehlmann 2009, 238) voran­zutreiben. Andererseits ist es aber auch immer wieder die Geschichte von Menschen, die im astronautischen Blick auf die Erde die Ästhetik der Natur in einer vollkommenen „Schönheit des Planeten“ (Schmid 2008, 14) intensiv wahrnehmen, sich von einem nur rein schaffenden Menschen wie dem des homo fabers zu einem „Teilnehmer“ in der Natur entwickeln und ihr Leben dann selbst „im knallblauen Himmel [und in] der schwarzen Pinie“ (Frisch 2007, 115) wiederentdecken, aber sich letztlich auch immer wieder von der Natur treiben lassen, darin ihre Inspirationsquelle sehen, ihren Motivationsgrund auffinden und die Natur als das große Ganze empfinden auf der Suche nach dem „Rätsel des Lebens“ (Heine 1997, 21).

Doch die menschliche Beherrschung der Natur hat seine Schattenseiten. So offenbart die Ironie der Geschichte, dass gerade durch die industrielle Unterdrückung der Natur die Unbe­rechenbarkeit der Naturkräfte, die unmittelbar auf das Leben des Menschen wirken, zuge­nommen hat: 2008 waren weltweit „fast 214 Millionen Menschen von Naturkatastrophen be­troffen, 2007 waren es 201 Millionen Menschen“ (2008 war ein Jahr der Katastrophen 2009). Die menschliche Logik zerbricht notwendig an der Kontingenz und den Wirkungsmechanis­men der Natur. Ihre Beherrschung wendet sich letztlich gegen den Menschen selbst. Zu den von Karl Jaspers (1883-1969) aufgestellten menschlichen Grenzsituationen wie Tod, Kampf, Leiden und Schuld (vgl. Kunzmann 2005, 201) tritt die Erfahrung der Naturkatastrophe hinzu, die den Menschen auf seine eigene Existenz in der Welt zurückwirft.

Der anthropogene Klimawandel stellt den Menschen nicht nur vor immense Problem­kreise, sondern er konfrontiert ihn letztlich immer wieder mit der Frage nach seiner eigenen Existenz, nach seinem Platz in der Welt und folglich auch nach dem Sinn des Lebens. Genau dies scheint auch der Grund zu sein, dass man sich trotz eines zunehmenden „Ökobewusst­seins“ und einer steigenden Nachfrage nach Bio-Produkten vor den wirklich wichtigen Fragen und Problemen des globalen Klimawandels drückt, die Verantwortung anderen Menschen und Institutionen zuschiebt und sich mit Hilfe von Energiesparlampen ein sauberes Gewissen er­kauft. Wieso sollte man sich auch auf diese Auseinandersetzung einlassen, wenn doch die Gefahr besteht, sein geordnetes Weltbild zugunsten eines chaotischen zu verlieren? Das tiefe Nachdenken über die Natur birgt immer auch das Risiko, seinen Standpunkt in der Welt zu verlieren, seinen wohlgeordneten Platz in dem großen Ganzen neu auszurichten und seine bisherigen Sicherheiten aufgeben zu müssen. Die Frage nach der Natur ist die Frage nach der eigenen Existenz. Der Mensch ist unmittelbar mit der Natur verbunden, auch wenn er sich mit Vorliebe in eine übergeordnete Stellung emporhebt.

Wie schnell die gewohnten Strukturen und menschlichen Denkmodelle wegbrechen kön­nen, zeigt unter anderem die globale Finanzmarktkrise 2009, die als Ergebnis eines ökono­mischen Handelns mit Illusionen eine Weltanschauung geschaffen hat, welche die Menschen in die schrittweise Diktatur eines rein profitorientierten Marktes hineingedrängt hat, der sich im Endeffekt gegen den Einzelnen wendet. Auch hier zeigt sich, dass ein vom Menschen ge­schaffenes System ständige Korrekturen und Hinterfragungen bedarf, damit es nicht zum „Selbstläufer“ wird und in die Inhumanität abdriftet. Die Parallelen zum anthropogenen Kli­mawandel findet man nicht nur in der Tatsache, dass auch die klimatischen Probleme vor­dergründig einen ökonomischen Lösungsansatz zugewiesen bekommen, sondern auch in der Feststellung, dass die Finanzmarktkrise und eben auch der Klimawandel von einigen Wenigen in der Welt – nämlich hauptsächlich von den Industrienationen – verursacht worden ist und dass aber die ganze Welt unter den Folgen leidet, am stärksten die, welche als Verursacher am wenigsten in Frage kommen.

Dieses blinde Folgen und Akzeptieren von scheinbar etablierten Wirtschaftssystemen und darin vorzufindenden Weltanschauungen gleicht einem Sprung von dem Dach eines Hoch­hauses, wobei man sich immer wieder zuruft, dass doch bis jetzt alles gut gegangen sei. Doch der Aufprall wird hart werden und nur diejenigen, die dazu in der Lage waren, sich vorher einen Fallschirm zuzulegen, bekommen die Chance, diesen Sprung zu überleben. Dass der anthropogene Klimawandel die Verhältnisse auf der Erde grundlegend verändern wird, steht außer Frage. Inwieweit die Welt diesen Aufprall aber überleben wird, liegt im Endeffekt bei jedem von uns selbst. Somit ist der Klimawandel die große Frage unserer Gegenwart, und die unermüdliche Suche nach Lösungen verkörpert die treibende Kraft für eine hoffnungsvolle und lebenswerte Zukunft alles Existierenden auf diesem Planeten. Dass das Klimaproblem eine existenzielle Frage darstellt, belegt auch die Äußerung des ehemaligen dänischen Minis­terpräsidenten Anders Fogh Rasmussen (geb. 1953), die er bezüglich der bevorstehenden Klimakonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen mit der Ambition ein Nachfolgeabkom­men für das auslaufende Kyoto-Protokoll zu finden wie folgt formulierte:

„Die Menschen in vielen Ländern fordern Aktionen. Die Regierungen werden stürzen, wenn sie dabei versagen“ (Fogh Rasmussen nach Schrader 2009: Der Politik gehen die Ausreden aus).

Ob solche Klimaschutzrahmenabkommen wie das Kyoto-Protokoll wirklich nachhaltig zum Klima- und Umweltschutz beitragen oder doch wieder nur ökonomischen Interessen fol­gen, bleibt vorerst fraglich. Dass die Weltgemeinschaft sich aber verstärkt dem anthropogenen Klimawandel zuwendet und ihn auch als eine unmittelbare Bedrohung für die Existenz des Menschen erkennt, lässt erahnen, dass die alte Ordnung langsam auseinanderbröckelt. So er­kennen schließlich auch die Vereinten Nationen (UNO) im Juni 2009 die gegenwärtigen Kli­maveränderungen offiziell als ein globales Sicherheitsrisiko an.

Die vorliegende Arbeit möchte den Versuch unternehmen einer Ohnmacht gegenüber dem Ausmaß des globalen Klimawandels entgegenzuwirken: Gegen das zurückgezogene Jammern im Elfenbeinturm, gegen einen konsequenten Pessimismus und gegen die Verbreitung einer Weltuntergangsstimmung. Die Philosophie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ Albert Schweit­zers (1875-1965) bietet hier Lösungen an, die uns im Sinne einer konkreten, praktischen Na­turethik für das Wohl allen Seins in der Welt verpflichten und uns gleichzeitig auf unsere ei­gene Existenz zurückwerfen. Demzufolge versuche ich in dieser Arbeit Schweitzers Weg der Philosophie zu gehen. Dieser Weg kann steinig und vielleicht auch etwas länger sein, verlangt er doch eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, um philosophische Er­kenntnisse daraus zu entwickeln, die in eine unmittelbare praktische Konsequenz für die ge­genwärtige Klimapolitik münden. So stelle ich im zweiten Kapitel zunächst das globale Kli­masystem vor, verdeutliche die aktuellen und zukünftigen klimabedingten Problemkreise und skizziere die gegenwärtigen Lösungsansätze, die sich bisher als nicht sehr erfolgreich erwie­sen haben. Daher folgt die philosophiegeschichtliche Auseinandersetzung mit der Natur im dritten Kapitel meiner Arbeit. Dies erfolgt vor allem unter den Gesichtspunkten, die Position des Menschen innerhalb der Natur zu definieren und erste Impulse einer Begründung von Umwelt- und Naturschutz einzustreuen. Schweitzers Philosophie und sein darin enthaltenes Naturverständnis sind dann Gegenstand des vierten Kapitels, wobei ich dann besonders im fünften Kapitel aus seiner Philosophie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ eine Totalität ethischer Verantwortung vor der Gesamtheit der Welt ableite. Die praktischen Konsequenzen für die gegenwärtige Klimapolitik aus meiner Beschäftigung mit Albert Schweitzer und dem anthro­pogenen Klimawandel fasse ich im sechsten Kapitel meiner Arbeit zusammen.

