Die Vereinten Nationen und ihre Vorgängerorganisationen - Eine unabgeschlossene Entwicklung aus Lehren und Fehlern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Erste internationale Organisationen

3. Der Völkerbund
3.1. Die Entstehung des Völkerbundes
3.2. Die Aufgaben und die Organisation des Völkerbundes
3.3. Gründe für das Scheitern des Völkerbundes
3.4. Erfolge des Völkerbundes

4. Die Vereinten Nationen
4.1. Die Entstehung der Vereinten Nationen
4.2. Die Aufgaben und die Organisation der Vereinten Nationen
4.3. Hemmnisse bei der Durchsetzung des Völkerrechts
4.4. Erfolge der Vereinten Nationen

5. Schlussbetrachtungen

6. Anlage

7. Literaturliste

1. Einleitung

Schon seit der Antike versuchen Menschen in ihrem Wunsch nach Frieden, diesem Gedanken Ausdruck zu verschaffen und entwickelten zahlreiche Ideen, Modelle und Theorien für die Gestaltung einer organisierten Friedensordnung.1 Als Beispiele genannt seien hier aus dem 17. Jahrhundert der ‚Grand Dessein’ des französischen Herzogs von Sully, dem eine europäische Föderation christlicher Staaten unter Frankreichs Führung vorschwebte, oder der Vorschlag des Engländers William Penn, der die Idee eines gesamteuropäischen Parlaments vorbrachte.2 Bedeutende deutsche Vertreter der Friedensidee waren Gottfried Wilhelm Leibniz und Immanuel Kant. Letzterer hat in seiner Schrift ‚Zum ewigen Frieden’3, in der er einen Bund gleichberechtigter Staaten forderte, zum ersten Mal den Begriff ‚Völkerbund’ verwendet. Alle diese Überlegungen hatten allerdings gemein, dass sie in ihrer Zeit nicht verwirklicht wurden und reine Theorien blieben. Erst in der Folge großer Kriege mit zahlreichen beteiligten Staaten und Opferzahlen in Millionenhöhe bei Soldaten und Zivilisten, wie zuerst am Ende des napoleonischen Krieges, dann nach dem ersten und nach dem zweiten Weltkrieg, ließ die beteiligten Staaten die Verwirklichung der Institutionalisierung der Friedensidee vorantreiben. Aus zahlreichen Verträgen wie den Haager Friedensabkommen und der ersten weltweiten, als friedenssichernde Organisation geplanten Institution Völkerbund, konnten, auch wenn sie selbst ihren Aufgaben nicht gerecht wurden, Lehren gezogen und aus ihren Fehlern gelernt werden, um sie in der letzten gegründeten Organisation, den Vereinten Nationen, nicht zu wiederholen und diese als permanentes Weltfriedenssicherheitsorgan bestehen zu lassen.

In der vorliegenden Arbeit gehe ich der Frage nach, inwieweit und warum der Versuch zur Schaffung einer solchen internationalen Organisation, die zugleich die Beschränkung der nationalen Macht bedeutete, gescheitert ist beziehungsweise, welche Hemmnisse bei ihrer Durchsetzung auch noch heute bei den Vereinten Nationen vorhanden sind. In dem ersten Kapitel beschreibe ich die ersten Versuche einer gesamteuropäischen Friedenspolitik, im zweiten Kapitel zunächst die Gründung, anschließend Organisation und Aufgaben des Völkerbundes. Was schließlich zum Scheitern des Bundes geführt hat lege ich im Kapitel 3.3. ausführlich dar. Im vierten Kapitel beschäftige ich mich mit den Vereinten Nationen, zunächst beschreibe ich deren Entstehung, anschließend Aufgaben und Organisation und in Kapitel 4.3. nenne ich die Hemmnisse, die bei der Durchsetzung des Völkerrechts bestehen.

