Ist die Forderung nach mehr Disziplin in der Erziehung eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“?


Hausarbeit, 2010

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Historischer Blick auf die „schwarze Pädagogik “
2.1. Ursprung und Mechanismus
2.2. Methoden und Ziele

3. Die Forderung nach mehr Disziplin in der Erziehung
3.1. Bernhard Bueb: Lob der Disziplin
3.1.1 Wir brauchen wieder Mut zur Erziehung
3.1.2 Wer gerecht erziehen will muss bereit sein zu strafen

4. Antworten der Wissenschaft auf Bernhard Bueb
4.1. Micha Brumlik: Vom Missbrauch der Disziplin
4.1.1 Vom Missbrauch der Erziehung
4.1.2 Schwarze Pädagogik für das 21. Jahrhundert

5. Schlussbemerkung

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Die aus der vermeintlichen Erziehungskrise heraus angestoßene Forderung nach mehr Disziplin in der Erziehung, ist primäres Anliegen dieser Arbeit und es soll überprüft werden, inwieweit eine solche Forderung auch eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“ ist. Bereits Ende der siebziger und zu Beginn der neunziger Jahre wurde der Verlust von Werten, von verbindlichen Orientierungen und die Erosion familiärer Bindungen propagiert. Doch nur zu verbreiten, dass die Erziehungskrise wieder Konjunktur hat, macht die Diagnose auch nicht richtiger. Es sind daher Differenzierungen insbesondere auch aus wissenschaftlicher Sicht geboten (vgl. Liesner, 2007). Um diesen Aspekt der wissenschaftlichen Differenzierungen aufzugreifen und bestenfalls genüge zu tun, stehen folgende einleitende Fragen zur Beantwortung.

Was ist das pädagogische Konzept der „schwarzen Pädagogik“? Welche Ziele verfolgt sie und welcher Methoden bedient sie sich? Welches Menschen- und Weltbild wohnt der „schwarzen Pädagogik“ inne?

Das vorliegende Werk will jedoch nicht nur einen Beitrag dazu leisten diese Fragen näher zu beleuchten, sondern daraus erfolgend in einen kritischen Diskurs eingreifen, der sich mit dem Buch „Lob der Disziplin“ auseinandersetzt. Kernaussagen des Bestsellers von Bernhard Bueb sollen auf ihren wissenschaftlichen Charakter hin überprüft werden, um schließlich die Hauptfragestellung dieser Arbeit beantworten zu können. Ist eine Forderung nach mehr Disziplin auch eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“?

2. Historischer Blick auf die „schwarze Pädagogik“

Der Begriff „schwarze Pädagogik“ wurde im Wesentlichen von zwei Frauen geprägt. Zum einen Katharina Rutschky (1977) und zum anderen Alice Miller (1980). Dieses Erziehungskonzept, welches beide beschreiben und kritisieren, stützte sich in zentraler Weise auf Machtausübung und den absoluten Gehorsam. Je früher dieser Prozess beginnt und dabei konsequent durchgeführt wird, desto eher sind alle Voraussetzungen geschaffen (vgl. Miller 1980).

2.1 Ursprung und Mechanismus

Wenngleich kein konkretes Datum des Ursprungs zu nennen ist, kann der Zeitraum des propagierten Erziehungskonzeptes sehr wohl eingegrenzt werden. Rutschkys Buch[1] nach, beginnt diese Zeit nach Erscheinung erster Bände um 1748 und reicht bis in die Zeit der Nationalsozialisten. Darüber hinaus gibt es Kritiker, wie Miller, die sogar davon ausgehen, dass sie sogar heute noch praktiziert wird, nur geschieht dies gegenwärtig wesentlich subtiler. Gewalthandlungen und deren Entwicklungen werden durch geltende soziale Wert- und Normvorstellungen beeinflusst und fördern die Gewaltbereitschaft oder deren Verringerung. Heute wird dies im Bereich der Öffentlichkeit besonders hinsichtlich der Ausländerfeindlichkeit, Abwertung von sozialen Randgruppen sowie die Art und Weise, wie Gewalthandlungen geahndet oder legitimiert werden deutlich (vgl. Hirsch 1999).