Das in dieser Arbeit entworfene Konzept einer Ethischen Verantwortung und Ehrfurcht vor der Natur möchte vordergründig Impulse und Anregungen geben für praktisch-ethisches Handeln und verfolgt nicht den Anspruch einer gewissen Vollständigkeit. Ebenso ist es selbstverständlich, dass wenn ich in diesem Text die männliche Mehrzahlform gebrauche, dass ich dann die weibliche Form stets auch meine.

2 Die Natur in Zeiten eines anthropogenen Klimawandels

Das zweite Kapitel leitet in meine Arbeit ein, indem es den Versuch unternimmt, die ak­tuelle Situation des anthropogenen Klimawandels auf der Grundlage wissenschaftlicher For­schungsergebnisse nachzuzeichnen. Ausgehend von der Beschreibung einiger grundlegender ökologischer Prozesse, möchte ich die Komplexität und Variabilität unseres Klimasystems verdeutlichen. Die ungeahnte Intensität des Klimawandels verlangt nach raschen politischen Lösungen, die aber momentan wesentlich aus dem Genre der Ökonomie stammen. Die Natur in Zeiten eines anthropogenen Klimawandels ist aus dem Gleichgewicht geraten, weil sie hauptsächlich als Ressourcenquelle fungiert und daher als ein wirtschaftlicher Wert aufge­fasst wird.

2.1 Das globale Klimasystem

Der Begriff Klima stammt ursprünglich von dem griechischen Wort κλίνω (dts. neigen), welches die unterschiedlichen klimatischen Ereignisse eines Jahres als Folge der relativen Neigung der Erdachse von 23,5 Grad zur terrestrischen Umlaufbahn um die Sonne beschreibt (vgl. Latif 2006, 3). Die Klimaforschung unterscheidet sich von der Meteorologie dahinge­hend, dass sie sich nicht mit der Erforschung „der Entstehung, Verlagerung und der Vorher­sage einzelner Wetterelemente“ (ebd.) beschäftigt, sondern die statistische Auswertung der Gesamtheit von Witterungserscheinungen über einen längeren Zeitraum hinweg zum Gegen­stand hat. Damit gibt uns die Klimaforschung Statistiken und Faktoren an die Hand, die es ermöglichen, grundlegende Aussagen über mögliche klimatische Veränderungen abhängig von den Abweichungen vom Mittelwert eines Beobachtungszeitraums zu treffen.

2.1.1 Der Aufbau des Klimasystems

Das Klimasystem der Erde besteht aus der Hydrosphäre, der Kryosphäre, der Lithosphäre, der Pedosphäre und der Biosphäre. Diese Grundbestandteile stehen nicht für sich isoliert in dem klimatischen System des Planeten, vielmehr wirken sie auf sich wechselseitig und immer auch auf die Atmosphäre der Erde (vgl. ebd. 4), wie man in der Abbildung 1 erkennen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Hydrosphäre besteht aus den Ozeanen, Grundwasservorkommen und Binnengewäs­sern sowie jeglichen Wasserkreisläufen auf der Erde und in der Atmosphäre. Außerdem zählt man zu ihr auch die Kryosphäre, welche die Bestandteile Eis und Schnee umfasst. Da 71 Pro­zent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind, ist der globale Wasserkreislauf der Hydro­sphäre in Form von Verdunstung und Niederschlägen einer der wesentlichsten Klimaregulato­ren. Die Vegetationszonen der Erde sind vor allem eng an die Niederschlagsverteilungen ge­koppelt. Über Meeresströmungen, die durch die Verschiedenheit von bestimmten Wassertem­peraturen erzeugt und angetrieben werden, gelangen bestimmte gelöste Partikel und auch Le­bewesen in andere Klimazonen, welche die Nahrungsgrundlage für dort lebende Arten sein können (vgl. Heinrich 2002, 21).

Die Lithosphäre ist der Gesteinsmantel der Erde, welcher aus 30 Kilometer dicken Fest­landsplatten und fünf bis zehn Kilometer „dünnen“ Ozeanplatten besteht. In dieser Schicht lagern eine Vielzahl der auf der Erde vorkommenden chemischen Elemente. Die Grundlage und Qualität der Böden wird von den jeweiligen Gesteinsschichten und ihren chemischen Zu­sammensetzungen bestimmt. Somit ist die Lithosphäre die eigentliche Basis für die darauf lebenden bis in fünf Meter Tiefe vorkommenden Bodenorganismen (vgl. ebd. 23).

Der Gegenstand der Pedosphäre sind die Böden mit ihren unterschiedlichen Typisierungen wie Landböden, Grundwasser- und Überflutungsböden, Unterwasserböden und Moorböden (vgl. ebd. 25).

Die Biosphäre schließlich umfasst den belebten Raum der Tiere und Pflanzen. Dieser Be­reich lässt sich in folgende Subbiosphären weiter aufteilen: die Geobiosphäre (belebte Räume der Lithosphäre und Pedosphäre), Hydrobiosphäre (belebte Räume der Hydrosphäre) und Anthropobiosphäre (belebte Räume mit menschlicher Dominanz, wie beispielsweise Kultur­landschaften oder Städte). Damit in dieser 20 Kilometer in die Höhe und Tiefe ausfüllenden gürtelförmigen Schicht um die Erde Leben entstehen und existieren kann, ist es an eine Viel­zahl von klimabedingten Faktoren gekoppelt, die in der jeweiligen Subbiosphäre walten. Diese wiederrum steuern direkt oder indirekt, welche Art und Weise von Leben in den soge­nannten Klimazonen der Erde auftritt (vgl. ebd. 29).

2.1.2 Die Variabilität des Klimasystems

Der anthropogene Klimawandel ist das Ergebnis des aktiven Eingreifens des Menschen in die Bestandteile des globalen Klimasystems. Diese tiefeinschneidenden Auswirkungen auf das Klima der Welt resultieren daraus, dass nämlich diese Klimasystembestandteile mittels kau­salen Wirkungsketten unmittelbar miteinander verknüpft sind. Wenn also beispielsweise die Jahresmitteltemperatur durch den menschengemachten erhöhten CO2-Gehalt in der Atmos­phäre steigt, dann schmilzt das Eis der Kryosphäre, in der Hydrosphäre steigt der Meeres­spie­gel und die Meeresströmungen verlagern sich grundlegend. Dieses wiederrum führt zu Wet­teranomalien, welche die Bodenqualität der Pedosphäre beeinflussen. Dürren, Überschwem­mungen und schließlich Nahrungsmittelknappheiten sind nur einige mögliche Folgen, die sich direkt auf das Leben in der Biosphäre auswirken.

Mit dem Abschmelzen der Süßwasservorräte der Welt, wobei fast 70 Prozent der Vor­kommen in Gletschern, Schnee und Eis gebunden sind, würde der Meeresspiegel um ungefähr 66 Meter steigen und eine grundlegende Verlagerung der Meeresströmungen stattfinden, wel­ches wiederum einen dramatischen Einfluss auf die klimatischen Verhältnisse auf den Konti­nenten haben wird (vgl. ebd. 21).

Besonders interessant ist, dass die Ozeane eine überwältigende klimaregulierende Funktion besitzen: Sie speichern nämlich CO2 aus der Luft, welches dann in großer Tiefe eingelagert wird. So beweist Bernhard Pötter (geb. 1965) in Tatort Klimawandel (2008), dass nachweis­lich die Hälfte des seit dem Industriezeitalter durch den Menschen erzeugten Kohlenstoffdio­xids in Meerwasser gebunden vorliegt. Bei den gestiegenen enormen CO2-Emissionen, die tagtäglich in die Atmosphäre gelangen, binden die Ozeane immerhin noch ein Viertel:

„Die Meere entziehen so jedes Jahr der Atmosphäre mehr als acht Milliarden Tonnen CO2 – etwa ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids“ (Pötter 2008, 96).

Allerdings weist Pötter darauf hin, dass mit der zunehmenden Versauerung der Weltmeere dieser Effekt der Kohlendioxidspeicherung langsam zum erliegen kommt. Die Meere sind schlichtweg übersättigt (vgl. ebd.).

Die Platten der Lithosphäre sind nicht starr, sondern auf einer flüssigen Gesteinsschicht namens Magma beweglich gelagert. Sie driften ständig in gewisse Richtungen auseinander oder zusammen. Dies führt zu einem Auftreten von Erdbeben und Vulkanausbrüchen (vgl. Heinrich 2002, 23). Durch die Eruption eines Vulkans gelangen viele Tonnen von Schwefel­dioxid und oft auch Schwefelwasserstoff in die unteren Wolkenschichten. Die dahin gelang­ten Vulkanaerosol-Teilchen reflektieren nun die Sonnenstrahlung und bewirken so eine Ab­kühlung der Atmosphäre darunter und eine Erwärmung der unteren Wolkenschicht darüber. Folglich kommt es zu Zirkulationsanomalien der Luftmassen, die das Klima über einen Zeit­raum von ein bis zwei Jahren deutlich beeinflussen können, bevor diese kleinen Teilchen wieder ausgewaschen werden. Da Vulkane das Klima allerdings nur für einen relativ kurzen Zeitraum prägen, spielen sie gegenüber anthropogenen Klimabeeinflussungen nur eine unter­geordnete Rolle (vgl. Latif 2006, 55-59).

