Qualitative Methoden der Datenanalyse

Eine Bildanalyse nach der ojektiven Hermeneutik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Auswahl des Datenmaterials

2. Die Objektive Hermeneutik der qualitativen Methoden – Besonderheiten bei der Auswertung von Bilddaten
2.1 Wörtlichkeit und Sequenzialität
2.2 Kontextfreiheit, Extensivität und Sparsamkeit
2.3 Mead’s Conversation of Gestures

3. Bewertung des Datenmaterials vor der Auswertung

4. Datenauswertung nach dem objektiv-hermeneutischen Verfahren
4.1 Erstes Merkmal
4.2 Zweites Merkmal
4.3 Drittes Merkmal
4.4 Viertes Merkmal

5. Zusammenfassung der Auswertung

6. Kritische Betrachtung der Datenauswertung

7. Fazit und Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich grundlegend mit der u.a. auf Andreas Wernet basierenden objektiven Hermeneutik, wendet dieses Verfahren jedoch auf die Analyse eines Paarbildes als Datenmaterial an.

Dazu wird das Vorgehen der objektiven Hermeneutik zunächst abstrahiert, um anschließend in der konkreten Auswertung des vorliegenden Datenmaterials Anwendung zu finden.

Hierfür wird zu Beginn die Auswahl des Datenmaterials erläutert. Im Weiteren werden als theoretischer Unterbau der Auswertung die Besonderheiten der Anwendung der objektiven Hermeneutik bei Bilddaten beschrieben, welche anschließend unter Punkt 4 in der Datenauswertung angewendet werden.

Da dieses Verfahren aktuell noch auf keine breite konkrete theoretische Basis zurückgreifen kann, wie es bei der Auswertung von Textdaten der Fall ist, wird nach der Auswertung und der entsprechenden Zusammenfassung dieser, noch eine kritische Betrachtung der Datenauswertung vorgenommen, die eventuelle Anwendungsprobleme aufzeigen wird.

Die Details der Auswertung fußen dabei auf den Ergebnissen der drei Seminarsitzungen zu diesem Thema, in welchen eine gemeinsame mündliche Auswertung vorgenommen wurde.

1.1 Auswahl des Datenmaterials

Bei der Auswahl des Datenmaterials wurde ein Bild aus dem Jahr 1971 gewählt, welches als Teil einer Paarstudie erstellt wurde. Es zeigt ein Paar, also einen Mann und eine Frau, die in einer Paarbeziehung zueinander stehen. Die Auswahlkriterien der Originalerhebung waren dabei sehr weitläufig definiert. Abgebildet wurden Paare, die 1971 in einer Paarbeziehung zueinander standen, unabhängig davon, wie lange diese bereits andauerte, welchen Alters die Teilnehmer waren oder welcher sozialen Schicht sie angehörten. Im Fall des für diese Arbeit ausgewählten Bildes ist jedoch relevant, dass alle Paare vor einem weißen Hintergrund abgelichtet wurden. Nach Aussage der Autoren/Fotografen sollte dies einer möglichst hohen Kontextfreiheit dienen, um die Positionierung der Paare zueinander und an sich ohne Bezug zu einem Umfeld, also Kontext, deuten zu müssen (vgl. http://www.paareprojekt.de/?page_id=276). Dennoch, so hielten die Fotografen im Vorwort des zu der Studie gehörenden Buches fest, verdeutlichten die Kleidung der Paare, deren Mimik, Körperhaltung sowie ihre Stellung zueinander, dass sie Produkt bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse waren (vgl. http://www.paareprojekt.de/?page_id=276).

Diese Anmerkung der Fotografen gibt bereits einen Hinweis auf mögliche Untersuchungsergebnisse, die jedoch erst durch eine eventuelle Herleitung anhand der Auswertung durch die objektive Hermeneutik bestätigt werden müssten.

Dennoch bietet dieses Datenmaterial durch die strikte Einhaltung der immer gleichen technischen Bedingungen bei allen fotografierten Paaren, die Sicherheit, dass eine möglichst hohe Kontextfreiheit auch für die hier durchgeführte Auswertung gewährleistet ist. Wichtig ist hierbei noch, dass kein Vergleich zwischen verschiedenen Bildern stattfindet, sondern lediglich ein Paarbild ausgewertet wird, somit keine Relationen zu anderen Personen in identischen Situationen bewertet werden.

