"Zur Herausbildung der sozialistischen Persönlichkeit" - Die Vorschulerziehung im Kindergarten der DDR


Hausarbeit, 2010

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Begründung der Themenwahl und Fragestellung

2. Definition

3. Rückblickende Herleitung und Rahmenbedingungen

4. Ziele der sozialistischen Vorschulerziehung

5. Alltag in der Kinderbetreuung

6. Arten der Erziehungseinrichtungen

7. Mögliche Alternativen

8. Soziologische Kritikpunkte

9. Fazit

Literaturverzeichnis

Erklärung

1. Begründung der Themenwahl und Fragestellung

Wenn ich an meine Vorschulzeit im Kindergarten zurückdenke, habe ich eigentlich stets nur schöne und positive Erinnerungen. Ich wurde im Jahr 1985 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geboren. Mein Vater war, was für die damaligen Verhältnisse eher selten zu finden war, als selbständiger Maschinenbau Ingenieur tätig. Er hatte eine eigene Kraftfahrzeug - Reparaturwerkstatt. Meine Mutter war, wie so viele Frauen in der Deutschen Demokratischen Republik, bei einem Fleischer als vollzeitangestellte Verkäuferin beschäftigt. Da auch meine Großeltern nicht wirklich in der Lage waren, mich in der Vorschulzeit zu Hause zu betreuen und zu erziehen wie es bei vielen Familien der Fall war, blieb also nur die Möglichkeit eines Kindergartens.

Der Kindergarten, welcher von mir besucht wurde, war ein kleiner „Dorfkindergarten“ mit circa 30 Tagesplätzen für die Kinder der näheren Umgebung. Man kannte sich untereinander. Es war eine kleine „Heile Welt“, mit vielen Spielen, Ausflügen und Sport. Ich wurde, soweit ich mich erinnern kann, täglich morgens zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr dort „abgegeben“ und in der Regel gegen 17:00 Uhr wieder abgeholt.

Der Kindergartentag war stets durchgeplant, und es kam nie Langeweile auf. Wir kochten, kauften zusammen im nahe gelegenen „Dorfkonsum“ ein, gingen in die ansässige „Dorfgaststätte“ zum Mittag und lernten gleichzeitig auf dem Weg dorthin die Verkehrsregeln. Wir trieben viel Sport, hatten ein großes Außenareal mit Spielplatz und Sandgrube zur Verfügung und gingen oft an „Erkundungstagen“ in den örtlichen Wald, um dort Bäume, Pflanzen und Tiere zu sehen und sie kennen zu lernen. Subjektiv reflektierend würde ich es, wie schon zuvor erwähnt, als eine sehr schöne Kinderzeit bezeichnen.

1990 wurde ich dann eingeschult, was bedeutet, dass ich eigentlich meine gesamte Vorschulzeit in einem DDR – Kindergarten verbracht habe.

Im Rahmen meines Studiums der Bildungs- und Erziehungswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Hamburg kam das Thema der DDR Kindergärten immer wieder unterschwellig zur Sprache. Nun, im fünften Trimester bot sich mir die Chance ein Seminar direkt zum Thema des Aufwachsens in Ost und West zu belegen und mehr über die genauen Hintergründe zu erfahren.

Mir stellten sich hierbei die Fragen: War an dieser Kindergarten- beziehungsweise Vorschulpolitik der Deutschen Demokratischen Republik wirklich alles so „blumig“ wie ich es in Erinnerung habe? Wurde nicht auch schon versucht, in der frühen Erziehungs- und Sozialisierungsphase des Klein- oder Vorschulkindes sozialistisch geprägte Grundthemen und Grundeinstellungen zu vermitteln und diese zu prägen?

Wenn ich heute objektiv zurückschaue, erinnere ich mich daran, mit Plastiksoldaten der Nationalen Volksarmee gespielt zu haben und auf dem Weg zum Mittagessen sozialistische Kinderlieder über die Völkerfreundschaft mit der damaligen Sowjetunion gesungen zu haben.

Ich erinnere mich heute teilweise sogar noch an die Texte wie zum Beispiel: „Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee...“

Je mehr Literatur ich heute zu dem Thema lese und für diese Hausarbeit aufarbeite, desto mehr Parallelen kann ich zu meinen eigenen Erinnerungen ziehen, desto mehr „System“ hinter dieser ganzen Kindergartenerziehung der Deutschen Demokratischen Republik wird mir offenbart.

Ich möchte in dieser Hausarbeit versuchen, diese Erziehung und Sozialisation in der Kindergartenphase des Kindes, in dem sozialistischen Staatssystem der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, zu erläutern. Ich will versuchen ihre damaligen Methoden, Ziele und Strukturen aufzuzeigen, aber auch versuchen den „Kindergartenalltag“ ein wenig zu beleuchten. War der Sinn und Zweck der sozialistischen Vorschulerziehung einzig und allein auf die Herausbildung der sozialistischen Persönlichkeit angelegt?

2. Definition

Um in das komplexe Thema der Kindergartenpädagogik in der Deutschen Demokratischen Republik einzusteigen zu können, möchte ich zu aller erst einmal den Begriff der Vorschulerziehung völlig neutral betrachtet definieren.