Eines der derzeitigen zentralen Werke über die Vereinten Nationen, ihre Aufgaben und Strukturen ist ÄDie UNO“ von Günther Unser. Er beschreibt zunächst kurz seinen Vorläufer Völkerbund, anschließend detailliert den Aufbau der Vereinten Nationen. In dem von Rüdiger Wolfrum herausgegebenen ÄHandbuch Vereinte Nationen“4 sind zahlreiche Fachartikel zusammengefasst, welche die Tätigkeit der Vereinten Nationen lexikonartig vorstellen. Zu der Entstehung, Organisation und den Aufgaben des Völkerbundes ist schon seit geraumer Zeit kein eigenes wissenschaftliches Werk mehr entstanden, vielmehr wurde er in vielen Arbeiten zu den Vereinten Nationen in kurzen Kapiteln vorweg beschrieben. Die beiden letzten ausschließlichen Völkerbunds- Arbeiten stammen aus den Jahren 1939 von Fritz Bleiber5, der ausführlich die Entstehung der Völkerbundssatzung beschreibt und 1938 von Otto Göppert6, der dessen Organisation und Tätigkeit darlegt. Als Quellen für die Satzungen der Organisationen habe ich die beiden von Franz Knipping, Hans von Mangoldt und Volker Rittberger herausgegebenen Bände ÄDas System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer“7 verwendet.

2. Erste internationale Konferenzen, Staatenbünde und Organisationen Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach dem Sieg der vier europäischen Mächte Russland, Preußen, Österreich und England über Napoleon, wurde die von ihnen im Krieg geschaffene Allianz als beste Versicherung gegen das Ausbrechen einer neuen Revolution in Europa und Störung des internationalen Friedens durch Frankreich angesehen.8 Russland und Großbritannien verfolgten allerdings bei der zukünftigen Gestaltung dieses Bundes unterschiedliche Konzepte. Die von Russland angeregte ÄHeilige Allianz“ war sehr allgemein gehalten. Ihre Satzung besagte, dass sich die Unterzeichner jederzeit und überall Hilfe und

Beistand leisten sollten, schwieg aber über die Art dieser Hilfe. Neben den vier Großmächten, von denen England, dessen Regierung sich der geringen Bedeutung dieser Allianz bewusst war, nicht formal beitrat, sondern nur seine Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen bekannt gab, traten dieser Allianz noch zahlreiche Kleinstaaten des ehemaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation bei, dennoch verlor sie nach einem Jahrzehnt, mit dem Tod von Zar Alexander I., an Bedeutung.9 Die von Großbritannien favorisierte ÄQuadrupel-Allianz“, bestehend nur aus den vier Siegermächten, war spezifischer formuliert. Es wurde festgelegt, dass die vier Mächte mit einer jeweils festgelegten Truppenstärke in Frankreich gemeinsam den Ausbruch erneuter revolutionärer Bestrebungen verhindern sollten, notfalls sollten sie auch weitere Truppen für dieses Ziel zur Verfügung stellen. Dieses Bündnis sollte regelmäßig auf Kongressen erneuert werden, um seine Gültigkeit zu bestätigen. Bereits 1818 trat Frankreich, als die unmittelbare Gefahr neuer Aufstände gebannt war, diesem Bündnis bei, somit wurde es zur ÄPentarchie“.10 1822 scheiterte die praktische Umsetzung einer gemeinsamen Politik in dieser Kongressdiplomatie allerdings an der Weigerung Großbritanniens, sich an Interventionen gegen revolutionäre Bestrebungen in Südeuropa zu beteiligen, die fünf Großmächte traten daraufhin lediglich in unregelmäßigen Abständen zu Konferenzen zusammen.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die internationale Zusammenarbeit in einigen machtpolitisch unabhängigen Bereichen verwirklicht, so wurden der internationale Telegraphenverein und der Weltpostverein, heute Fachorganisationen der UNO, gegründet.11 Für den humanitären Bereich bedeutend war die Unterzeichnung des Genfer Abkommens von zahlreichen Nationen zur Gründung des Roten Kreuzes 1864.12 Auf den beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907, die den ersten größeren Versuch einer internationalen Kodifizierung des Völkerrechts darstellten, wurden zahlreiche Abkommen zum Friedensrecht und Kriegsrecht abgeschlossen.13 Diese Abkommen, die von allen bedeutenden Groß- und Mittelmächten weltweit unterzeichnet wurden, besagten, dass im Konfliktfall verfeindeter Nationen Vermittler unabhängiger Nationen Gespräche zur Beilegung der Auseinandersetzungen führen sollten. Diese Vermittler hatten aber nur das Recht, Empfehlungen zu geben und durften nicht militärische Vorbereitungen behindern oder in laufende Kampfhandlungen eingreifen. In einem ständigen Schiedsgericht mit Sitz in Haag sollten Differenzen, möglichst im Vorfeld, auf friedliche Weise geregelt werden. Diese Instanz bestand aus einer Liste von ca. 120, von den Signatarstaaten ernannten Richtern, aus der sich in einem Streitfall die Gegner Mitglieder für ein Gericht auswählen konnten.14 Es war also kein ständiges Schiedsgericht, sondern ein temporäres, dass nur im Bedarfsfall aus einem beschränkten Richterkreis gebildet wurde. Dennoch stellte der Versuch eines internationalen Abkommens zur Verhinderung oder zumindest Beilegung militärischer Auseinandersetzungen einen Meilenstein in der Entwicklung des Friedensrechts dar.15

