Das Islambild der Mozarabischen Chroniken im Kontext ihrer Zeit


Hausarbeit, 2011

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Mozaraber und ihre Zeit

3. Die Mozarabischen Chroniken
3.1 Chronica Byzantia-Arabica von 741
3.2 Chronica Muzarabica von 754
3.3 Die Mozarabischen Chroniken im Spannungsfeld der Tradition

4. Fazit

Bibliographie

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

R. W. Southern gliedert in seinem Buch „Western views of Islam in the middle ages“ die mittelalterlichen Betrachtungsweisen des Islams in drei groEe Phasen mit jeweils unterschiedlichen Charakteristika. Waren die ersten Zeugnisse, wie die Chronik des Fredegar oder die Doctrina Jacobi Nuper Baptizati, gepragt von Unwissenheit, Mythen und Ignoranz, schlug man seit dem 12. Jahrhundert einen starker von Vernunft, Hoffnung aber auch Illusionen gepragten Weg ein, sich mit der neuen Religion zu beschaftigen. Erst einige Jahrhunderte spater breche eine weniger verklarte Epoche an, die Southern selbst als „Moment of Vision“ bezeichnet.[1] Die beiden mozarabischen Chroniken des 8. Jahrhunderts stellen nicht nur die fruhsten christlich-spanischen Quellen zu den Ereignissen der arabischen Eroberung der iberischen Halbinsel dar, sondern geben als Augenzeugenberichte auch Aufschluss uber die Akzeptanz und Betrachtungsweise der aufstrebenden, heterodoxen Macht im muslimisch besetzten Spanien.[2] Trotz dieser Nahe gehoren die Werke unumstritten zur ersten Phase in Southerns Modell und weisen deren Merkmale auf.

In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, welche Informationen uber den Islam die Chronisten in ihre Werke aufgenommen haben, vor allem aber wie diese dargestellt werden und welchen Einflussen ihrer Entstehungszeit sie unterlagen.

2. Die Mozaraber und ihre Zeit

Unter der gemeinsamen Religion des Islam geeinigt treten die arabischen Stamme mehrphasige Eroberungszuge an und unterwerfen zunachst die Provinzen Agypten, Syrien, Arabien und Mesopotamien. Im Jahre 711 erreicht die zweite Expansionswelle die iberische Halbinsel. Unter der Fuhrung von Tariq ibn Ziyad uberschreiten Muslime und Berber[3], die ursprunglich als Hilfstruppen von den Sohnen des verstorbenen Westgotenkonig Witzia nach Spanien gerufen worden sind, die StraEe von Gibralta und bilden „noch bis spat im 8. Jahrhundert nicht mehr als bloEe Militarkolonien inmitten der einheimischen Bev6lkerung“\ Dennoch leitet dieses Ereignis das Ende des Westgotenreichs ein. Die Ansicht von Americo Castro, der in diesem Zusammenhang von einer katastrophenartigen Zerst6rung spricht, ist uberholt. Vielmehr geht man heute von einer schrittweisen Invasion aus.[4] [5] [6] Erst im Laufe der Zeit bilden sich auf der iberischen Halbinsel zwei Reiche heraus. Im Norden die christliche Bergbastion Asturien und das fast die gesamte restliche Halbinsel umfassende muslimische Al-Andalus.

Die arabischen, heterodoxen Eroberer gestatteten den unterworfenen Christen, die nach ihrer Auffassung genau wie Juden zu den V6lkern des Buches geh6ren, weiterhin freie Religionsausubung mit weitgehender Beibehaltung der alten Gemeinde- und Kirchenordnungen und Rechtsprechung nach dem westgotischen Liber Iudiciorum.3 Diese Toleranz ist zum einen auf wirtschaftlich-materiellen Aspekten begrundet, das heiEt dem Einkommen durch die zuzahlenden Grund- und Kopfsteuern, zum anderen zeigt sie sich als logische Folge der zahlenmaEigen Unterlegenheit der Eroberer.[7] Die unter diesen Umstanden lebenden und sich in der auEeren Lebensform den Strukturen der arabischen Gesellschaft angepassten Christen im muslimisch besetzen Spanien und Portugal werden als Mozaraber bezeichnet. Diese Definition vereinfacht die Problematik jedoch stark und ist daher umstritten.[8]

