Integration durch exogene Faktoren - Die Wirkung des French-Indian War auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern in Nordamerika


Hausarbeit, 2012

21 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Nationalstaatsbildung und Integration

2. Die deutschstämmige Bevölkerung in den nordamerikanischen Kolonien

3. Konflikte um Lebensraum im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges in Nordamerika Die Indianer werden zu Feinden

4. Herstellung von Verteidigungsbereitschaft Die Deutschen verweigern sich Franklins Plänen

5. „Es ist mir gelungen, die (…) angrenzenden (…) Provinzen (…) zu verheeren (…).“ Der äußere Feind zwingt die Krone zum Eingreifen sowie Engländer und Deutsche zur Einheit

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Nationalstaatsbildung und Integration

Mehr als 42 Millionen US-Amerikaner, ein enorm großer Teil der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, geben an, hauptsächlich deutscher Abstammung zu sein. Dahinter folgen weitere ethnische Gruppen: Iren, Engländer, Franzosen, Polen usw.[1] Allen ist jedoch Folgendes gemein: Sie fühlen sich heute als Angehörige einer Nation. Dem deutschen Beobachter erscheint das Maß an Patriotismus, welches von vielen Amerikanern an den Tag gelegt wird, schon teilweise befremdlich. Im Hinblick auf die relativ kurze Zeit in der dieser Zusammenhalt entstehen konnte, soll nun aber Eines hinterfragt werden:

Wann entwickelte sich dieses „Wir-Gefühl“ der Kolonisten der Neuen Welt? Der Gründungsmythos der Vereinigten Staaten von Amerika beruht auf der Ratifizierung der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776 und dem patriotischen Kampf gegen das Mutterland im American Revolutionary War. Aber dies konnte nicht über Nacht zur Integration aller ethnischen und religiösen Gruppierungen innerhalb der 13 Kolonien führen.

Ziel dieser Arbeit soll nun sein, die ersten Schritte des Prozesses der Bildung eines wenigstens rudimentären[2] Nationalbewusstseins anhand der Integration der heute genauso wie im 18. Jahrhundert bedeutsamen Großgruppe deutschstämmiger Amerikaner zu untersuchen. Ihr Verhältnis zur Mehrheit, den aus England stammenden Kolonisten, steht dabei im Vordergrund. Hier drängen sich weitere Fragen auf:

Welche Faktoren konnten zur Spaltung zwischen den Deutschen und der englischen Mehrheit führen und welche trugen dazu bei, dass man sich schließlich doch als Angehöriger einer nordamerikanischen Gruppe fühlen konnte? Wie entwickelte sich das Deutschenbild der englischen Kolonisten im Laufe des 18. Jahrhunderts? Als wichtiger Vertreter der englischsprachigen Mehrheit, als das „Sprachrohr“ dieser Gruppe überhaupt, gilt Benjamin Franklin. Seine gewichtige Meinung, heute noch in Form von Briefen und zahlreichen Schriften vorliegend, soll als Quellenbasis dienen.[3] Sein ambivalentes Bild von den Deutschen war durchaus Veränderungen unterworfen, die besonders zu Kriegszeiten hervortraten.

Oftmals kommt es erst durch eine äußere Bedrohungslage zum Entstehen eines Gemeinschaftsgefühls. Im Falle Deutschlands ist hier das oft zitierte Beispiel der Befreiungs- und der Einigungskriege zu nennen. Traf das vielleicht auch auf die Vereinigten Staaten von Amerika ein Jahrhundert zuvor zu? Waren „Blut und Eisen“ auch hier Geburtshelfer einer Nation, die zuvor aus zersplitterten Kolonien, Kleinstaaten, bestand, welche vor allem ihre jeweils eigenen Partikularinteressen verfolgten?

An blutigen Auseinandersetzungen mangelte es im Nordamerika des 18. Jahrhunderts jedenfalls nicht. Ein größeres Ereignis soll im Rahmen dieser Arbeit in den Vordergrund gestellt werden:

Der Siebenjährige Krieg in Nordamerika oder auch French and Indian War, der von 1754 bis 1762 wütete. Diesem wurde in den letzten Jahren wieder mehr Beachtung von Seiten der Forschung geschenkt, wodurch eine ausreichende Basis an wissenschaftlicher Sekundärliteratur vorhanden ist. Eingebettet wird die Arbeit in das tagesaktuelle Thema „Integration“, wobei die besondere Wirkung dieses Konfliktes auf die beiden ethnischen Großgruppen, deutsch- sowie englischstämmige Kolonisten, untersucht werden soll.

Es handelte sich hierbei nur zum Teil um einen herkömmlichen Krieg, wie er in der Frühen Neuzeit von gedrillten europäischen Streitkräften geführt wurde. Die Grenze zwischen Kombattanten und Zivilisten verschwamm in der Neuen Welt; in der Folge waren sehr viele Bewohner der Kolonien direkt involviert,[4] sie waren Opfer und Täter.