2.1.3 Der Aufbau von Ökosystemen

In dem Begriff Ökosystem stecken die griechischen Wörter οίκος (dts. Haus) und σύστημα (dts. Zusammensetzung, Verbundenes). Somit bezeichnet man mit einem Ökosys­tem die Zu­sammengehörigkeit der Teile eines verbundenen Hauses. Der Philosoph Wilhelm Schmid (geb. 1953) sieht in dem Begriff οίκος die Erde als ein gemeinsames Haus aller Lebewesen begründet. Ökosysteme beschreiben für Schmid prinzipiell eine „Wohnwelt“ anstatt von Umwelt. Klimawissenschaftlich lautet es dagegen ausgedrückt: Ein Ökosystem setzt sich im­mer aus der Wechselwirkung zwischen Lebewesen und ihrer um­gebenden anorganischen Umwelt zusammen. In dieser Zusammensetzung bildet es eine abge­schlossene Einheit, wel­che fähig ist, sich selbst zu regulieren (vgl. Heinrich 2002, 61). Somit ist ein Ökosystem wie ein autarkes Haus zu verstehen, welches nach inneren Prinzipien selbstständig funktioniert. Ökosysteme können sowohl für größere Einheiten wie dem Öko­system Meer oder dem Öko­system Wald sowie für Konkreta wie dem Ökosystem Starn­berger See oder dem Ökosystem Spreewald stehen. Generell lassen sie sich in terrestrische und aquatische Ökosysteme unter­teilen.

Ein charakteristisches Merkmal von Ökosystemen sind die unterschiedlichen Stoffkreis­läufe, die sowohl anorganische wie organische Elemente durchlaufen. In der Ökologie unter­scheidet man zwischen Calcium-, Schwefel-, Phosphor-, Stickstoff-, Sauerstoff- und Koh­lenstoffkreisläufen. Wenn man sich also zum Beispiel den Kohlenstoffkreislauf anschaut, dann beginnt er damit, dass Tiere, der Mensch oder vom Menschen gemachte Industrieabgase – also Elemente der Biosphäre und Anthroposphäre – CO2 in die Atmosphäre abgeben. Von dort gelangt es in die Ozeane und Gewässer der Hydrosphäre und wird von Pflanzen der Biosphäre durch die Photosynthese aufgenommen und zu Sauerstoff umgewandelt. Das CO2 wird in der Lithosphäre durch chemische Reaktionen im Wasser eingelagert, um später durch natürliche Auswaschungen der Gesteine wieder in die Atmosphäre zu gelangen. Außerdem entsteht bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern Kohlenstoffdioxid, nämlich genau jener, welcher zuvor in der Lithosphäre eingelagert wurde. Menschliche Eingriffe in die Natur führen dazu, dass der Kohlenstoffkreislauf nicht mehr ausgeglichen ist, da mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt, als von den Meeren und Pflanzen wieder aufgenommen werden kann (vgl. ebd. 63-67).

Biotope als Zusammensetzung der griechischen Begriffe βίος (dts. Leben) und τόπος (dts. Ort) bezeichnen die kleinste belebte Einheit der Biosphäre und bilden so die Grundpfeiler von Ökosystemen (vgl. ebd. 61).

2.1.4 Der Treibhauseffekt

Man unterscheidet in der Klimaforschung zwischen einem natürlichen und einem anthro­pogenen Treibhauseffekt. Zunächst einmal ist der natürliche Treibhauseffekt die Bedingung dafür, dass die Atmosphäre der Erde optimale Lebensbedingungen garantiert (vgl. Latif 2006, 9f.). Wie in einem Gewächshaus werden die Wärme und die Energie der Sonne zwar hinein­gelassen, allerdings verhindern Treibhausgase in der Atmosphäre, dass sie schnell wieder entweichen. Die beiden wichtigsten natürlichen Treibhausgase Wasserstoff und Kohlenstoff­dioxid sind zunächst für das eintreffende, kurzwellige Sonnenlicht transparent. Die daraufhin von der Erde reflektierte und nun langwellige Strahlung wird von ihnen dann aber absorbiert und in Form von Wärmestrahlung in Richtung des Erdbodens zurückgegeben (vgl. Hänggi 2008, 22). Ohne diese Treibhausgase würde die Erde eine Oberflächentemperatur von durch­schnittlich Minus 18 Grad Celsius aufweisen, anstatt der gegenwärtigen globalen Mitteltem­peratur von 15 Grad Celsius: „Unser Planet wäre eine Eiswüste“ (Latif 2006, 11).

Durch den menschlichen Einfluss haben sich die natürlichen Treibhausgase stark vermehrt und es sind dadurch auch neue Treibhausgase wie FCKW (Flurchlorkohlenwasserstoff) in die Atmosphäre gelangt. Letzteres ist für die Zerstörung der natürlichen Ozonschicht verantwort­lich und deshalb seit 1987 durch das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht verbo­ten (vgl. Hänggi 2008, 24). 70 Prozent des anthropogenen Treibhauseffekts gehen auf die er­höhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre zurück. So ist sie im Vergleich zu den letzten 800.000 Jahren um 28 Prozent gestiegen und somit so hoch wie nie zuvor. Besonders prekär wird die Lage, wenn man bedenkt, dass Kohlenstoffdioxid etwa 150 Jahre in der Atmosphäre verweilt (vgl. ebd. 22f.). Aber auch andere Gase wie Methan mit einem Anteil von 23 Prozent oder Lachgas mit einem Anteil von sieben Prozent in der Atmosphäre erhöhen den anthropo­genen Treibhauseffekt. Methan entsteht in der Hauptsache aus landwirtschaftlicher Nutzung wie der Viehzucht und dem Reisanbau. Es ist darüber hinaus der wesentliche Bestandteil von Erdgas und entweicht folglich bei der Erdgasgewinnung. Schließlich ist es auch in den Böden gespeichert, „von wo es bei der Übernutzung der Böden oder beim Auftauen gefrorener Bö­den entweicht“ (ebd. 23). Zwar wird es bereits nach 12 Jahren in der Atmosphäre wieder ab­gebaut, allerdings ist die Methan-Konzentration in der Atmosphäre heute 124 Prozent höher als in den letzten Jahrtausenden. Auch Lachgas entsteht hauptsächlich in der Landwirtschaft – und zwar aus den chemischen Reaktionen der Böden mit den Düngemitteln – und verbleibt etwa 114 Jahre in der Atmosphäre (vgl. ebd.).

2.2 Aktuelle und zukünftige klimabedingte Problemkreise

Aufgrund der Ergebnisse unterschiedlicher Klimamodelle und unter Berücksichtigung der aktuellen klimapolitischen Situation ergeben sich für mich drei wesentliche miteinander un­mittelbar verbundene Problemkreise, welche die gegenwärtige und zukünftige Richtung der Klimadiskussion nachhaltig bestimmen werden (vgl. Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.1 Problemkreis 1: Anthropogene Umwelteingriffe

Der erste Problemkreis umfasst alle durch den Menschen vollzogenen Eingriffe in die Na­tur. Die aktive Modifikation der Umwelt führt unmittelbar zu einer Veränderung des Klima­systems der Erde mit weitreichenden Folgen für die gesamte Biosphäre. Dabei steht vor allem der anthropogene Treibhauseffekt im Vordergrund, welcher die wesentlichsten Einschnitte in bestehende Ökosysteme mit sich bringt. Aber nicht nur die Industrialisierung alleine mit dem ihr einhergehenden immensen Ausstoß an Treibhausgasen sondern auch starke landschaftliche Veränderungen wie der Anbau von Monokulturen, Urbanisierungen, künstliche Kulturland­schaften, Flussbegradigungen und ähnliche Umgestaltungen, bringen nachteilige Effekte für die Tier- und Pflanzenwelt mit sich.