3. Die Mozarabischen Chroniken

3.1 Chronica Byzantia-Arabica von 741

Bei der Chronica Byzantia-Arabica, auch Continuatio Byzantia Arabica genannt, handelt es sich um eine Chronik eines unbekannten, mozarabischen Autors, deren Entstehungszeit in die Mitte des 8. Jahrhunderts datiert wird. Hinweise zu dieser Annahme liefert unter anderem die Konzeption des Inhaltes. Grundsatzlich lassen sich drei verschiedene Elemente ausmachen. Zunachst werden einige zeitliche Angaben zu Konigen des Westgotenreiches beginnend beim Tod des Rekkared I. 601 gemacht. Es folgen substantiellere Eintrage zu den byzantinischen Herrschern in Konstantinopel insbesondere zu Heraklius und dessen Bruder Theodorus. In diesem Zusammenhang ist Leo II. der letztgenannte Konig, welcher von 717-741 regierte, und dessen Todesdatum mit dem Entstehungszeitpunkt der Chronik in Verbindung gesetzt wurde. Den dritten und letzten Teil bildet eine Sammlung von Informationen zu allen arabischen Herrschern von Mohammed bis Walid II.[9]

Nach Dubler wurden die Informationen zur Geschichte des Islam mundlich uberliefert und zeigen sowohl Einflusse des Syrischen und Iranischer als auch des Arabischen auf.[10] Richard Collins legt der Chronica Byzantia- Arabica drei mogliche Quellen zu Grunde. Zum einen die bereits erwahnte Historia Gothorum von Isidor von Sevilla, zum anderen eine unbekannte, byzantinische Chronik. Er verweist dabei auf Ahnlichkeiten zwischen den beiden mozarabischen Chroniken und einem Werk von Theophanes aus dem 9. Jahrhundert. Seine Vermutung bleibt jedoch aus Mangel an Beweisen hypothetisch. Als dritte und letzte Quelle nimmt Collins eine arabische Abhandlung uber die muslimischen Herrscher an.[11]

Ging man fruher davon aus, dass die Chronik als Fortsetzung der bereits erwahnten Historia Gothorum von Isidor von Sevilla angelegt wurde, scheint sie sich nach heutigem Erkenntnisstand aufgrund strukturelle Gemeinsamkeiten wohl eher an die Chronik von Johannes von Biclaro anzuknupfen.[12]

Trotz der Datierung nach der spanischen Era liegt der Fokus der Betrachtung hauptsachlich auf Byzanz und der Geschichte des Ostens. Mit Ausnahme des letzten Eintrags und der Erwahnung der Eroberung Spaniens finden sich keine weiteren Information, die sich auf die iberische Halbinsel beziehen.[13]

Das Bild, das der Autor von Mohammed und dem Islam zeichnet, weist durchaus positive Tendenzen auf. Mohammed sei eine Art Prinz der Sarrazenen, de tribu illius gentis nobilissima natus, prudens, admodum vir et aliquantorum futurorum provisor gestorum.[14] Zwar werden nur wenige religiose Aspekte angefuhrt, Attribute wie provisor gestehen ihm aber eindeutig prophetische Eigenschaften zu. Wenige Abschnitte spater werden diese religiosen Andeutungen konkretisiert, indem die Verehrung Mohammeds und seine Bestatigung als Prophet und Apostel Gottes in den Schriften und Sakramenten der Sarrazenen hervorgehoben werden.[15] Durch diese Art der Formulierung distanziert sich der Autor eindeutig vom Kult der Muslime.[16] Nichtsdestotrotz schlieftt Dubler aus dieser weitgehend positiven Betrachtung des Islams und seines Fuhrers Mohammed, dass es sich bei dem Autor der Chronik um einen kurzlich zum Islam konvertierten Christen handele.[17] Es gibt jedoch keine weiteren Hinweise, die diese Vermutung belegen. Johannes Thomas sieht den Grund fur eine derartige Stellungnahme vielmehr in der mundlichen Uberlieferung und der damit verbundenen Pragung durch syrische, iranische und arabische Sichtweisen.[18]

3.2 Chronica Muzarabica von 754

Die Chronica Muzarabica, bei Mommsen als Continuatio hispana a. DCCLIV beziehungsweise Continuatio Isidoriana Hispana bezeichnet[19], stellt die umfangreichere der beiden Chroniken dar. Das uns durch einen Kodex aus dem 13. und drei Kodizes aus dem 16. Jahrhundert[20] erhaltene Werk ist wesentlich starker auf Spanien zentriert, enthalt jedoch keine ausfuhrlicheren Information zum Islam.[21] Offensichtlich diente sie sowohl fur die sogenannte Historia Pseudo-Isidoriana aus der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts als auch fur die ursprunglich in Arabisch verfasste Cronica del Rasis des al-Razis Mitte des 10. Jahrhunderts als Quelle.[22] Uber Herkunft und gesellschaftlichen Stand des unbekannten Autors lassen sich nur Vermutungen anstellen. Aufgrund seiner genauen Kenntnisse uber islamische Herrschaftsstrukturen und die einzelnen Machthaber konnte es sich um einen Angehorigen des Klerus aus Cordoba oder, was als wahrscheinlicher angesehen wird, aus Toledo[23] handeln, der uber Beziehungen zum Stadthalter verfugte.[24]

