Wandel in der Erziehung. Vorstellungen und Praxis


Studienarbeit, 2010

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Definition von Erziehung

Bedeutung der Familienerziehung

Wandel und Wertewandel der Erziehungsvorstellungen und Erziehungspraxis

Erziehungsstile

Verständnis einer kompetenten Erziehung

Fazit

Prävention

Bezug zu Familie H./ Szenario

Literaturverzeichnis

Definition „Erziehung“

Unter Erziehung versteht man alle Reaktionen einer Gesellschaft auf „Entwicklungstatsachen“, somit angeleitete Lernprozesse als Interaktionen zwischen Menschen. Erziehung hat eine Doppelfunktion: einerseits eine gesellschaftliche Funktion, die Reproduktion der Gesellschaft, und andererseits eine persönliche Funktion, der Aufbau einer individuellen Persönlichkeit (Fachlexikon der sozialen Arbeit 2009).

Bedeutung der Familienerziehung

In den Medien wird häufig über Krisen, Zerfall und Funktionsverlust der Familie berichtet. Von „Erziehungsnotstand“ ist die Rede, und über familiäre Katastrophen wird ausgiebig berichtet. Dennoch ist die Familie, in der Vielfalt ihrer Lebensformen, für fast alle Kinder der erste und wichtigste Ort der Erziehung und Bildung (sowohl im positiven als auch im negativen Sinn).

Das bedeutet, dass Familie einerseits eine bedeutende Schutz- und Anregungsfunktion hat, andererseits aber auch den bedeutendsten Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern darstellt (Liegle H.2004). Den Faktor Umwelteinflüsse benennt Liegle nicht.

Drei Faktoren sind, nach Liegle, von besonderer Bedeutung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Luhmann beschreibt in seiner Systemtheorie „die Familie als das einzige soziale System, in dem die ganze Person Bezugspunkt für Kommunikation ist“. In allen anderen sozialen Systemen, wie z.B. Kindergarten und Schule, sind nur Teilaspekte der Person im Zentrum der Kommunikation. Deutlich wird das am Beispiel der an personenunabhängigen und am Leistungsprinzip orientierten Schule.

Die Form der Lernprozesse der Kinder im Rahmen der Familie wird durch den personenbezogenen Charakter der Familienbeziehungen und der Familienerziehung bestimmt. Informelles Lernen findet „automatisch“ durch die gemeinsame Alltagsgestaltung, durch vorgelebte Verhaltensweisen und Werte statt, weniger durch bewusste Erziehungsmaßnahmen.

Der enge Zusammenhang zwischen Bindung und Bildung ist dabei von besonderer Bedeutung: die Qualität der emotionalen Bindungserfahrung der Kinder hat einen grundlegenden und nachhaltigen Einfluss auf ihr Erkundungsverhalten und ihre Bildungsprozesse, aber auch auf ihr eigenes Bindungs- und Beziehungsverhalten (Liegle H.2004).

Bildungsprozesse haben somit nicht nur einen Einfluss auf die kognitive Entwicklung des Menschen, sondern auch auf die emotionale, soziale und physische Entwicklung. Studien haben ergeben, dass dabei nicht die Familienform, sondern die Qualität der Beziehungen und Bildungsangebote entscheidend ist . Weitere Faktoren sind die Familienstruktur, die familiären Ressourcen und die Umwelt.

Bereits das alte Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, weist auf die prägende Bedeutung der frühkindlichen Bildung (allerdings ohne den Bindungsbezug) hin, während „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ sich auf alle drei der von Liegle benannten Faktoren beziehen lässt. Entscheidend ist bei beiden Sprichwörtern, dass Herkunft und Familie eine prägende Bedeutung zugeschrieben wird.

Aus den genannten Aspekten ergibt sich der Zusammenhang zwischen Erziehung als Summe von Beziehungen und Bildungsangeboten (im Rahmen ihrer Struktur und sozio-ökonomischen Bedingungen) und der Entwicklung, dem Lebenslauf eines Kindes/Menschen.

Folgernd ist die Verantwortung der Eltern und Institutionen wie z. B. Schule und Kindergarten für eine positive und fördernde, das bedeutet bindungsstarke- und bildungsreiche Entwicklung des Kindes, sehr hoch.

Wandel und Wertewandel der Erziehungsvorstellungen und Erziehungspraxis

Wandel und Wertewandel der Erziehung stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wandel der Familie.