Eine Studie aus 21 europäischen Ländern ergab, dass 78 Prozent der Pflanzen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren aufgrund der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresmittel­temperatur zu einer verfrühten Entwicklung tendieren (vgl. Pötter 2008, 113). Dies hat un­mittelbar zur Folge, dass Tiere, welche ihre instinktiven Gewohnheiten an die Blühphasen der Pflanzen gekoppelt haben, in katastrophale Situationen geraten, weil sie nämlich beispiels­weise – wie dies bei bestimmten Schmetterlingsarten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr schlüpfen, der Fall ist – keine Nahrung in Form von Nektar mehr finden. Sehr viele Öko­systeme und Nahrungskreisläufe sind durch den anthropogenen Treibhauseffekt stark gefähr­det:

„Immer mehr geraten die über Jahrtausende eingespielten Nahrungsketten zwischen Pflanzen und Tie­ren, zwischen Opfer und Beute durcheinander, weil die verschiedenen Glieder der Nahrungskette unter­schiedlich auf die veränderten Klimabedingungen reagieren“ (ebd. 110).

Bei einer weiteren Erhöhung der Temperatur um ein bis zwei Grad Celsius ständen 20 bis 30 Prozent der bekannten Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben. Dass die Natur jetzt schon einer umfassenden Veränderung unterworfen ist, belegen statistische Daten, die erwie­sen haben, dass alle zehn Jahre der Frühling im Durchschnitt 2,5 Tage früher beginnt und der Herbst einen Tag später anfängt (vgl. ebd. 110f.).

Bei dem berühmten Beispiel mit dem Eisbären, der aufgrund des menschengemachten Klimawandels durch das Abschmelzen seines Jagdreviers über kurz oder lang schließlich aus­sterben wird, spielen auch noch andere Faktoren mit: So ist der Eisbär in erster Linie aufgrund der Überfischung der Weltmeere bedroht und auch wegen der zunehmenden menschlichen Siedlungen in seinem Lebensraum. Auch für heimische Tiere und Pflanzen ist primär der Ent­zug des Lebensraums angesichts zunehmender Urbanisierung und flächendeckender Agrarin­dustrie das schwerwiegendere Problem (vgl. ebd. 111). Nichts desto trotz ist mit dem ver­stärkten Treibhauseffekt ein zusätzlicher Faktor zur Gefährdung der Arten hinzugekommen.

Einen nicht zu unterschätzenden Anteil von 18 Prozent an dem anthropogenen Treibhaus­effekt haben die weltweit 800 Millionen Fahrzeuge, wobei hier nicht die Emissionen der Au­toindustrie, welche durch Herstellung und Transport entstehen, eingerechnet sind. Alleine in den USA wird das Auto für 90 Prozent aller Erledigungen eingesetzt. Schwellenländer wie China oder Indien beginnen jetzt erst mit einer breiten Motorisierung ihrer Bevölkerung (vgl. ebd. 57).

Auch die Flugzeugbranche verstärkt mit einem Anteil von etwa 7 Prozent massiv den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre. Wenn das Wachstum in dieser Branche so fortschreitet, kalkulieren Klimaforscher beispielsweise damit, dass im Jahr 2050 alleine der Flugverkehr 50 Prozent der CO2-Emissionen Großbritanniens ausmachen könnte. Zwar rech­nen die Fluggesellschaften immer wieder gerne vor, wie „umweltfreundlich“ ihre Flugzeuge eigentlich sind, weil sie nämlich nur rund vier Liter pro Person auf 100 Kilometer verbrau­chen, allerdings müsste nach dieser Gleichung ein Auto auch nur knapp zwei Liter auf die einzelne Person herunter gerechnet verbrauchen und dies zeigt wie begrenzt solche Rechen­modelle sind. Darüber hinaus gelangen mit einem Flugzeug nicht nur Unmengen an CO2 in die Atmosphäre, sondern auch andere Schadstoffe wie Stickoxide, die ebenfalls nachweislich den Treibhauseffekt verstärken (vgl. ebd. 65f.).

Weitere grundlegende Eingriffe in die Umwelt erfolgen durch die Energiepolitik der In­dustrie- und Schwellenländer. Der weltweit ansteigende Energiebedarf wird vor allem durch fossile Energieträger wie Gas und Öl sowie auch in den letzten Jahren wieder verstärkt durch Kohle abgedeckt. Besonders Kohle als Energieträger hat zwischen 1995 und 2005 global eine Wachstumsrate von 36 Prozent zu verzeichnen, obwohl sie mit Fug und Recht als der dre­ckigste Brennstoff anzusehen ist (vgl. Abb. 3): 25 bis 30 Prozent des anthropogenen Klima­wan­dels gehen auf das Konto von Kohlekraftwerken, also mehr als der Verkehr und die Flug­zeugbranche ausmachen. Kohle ist damit das größte globale Klimaproblem. Unabhängig von „saure[m] Regen, Smog, Verseuchung durch Quecksilber und Säuren an den Minen, gefährli­che Arbeit in der Tiefe“ (ebd. 36) mit alleine in China 5.000 tödlichen Bergarbeiterunfällen in der Kohleindustrie jedes Jahr oder der Zerstörung ganzer Landschaften durch den Tagebau wird die Kohleindustrie in den nächsten Jahren aufgrund des gestiegenen Kohlepreises weiter expandieren. In Deutschland lagern alleine noch 46 Milliarden Tonnen Braunkohle unter der Erde, was eine enorme Menge darstellt, wenn man davon ausgeht, dass bisher nur fünf Mil­liarden Tonnen gefördert und verbrannt wurden (vgl. ebd. 35).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gerne präsentiert sich die Nuklearindustrie als Lösung der Energieprobleme und propagiert eine vollkommen CO2-freie und in ihrem Sinne somit klimaneutrale Energiegewinnung. Doch auch hier zeigt sich, dass dies nicht „der Weisheit letzter Schluss“ sein kann, auch wenn man einmal von dem radioaktiven Atommüll, der im Durchschnitt nach 24.000 Jahren seine Strahlung zunächst nur halbiert hat (Halbwertszeit), und der damit verbundenen Endlagerde­batte sowie erhöhten Krebsrisiken absieht. Vielmehr ist es wichtig zu betonen, dass auch Atomkraftwerke nicht klimaneutral sind. So entstehen beim Bau, beim späteren Abriss und beim Transport der Brennstäbe in die Endlager CO2-Emissionen, die sogar deutlich über den Emissionen von Wasserkraftwerken und der Windenergie liegen (vgl. Abb. 3). Auch die Ar­gumentation einiger Atomkraftbefürworter, dass Atomkraftwerke im eigenen Land von den Gas- und Öllieferungen anderer Länder unabhängig machen, bleibt haltlos, ist man doch nach wie vor auf Uran als Brennstoff angewiesen, der zum Beispiel von Frankreich seit 2001 aus­schließlich aus Niger importiert werden muss (vgl. Pötter 2008, 162). Einige der größten Ri­siken durch die Nuklearindustrie beinhaltet aber die Feststellung, dass Atomkraftwerke eine hochentwickelte Technologie, immense Sicherheitsmaßnahmen und einen riesigen Kapital­einsatz verlangen, was einige Schwellen- und Entwicklungsländer nur unzureichend aufbring­en können und daher als ein immenses Sicherheitsrisiko für die Welt zu begreifen sind. Die Gefahr von einem zivilen zu einem militärischen Atomprogramm umzuschwenken, schwingt außerdem als fader Beigeschmack bei dieser Technologie immer mit (vgl. ebd. 165).

Wenn man nur die reinen CO2-Emissionen zur Berechnungsgrundlage heranzieht, muss man Biomassekraftwerke, in denen bestimmte Pflanzen oder Zusammensetzungen aus diesen zur Stromgewinnung herangezogen werden, mindestens als klimaneutral bezeichnen, da sie beim Heranwachsen etwa die Menge Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden, die sie dann bei der Energiegewinnung wieder freisetzen. Allerdings stehen die landwirtschaftlichen Anbauflächen mit der Nahrungsmittelproduktion in Konkurrenz und pflanzliche Monokul­turen greifen nachhaltig in bestehende Ökosysteme ein (vgl. Heinrich 2002, 237).

„Etwa 25 Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen aus der Entwaldung“ (Pötter 2008, 47) der Tropenwälder, weil die Wälder dann effektiv zur Bindung des Kohlenstoffdi­oxids aus der Atmosphäre fehlen. Außerdem entweichen durch Brandrodungen und landwirt­schaftliche Anbauflächen verstärkt Treibhausgase in die Luft. Dass die tropischen Regenwäl­der einen wichtigeren Stellenwert als die Bäume in gemäßigteren Klimazonen haben, zeigen Untersuchungen, die belegen, dass dunklere Wälder wie Nadelwälder im Sommer die Son­nenenergie speichern und die Erde damit erwärmen, während der tropische Regenwald vor allem Wolken erzeugt, die im Endeffekt eine kühlende Wirkung auf das Weltklima haben (vgl. ebd. 47f.).

2.2.2 Problemkreis 2: Beeinträchtigung menschlicher Lebensstandards

Die Beeinträchtigung menschlicher Lebensstandards durch den anthropogenen Klimawan­del ist für mich der zweite wichtige Problemkreis. Die Verursacher des Klimawandels werden mehr oder weniger intensiv auch die Folgen dafür tragen müssen.

