Die Bedeutung des Lutatius-Vertrages für den Zweiten Punischen Krieg


Bachelorarbeit, 2009

39 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Quellenlage
2.1 Römische Annalistik
2.1.1 allgemeine Merkmale
2.1.2 Quellen zum Lutatius-Vertrag und 2. Punischen Krieg
2.2 Polybios von Megalopolis
2.2.1 Biographie und Hauptwerk
2.2.2 Geschichtsverständnis und historische Methode

3. Lutatius-Vertrag
3.1 Präliminarvertrag
3.2 Endgültiger Vertrag
3.3 Auswirkungen

4. Rechtliche Auseinandersetzungen im Vorfeld des 2. Punischen Krieges
4.1 Überblick der Ereignisse
4.2 Erste römische Gesandtschaft (220/219 v. Chr.)
4.3 Zweite römische Gesandtschaft (218 v. Chr.)

5. römisch-saguntinisches Verhältnis
5.1 zeitliche Datierung
5.2 staatsrechtlicher Charakter

6. Zusammenfassung

7. Quellenverzeichnis

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Punischen Kriege (264-146 v. Chr.) stellten für die Entstehung des römischen Imperiums einen wichtigen Zwischenschritt dar. Nach der siegreichen Beendigung dreier kriegerischer Auseinandersetzungen konnten die Römer die karthagische Vorherrschaft im Mittelmeerraum brechen und ihr Reich um bedeutende Provinzen erweitern. Hierzu zählten die Mittelmeerinseln Sizilien, Sardinien und Korsika, sowie Hispanien und schließlich Africa. Dabei konnten die römischen Streitkräfte nicht immer das Kriegsglück für sich verbuchen. Vor allem im Zweiten Punischen Krieg brachten die Karthager unter Führung von Hannibal Barkas die Römer an den Rand einer Niederlage, indem sie nach der Schlacht von Cannae (216 v. Chr.) sogar vor den Toren Roms standen. Schließlich siegte jedoch die militärische Überlegenheit der Römer, sowohl an Land, als auch auf See, sodass letztendlich sogar die völlige Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. erreicht werden konnte.

Innerhalb der 118 jährigen Auseinandersetzung zwischen Rom und Karthago soll in dieser Arbeit der Zeitraum des Zweiten Punischen Krieges im Mittelpunkt der Betrachtung stehen (218-201 v. Chr.). Hierbei fokussiere ich mich auf die Vorgeschichte des Krieges, welche über die Ursachen und Anlässe der zweiten römisch-karthagischen Konfrontation Aufschluss gibt. Dabei spielten vor allem Streitereien über beiderseitig geschlossene Staatsverträge eine bedeutende Rolle. Ein zentraler rechtlicher Streitpunkt waren in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des Lutatius-Vertrags (241 v. Chr.). Dieser Friedensvertrag, der die Kämpfe des Ersten Punischen Krieges beendete, wirkte sich auch auf die späteren politischen Beziehungen zwischen Rom und Karthago aus. So war der Inhalt dieses Vertragswerks Ausgangspunkt römisch-karthagischer Diskussionen über Schuld, Recht und Legitimation der späteren Kriegsführung.

Bei der Betrachtung der Punischen Kriege steht die Geschichtswissenschaft vor dem Problem, dass eine Multiperspektivität der Ereignisse aus der Quellenlage nicht gewährleistet werden kann. Denn der Historiker kann nur Quellen der römischen Siegermacht auswerten, da karthagischen Zeugnisse nicht bis in unsere Zeit überliefert sind. Umso kritischer muss daher mit dem Wahrheitsgehalt der antiken Schilderungen umgegangen werden. Vor allem sollte bedacht werden, dass die römischen Geschichtsschreiber Mitglieder des Senats waren, unter dem Eindruck eines fast verlorenen Krieges schrieben und vor allem die Rechtfertigung römischer Politik betrieben. Deswegen kann von einer Verklärung der Vergangenheit im Sinne einer pro-römischen Ausrichtung ausgegangen werden. Diese Grundthese bildet den Rahmen dieser Arbeit. Ziel soll es sein, fernab der Ideologisierung römischen Vorgehens, ein eigenes Bild über die realen Gegebenheiten zu entwerfen und zwischen historischer Wahrheit und Unwahrheit abzuwägen. Hierfür werden Angaben aus antiken Quellen über den Inhalt des Lutatius-Vertrags und seine Bedeutung für den Zweiten Punischen Krieg hinsichtlich des historischen Wahrheitsgehalts kritisch überprüft. Ferner sollen in Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur diskussionswürdige Aspekte behandelt und schließlich die plausibelste Rekonstruktion der Ereignisse herausgearbeitet werden.