Unter der Vorschulerziehung versteht man im weiteren Sinn die gesamte Erziehung, welche einem Kind vor der Einschulung, also der Schulreife zuteil wird.[1]

Es existieren in dieser kindlichen Entwicklungsphase zwei wichtige Faktoren als Sozialisationsinstanzen. Erstens die Erziehung durch das Elternhaus, auf welche ich in meinen weitern Ausführungen weniger eingehen möchte, und zweitens die Prägung durch die Kinderkrippe und den Kindergarten. Im engeren Sinn bedeutet dies demnach: Die Vorschulerziehung ist die gezielte Vorbereitung des noch nicht schulreifen Kindes auf die Schule beziehungsweise den Schulbesuch.[2]

Was bedeutet jedoch der Kindergartenbesuch für das Kind selbst?

Das Kind besucht Tag für Tag den gleichen Ort, sein Kindergarten. Hier wird es höchstwahrscheinlich nur erzogen oder betreut, weil die Eltern vollzeitlich berufstätig sind und die Erziehung des Vorschulkindes demnach nicht alleine leisten und sicher stellen können. Viele Eltern würden, heute wie damals, ihre Kinder nicht in einen Kindergarten bringen, wenn sie finanziell unabhängiger wären.

Ihr Kind bekommt im Kindergarten Werte und Normen der allgemeinen, breiten Gesellschaft vermittelt, lernt mit anderen, unbekannten Kindern umzugehen, findet die ersten Freunde und lernt seinen Standpunkt in einer Gruppe kennen. Diese Vorschulerziehung findet jedoch fern der eigentlichen Sozialisation durch das Elternhaus statt, denn der Inhalt dieser Erziehung wird durch den regierenden Staat oder dem aktuellen politischen System definiert und festgelegt. Das Elternhaus mit seinen eigenen Werten und Normen hat also in einem Kindergarten nur einen geringen Einfluss und könnte in gewisser Weise einen „Erziehungs – Konkurrenten“ darstellen.

3. Herleitung und Rahmenbedingungen

Nachdem im Mai 1945, nach 6 Jahren Weltkrieg, die unumgängliche deutsche Kapitulation unterzeichnet wurde, war noch keinem der deutschen Bürger bewusst, welche grundlegende Umgestaltung die alliierten Siegermächte, mit dem in Schutt und Asche liegenden Deutschland, vorhatten. Das verwüstete Land wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt.

Auf den Straßen herrschte große Not und Elend.

Der alltägliche Überlebenskampf um Nahrung und ein festes Dach über dem Kopf war gerade in den großen, ausgebombten Städten allgegenwärtig. Die Ehemänner waren im Krieg gefallen oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft. Nun war es an den Frauen. Sie machten sich schon sehr früh und sehr schnell an den Wiederaufbau des zerstörten Deutschlands.

Was jedoch geschah mit den vielen zum Teil durch den Krieg Waise gewordenen Kindern und Kleinkindern? Wer kümmerte sich um die Zöglinge der „Trümmerfrauen“, während diese den ganzen Tag über hart an dem Wiederaufbau des Landes arbeiteten?

Vielerorts waren die Kinder sich selbst und ihrem eigenen Schicksal überlassen. Niemand fühlte sich zu dieser wirren Zeit verantwortlich für sie.

Wie schon der zuvor formulierten Fragestellung und auch dem Thema dieser Hausarbeit zu entnehmen, möchte ich mich bei meiner Ausarbeitung aber nur auf die Deutsche Demokratische Republik konzentrieren. Deshalb werde ich an dieser Stelle die amerikanische, britische und französische Besatzungszone außer Betracht lassen und mich ab jetzt nur auf die sowjetische Zone beziehen, welche dann ja im Verlauf der Geschichte zur Deutschen Demokratischen Republik wird.

Am 30. Mai 1945, 22 Tage nach der bedingungslosen Kapitulation, eröffnet im Berliner Stadtteil Weißensee in der sowjetischen Besatzungszone der erste Kindergarten im Nachkriegsdeutschland. Am 5. Juni eröffnet darauf der Zweite mit der Unterstützung der sowjetischen Stadtkommandantur.[3]

Über die Zeit der ersten Nachkriegsjahre werden von nun an immer mehr Kindertagesstätten, verteilt in der gesamten sowjetische Besatzungszone, kontinuierlich eröffnet. So kommt es, dass bereits im Jahr 1950 die Zahl der Kindergärten in der Deutschen Demokratischen Republik, welche ja nun gegründet ist, auf circa 4000 geschätzt wird.[4]

Diese frühen Betreuungseinrichtungen waren oft in ehemaligen Gefangenenlagern oder Lagerräumen zu finden. Die Ausstattung war meistens sperrig, alt und selbst gebaut. Objektiv betrachtet war der Zustand dieser Kindergärten also katastrophal. Die Dächer waren undicht und es zog durch die dünnen Holzwände.

Jede Kindertagesstätte war damals für circa 45 Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren ausgelegt.

[...]


[1] vgl. Brockhaus, S. 257

[2] vgl. Brockhaus, S. 257

[3] vgl. Barow-Bernstorff 1977, S. 423

[4] vgl. Krecker 1986, S. 434

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
"Zur Herausbildung der sozialistischen Persönlichkeit" - Die Vorschulerziehung im Kindergarten der DDR
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
19
Katalognummer
V197531
ISBN (eBook)
9783656236474
ISBN (Buch)
9783656237792
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
herausbildung, persönlichkeit, vorschulerziehung, kindergarten, DDR, Deutsche Demkratische Republik, Kind, Kinder, sozialistisch, Sozialismus
Arbeit zitieren
Stephan Janzyk (Autor:in), 2010, "Zur Herausbildung der sozialistischen Persönlichkeit" - Die Vorschulerziehung im Kindergarten der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197531

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