Schon heute leiden 5,5 Millionen Menschen an Krankheiten, die man als Ergebnis des Klimawandels einstuft, und weitere 150.000 Menschen sterben jedes Jahr auch daran (vgl. ebd. 127). In unseren Breiten haben die Erkrankungen an Borreliose, welche durch die Zecke übertragen werden, dramatisch zugenommen. Die warm-feuchten Winter tragen dazu bei, dass die Zecken fast überhaupt nicht mehr absterben. Außerdem wandern zunehmend gefähr­lichere Arten aus dem Süden in unsere nördlichen Regionen (vgl. ebd. 126f.). Auch das Al­lergierisiko hat sich vergrößert, da die Pollenflugzeiten sich in den letzten 30 Jahren um zehn Tage verlängert haben (vgl. ebd. 127). Im Sommer 2003 starben in Europa 35.000 Menschen aufgrund der starken Hitze. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht auch in der Zu­kunft düstere Szenarien auf Millionen von Menschen zukommen:

„Verstärkte Mangelernährung und Infektionskrankheiten, durch zunehmende Unwetter, Durchfaller­krankungen, Gesundheitsprobleme durch höhere Ozonwerte und durch die Verbreitung von Tieren und Pflanzen, die Krankheiten übertragen“ (ebd.).

Gesundheitsexperten schätzen, dass 220 bis 400 Millionen Menschen in den nächsten Jahr­en zusätzlich der Malariagefahr ausgesetzt werden, weil der Klimawandel für bestimmte Ge­biete ideale neue Brutstätten für Moskitos schafft. Wärmeres Meerwasser und häufigere Überschwemmungen treiben außerdem die Verbreitung von Choleraepidemien voran. Das vermehrte Auftreten von Chikungunya-Fieber aufgrund starker Trockenheit und der starke Anstieg von Menschen, die am Dengue-Fieber leiden, zeigt die verheerende Lage der mensch­lichen Gesundheit angesichts des anthropogenen Klimawandels. Während man in den reichen Industriestaaten versuchen wird, gegen diese gesundheitlichen Bedrohungen mit allen Mitteln vorzugehen, steht in den ärmeren Ländern der Welt permanent die unmittelbare Exis­tenz auf dem Spiel (vgl. ebd. 130).

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gibt in ihrem Bericht Klimawandel und Sicherheit (2008) zu bedenken, dass heutzutage immer noch 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, weil die globale Nachfrage nach Wasser immer noch zu­nimmt. Zusätzlich zu diesem Problem wird mit dem anthropogenen Klimawandel die Verän­derung hydrologischer Muster, der Meeresspiegelanstieg sowie auch das Wachstum und die Intensivierung von Wetteranomalien die Menschen darüber hinaus schwerwiegend belasten. Klimawissenschaftler rechnen mit einer Abnahme der Wasserverfügbarkeit in einzelnen Re­gionen der Erde zwischen zehn und 30 Prozent. Das bedeutet, dass im Jahr 2050 zwischen zwei und sieben Milliarden Menschen unter Wasserknappheit leiden werden. Außerdem wer­den sich aufgrund der Veränderung der Niederschlagsmuster die Unterschiede zwischen Re­gen- und Trockenzeiten verstärken. Ein Abschmelzen der Gletscher hat zudem auch einen temporären Anstieg der Flüsse zur Folge, welches zu einer Zunahme von Überschwemmung­en führt. Der Meeresspiegelanstieg wird eine Versalzung des Grund- und Trinkwassers in Küstennähe mit sich bringen und verstärkte Extremwetterereignisse könnten sich generell negativ auf die Wasserqualität auswirken (vgl. Klimawandel und Sicherheit 2008, 26).

Die Ernährungssituation der Menschen ist eng an die Wasserqualität und -verfügbarkeit gebunden. Die beiden Schlüsselsektoren Landwirtschaft und Fischfang werden besonders stark durch den globalen Klimawandel betroffen sein. „Zunehmende Extremwetterereignisse wie Dürren, Starkregenfälle, Überflutungen und Stürme können ganze Ernten zerstör[en] und Hungerkatastrophen“ (ebd. 27) auslösen. Folgende negative Entwicklungen im Bereich der Ernährung sieht die GTZ sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren: Die Vermin­derung des Nahrungsangebots aufgrund der Abnahme und Verschlechterung von Anbaufläch­en, der Rückgang der Fischbestände wegen der globalen Erwärmung der Meere und dessen ungeachtet eine „natürliche“ globale Nachfragesteigerung nach Nahrungsmitteln zwischen 55 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2050 (vgl. ebd. 27f.).

Die Bedrohung menschlicher Lebensstandards wird auch durch die Empfindlichkeit von Infrastrukturen gege­n­über klimatischen Schwankungen hervorgebracht. Besonders die Ener­giewirtschaft und der Verkehr sind direkt extremen Wetterereignissen unterworfen. So kam es beispielsweise im Jahre 2001 zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung in Brasilien aufgrund einer längeren Dürrezeit und der daraus resultierenden Produktionseinbußen der wichtigsten Wasserkraftwerke im Land. Viele Länder wie zum Beispiel Tansania, Namibia, Äthiopien und Uganda sind nach einer Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) zwisc­hen 80 und 100 Prozent von der Wasserkraft als Energielieferant abhängig. Ebenso werden ständig Straßen und Schienen durch Lawinen und Überflutungen erheblich beschädigt und teilweise ganz zum Erliegen gebracht (vgl. ebd. 29). Die zunehmende Urbanisierung resultierend aus einer verstärkten Migration in die Städte wird nicht nur weiterhin zum Klimawandel beitragen – Städte besitzen eine Anteil von 80 Prozent an dem anthropogenen Treibhaus-effekt –, sondern darüber hinaus werden sie in der Zukunft aufgrund ihrer hauptsächlichen Beschaffenheit aus Beton und Glas verstärkt als „Hitzeinseln“ fungieren, was ein Leben in diesen Städten sehr belastend für die körperliche Gesundheit machen wird (vgl. ebd. 30f.).

Viele Staaten werden mit den anthropogenen Klimaproblemen nur unzureichend fertig werden, was eine Schwächung der politischen Handlungsfähigkeit vieler Regierungen zur Folge haben wird. Soziale Instabilität und eine verstärkte Neigung zur Krisenanfälligkeit innerhalb der Bevölkerung sind also weitere Einschnitte in alltägliche, mehr oder weniger „stabile“, Lebensgrundlagen (vgl. ebd. 32).

2.2.3 Problemkreis 3: Zunahme politischer Brennpunkte

Die Zunahme politischer Brennpunkte muss laut GTZ als direkte Folge aus den Beein­trächtigungen menschlicher Lebensstandards angenommen werden. Insofern ergibt sich der dritte Problemkreis notwendigerweise aus dem ersten und zweiten.

Nach Schätzungen des Weltkatastrophenberichts sind heutzutage etwa 25 Millionen Menschen vor Umweltzerstörungen auf der Flucht, also mehr als vor Kriegen. Prognosen führender Forschungsinstitute sehen bis zum Jahr 2050 diese Zahl auf 150 Millionen bis sogar eine Milliarde Menschen als Klimaflüchtlinge ansteigen (vgl. Pötter 2008, 101f.). Diese verstärkte Migration kann zu sozialen Konflikten in den Zielgebieten führen, wenn diese Gebiete selbst schon unter Spannungen stehen (vgl. Klimawandel und Sicherheit 2008, 23). Außerdem können die Kapazitäten von Städten überstiegen werden, so dass es zu einer zunehmenden Verslumung von einzelnen Stadtteilen kommt. Als Klimaflüchtlinge bezeichnet man alle diejenigen Menschen, die aufgrund des anthropogenen Klimawandels ihre bisherige Heimat verlassen müssen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich: Sinkende Wasserverfügbarkeit beispielsweise durch Dürren oder den Anstieg der Wasserpreise, Wegfall der Ernährungssicherheit durch eine verstärkte Agrarkrise, die Zerstörung von Infrastrukturen durch Extremwetterereignisse, gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Epidemien und politische Instabilität durch stark steigende Nutzungskonkurrenzen (vgl. ebd. 25-33).