In einem ersten Schritt soll die Quellenlage analysiert werden. Hierzu sollen zunächst die wesentlichen Merkmale der römischen Annalistik skizziert werden. Wichtig ist dabei vor allem die Frage nach dem Zweck und Anliegen der römischen Geschichtsschreibung. Des Weiteren soll geklärt werden, welche antiken Schriftsteller sich zu den Punischen Kriegen äußerten und inwiefern deren Schilderungen sich als aussagekräftig für den Untersuchungsgegenstand erweisen. Schließlich soll begründet werden, weshalb der griechische Geschichtsschreiber Polybios als Quellenreferenz anzusehen ist. Angaben über seine Biographie, sein Hauptwerk und sein Geschichtsverständnis werden beleuchten, weshalb seine Schriften Ausgangspunkt der Überlegungen sein müssen.

Im zweiten Themenschwerpunkt sollen die Bestimmungen des Lutatius-Vertrags im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Nach Polybios müsse man hierbei zwischen zwei unterschiedlichen Vertragswerken unterscheiden. Demnach wurde der 241 v. Chr. abgeschlossene Friedensvertrag zwischen Hamilkar Barkas und C. Lutatius Catulus, der im Folgenden als Präliminarvertrag bezeichnet wird1, zu späterer Zeit inhaltlich abgeändert. Die Unterschiede zwischen dem Präliminarvertrag und dem endgültigen Vertragstext sollen genauso herausgearbeitet werden, wie die Beweggründe, die zur Abänderung des ursprünglichen Abkommens geführt haben. Ziel soll es sein, erste Ansätze der römischen Verzerrung historischer Tatsachen zu erkennen, sowie unterschiedliche Auswirkungen des Vertragswerks zu beleuchten.

Im dritten Themenkomplex werden die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Karthago im Vorfeld des Zweiten Punischen Krieges thematisiert. Hierbei wird die Sicherheitsklausel des Lutatius-Vertrags im Fokus stehen, über die beide Konfliktparteien ihr außenpolitisches Vorgehen zu rechtfertigen versuchten. Eine genaue Beschäftigung mit dem Gesprächsinhalt zweier im Vorfeld stattgefundener Konferenzen (220/219 bzw. 218 v. Chr.) zwischen karthagischen und römischen Vertretern ist hierfür unentbehrlich. Die

Schilderungen des Polybios werden hierbei kritisch hinterfragt und mit Interpretationen der modernen Geschichtsforschung verglichen.

Nach Kenntnis der rechtlichen Streitpunkte, die im Zusammenhang mit dem Lutatius-Vertrag stehen, wird ersichtlich werden, dass das Kernproblem die iberische Stadt Sagunt darstellt. Die Legitimation eines karthagischen Angriffs auf die Stadt Sagunt wird auf Grundlage des Lutatius-Vertrages von beiden Kriegsparteien unterschiedlich bewertet. Um die rechtlichen Argumentationen inhaltlich überprüfen zu können, wird im vierten Arbeitsschritt das römischsaguntinische Verhältnis genauer untersucht werden. Hierbei wird es um die Frage gehen, welche Beziehungen die Saguntiner mit den Römern pflegten und ab welchen Zeitpunkt man ein zwischenstaatliches Verhältnis ausmachen kann.