Kinder wurden im Mittelalter nicht als zuwendungs- und förderungsbedürftige Individuen, sondern als Arbeitskräfte und „Garanten der Altersversorgung der Eltern“ gesehen (Textor M.R. 1991, S. 19). Ein Erziehungs- und Bildungsbedarf wurde nicht erkannt.

Werte und Normen wurden durch die Kirche, hohe moralische Prinzipien und Hierarchien bestimmt. Kinder hatten mitzuarbeiten, zu gehorchen und zu „funktionieren“. „Zucht und Ordnung“ waren leitende Prinzipien der Erziehung, Widerspruch wurde untersagt und sanktioniert. Die Erziehung erfolgte geschlechtsspezifisch. In den Schulen herrschte eine Zucht- und Prügelpädagogik vor, die von elterlichen Strafaktionen ergänzt wurde. Gewünscht war ein einförmiges, gehorsames und störungsfreies Wohlverhalten der Kinder, jede Abweichung davon wurde hart bestraft.

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Heute dürfen Kinder sagen, was sie denken; Respekt wird heute wie früher von Ihnen erwartet, ist jedoch nicht so Angst- besetzt wie in der Vergangenheit.

Nichtgehorsam wurde durch körperliche Züchtigungsmethoden der Eltern geahndet. Die Familienbeziehungen wurden durch Macht der Eltern gegenüber den Kindern geprägt.

Theodor Fontane hat in seinen Kindheitserinnerungen diese Form der "Nicht-Erziehung" in dem Satz zusammengefasst: "Wie die Eltern sind, das entscheidet."

Durch die zunehmende Schwächung der kirchlichen Macht und der Verselbständigung der Wissenschaften (beginnend im 16. Jahrhundert) erfolgte ein bedeutender Wandel, letztendlich im 19. Jahrhundert: die mittelalterliche Ordnung löste sich auf, es erfolgte eine Trennung zwischen Haushalt und Arbeitsplatz, die Rolle der Frau änderte sich. Die Individualität und die somit verbundene Autonomie und Selbstverantwortlichkeit trat in den Vordergrund. Diese „Entdeckung des Kindes im 19. Jahrhundert hat auch dazu geführt, dass Eltern zunehmend mehr Zeit, Geld und Emotionen in die Entwicklung ihrer Kinder investierten, weil der ökonomische Aspekt kindlicher Arbeitskraft oder der Unterstützung der Eltern zurücktrat gegenüber den intrinsischen Werten der kindlichen Entwicklung und derjenigen des kindlichen Humankapitals“ (7. Familienbericht 2005). Der Begriff „emotionale Intelligenz“ wurde 1920 von John Mayer und Peter Salovey zur Beschreibung der Fähigkeit eingeführt, eigene und fremde Gefühle (korrekt) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen (Quelle: wikipedia, Emotionale Intelligenz). Bisher bezog sich der Begriff Intelligenz ausschließlich auf kognitive Fähigkeiten/Merkmale.

Der Emotionalität, der Wahrnehmung eigener Gefühle und der Gefühle anderer, wurde erstmals eine große Bedeutung zugesprochen; die Entwicklung und Förderung emotionaler Intelligenz und dem sich daraus ergebenden Erlernen von Sozialverhalten wurden weitere pädagogisches Erziehungsziele. Diese Entwicklung zeigt, dass sich einerseits der Blick auf das Individuum mit seinen emotionalen Anteilen, aber auch der Blick auf das Individuum als Teil der Gesellschaft verändert hat. Da Verhalten nicht mehr ausschließlich durch Hierarchien, Moral und Macht festgelegt war, ergaben sich neue Handlungsspielräume und der Bedarf, neue Regeln des gesellschaftlichen Umgangs und Zusammenlebens zu finden (Sozialverhalten).

Der Bedarf des Kindes an Schutz und Erziehung wurde erkannt. Die Eltern-Kind-Beziehung wurde neubestimmt und es entstand eine neue Sicht auf die (aus freiem Willen bekundete) Ehe als bürgerliches Recht. Auch die Bedeutung von Bildung als Weg zu einem unabhängigen und selbstbestimmten Leben wurde erkannt (Textor M.R. 1991, S.22). Parallel zu dem Übergang der ländlich–bäuerlich geprägten Lebens- und Arbeitswelt in eine städtisch-industrielle Lebens- und Arbeitswelt änderten sich die ökonomischen Funktionen des Familienhaushalts.