Neben der Hypothese, dass der Kampf für gemeinsame Interessen eine Stärkung des Nationalbewusstseins mit sich brachte, bleibt umgekehrt die Schlussfolgerung, dass diejenigen, die auf Seiten der Verlierer fochten, als desintegrierte Gruppe ausgeschlossen blieben.

2. Die deutschstämmige Bevölkerung in den nordamerikanischen Kolonien

Wer waren die Deutschen im Nordamerika der Kolonialzeit überhaupt? Woher kamen sie, welche Hoffnungen brachten sie mit in die Neue Welt? Die Frage nach den Einflussfaktoren auf die Integration kann ohne eine Grundlage, eine Überblicksdarstellung der deutschstämmigen Bevölkerung vor 1776, nicht beantwortet werden:

Am Anfang stehen hierbei die „nackten Zahlen“. Zwischen 1700 und 1800 wanderten mehr als 100.000 deutschsprachige Immigranten nach Nordamerika ein, sie waren damit die Größte nicht-britische Gruppe der Kolonie.[5] Zur Mitte des Jahrhunderts, in den 1740er und 50er Jahren erreichte die Wanderungsbewegung ihren Höhepunkt.[6]

Der Großteil dieser Einwanderer aus den Territorien des Heiligen Römischen Reiches traf mit dem Entschluss zur Überfahrt nach Nordamerika eine endgültige und unwiderrufbare Entscheidung. Ein Emigrant hatte also durchaus gute Gründe, die seinen Entschluss bestimmten. Verschiedene push- und pull-Faktoren griffen hierbei auf drei Ebenen ineinander:

Zum ersten wanderten zahlreiche Menschen aus religiösen Gründen aus. Kleinere Sekten, wie die Herrnhuter zum Beispiel, sahen die Chance zur freien Religionsausübung in den englischen Kolonien gegeben. Hinzu kamen später jedoch auch Lutheraner und Reformierte in größerer Zahl. Der Glaube war nicht die Hauptursache für den Entschluss zur Auswanderung. Ebenso wenig spielten politische Differenzen mit der Obrigkeit im deutschen Fürstenstaat eine herausragende Rolle. Gerade im 19. Jahrhundert wurde dieser Punkt stark überbewertet. Eher abstrakte Gründe beeinflussten die Entscheidung also nur in geringem Maße. Handfeste, wirtschaftliche Gründe waren es, die den Großteil zur Auswanderung veranlassten: Es fehlte ganz einfach an lebensnotwendigen Ressourcen.[7] Nahrung war teilweise knapp, ein Grund war hier der zunehmende Mangel an bewirtschaftbaren Land. Der Grundbesitz eines Bauern konnte nur an eine bestimmte Anzahl Nachkommen aufgeteilt werden; fanden die überzähligen kein anderes Auskommen, drohte Verarmung. Hier griff einer der wirkmächtigsten pull-Faktoren Nordamerikas:

Es gab dort bebaubares Ackerland in rauen Mengen und obendrein war dieses durchaus günstig zu erwerben. Diese Verfügbarkeit von Boden war mit Abstand das wichtigste Kriterium um Deutsche zum Auswandern zu bewegen.[8] Nach dem Erwerb von landwirtschaftlicher Nutzfläche konnte innerhalb weniger Jahre eine Familie von den gewonnen Feldfrüchten ernährt werden. Jungen Männer und Frauen, die in den deutschen Landen keine Möglichkeit zur Begründung eines Hausstandes besaßen, offenbarte sich damit eine einmalige Chance.

Bis zum Jahr 1776 sollte sich die Zahl deutschstämmiger Siedler in den britischen Kolonien auf ca. 225.000 erhöhen, das waren mehr als 10% der dortigen Gesamtbevölkerung. Es erfolgte eine räumliche Konzentration auf New Jersey und Pennsylvania, wo bald ein Drittel der Einwohner deutschsprachig waren.[9] Neben ihnen siedelten auch andere nicht-englischsprachige Minderheiten, z.B. Schweden, in diesem Gebiet. Die ertragreichen Böden bestimmten das Bild der Kolonie: Fast alle Einwohner waren Farmer, viele brachten es zu beachtlichem Reichtum.[10]

Generell kann gesagt werden, dass zur Mitte des 18. Jahrhunderts in allen 13 Kolonien Deutsche angetroffen werden konnten.[11] Pastor Heinrich Melchior Mühlenberg wusste dabei auch, warum die südlichen Kolonien, geprägt von mit afrikanischen Sklaven betriebener Plantagenwirtschaft in subtropischen Klimaten, fast keine europäischen Kolonisten anzogen:

„Die Engländer, Franzosen, und Teutschen, welche in den südlichen Gegenden wohnen, sind nicht im Stande, die harte Feld-Arbeit in der Hitze auszudauren und können zu nichts kommen, wo sie nicht vermögend sind Nigers oder Mohren Sclaven von den Africanischen Küsten zu kauffen, welche die harte Arbeit gewohnt sind oder werden.“[12]

Bald zeigte sich hier schon ein Vorteil, den Kolonien boten, in denen freie Untertanen der Krone

lebten: Die nördlichen Gebiete waren wesentlich stabiler als die südlichen. Kolonien in denen die Bevölkerungsmehrheit aus Sklaven bestand, waren stets durch Aufstände dieser gefährdet, die von außen durch den spanischen Konkurrenten angefacht wurden.[13]

[...]


[1] ARTE. Unsere amerikanischen Vettern, URL: http://www.arte.tv/de/2552294.html, Stand: 20.03.2012.

[2] Simmons, Richard C.: The American Colonies. From settlement to independence, 1981 New York, S. 275.

[3] Mulford, Carla: Benjamin Franklin, Pennsylvania Germans, and the Ethnic Origin of Nations.
In: Grabbe, Hans-Jürgen (Hg.): Halle Pietism, Colonial North America, and the Young United States (
USA-Studien, Bd. 15), 2008 Stuttgart, S. 153. Franklin kann als Index zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen britisch- und deutschstämmigen Amerikanern genutzt werden, da er einerseits als Autor und Politiker eine Vielzahl an Texten verfasste, aber auch über Kontakte zu Menschen in England und den Kolonien verfügte, die verschiedensten Gesellschaftsschichten und Milieus entstammten.

[4] Brinck, Andreas: Die deutsche Auswanderungswelle in die britischen Kolonien Nordamerikas um die Mitte des 18. Jahrhunderts (Studien zur modernen Geschichte, Bd. 45), 1993 Stuttgart, (zugl. Diss., 1993 Hamburg), S. 8.

[5] Beiler, Rosalind J.: „Smuggling Goods“.
In: Rödel, Walter Gerd; Schmahl, Helmut (Hg.): Menschen zwischen zwei Welten. Auswanderung, Ansiedlung, Akkulturation, 2002 Trier, S. 10.

[6] O'Reilly, William: Bridging the Atlantic.
In: Rödel; Schmahl: Menschen, S. 41.

[7] Brinck: Die deutsche Auswanderungswelle, S. 69f. Sautter, Udo: Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997 München, S. 97.

[8] Beiler: „Smuggling Goods“.

In: Röder; Schmahl: Menschen, S. 12.

[9] Black, Jeremy: War for America. The fight for independence 1775-1783, 1991 New York, S. 151.
Neimeyer, Charles Patrick: America goes to war. A social history of the Continental Army, 1996 New York, S. 45.

Sautter: Lexikon, S. 97.

[10] Guggisberg, Hans A.: Geschichte der USA. Fortgeführt von Hermann Wellenreuther, 20024 Stuttgart, S. 24

[11] Ashbrock, Peggy: The German Americans, 2003 Philadelphia, S. 25f.

[12] Aland, Kurt u.a. (Hg.): Die Korrespondenz Heinrich Melchior Mühlenbergs. Aus der Anfangszeit des deutschen Luthertums in Nordamerika (Texte zur Geschichte des Pietismus, Bd. 2), 1986 Berlin, S. 254. Neimeyer: America, S. 46. Land war im Süden, genau wie in Neuengland, teurer als in den mittleren Kolonien. Außerdem hatten die ansässigen Plantagenbesitzer den Ruf, nicht-englischstämmigen Einwanderern gegenüber sehr unfreundlich und abweisend aufzutreten.

[13] Brinck: Die deutsche Auswanderungswelle, S. 58. Die Spanier versprachen entflohenen Sklaven, die ihr Territorium, erreichten die Freiheit. Ob das Versprechen eingehalten wurde oder nur eine Finte war, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten.

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Details

Titel
Integration durch exogene Faktoren - Die Wirkung des French-Indian War auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern in Nordamerika
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V205033
ISBN (eBook)
9783656316336
ISBN (Buch)
9783656316718
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
French-Indian War, siebenjähriger, Krieg, Nordamerika, England, Großbritannien, Franklin, Benjamin, Sauer, Saur, Kolonien, siebenjähriger Krieg, USA, Vereinigte, Staaten, Nationalgefühl, Deutsche, Kolonisten, Minderheit, ethnische, Pietisten, Pennsylvania
Arbeit zitieren
Nils Wöhnl (Autor:in), 2012, Integration durch exogene Faktoren - Die Wirkung des French-Indian War auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern in Nordamerika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205033

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