2.Quellenlage

2.1 Römische Annalistik

2.1.1 Allgemeine Merkmale

Die römische Geschichtsschreibung entstand mit der Ausdehnung des römischen Machteinflusses in die griechische Welt. Erst dieser Kontakt mit dem Hellenismus führte zur Kenntnis der griechischen Geschichtsschreibung und weckte das Bedürfnis, Geschichte auch aus römischer Sichtweise niederzuschreiben. Aufgrund dieser griechischen Prägung der frühen römischen Literatur verfassten die römischen Historiker zuerst ihre Werke auch in griechischer Sprache. Wenn von römischer Geschichtsschreibung gesprochen wird, darf man also darunter nicht ausschließlich das lateinische Schrifttum der antiken Geschichtsschreibung verstehen. So kann beispielsweise auch Polybios als römischer Geschichtsschreiber gelten, obwohl seine Herkunft, Schrift und Sprache griechisch waren. Andreas Mehl konstatiert in diesem Zusammenhang, dass römische Literatur regelrecht erst durch den kontinuierlichen und intensiven Kontakt mit der griechischen Kultur geschaffen worden sei.2

Die lateinische Sprache ist folglich kein geeignetes Erkennungszeichen, welches antike Geschichtsschreibung als römisch identifizieren kann. Als wichtigste Differenzierungsmerkmale müssen stattdessen Inhalt und Untersuchungsrahmen hervorgehoben werden. Während bei den Griechen nicht nur die heimische Geschichte betrachtet wurde, sondern auch die politische Geschichte der angrenzenden und weit entfernter Völker, stand für römische Historiker die eigene Geschichte im Vordergrund. Römische Geschichtsschreibung behandelt die Entwicklungsgeschichte Roms von einem Stadtstaat zum Machtzentrum eines Weltreiches. Thematisiert werden dabei vor allem die römischen Expansionen und militärischen Auseinandersetzungen mit anderen Mächten. In dieser zentrierten Betrachtung treten feindliche Mächte als konkurrierende Gegner auf. Die römische Geschichtsschreibung zielt somit auf eine Rekonstruktion der Entstehung ihres Weltreiches als Folge von siegreichen Feldzügen gegen feindselige Völker.3

Es verwundert daher nicht, dass die Entstehung der römischen Annalistik im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn des römischen Expansionsstrebens steht. Die römische Geschichtsschreibung setzte mit dem Verlangen ein, römisches Verhalten gegenüber der restlichen Welt in literarischer Form zu rechtfertigen. Über die Notwendigkeit eines solchen Begehrens äußert sich Mehl wie folgt: „Sowohl das Bewußtsein der eigenen Erfolge als auch die Kenntnis der Kritik, die Gegner Roms und von der römischen Expansion Betroffene und Bedrohte äußerten, veranlaßte die Römer, […] kollektive Selbstdarstellung als Selbstrechtfertigung in den Mittelpunkt ihrer entstehenden Literatur zu stellen.“4 Seit den Punischen Kriegen fühlten sich die Römer veranlasst, jener moralischen Selbstrechtfertigung in literarischer Form nachzugehen. Dabei diente die Geschichtsschreibung vordergründig dem Zweck, römische Politik zu verteidigen und kritische Bemerkungen zu entkräften. Zweifelsohne ist dieser Sachverhalt ein Hauptgrund, die Objektivität der römischen Historiker anzuzweifeln.

Aus modernen Gesichtspunkten erweist sich ein weiteres Merkmal der römischen Geschichtsschreibung als problematisch: Das Fehlen einer systematischen Quellenkunde. Die zielgerechte und umfassende Einbeziehung von Dokumenten oder Urkunden in die eigene Argumentation lag den römischen Historikern fern. In Ermangelung von Quellennachweisen ist sogar zu konstatieren, dass nur teilweise rekonstruiert werden kann, woher die frühen römischen Geschichtsschreiber ihre Sachinformationen herbeischaffen konnten5. Deswegen müssen in der Nachvollziehbarkeit der Aussagen römischer Historiker Abstriche gemacht werden. Falls in einzelnen Werken doch Quellenbezüge hergestellt wurden, erscheint deren Auswahl darüber hinaus ideologisch motiviert. Dahinter verbirgt sich der Sachverhalt, dass die römischen Historiker genau dann Quellen in ihre Arbeit einfließen ließen, wenn deren Inhalt der politischen Gesinnung bzw. der vertretenden Meinung entsprach. Insofern kann der römischen Geschichtsschreibung durch die einseitige Verwendung von Quellenbezügen eine Tradierung historischer Sachverhalte vorgeworfen werden.6