3. Der Völkerbund

3.1. Die Entstehung des Völkerbundes

Die Pläne für einen Völkerbund wurden schon während des ersten Weltkriegs in einigen beteiligten und auch neutralen Staaten, besonders in den USA und Großbritannien, nicht nur diskutiert, sondern gar gefordert.16 In privaten Vereinen wie der britischen ÄUnion for democratic control“, der “Proposals for the prevention of further wars“ und in der amerikanischen ÄLeague to enforce peace“ wurden Ideen für ein zukünftiges friedliches Zusammenleben aller Staaten gesammelt.17 Die französische Vereinigung ÄLe paix par le droit“ forderte 1917 die Fortführung des Haager Werkes. Ein ständiges internationales Schiedsgericht sollte bei Konfliktfällen urteilen, dies durch kollektive Maßnahmen wie Wirtschaftsblockade oder, im schlimmsten Fall, durch Einsatz einer internationalen Polizeitruppe, durchgesetzt werden. Auf regelmäßigen Konferenzen sollte ein für jeden Staat verbindlicher völkerrechtlicher Code erstellt werden.18 Als Vorsitzender einer britischen Regierungskommission legte Sir Walter Phillimore im März 1918 einen Satzungsentwurf vor, der von dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson aufgegriffen, weiterentwickelt und schließlich bis zur Realisierung gefördert wurde.19 Mit der Vorstellung seiner 14 Punkte präsentierte er nicht nur die Kriegsziele der USA, sondern legte auch Vorschläge für eine zukünftige internationale Zusammenarbeit in einer Nationen-Gesellschaft dar. Wichtigste Forderungen Wilsons waren die Öffentlichkeit der Diplomatie, so dass keine Geheimverträge mehr geschlossen werden sollten, eine allgemeine Beschränkung der Rüstung, in Europa eine Grenzziehung entsprechend den Nationalitäten und die Schaffung einer allgemeinen Gesellschaft der Nationen auf der Grundlage eines Bundesvertrages als Garant.20 Die verschieden Regierungspläne wurden während der Pariser Friedenskonferenz im Januar 1919 von den Kriegssiegerstaaten diskutiert und fortentwickelt und am 28. Juni 1919 mit der Völkerbundssatzung verabschiedet. 32 Staaten gehörten zu den originären, also den ersten, Unterzeichnerstaaten, 13 weitere wurden vorbehaltlos innerhalb der nächsten zwei Monate aufgenommen.21

3.2. Die Aufgaben und die Organisation des Völkerbundes

Der Völkerbund war eine völkerrechtliche Staatenverbindung, die auf der Gleichheit aller ihrer Mitglieder basierte und durch einen multilateralen, zeitlich begrenzten Vertrag zustande kam.22 Die Satzung umfasste 26 Artikel und eine Präambel, in der die Ziele des Bundes zusammengefasst waren. Als die wichtigsten Ziele zur Gewährleistung des Friedens wurden die Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen, die allgemeine Anerkennung der Vorschriften des internationalen Rechts und die genaue Einhaltung der untereinander eingegangenen Vertragsverpflichtungen angesehen.23 In den Artikeln wurden Maßnahmen zur Friedenserhaltung benannt, die allerdings weitgehend unspezifisch und auslegbar blieben. Sie umfassten unter anderem Fragen der Abrüstung, die Verpflichtung aller Mitglieder, die Souveränität der anderen Mitgliedsstaaten anzuerkennen und nicht zu verletzen und legte fest, dass jeder Krieg, ob ein Bundesmitglied betroffen war oder nicht, den Weltfrieden bedrohte und somit zu einer Angelegenheit des gesamten Bundes wurde. Mit dem Artikel 16 wurde erstmals das Prinzip der kollektiven Sicherheit angesprochen. Für den Fall, dass ein Mitglied entgegen den Regeln des Völkerrechts Krieg führte, sollten Maßnahmen aller anderen Bundesmitglieder erfolgen, zunächst Abbruch aller Handels- und Finanzbeziehungen, anschließend politische Isolierung und als letztes Mittel eine militärische Intervention unter Beteiligung aller Mitglieder unter einem Kommando.24 Mit der anfänglichen Satzung wurde das Recht auf Krieg als politisches Mittel stark eingeschränkt, jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Erst mit dem 1928 geschlossenen Kellog-Pakt verpflichteten sich zunächst 15, anschließend weitere 48 Staaten, den Krieg generell zu ächten.25