Die Abbildung 4 zeigt mögliche, zukünftige politische Brennpunkte der Erde, die aus einer verstärkten umweltbedingten Migration, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit sowie einer Zunahme von Umweltkatastrophen resultieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Harald Welzer (geb. 1958) weist in seinem Buch Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird (2008) darauf hin, dass der anthropogene Klimawandel als unmittelbare Konsequenz für den Menschen den Zusammenbruch jeglicher sozialer Ordnungen und die Legitimierung von Gewalt als einzige noch verbleibende Überlebenschance mit sich bringen wird. Klimakriege erscheinen somit für Welzer als die vom Menschen präferierte Lösung des Klimaproblems in den Teilen der Erde, die besonders stark durch diese klimatischen Veränderungen betroffen sein werden und heutzutage auch schon sind. Er entwirft ein Szenario von „Dauerkriegen“ als Mittel des täglichen Überlebenskampfs, die auch vor den Industrienationen nicht vollkommen halt machen werden, weil die höchstwahrscheinliche Zunahme von Grenzkonflikten und Flüchtlingsströmen nicht von der Hand zu weisen sind. Welzer merkt an, dass zum einen die Zukunft des globalen Klimasystems immer nur aus historischen Daten konstruiert werden kann und somit diese Modelle eine gewisse Variabilität und Ungewissheit gegenüber zukünftigen Ereignissen haben werden, zum anderen wird diese Ungewissheit in der Zukunft zu radikalen und auch schwer vorherzusagenden Lösungen führen. Der Mensch entscheidet nach Welzer nie nach „objektiven Bedingungen einer Situation“ (Welzer 2008, 16), sondern immer nach seinem Grad der Wahrnehmung und Deutung. Somit erscheinen Klimakriege für ihn als ein vollkommen realistisches Szenario der Zukunft, wie sie seiner Meinung nach beispielsweise in Ruanda, Darfur und in Polynesien aktuell praktiziert werden:

„Die Gewalt hat in diesem Jahrhundert eine große Zukunft. Es wird nicht nur Massenmigrationen [vor]sehen, sondern gewaltsame Lösungen von Flüchtlingsproblemen, nicht nur Spannungen um Wasser- oder Abbaurechte, sondern Ressourcenkriege [...] Da Gewalt immer eine Option menschlichen Handelns ist, ist es unausweichlich, dass gewaltsame Lösungen auch für Probleme gefunden werden, die auf sich verändernde Umweltbedingungen zurückgehen (ebd. 15f.)“.

Auch Welzer sieht den Grund für diese hohe Gewaltbereitschaft und Inhumanität wesentlich in dem Niedergang der Kultur begründet und fordert daher ähnlich wie bereits Schweitzer in seiner Kulturphilosophie aus dem Jahre 1923 einen strikten kulturellen Wandel auf Grundlage einer Neuausrichtung und Wiederentdeckung moralischer Werte innerhalb der Gesellschaft.

2.3 Gegenwärtige Lösungsansätze klimabedingter Problemkreise

Die anthropogene Klimaveränderung bringt mit den eben skizzierten drei Problemkreisen einschneidende Veränderungen für das Leben auf unserem Planeten mit sich, denen man sich unter keinen Umständen entziehen kann. So gibt es nur noch einige wenige Klimaskeptiker wie zum Beispiel Richard Lindzen (geb. 1940), die konsequent aber letztlich unhaltbar die zukünftigen klimabedingten Lebenseinschnitte als „nicht erwiesen“ ablehnen. Die internationale Politik ist schon längst zu dem Konsens gelangt, dass es bezüglich der „Klimafrage“ einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Oftmals resultiert diese politische Einsicht allerdings aus vollkommen ökonomischen Interessen, wie ich im Folgenden kurz demonstrieren möchte.

2.3.1 Politische Lösungsansätze

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist eine der wichtigsten Organisationen zur Beobachtung und Einschätzung des internationalen Klimawandels. Dabei ist das IPCC kein Forschungsinstitut, sondern ein Zusammenschluss von Regierungen. 1988 von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet, hat das IPCC bereits vier Sachstandsberichte, nämlich in den Jahren 1990, 1995, 2001 und 2007, vorgelegt, an denen viele Hundert weltweit führende Klimaforscher mitgearbeitet haben. Diese Assessment Reports haben zum einen den Zweck „den wissenschaftlichen Kenntnisstand in der Klimaforschung zu dokumentieren und andererseits die Weltpolitik zu beraten“ (Latif 2006, 120). Es ist also der Versuch, die Entscheidungen internationaler Politik mittels wissenschaftlicher Ergebnisse „neutral“ zu lenken und zu unterstützen. Die IPCC-Berichte geben somit keine Empfehlung ab: „Sie legen dar, was geschieht, wenn die Menschheit sich so oder anders verhält“ (Hänggi 2008, 26). Interessanterweise sind an den Berichten nicht nur Naturwissenschaftler und Ökonomen, sondern auch Sozialwissenschaftler beteiligt, was eine relativ breite Streuung der Forschungsergebnisse in den Sachstandsberichten mit sich bringt. Politische Lösungsansätze für klimabedingte Probleme resultieren also meistens aus den Zusammenfassungen des IPCC internationaler Forschungsergebnisse. Am 10. Dezember 2007 wurden das IPCC und der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore gemeinsam mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, was umso mehr die enge Verbindung der aktuellen Klimadebatte mit einer grundlegenden Friedenspolitik verdeutlicht.

Ein weiterer wichtiger Grundstein zur Bekämpfung des Klimawandels auf politischer Ebene bildet das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll. In ihm verpflichten sich 38 Staaten durchschnittlich ihre Treibhausgas-Emissionen in einem Zeitraum von 2008 bis 2012 um 5,2 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern (vgl. ebd. 127). Allerdings haben auch Staaten das Kyoto-Protokoll unterzeichnet, die sich darin keiner Reduktionsverpflichtung unterworfen haben. Länder wie die USA als größter Verursacher von CO2-Emissionen und Australien haben das Protokoll dagegen in der Folge nicht ratifiziert und konnten deshalb von den vorher vereinbarten Reduktionsverpflichtungen „stillschweigend“ zurücktreten (vgl. Bardt 2007, 19f.). Im Februar 2005 trat das Kyoto-Protokoll schließlich in Kraft. Da die CO2-Emissionen der Unterzeichnerstaaten im Vergleich zu 1990 fast um 30 Prozent gestiegen sind, dürften die Ziele im Kyoto-Protokoll nicht eingehalten werden, was sicherlich die United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), welche die Einhaltung der Kyoto-Verpflichtungen überprüft, nach dem Jahr 2012 „offiziell“ feststellen wird. Nur 28 Prozent des anthropogenen Ausstoßes an Kohlenstoffdioxid gehen auf das Konto der Staaten, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben und sich im Rahmen dessen auch zu einer Reduktion verpflichtet haben (vgl. ebd. 23). Die politische Tragweite und der beabsichtigte positive Effekt für das Weltklima bleiben folglich nur in einem sehr geringen Rahmen. Die begrenzte Durchsetzungsfähigkeit und das Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahre 2012 machen darüber hinaus die Notwendigkeit eines Nachfolgeabkommens mehr als deutlich. Zur UN-Klimakonferenz im Dezember 2009 in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen wird deshalb der Versuch unternommen werden, ein Nachfolgeabkommen auszuhandeln, an dem dann idealerweise auch die ursprünglichen Kyoto-Skeptiker-Staaten mit beteiligt sein sollten (vgl. Kyoto-Nachfolge 2007).

Das Herzstück des Kyoto-Protokolls ist aber hingegen der üblichen Meinung nicht die „freiwillige“ Verpflichtung zur Emissionsverringerung der einzelnen Unterzeichnerstaaten, sondern ein bis dahin vollkommen unbekanntes und somit neuartiges Marktsystem, das den Handel mit Umweltwerten eröffnet, indem sie einen festen Wert zugeschrieben bekommen. Dieses „Erdsystemmanagement“ beinhaltet drei flexible Mechanismen: Die Joint Implementation (JI, dts. Gemeinsame Umsetzung), der Clean Development Mechanism (CDM, dts. Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung) und der International Emission Trading (IET, dts. Internationaler Emissionshandel). Die JI gibt Staaten die Möglichkeit sich Einsparungen aus emissionssparenden, eigenen Projekten in anderen Ländern gutschreiben zu lassen (vgl. Bardt 2007, 23). Diese Verrechnung erfolgt für beide Länder gemeinsam und beinhaltet somit die Eventualität einer länderübergreifenden Partnerschaft in der gemeinsamen Umsetzung von Klimazielen (vgl. Latif 2006, 52). Der CDM gibt Staaten die Möglichkeit sich an emissionssparenden Projekten im Ausland zu beteiligen, um sich auf diese Art und Weise Einsparungen für das eigene Land gutschreiben zu lassen (vgl. Bardt 2007, 24). Wenn ein Staat seine im Kyoto-Protokoll festgelegten Reduktionsverpflichtungen über das Ziel hinaus erfüllt, kann er im Rahmen des IET seine überschüssigen Emissionen verkaufen, die dann wiederum von Staaten, die ihre Emissionsziele nicht erreicht haben, aufgekauft werden (vgl. ebd. 25). Die politische Entscheidung Russlands, dass Kyoto-Protokoll zu ratifizieren, resultiert einzig aus eben dieser Möglichkeit des IET, weil es durch den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft um 1990 zu großen Emissionseinsparungen in Russland kam und deshalb das Land durch den Verkauf von Emissionsrechten bis 2012 mit einem Umsatz in Milliardenhöhe rechnet (vgl. ebd. 21).