Daneben bleibt auch die soziale Herkunft des römischen Historikers ein zwiespältiger Umstand. Am Besten lässt sich dieser Sachverhalt am Beispiel des ersten römischen Historikers beschreiben: Quintus Fabius Pictor (ca. 254-201 v. Chr.). Sein Geschichtswerk, eine Universalgeschichte des römischen Reiches von den mythischen Anfängen bis zur Gegenwart Pictors, war das erste Prosawerk über die Geschichte der Stadt Rom. Der soziale Hintergrund des Begründers der römischen Geschichtsschreibung spiegelt gewissermaßen den typischen römischen Historiker wider. Denn Pictor war ein Mann aus dem Kreis der Nobilität und entstammte aus einer alten Patrizierfamilie. Es ist nicht überraschend, dass Pictor generell die römische Politik würdigt, auch wenn er zur Zeit rivalisierender Nobilitätssippen klar die Meinung des eigenen gentes unterstützte. Jene personelle Verbundenheit des römischen Historikers mit dem Senat sollte auch später ein Kriterium der römischen Historiker bleiben. Durch ihre soziale Stellung und der Mitgliedschaft im Senat müssen römische Geschichtsschreiber auch politische Absichten verfolgt haben. Pictor rechtfertigt beispielsweise im Zusammenhang mit dem Zweiten Punischen Krieg das römische Vorgehen gegen Karthago und die römische Expansionspolitik. Zweifelsohne kann unter der personellen Verbundenheit des Historikers mit dem Senat eine wahrheitsgetreue Schilderung der Geschichte nur gelitten haben.7

2.1.2 Quellen zum Lutatius-Vertrag und 2. Punischen Krieg

Fabius Pictor schrieb als erster römischer Historiker über die Ereignisse der Punischen Kriege. Er war Zeitzeuge der zweiten römisch-karthagischen Auseinandersetzung und kämpfte darin sogar aktiv als römischer Soldat mit. Seine Schriften sind nur fragmentarisch überliefert, jedoch übernahmen spätere römische Geschichtsschreiber (u.a. Polybios) viele seiner Ausführungen. Pictor versucht das römische Vorgehen im Ersten und Zweiten Punischen Krieg zu legitimieren und Karthago als allein verantwortliche Kriegsmacht zu diffamieren.8 Hinsichtlich der Objektivität seiner Darstellung von Geschichte müssen nicht nur aufgrund seiner Verbundenheit zum römischen Senat Abstriche gemacht werden. Denn auch mythische Rückblicke fließen in seine Beschreibung der Geschichte ein9.

Der zweite bedeutende Geschichtsschreiber, der sich mit den römisch-karthagischen Konflikten auseinandersetzte, war Polybios. Er war ein Zeitzeuge des Dritten Punischen Krieges und kann somit wie Pictor mit einer besonderen Nähe zum Geschehen aufwarten. Über seine Bedeutung als Informationsquelle für die Punischen Kriege wird an späterer Stelle noch ausführlicher eingegangen.