[...]


1 Unser, Günther: Die UNO. Aufgaben und Strukturen der Vereinten Nationen. 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, München 1997, künftig: Unser, Die UNO, S. 2.

2 Zumach, Andreas: Vereinte Nationen. Hamburg 1995, künftig: Zumach, Vereinte, S. 10.

3 Imanuel Kant: Vom ewigen Frieden. Herausgegeben von Otfried Höffe. Berlin 1995.

4 Wolfrum, Rüdiger: Handbuch Vereinte Nationen. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. München 1991.

5 Bleiber, Fritz: Der Völkerbund. Die Entstehung der Völkerbundsatzung. Stuttgart 1939, künftig: Bleiber, Der Völkerbund.

6 Göppert, Otto: Der Völkerbund. Organisation und Tätigkeit des Völkerbundes. Stuttgart 1938, künftig: Göppert, Der Völkerbund.

7 Knipping, Franz: Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Band II, Vorläufer der Vereinten Nationen. 19. Jahrhundert und Völkerbundszeit. München 1996, künftig: Knipping, Das System. Mangoldt, Hans von / Volker Rittberger (Hrsg.): Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Band I, Vereinte Nationen. München 1995, künftig: Mangoldt, Das System.

8 Knipping: Das System, S. 3.

9 Schwarz, Wilhelm: Die Heilige Allianz. Tragik eines europäischen Friedensbundes. Stuttgart 1935, S. 37.

10 Baumgart, Winfried: Vom europäischen Konzert zum Völkerbund. Friedensschlüsse und Friedenssicherung von Wien bis Versailles. Darmstadt 1987, künftig: Baumgart, Vom europäischen, S. 1f.

11 Schweder, Gerda: UNO - Instrument der Weltinnenpolitik? Düsseldorf 1971, künftig: Schweder, UNO - Instrument, S. 9.

12 Czempiel, Ernst-Otto: Friedensstrategien. Systemwandel durch Internationale Organisationen, Demokratisierung und Wirtschaft. Paderborn u. a. O. 1986, S. 70.

13 Knipping, Das System, S. 91.

14 Morgenthau, Hans Joachim: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik. 4., überarbeitete Auflage. Bonn 1963, künfig: Morgenthau, Macht, S. 259.

15 Knipping, Das System, S. 91.

16 Unser, Die UNO, S. 6.

17 Bleiber, Der Völkerbund, S. 3ff.

18 Bleiber, Der Völkerbund, S. 10.

19 Weber, Hermann: Völkerbund. In: Rüdiger Wolfrum: Handbuch Vereinte Nationen. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. München 1991, S. 1015-1019, S. 1017.

20 Knipping, Das System, S. 363ff.

21 Zumach, Vereinte, S. 15.

22 Unser, Die UNO, S. 9.

23 Knipping, Das System, S. 401.

24 Knipping, Das System, S. 413.

25 Baumgart, Vom europäischen, S. 138.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Vereinten Nationen und ihre Vorgängerorganisationen - Eine unabgeschlossene Entwicklung aus Lehren und Fehlern
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V202947
ISBN (eBook)
9783656288411
ISBN (Buch)
9783656289449
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vereinte Nationen, Völkerbund
Arbeit zitieren
Sebastian Lucius (Autor:in), 2004, Die Vereinten Nationen und ihre Vorgängerorganisationen - Eine unabgeschlossene Entwicklung aus Lehren und Fehlern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202947

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