USA, Australien, Indien, Japan, China und Südkorea schlossen sich 2005 zur Asia-Pacific Partnership on Clean Development and Climate (APP, dts. Asiatisch-Pazifische Partnerschaft für saubere Entwicklung und Klima) zusammen. Diese Partnerschaft verfolgt die Förderung klimafreundlicher Techniken durch spezielle staatliche Förderprogramme. Die APP ist nicht als ein politisches Gegenkonzept zum Kyoto-Protokoll zu verstehen, sondern eher als eine Art Ergänzung. Es ist das Fehlen von verbindlichen Reduktionszielen und die Abwesenheit von völkerrechtlichen Bindungen, welche die APP mehr zu einem Förderinstrument von nationalen Technologien macht (vgl. ebd. 27ff.).

2.3.2 Ökonomische Lösungsansätze

Der Ökonom Nicholas Stern (geb. 1946) legte 2006 einen von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen Bericht vor, der eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse des anthropogenen Klimawandels enthält. Dieser sogenannte Stern-Review ordnet den Klimawandel vor allem als ein großes Marktversagen ein: „Die Auswirkungen könnten 5-20% des globalen Weltwirtschaftsprodukts pro Jahr ausmachen“ (Klimawandel und Sicherheit 2008, 15), wenn nicht schleunigst gehandelt wird. Stern rechnet eine Schadenssumme von 5,5 Billionen Euro aus und empfiehlt die sofortige Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen, die eine vergleichsweise geringe Reduktion des globalen BIPs von einem Prozent pro Jahr ausmachen würden (vgl. ebd.). Aus dieser ökonomischen Argumentation ist genau herauszuhören, dass „die Bekämpfung des Klimawandels [...] langfristig gesehen eine Pro-Wachstum-Strategie“ (Stern Review 2006, viii) darstellt. Erst mit dieser eindringlichen Kosten-Nutzen-Analyse Sterns begann bei vielen Unternehmen und Ökonomen die Relevanz nachhaltiger Klimapolitik in den Fokus der Betrachtung zu rücken. Es darf spekuliert werden, dass wenn diese Analysen zu Ungunsten der Natur ausgefallen wären – also die Kosten den Nutzen überstiegen hätten –, dann würden die gegenwärtigen und zukünftigen Bemühungen internationaler Umweltpolitik noch viel geringer ausfallen.

Seit dem 1. Januar 2005 erhalten europäische Unternehmen individuelle „Verschmutzungslizenzen“ von den jeweiligen Ländern zugewiesen. Diese Lizenzen beinhalten eine bestimmte Menge CO2, die das Unternehmen in die Atmosphäre abgeben darf. Wenn nun mehr Emissionen erzeugt werden, als Lizenzen verfügbar sind, müssen weitere Lizenzen an der European Climate Exchange (ECX) nachgekauft werden, die dort auch im Umkehrschluss wieder verkauft werden können, wenn man einen Überschuss an CO2-Lizenzen hat. Mit diesen Regelungen entstand innerhalb kürzester Zeit ein neuer Markt: der sogenannte Kohlenstoffmarkt. Ursprünglich bestand die Idee darin, dass Projekte, die besonders starke Emissionseinsparungen verbuchen konnten, durch den Verkauf von Lizenzen einen gewissen Anreiz im Umweltschutz sehen. Doch die ökonomischen Märkte funktionieren nach Angebot und Nachfrage, die Preise für die Tonne CO2 sind variabel. Durch den cleveren Wiederverkauf von „Verschmutzungslizenzen“ machen heute schon die großen Energieversorger Europas zusätzlich mehrere Millionen Euro Umsatz pro Jahr (vgl. Pötter 2008, 217-224). Der IET ist lediglich ein neues Instrument der Marktwirtschaft, keine wirkliche Umweltschutzmaßnahme:

„Es ist weiterhin legal und umsonst, seinen Müll in die Atmosphäre zu blasen. Nur, wenn dieser Müll nicht reduziert wird, dann wird es teuer“ (ebd. 222).

Auch der moderne Ablasshandel hat eine neue Dimension erreicht. So schildert Pötter in Tatort Klimawandel, dass eine große deutsche Fluggesellschaft seit dem 17. September 2007 die Möglichkeit anbietet, sich mittels einer „Klimaspende“ ein reines Gewissen zu erkaufen. Ein Klimarechner bilanziert den Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 für den gewählten Flug. Mit diesen zusätzlichen Einnahmen werden Klimaprojekte in der Welt unterstützt (vgl. ebd. 234). Es bleibt zum Schluss nur die Frage offen, ob man mit dem Verzicht des Fluges nicht mehr für die Umwelt erreicht hätte, als mit dem nachträglichen „neutralisieren“ des persönlichen CO2-Ausstoßes?

Das Klima der Erde aktiv zu verändern, fordert der Ökonom Thomas Schelling (geb. 1921), wie man in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung vom 12. März 2009 lesen konnte. Anstatt eben auf die Minderung von Treibhausgasen zu setzen, ist Schelling der Meinung, dass sich die klimatischen Verhältnisse auf der Erde durch zusätzliches aktives Einwirken positiv verändern könnten. Somit ist er nicht der Einzige, der die technischen Lösungen des „Geo-Engineering“ als Ausweg aus der Klimamisere präferiert. Solche abenteuerlichen Lösungen sehen zum Beispiel vor, dass Unmengen an Schwefel in die Atmosphäre geschossen werden, zwei Millionen Arbeiter in den Wäldern totes Holz vergraben oder „ferngesteuerte Segelschiffe [...] Salzwasser in die Luft blasen“ (Schrader 2009: Untertan Erde).

Diese ökonomische und leider auch politische Tendenz den Dingen in der Welt einen festen Zahlenwert zuzuordnen, macht weder vor den Gegenständen der Natur, noch vor dem Wert eines Menschenlebens halt. So versuchte das IPCC in seinem Entwurf zum zweiten Bericht von 1995 den Wert eines Menschen auf 1,5 Millionen Dollar, wenn er in einem Industrieland lebt, beziehungsweise auf 150.000 Dollar, wenn er in einem Entwicklungsland lebt, festzulegen (vgl. Hänggi 2008, 64). Zwar wurden diese Werte in den Abschlussbericht nicht aufgenommen, aber die Tatsache, dass dieser Versuch zur Debatte stand, sollte sehr nachdenklich machen.

Den politischen und ökonomischen Lösungsansätzen fehlt es in erster Linie an Menschlichkeit und direktem Lebensbezug. Diese propagierten Lösungen werden immer nur den Anschein einer Lösung haben, weil sie das eigentliche, ethische Problem nicht erkennen: Die dringende Notwendigkeit einer Bestimmung der Position und der Einstellung des Menschen zur Natur und seinem eigenen Leben darin. Erst auf dieser Grundlage können nachhaltige und moralisch-wertvolle Lösungen für den anthropogenen Klimawandel gefunden werden. Die gegenwärtigen klimapolitischen Lösungen zeigen eine ideologisierte, ökonomische Weltanschauung, die das Leben des einzelnen Individuums nicht berücksichtigt. Solche Lösungsansätze versehen das Leben im Gegenteil mit einem Wert und ordnen es in eine Tabelle ein.

Die Gründe für das Klimaproblem, welche die alten Modelle eines ungebremsten Fortschrittsglaubens hervorgebracht haben, können nicht gleichzeitig auch die Lösung dafür sein. Es muss jetzt zu einem radikalen Umdenken kommen.