Den Hauptmechanismus der „Schwarzen Pädagogik“ veranschaulicht Alice Miller 1980 und entlehnt sich hierbei der Begriffe „Abspaltung“ und „Projektion“ der Psychoanalyse. So schreibt sie: „Wie uns die analytische Kenntnis der Abspaltungs- und Projektionsmechanismen helfen kann, das Phänomen Holocaust zu verstehen, so hilft uns die Geschichte des Dritten Reiches, die Folgen der »Schwarzen Pädagogik« deutlicher zu sehen“.[2] In ihrem Buch zitiert sie Himmler aus der sogenannten „Posener Rede“ und zeigt eben jene Elemente des komplizierten psychodynamischen Mechanismus auf, denen wir in den Schriften der „Schwarzen Pädagogik“ so häufig begegnen. Zusammenfassend lässt sich dieser Mechanismus mit dem folgenden Zitat beschreiben. „Die Erziehung zur sinnlosen Härte macht es notwendig, dass alles Schwache (d.h. auch Emotionalität, Tränen, Mitleid, Einfühlung in sich und andere, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Verzweiflung) »gnadenlos« im Selbst niedergekämpft werden muss. Um diesen Kampf gegen das Menschliche im eigenen Innern zu erleichtern, wurde den Bürgern im Dritten Reich ein Objekt als Träger aller dieser verabscheuten (weil in der eigenen Kindheit verbotenen und gefährlichen) Eigenschaften angeboten – das jüdische Volk“.[3] Natürlich funktionierte der Hauptmechanismus bereits viel früher, zu jener Zeit jedoch mit anderen Projektionen. In der damaligen Gesellschaft war es diesbezüglich sehr weit verbreitet von der „bösen Kindsnatur“ zu sprechen, diese galt es auszutreiben. Hierzu wurden entsprechende Erziehungsratgeber, Pädagogische Enzyklopädien sowie Pädagogische Schriften zu Theorien und Methoden verfasst.

2.2 Methoden und Ziele

Mit der Veröffentlichung des Buches „Über Erziehung für Erzieher“ von Sailer aus dem Jahr 1807 entblößt sich das tiefe Misstrauen in die menschliche Natur besonders deutlich und war entschieden weit verbreitet. So schreibt er sehr markant, „wer den Zögling gut bilden will, muss von dem Grundsatz ausgehen , dass die moralische Erziehung a) weiter nichts ist , als ein Defensiv - und Offensivkrieg wider alles Böse und für alles Gute ; ein Offensivkrieg wider den Keim des Bösen und wider alles , was seine Entwicklung begünstigt ; ein Defensivkrieg für den Keim des Guten und für alles , was die Entwicklung dieses Keimes fördert ; b) dass dieser Krieg, so wie er wohl nicht zu früh angefangen werden kann , so auch nie geendet , nie durch Waffenstillstand unterbrochen werden darf , also gleichsam ein ewiger Krieg sein soll ; dass c) dieser Krieg wider das böse Prinzip für das Gute in dem Zögling nur von denen mit Erfolg geführt werden kann , welche ihn in sich und wider sich selber ritterlich gekämpft haben . Dies ist die heilige Polemik, ohne welche unsere Lehranstalten Vorübungsplätze zur Aufführung schauerlicher Trauerspiele des Lebens, unsere Erziehungshäuser Pflanzschulen des Verderbens, unsere Erziehungslehren indirekte Theorien des Lasters, unsere Pädagogen Verzieher des menschlichen Geschlechtes werden müssen . […] Und gerade diese unermessliche Höhe und Tiefe , Länge und Breite des sittlichen Verderbens , das in dem Maß nach allen Richtungen zunimmt , in welchem der Sinn des heiligen Krieges dagegen abnimmt [...] gerade dies beweist am deutlichsten , dass man in der Erziehung von dem Grundsatz des heiligen Krieges ausgehen müsse ”.[4] (Siehe Auszug im Anhang) Ein solches Menschen- und Weltbild würde heute auf breite Ablehnung stoßen. Methodik und Ziel der „Schwarzen Pädagogik“ ist somit neben der Brechung des Eigenwillens, dem Kind auch von Anfang an falsche Informationen und Meinungen zu indoktrinieren. Seit Generationen werden diese weitergegeben und von den Kindern vorbehaltlos übernommen, obgleich sie nachweisbar falsch sind. Hierzu gehören Meinungen die Miller in ihrem Buch auflistet:

- dass das Pflichtgefühl Liebe erzeuge;
- dass man den Hass mit Verboten töten könne;
- dass Eltern a priori als Eltern Achtung verdienen;
- dass Kinder a priori keine Achtung verdienen;
- dass Gehorsam stark mache;
- dass eine hohe Selbsteinschätzung schädlich sei;
- dass Zärtlichkeiten schädlich seien (Affenliebe);
- dass das Eingehen auf kindliche Bedürfnisse schlecht sei;
- dass Härte und Kälte eine gute Vorbereitung fürs Leben bedeuten;
- dass die Eltern und Gott keine Kränkung überleben würden;
- dass der Körper etwas Schmutziges und Ekelhaftes sei;
- dass die Eltern immer Recht hätten.

„Wenn man bedenkt, welcher Terror von dieser Ideologie ausgeht und dass sie um die Jahrhundertwende [um 1900][5] noch auf ihrem Höhepunkt stand, wird man sich kaum wundern, dass Sigmund Freud seinen unerwarteten Einblick in die sexuelle Verführung im Kindesalter durch Erwachsene, den er den Aussagen seiner Patienten verdankte, mit Hilfe einer Theorie zudecken musste, die sein unerlaubtes Wissen ungeschehen machte. Ein Kind seiner Zeit durfte unter schwersten Sanktionen nicht merken, was die Erwachsenen mit ihm machten […] Mit der Trieb- und Strukturtheorie konnte das in der frühen Kindheit verinnerlichte Gebot: »Du sollst nicht merken, was Deine Eltern dir antun«, aufrecht erhalten werden“.[6]

[...]


[1] Rutschky, Katharina 1977; „Schwarze Pädagogik – Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung“; Frankfurt am Main: Ullstein Verlag

[2] Miller, Alice (1980) 1983; Am Anfang war Erziehung; Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag; S. 107

[3] Miller, Alice, a.a.O., S. 100

[4] Sailer, Johann Michael (1809); Über Erziehung für Erzieher; 2. Auflage; München: Joseph Lentner Buchverlag; S. 324-326

[5] Anmerkung des Autoren wegen des Übergangs in das bereits nächste Jahrhundert.

[6] Miller, Alice, a.a.O., S. 78f

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Ist die Forderung nach mehr Disziplin in der Erziehung eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“?
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe  (Soziale Arbeit)
Veranstaltung
Klassische Erziehungs- und Bildungstheorien
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V145660
ISBN (eBook)
9783640549580
ISBN (Buch)
9783640550340
Dateigröße
1328 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Was ist das pädagogische Konzept der „schwarzen Pädagogik“? Das vorliegende Werk will jedoch nicht nur einen Beitrag dazu leisten diese Fragen näher zu beleuchten, sondern daraus erfolgend in einen kritischen Diskurs eingreifen, der sich mit dem Buch „Lob der Disziplin“ auseinandersetzt. Kernaussagen des Bestsellers von Bernhard Bueb sollen auf ihren wissenschaftlichen Charakter hin überprüft werden, um schließlich die Hauptfragestellung dieser Arbeit beantworten zu können. Ist eine Forderung nach mehr Disziplin auch eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“?
Schlagworte
Bernhard Bueb, Hans Thiersch, Schwarze Pädagogik, Alice Miller, Disziplin, Katharina Rutschky, Wolfgang Bergmann, Lob der Disziplin, Antworten der Wissenschaft auf Bernhard Bueb
Arbeit zitieren
André Höllmann (Autor:in), 2010, Ist die Forderung nach mehr Disziplin in der Erziehung eine Forderung nach mehr „schwarzer Pädagogik“?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145660

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