Das ausgewählte Bild heißt „Kommunikationsberatung 39, Rechtsanwalt, Reedereivorstand 43 und ist im Anhang dieser Arbeit beigefügt (siehe Anhang, Abb. I).

2. Die Objektive Hermeneutik der qualitativen Methoden – Besonderheiten bei der Auswertung von Bilddaten

Grundlegend gilt für die Analyse von Bilddatenmaterial die gleiche Vorgehensweise nach der objektiven Hermeneutik, wie sie auch bei der Analyse von Textmaterial angewendet wird. Sie dient dabei ebenso der Herausbildung und Generalisierung gesellschaftstypischer Interaktionsmuster und ermöglicht dadurch eine Theoriebildung über die jeweilige soziale Welt, wie es bei der Textanalyse geschieht (vgl. Atteslander, 2006, 199). Hierbei sind also die Prinzipien der Kontextfreiheit, Extensivität und Sparsamkeit gleichermaßen zu beachten, während die Prinzipien der Sequenzialität und der Wörtlichkeit ob der Natur des Materials keine Berücksichtigung finden können (vgl. Wernet, 2006, 21ff. und Wienke, 2001, 166f.).

Diese Prinzipien und ihre Anwendbarkeit in der Analyse von Bilddaten werden nun kurz erläutert.

2.1 Wörtlichkeit und Sequenzialität

Da Bilddaten keine Wörter enthalten, kann bei der Betrachtung das Prinzip der Wörtlichkeit keine Berücksichtigung finden. Es verlangt der Analyse die exakte Betrachtung des vorliegenden Materials auch bei eventuellen textuellen Ungereimtheiten bzw. vermeintlichen Fehlern ab. Abstrahiert kann dies u.U. auch für Bildmaterial gelten, versteht man es als Grundsatz, auch unnatürliche oder beiläufige Darstellungen exakt zu betrachten und auszuwerten.

Die Sequenzialität hingegen kann keinerlei Anwendung bei der Bildanalyse finden, da sie auf Textmaterial bezogen vorschreibt, die Reihenfolge zu beachten und dieser bei der Auswertung nicht vorwegzugreifen. Da es bei Bilddaten keine definierte Betrachtungsreihenfolge gibt, wie es bei Texten der Fall ist, wird das Prinzip der Sequenzialität hier nicht beachtet.

Lediglich denkbar ist die Einhaltung einer natürlichen Aufmerksamkeitsreihenfolge, also die Analyse in der Reihenfolge, wie Bilder nach einem natürlichen Empfinden betrachtet werden. Hier würde man bei groben Auffälligkeiten eines Bildes beginnen und anschließend zu den Details gelangen (vgl. Wienke, 2001, 166f.). Entsprechend wird die Analyse nicht in klassischen Sequenzen vorgenommen, sondern in ‚Merkmale‘ unterteilt.

2.2 Kontextfreiheit, Extensivität und Sparsamkeit

Die Prinzipien der Kontextfreiheit, der Extensivität und der Sparsamkeit sind ebenfalls aus der klassischen Analyse von Textdatenmaterial entlehnt, können aber problemlos auf die Auswertung von Bilddaten übertragen werden.

Die Kontextfreiheit besagt, dass die Einbeziehung der für die Interpretation von Datenmaterial wichtigen Umstände des Entstehens erst nach der Sequenzanalyse stattfinden dürfen, um somit mögliche Dissonanzen zwischen dem Material selbst und dem entsprechenden Kontext erkennen zu können (vgl. Wernet, 2006, 21). Für die Bildanalyse bedeutet dies, dass zunächst nach den weiteren Prinzipien eine Auswertung erfolgen muss, bevor das Kontextwissen für die abschließende Interpretation der Daten herangezogen werden darf.

Das Prinzip der Extensivität stellt die Notwendigkeit heraus, dass sowohl die Einzelbestandteilen des vorliegenden Materials, wie auch das gesamte Material möglichst akribisch und genau untersucht werden müssen. So kann die immanente Strukturlogik des Materials herausgearbeitet werden. Die einzelnen Teile müssen also in hinreichender Vielfalt ‚gelesen‘ werden, damit schließlich eine vollständige Strukturlogik sichtbar gemacht werden kann (vgl. Wernet, 2006, 32f.).