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Das Kinderbuch „Struwwelpeter“ von H. Hoffmann (1844) ist ein Zeugnis für die früheren pädagogischen Wert- und Normvorstellungen. In Form einer „Brachialpädagogik“ wird, kombiniert mit brutalen Bildern, ein autoritärer Erziehungsstil mit der Verhaltensnorm Gehorsam vermittelt. Kinder, die nicht gehorchen, unaufmerksam sind, nicht essen wollen usw. stößt großes Leid zu. Angst vor Leid soll die Kinder dazu veranlassen, gehorsam zu sein und auf die Eltern zu hören. Angst wurde somit als pädagogisches Erziehungsmittel verwendet. Insbesondere in den Hochzeiten der antiautoritären Erziehung wurde das Werk als veraltet angesehen. Aus dieser Zeit stammt auch der ebenfalls populär gewordene "Anti-Struwwelpeter" von Friedrich K. Waechter: eine antiautoritäre Parodie auf das Original und eine der „Bibeln“ der 68er-Generation.

Die Attraktivität der Ehe, welche früher ausschließlich dem Zeugungszweck diente, nahm ab, viele neue Lebensformen sind entstanden. Viele Kinder wachsen nach der „Erstfamilie“ in Fortsetzungsfamilien auf, ihre Bindungen und Bezugspersonen und somit gegebenenfalls auch familiären Werte und Normen, ändern sich. Kinder müssen sich neu orientieren und „flexibel“ sein. Während früher Kinder, auch aufgrund kirchlicher Vorgaben, welche vorehelichen Geschlechtsverkehr und Verhütung untersagt haben, „ungeplant“ und durch das Zufallsprinzip geboren wurden, werden Kinder heute überwiegend nach bewusster Entscheidung der Eltern geboren (Tippelt R.). Der Geburtenrückgang und die Zunahme an verspäteten Elternschaften belegen u. a. die bewusste Entscheidung für ein Kind durch die Erkenntnis der besonderen Verantwortung.

Die geschlechtsspezifische Erziehung, welche eine eindeutige Rollenfestlegung der Frau als Mutter, Erzieherin der Kinder und Hauswirtschafterin, der Mann als Ernährer der Familie, wird durch das veränderte Selbstverständnis der Frauen seltener. Normen wie Gehorsam und Unterordnung sind zugunsten von Werten wie Selbständigkeit, Mitbestimmung und freiem Willen gewichen (Walper S. 2008).

Kinder werden heute zunehmend von beiden Elternteilen betreut und erzogen. Während die Mutter früher die Hauptbezugsperson für die Kinder war, der Vater oft als sanktionierendes, strenges Familienmitglied die Herrschaft über Frau und Kinder hatte, erfolgt heute zunehmend ein partnerschaftlicher und gleichberechtigter Umgang der Eltern, welcher Aufgabenteilungen zur Konsequenz haben. Auch Vätern wird durch die Familienpolitik ermöglicht, eine Erwerbspause zugunsten der Kleinkinderbetreuung einzulegen.

Es zeigt sich auch ein verändertes Familienbewusstsein bei den Vätern/Männern: der Wert Familie wird erkannt, als „Lebenssinn“ empfunden und durch mehr gemeinsame Zeit mit der Familie gelebt. Väter übernehmen, im Gegensatz zu früher, pädagogische Aufgaben und beschäftigen sich aktiv mit den Kindern. Der durch verschiedene Faktoren (z.B. Medien, Werbekultur, Einfluss der öffentlichen Erziehung) bedingte elterliche Autoritätsverlust wird parallel durch eine zunehmende „Kindzentriertheit“ begleitet. Durch das veränderte Bewusstsein auf den Bedarf des Kindes an Bindung, Bildung und Erziehung entsteht ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Interaktion und Handlung.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Wandel in der Erziehung. Vorstellungen und Praxis
Hochschule
Fachhochschule Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V209289
ISBN (eBook)
9783656368571
ISBN (Buch)
9783656369660
Dateigröße
953 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wandel, erziehungsvorstellungen, erziehungspraxis
Arbeit zitieren
Vera Papadopoulos (Autor:in), 2010, Wandel in der Erziehung. Vorstellungen und Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209289

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