Nach Polybios hatte Titus Livius den stärksten Einfluss auf die römische Überlieferung der Punischen Kriege10. Sein Geschichtswerk „ Ab urbe condita “ erscheint bereits gute 150 Jahre nach der Zerstörung Karthagos. Aufgrund dieser großen Zeitspanne musste er zu großen Teilen auf die Schriften von Polybios bzw. Pictor zurückgreifen11. Durch den Verlust der Bücher 11-20 des livianischen Geschichtswerks sind seine Überlieferungen bezüglich des Friedensvertrages von 241 v. Chr. verloren gegangen. Für die Ereignisse im Vorfeld des Zweiten Punischen Krieges inklusive der rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Karthago können jedoch die Inhalte des 21. Buches als Quelle dienen. Allerdings münden unterschiedliche Darstellungen bei Livius und Polybios meist in der Erkenntnis, dass noch bei Polybios existierende Widersprüche oder Ungereimtheiten bei Livius im Sinne einer prorömischen Betrachtungsweise umgedeutet wurden12. Außerdem sind die livianischen Schriften von einem starken Einfluss der augusteischen Deutungsperspektive geprägt und können daher nur ergänzend zur polybianischen Schilderung zu Rate gezogen werden13.

Die nach Polybios umfangreichsten Darstellungen zum Lutatius-Vertrag stammen von Appian (griechischer Historiker des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts), Orosius (um 400 n. Chr.) und Zonaras (im 12. Jahrhundert schreibender Historiker und Epitomator des Cassius Dio)14. Allerdings spielen deren Ausführungen für das Erkenntnisinteresse nur eine untergeordnete Rolle, weil sie sich auch nur auf die Schriften ihrer Vorgänger berufen können bzw. kritische Töne gegen Rom unter der Machtfülle des entstandenen römischen Weltreiches ganz verschwunden sind. Insofern werden deren Aussagen nur vereinzelt und zur ergänzenden Betrachtung gebraucht.

Alles in Allem bleibt zu sagen, dass die Angaben der römischen Historiker über den LutatiusVertrag und den Zweiten Punischen Krieg kritisch zu hinterfragen sind. Die bisherigen Ausführungen dieses Kapitels zeigten, dass man der römischen Geschichtsschreibung sogar Parteilichkeit unterstellen kann. Römische Geschichtsschreibung war in erster Linie eine Siegerdarstellung der politischen Führungsschicht. Folglich bedürfen die Ausführungen römischer Historiker einer kritischen Betrachtung. Einzig Polybios grenzt sich vom Anspruch seiner Geschichtsschreibung von der römischen Geschichtsschreibung ab. Im Folgenden Kapitel soll sein Sonderstatus genauer erläutert werden.

2.2 Polybios von Megalopolis

2.2.1 Biographie und Hauptwerk

Polybios wurde um 200 v. Chr. als Sohn eines achäischen Staatsmannes im griechischen Megalopolis geboren. Somit kam er in etwa zur selben Zeit auf die Welt, als die Römer nach der Schlacht bei Kynoskephalai (197 v. Chr.) die makedonische Vorherrschaft in Griechenland brachen und ihren Einfluss auf die griechischen Stammländer ausdehnen konnten. Die Macht des achäischen Bundes blieb davon jedoch zunächst unberührt, sodass der heranwachsende Polybios mit Unterstützung seines Vaters innerhalb der Bundstrukturen seine politische Ausbildung begann. Schließlich konnte er sogar bis zum Hipparchen des achäischen Bundes aufsteigen (169 v. Chr.). Nach der Niederlage im makedonisch-römischen Krieg wurde Polybios jedoch neben tausend weiteren achäischen Führungsträgern als Kriegsgefangener nach Rom deportiert. Dort entging er allerdings dem Schicksal einer Hinrichtung, sondern lebte fortan als staatliche Geisel in Rom. Ihm kam wohl zugute, dass seine literarischen Leistungen bereits über die griechischen Grenzen hinaus bekannt waren und ihn für die Römer wertvoll machten15. So fand er Zugang in die höchsten römischen Kreise und Anschluss in den philhellinischen Scipionenkreis. Die folgenden 17 Jahre verbrachte er in Italien bevor er im Jahre 150 v. Chr. aus dem Exil in die Heimat zurückkehren durfte. Allerdings zog er bald darauf als militärischer Berater Roms in den Dritten Punischen Krieg. In seinem restlichen Leben wirkte er weiter als politischer Entscheidungsträger und unternahm Reisen nach Kleinasien, Iberien, Ägypten und Gallien. Vermutlich ist er um 120 v.Chr. auf der peloponnesischen Halbinsel verstorben.16