2.4 Zusammenfassung

- Das globale Klimasystem der Erde besteht aus der Hydrosphäre, Kryosphäre, Lithosphäre, Pedosphäre und Biosphäre. Diese Bestandteile sind miteinander verbunden und unterstehen einer natürlichen Variabilität. Durch den Eingriff des Menschen in klimatische Ereignisse werden die Auswirkungen auf alle Elemente des Klimasystems deutlich.
- Ökosysteme als die „Wohnwelt“ aller Lebewesen setzen sich aus der Wechselwirkung zwischen Organismen und ihrer umgebenden anorganischen Umwelt zusammen. Besonders Stoffkreisläufe sind durch das anthropogene Eingreifen in die Natur in ihrer Geschlossenheit gefährdet.
- Der anthropogene Treibhauseffekt entsteht durch eine Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die wie ein Gewächshaus für das Leben auf der Erde wirken. Abgesehen von Kohlenstoffdioxid (CO2) sind auch Methan und Lachgas wichtige durch den Menschen verstärkt auftretende Treibhausgase.
- Gegenwärtige und zukünftige klimabedingte Problemkreise setzen sich aus den Auswirkungen anthropogener Umwelteingriffe, der Beeinträchtigung menschlicher Lebensstandards und der Zunahme politischer Brennpunkte auseinander.
- Das größte Problem für die Umwelt ist und wird auch in der Zukunft der Ausstoß von CO2 sein, der hauptsächlich durch den Verkehr, durch die Industrialisierung und durch die moderne Energiepolitik noch weiter zunehmen wird. Die Kernkraft und Biomassekraftwerke sind nur unzureichende Lösungsvorschläge für eine „CO2-neutrale“ Energiegewinnung.
- Menschliche Lebensstandards leiden aufgrund von Dürren und Extremwettereignissen unter einer Abnahme der Wasserverfügbarkeit und einer zunehmenden Nahrungsmittelknappheit. Außerdem treten häufiger klimabedingte Erkrankungen auf, die vor allem in den ärmeren Ländern kaum einzudämmen sind.
- Eine zunehmende Urbanisierung und die Verstärkung der Migration werden zu einer sozialen Instabilität führen, die in der Folge eine Schwächung der politischen Handlungsfähigkeit einzelner Regierungen mit sich bringt.
- Neue politische Brennpunkte werden sich aufgrund der starken Zunahme von Klimaflüchtlingen, Klimakonflikten und Klimakriegen notwendig bilden. Gewalt als Lösung für Konflikte wird sich bei einer steigenden Nutzungskonkurrenz als ein „unverzicht­bares“ Mittel erweisen.
- Gegenwärtige politische Lösungen sind die Gründung der IPCC, das Kyoto-Protokoll und auch die Gründung der APP. Die „freiwilligen“ Selbstverpflichtungen einiger Staaten ihre CO2-Emissionen zu senken, können allerdings nicht eingehalten werden. Umweltprojekte werden zugunsten des „Erdsystemmanagements“ verdrängt und geraten aus den Augen der Betrachter.
- Ökonomen warnen vor beträchtlichen Kosten, die der anthropogene Klimawandel mit sich bringen wird. Lösungen sehen sie vor allem im Emissionshandel und im „Geo-Engineering“.
- Die Vernachlässigung des ethischen Blicks auf die Natur und den Menschen macht die gegenwärtigen politischen und ökonomischen Lösungsansätze unhaltbar. Die alten Modelle, die in der Vergangenheit den anthropogenen Klimawandel hervorgebracht haben, können jetzt nicht die Lösung für dieses Problem sein.

3 Eine philosophische Bestimmung der Natur

Die Forderung nach einem umfassenden Überdenken des eigenen Verhältnisses zur Natur beginnt bei dem Naturbegriff selbst, den es in dem dritten Kapitel meiner Arbeit vordergründig zu bestimmen gilt. So werde ich im Folgenden unterschiedliche Herangehensweisen an eine philosophische Bestimmung der Natur zeigen: Von den antiken philosophischen Naturbetrachtungen bis zu den Auslegungen der Neuzeit ist Philosophiegeschichte auch immer die Geschichte des Menschen zu der ihn umgebenden Natur. Sie ist nicht ein vom Menschen unabhängig existierender Ort, sondern hier ist es, wo der Mensch lebt und denkt; in ihr geht er auf, hier kann er Mensch sein und nur durch sie existiert er letztlich. Eine philosophische Bestimmung der Natur bedarf deshalb dringend einer ethischen Komponente, weil die naturphilosophischen Theorien zwar einen Erklärungsversuch über die in ihr ablaufenden Gegebenheiten abliefern, der Natur letztlich aber die Zusprechung eines moralischen Charakters vehement verweigern. Die Naturphilosophie alleine vermag keine Lösungsansätze für die Bewältigung der gegenwärtigen Klimaprobleme beisteuern, eine Ausweitung auf den Bereich einer eigenständigen Moral der Natur ist daher unverzichtbar.

3.1 Der Naturbegriff

Das deutsche Wort Natur geht etymologisch auf lateinisch natura zurück, welches Geburt oder Geborensein ausdrückt. Als Analogiebildung zu dem lateinischen natus hat es außerdem die Bedeutung von entstehen, sich entwickeln und wachsen (vgl. Pfeifer 2003, 913). Prinzipiell lassen sich laut dem Bedeutungswörterbuch (2002) im Deutschen vier verschiedene Wortbedeutungen von Natur unterscheiden:

1. Natur im Sinne der Gesamtheit aller organischen und anorganischen ohne mensch­lich­es Zutun entstandenen Phänomene wie Naturkräfte oder die unbelebte Natur.
2. Natur im Sinne der Teile eines vom Menschen unberührten Gebietes auf der Erde wie Tiere, Pflanzen, Gesteine oder Gewässer.
3. Natur im Sinne eines Charakters oder Wesenszuges wie die weibliche Natur oder die tierische Natur.
4. Natur im Sinne einer eigentümlichen Beschaffenheit wie die Natur der Sache oder Fragen von allgemeiner Natur (vgl. Duden 2002, 648).

Angelika Krebs (geb. 1961) geht es um die erste und zweite Bedeutung von Natur, also um die Gesamtheit und die ihr innewohnenden einzelnen Teile, welche unabhängig vom Menschen existieren. Folglich definiert sie die Natur „als dasjenige in unserer Welt, das nicht vom Menschen gemacht wurde, sondern das (weitgehend) aus sich selbst entstanden ist“ (Krebs 1997, 340). Als Antonym setzt sie das Artefakt der Natur entgegen, weil dieses das Sinnbild für die von den Menschen entwickelten und geschaffenen Dinge darstellt. Den Einwand, dass es doch eigentlich keine reine Natur geben könne, weil letztlich alles vom Menschen mehr oder weniger überformt sei, entkräftet Krebs damit, indem sie verdeutlicht, dass auch eine menschlich-überformte Natur nicht vom Menschen gemacht wurde, „sondern eben nur etwas von ihm Überformtes ist“ (ebd.); auch die vom Menschen angepflanzten Bäume entwickeln und wachsen letztlich „natürlich“. Krebs erteilt als Naturethikerin Begriffsbestimmungen der Natur, welche sie als das bezeichnen, was Kausalgesetzen untergeordnet ist, oder Theorien, die in der Natur eine „gesunde“ Kraft verwirklicht sehen beziehungsweise sie als etwas „Unverfügbares“ betrachten, eine klare Absage (ebd.).

In seiner Einführung in die Naturphilosophie (2002) ist Michael Esfeld (geb. 1966) der Meinung, dass der Bereich der Natur die Fähigkeit selbst entstanden und der Anfang der Dinge zu sein umfasst. Esfeld sieht darüber hinaus in dem Begriff der Natur immer eine Doppeldeutigkeit enthalten: Einerseits ist die Natur das, was den Gegenstand ausmacht, andererseits ist die Natur auch die Gesamtheit der Dinge, die von sich aus existieren (vgl. Esfeld 2002, 11). Somit integriert Esfeld in seinen Naturbegriff auch immer die Bedeutungsebene der Natur im Sinne eines Charakters oder Wesenszuges. Eine Sonnenblume zum Beispiel kann man also zur Natur aus zwei Gründen hinzurechnen: Erstens hat sie sich selbst ohne menschliches Zutun hervorgebracht im Sinne ihres Wachstums und zweitens ist dies ihr spezifischer Charakterzug, ihre Beschaffenheit und ihr Wesen; es liegt in der Natur der Sonnenblume, sich selbst hervorzubringen und Sonnenblume zu sein.

Das Lexikon der Ethik (2008) unterscheidet explizit zwischen einem materiellen und formalen Naturbegriff. Der materielle Begriff umfasst

„die Gesamtheit aller beobachtbaren, nicht von Menschen hergestellten, sondern gewachsenen, anorganischen und organischen, pflanzlichen und tierischen Gegebenheiten“ (Höffe 2008, 223).

Gegenstand des formalen Naturbegriffs sind die unterschiedlichen Ebenen der Erkenntnis, die man für die Erschließung eines Phänomens anwenden kann (vgl. ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Ethische Verantwortung und Ehrfurcht vor der Natur
Untertitel
Albert Schweitzers philosophischer Beitrag zu klimapolitischen Fragen der Gegenwart
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Philosophisches Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
127
Katalognummer
V140640
ISBN (eBook)
9783640498536
ISBN (Buch)
9783640498338
Dateigröße
2560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schweitzer, Albert, Albert Schweitzer, Leben, Ethik, Ehrfurcht, Verantwortung, Natur, Klimapolitik, Klima, Umwelt, Existenz, Naturschutz, Tierschutz, Klimawandel, Klimakatastrophe, Naturethik, Naturphilosophie, Welt, Weltanschauung, Arendt, Jonas, Meyer-Abich, Singer, Philosophie
Arbeit zitieren
Dennis Nolte (Autor:in), 2009, Ethische Verantwortung und Ehrfurcht vor der Natur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140640

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Titel: Ethische Verantwortung und Ehrfurcht vor der Natur



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