Dabei bedeutet das ‚lesen‘ der Daten im Fall einer Bildanalyse, dass bei der Betrachtung von Positionierung der Fotografierten sowie deren Mimik und Gestik, teils das tatsächliche Nachstellen dieser zur Auswertung durchgeführt werden muss, um sich genau zu verdeutlichen, was das Material zeigt. Zusätzlich entsteht bei dem Betrachter eine bestimmte Emotion, ausgelöst durch die Körperhaltung usw., die es ermöglicht, diverse Zugänge zum Material zu finden und daher für den Analysezweck geeignet ist.

Das Prinzip der Sparsamkeit soll unter Einhaltung o.g. Vorgehensweisen nun dafür Sorge tragen, dass sich eine Analyse innerhalb des logisch denkbaren Rahmens bewegt. Entsprechend sind nur solche ‚Lesarten‘ des Materials gestattet, welche ohne Zusatzannahmen auskommen und somit kein zusätzliches Wissen über das Material hinaus voraussetzen (vgl. Wernet, 2006, 35ff.).

2.3 Mead’s Conversation of Gestures

Schließlich soll für die Fähigkeit der Analyse und Auswertung des Materials noch auf George Herbert Meads „Conversation of Gestures“ verwiesen werden. Ähnlich, wie das in der objektiven Hermeneutik dem Betrachter zugesprochene natürliche Verständnis des Wortes als Muttersprachler, geht Mead hier davon aus, dass Gestik und Mimik als Element der Kommunikation, sogenannte nonverbale Kommunikation, fungieren und naturgemäß gedeutet und verstanden werden können, sofern es sich bei Sender und Empfänger um Angehöriger einer zumindest ähnlichen kulturellen Prägung handelt. Dieses Regelwissen erleichtert die Analyse der Daten und ermöglicht eine entsprechende Auswertung (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Symbolic_interactionism).

3. Bewertung des Datenmaterials vor der Auswertung

Zur Einordnung des Materials ist zunächst wichtig, festzustellen, dass es in Deutschland mit einem in Deutschland lebenden Paar im Jahr 1971 erstellt wurde.

Diese Einordnung verweist auf die Unterschiede der Gesellschaft vor und nach dieser Epoche. Während bis in die 1950er und 1960er Jahre bei der Ablichtung auf einem Bild für die Fotografierten noch das Risiko des Gesichtsverlustes bedeutend war und man sich entsprechend besonders gut zu darzustellen versuchte, ist es in der heutigen Zeit eher im Vordergrund, möglichst authentisch zu wirken, sich selbst also betont so zu zeigen, wie man in der jeweiligen Situation gerade ist.

Das Bild aus dem Jahr 1971 ist entsprechend in eine Übergangsphase einzuordnen, die zwischen beiden oben genannten Motivationen liegt. Beide Elemente können folglich in dem Bild gesucht und u.U. auch nachgewiesen werden, was die nun folgende Analyse zeigen wird.

Der Vorgang der Datenerhebung an sich, also das Fotografieren, war und ist stets eine Art Ästhetisierung der Situation. Hierbei wird eine bestimmte Situation dokumentiert und gleichzeitig inszeniert.

Die Dokumentation liegt dabei in der Handlung des Festhaltens einer bestimmten Situation, die Inszenierung liegt in dem Bewusstsein der Fotografierten, dass sie fotografiert werden. Hierin begründet sich auch der Unterschied zwischen dem vorliegenden Material und einem sogenannten Schnappschuss, welcher ohne das konkrete Bewusstsein der Fotografierten entstehen kann und somit rein dokumentarisch ist.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Qualitative Methoden der Datenanalyse
Untertitel
Eine Bildanalyse nach der ojektiven Hermeneutik
Hochschule
Universität Osnabrück  (Fachbereich 01 - Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Qualitative Methoden - Methoden der empirischen Sozialforschung - Advanced Social Research Methods
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V197583
ISBN (eBook)
9783656249610
ISBN (Buch)
9783656250661
Dateigröße
396 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Qualitative Methoden, Objektive Hermeneutik, Bilddatenanalyse, Bildanalyse, Mead Conversation of Gestures, Methoden der empirischen Sozialforschung, Advanced Social Research Methods
Arbeit zitieren
Peter Schröder (Autor:in), 2012, Qualitative Methoden der Datenanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197583

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