Alleine aus diesem kurzen biographischen Abriss ist ersichtlich, dass Polybios, trotz seiner griechischen Herkunft, viele Einblicke in den römischen Alltag und Kenntnisse über die Politik des römischen Reiches erwerben konnte. Den Dritten Punischen Krieg hat er sogar als Zeitzeuge miterlebt. Klaus Meister hält die Bedeutung des polybianischen Lebenslaufes folgendermaßen fest: „Dieser Überblick über das Leben des Polybios zeigt, daß er viele der von ihm beschriebenen Ereignisse selbst miterlebt, einen großen Teil der Schauplätze dieser Begebenheiten gekannt und in der Politik jener Zeit eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat.“17 Für die Konzentration auf die polybianischen Schilderungen sprechen somit zum einen

[...]


1 Vgl. Bengtson, Hermann [Hrsg.]: Die Staatsverträge des Altertums. Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 338 bis 200 v. Chr. Friedensvertrag zwischen Rom und Karthago. Band 3, Nr. 493. München 1969. S.173.

2 Vgl. Mehl, Andreas: Römische Geschichtsschreibung. Grundlagen und Entwicklungen. Eine Einführung. Stuttgart u.a. 2001. S.16 f.

3 Vgl. Ebd. S.19.

4 Ebd. S.15.

5 Hierbei spielen die tabula delalbata des Pontifex Maximus sowie die Familienarchive der gentes als Informationsquelle eine Rolle. Vgl. ebd. S.35-41.

6 Vgl. Beck, Hans: Die frühen römischen Historiker. Von Fabius Pictor bis Cn. Gellius. Darmstadt 2001. S.37 ff.; Mehl 2001, S.30 f.

7 Vgl. Beck 2001, S.55; Mehl 2001, S.44 f.

8 Vgl. Beck 2001, S.131 f.

9 Im römischen Epos stand neben bedeutenden Ereignissen und Personen auch das Wirken der Götter im Mittelpunkt. Vgl. ebd. S.23.

10 Andere Vertreter der älteren und jüngeren Annalistik können unbeachtet bleiben, weil deren Ausführungen zu den Punischen Kriegen nicht mehr Informationen liefern beziehungsweise kaum erhalten sind.

11 Vgl. Händl-Sagawe, Ursula: Der Beginn des 2. Punischen Krieges. Ein historisch-kritischer Kommentar zu Livius Buch 21. München 1995. S.11.

12 Vgl. Gerhold, Markus: Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden. rechtshistorische Untersuchungen zu den römisch-karthagischen Beziehungen zwischen 241 v. Chr. und 149 v. Chr. Frankfurt [u.a.] 2002. S.34 f.

13 Vgl. Mantel, Nikolaus: Poeni foedifragi. Untersuchungen zur Darstellung römisch-karthagischer Verträge zwischen 241 und 201 v. Chr. durch die römische Historiographie. München 1991. S.68.

14 Vgl. Gerhold 2002, S.37 f.

15 Vgl. Lendle, Otto: Einführung in die griechische Geschichtsschreibung. Von Hekataios bis Zosimos. Darmstadt 1992. S.221.

16 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus. Stuttgart [u.a.] 1990. S.154.

17 Ebd. S.155.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung des Lutatius-Vertrages für den Zweiten Punischen Krieg
Hochschule
Universität Leipzig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Die Punischen Kriege
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
39
Katalognummer
V144670
ISBN (eBook)
9783640548699
ISBN (Buch)
9783640551705
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lutatius-Vertrag, Lutatius, Zweiter Punischer Krieg, 2. Punischer Krieg, Hannibal, Karthago, Kriegsursachen
Arbeit zitieren
Erik Neumann (Autor:in), 2009, Die Bedeutung des Lutatius-Vertrages für den Zweiten Punischen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144670

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