Innerhalb der Chronik finden verschiedenartige Datierungsschemata Anwendung. Der Gebrauch der spanische Era, der islamischen Zeitrechnung und der Datierung nach Regierungsjahren zeigen die vielfaltigen Einflusse auf die Kompilation der Chronik, lassen aber auch Ruckschlusse auf ein multikulturelles Publikum zu. Fur Wolf ist dies ein weiterer Beweis dafur, dass der Autor Zugang zu arabischen Quellen, seien sie mundlicher oder schriftlicher Natur, gehabt haben muss.[25]

Inhaltlich beginnt die Chronik mit dem Regierungsantritt Kaiser Heraklius im Jahre 610, fuhrt durch die byzantinische und arabische Geschichte des siebten und achten Jahrhunderts und endet 754. Die spanische Darstellung setzt bei dem westgotischen Konig Sigebut an, also an der Stelle, an welcher sowohl Isidor von Sevillas Chronik als auch dessen Historia Gothorum enden. Moglicherweise verstand der Autor sein Werk als Fortsetzung der historiographischen Tradition seines Vorgangers.

[...]


[1] R. W. Southern, Western views of Islam in the middle ages, Cambridge u.a. 21978.

[2] K. B. Wolf, Church History, 1986, S. 282.

[3] Ders., Conquerors and Chroniclers of Early Medieval Spain, S. 25.

[4] R. Konetzke, HZ 184 / 3, 1957, S. 58l.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S. 579.

[7] Ebd., S. 582f; K. B. Wolf, Church History, 1986, S. 285.

[8] Fur eine aktuelle Diskussion zur Problematik siehe: Die Mozaraber. Definitionen und Perspektiven der Forschung, hg. v. Maser, M. - Herbers, K., Munster u.a. 2011 und R. Hitchcock, Mozarabs in Medieval and Early Modern Spain. Idenities and Influences, Ashgate 2008.

[9] R. Collins, The Arab Conquest of Spain 710-797, S. 54f.

[10] J. Thomas, Die lateinischen Quellen, in: Fruhe Spanische Zeugnisse zum Islam, http://www.inarah.de/cms/fruehe-spanische-zeugnisse-zum-islam-2-teil.html, 05.12.2010.

[11] R. Collins, The Arab Conquest, S. 55f.

[12] Ebd., S. 53.

[13] R. Collins, The Arab Conquest, S. 53.

[14] Chronica Byzantia-Arabica, 13.

[15] Ebd., 17.

[16] C. C. de Hartmann, Early Medieval Europe 8, 1999, S. 16.

[17] C. E. Dubler, Sobre la Cronica arabigo-bizantina de 741 y la influencia bizantina en la Peninsula Iberica, S. 331.

[18] J. Thomas, Die lateinischen Quellen, in: Fruhe Spanische Zeugnisse zum Islam, http://www.inarah.de/cms/fruehe-spanische-zeugnisse-zum-islam-2-teil.html, 05.12.2010.

[19] Th. Mommsen, MGH AA XI, S. 323-369. 05.12.2010.

[20] R. Collins, The Arab Conquest, S. 53; „Eine frühere Existenz des Textes wird nur durch Bruchstücke eines Manuskripts belegt, von dem 4 Seiten in Madrid, 2 weitere Blätter in London vorliegen.“ J. Thomas, Die lateinischen Quellen, in: Frühe Spanische Zeugnisse zum Islam, http://w\v\v,.inarah.de/cm&/fi\iehe-spanische- zeugnis se-zum-islam-2-teil.html,

[21] K. B. Wolf, Church History, 1986, S. 282.

[22] C. C. de Hartmann, Early Medieval Europe 8, 1999, S. 28.

[23] R. Collins, The Arab Conquest, S. 52.

[24] K. B. Wolf, Conquerors and Chroniclers of Early Medieval Spain, S. 27.

[25] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das Islambild der Mozarabischen Chroniken im Kontext ihrer Zeit
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Vas immunditie, fraudis amicus – Der Prophet Muhammad in der Vorstellungswelt des europäischen Mittelalters (9.–15. Jh.)
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V200745
ISBN (eBook)
9783656276371
ISBN (Buch)
9783656276715
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
islambild, mozarabischen, chroniken, kontext, zeit
Arbeit zitieren
Christoph Kehl (Autor:in), 2011, Das Islambild der Mozarabischen Chroniken im Kontext ihrer Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200745

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