Wie funktioniert ein Navigationsgerät?

Gibt es Alternativen/Erweiterungen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

52 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Einführung
I.I Einstufung des Themas in den Lehrplan
I.II Formulierung und Begründung von Leit- und Teilfragen
I.III Voraussetzungen der Schüler[1] für das Thema

II. Fachliches/Funktionsweisen
II.I Das Global Positioning System (GPS)
II.II Das Differential-GPS (DGPS)
II.III Das Assisted-GPS (AGPS)
II.IV Inertiale Navigationssysteme (INS)

III. Anwendung auf den Unterricht

IV. Eidesstattliche Erklärung

V. Abbildungsverzeichnis

VI. Anhang

VII. Literatur

I. Einführung

„GPS – Global Positioning System, eine faszinierende, neue Technologie hat das Navigieren auf dem Lande, zu Wasser und in der Luft revolutioniert.“[2] stellte unter anderem Peter Bachmann in seinem Handbuch der Satellitennavigation im Jahre 1993 fest. Knapp 20 Jahre später ist das Thema GPS-Navigation nicht mehr „neu“ und „revolutionär“. Doch obwohl das Nutzen von GPS-Navigation spätestens seit der Erfolgswelle der Smartphones nahezu alltäglich geworden ist, bleibt dieses Thema und vor allem die Funktionsweise der Geräte, welche die mobile GPS-Navigation ermöglichen, für die meisten Menschen (den Autoren dieses Belegs eingeschlossen) weiterhin so faszinierend wie vor circa zwei Dekaden ein gewisser Herr Bachmann dies beschrieb. Dies ist nur einer der zahlreichen Gründe, die dafür sorgten, dass das Thema der satellitengestützten Ortung und Navigation auch in den Lehrplan aufgenommen wurde und den jungen Menschen in der Schule, welche in diesen Zeiten nahezu alle den Nutzen dieser Technologie bereits erfahren konnten, erläutert werden soll. Denn, und dies ist eine eher subjektive Ansicht des Autoren, dies macht die Schulphysik eben auch aus: Das Hinterfragen des Alltäglichen und nicht die blinde Akzeptanz der Technologien und deren Nutzen, wie sie heute vorherrscht. Die Neugier zu wecken, das Interesse zu schüren und eben nicht nur zu wissen wie etwas zu bedienen oder zu nutzen ist, sondern eben nach den generellen Prinzipien/Funktionsweisen zu fragen und diese zu ergründen zu versuchen.

I.I Einstufung des Themas in den Lehrplan

Für wahr: Vielleicht sollte man auch nicht übertreiben und wieder mal in einem Beleg für die Physikdidaktik so tun, als wäre das Thema, über welches man schreibt, wieder der Mittelpunkt der Welt. Darum lohnt sich eine realistische Betrachtung. Das Thema der Satellitennavigation taucht im Lehrplan in Sachsen erst in der Jahrgangsstufe 12 im Leistungskurs auf und nicht nur das, es ist wahrlich das Letzte. Gemeint ist hiermit: Im letzten Schuljahr, also kurz vor den Abiturprüfungen der Schüler, hat der Lehrer nochmals die Auswahl, für welchen Wahlpflichtbereich er sich entscheidet. Im „Wahlpflichtbereich 2: Anwendungen der Physik“[3] ist unter dem letzten Unterpunkt „Einblick gewinnen in weitere Verfahren“[4] unter anderem „Ortung und Entfernungsmessung, Radar und Satellitennavigation“[5] zu finden. Nun ist es also von der Lehrkraft abhängig, ob die Schüler überhaupt etwas über das GPS und die noch anzusprechenden weiteren Themen dieses Belegs zu hören bekommen und in welchem Umfang dies passiert, da, was sich noch herausstellen wird, dieses Thema eine unglaubliche Tiefe und einen enormen Umfang erlangen kann und für all die komplexen Sachverhalte, die in diesem Lernbereich zu klären sind (siehe Abbildung 1), nur zehn Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen, sodass sowohl eine starke „didaktische Reduktion“[6], als auch eine vom Lehrer durchgeführte Bedingungsanalyse bezüglich der individuellen Bedingungen des Kurses (Interessen der Schüler, des Lehrers, Anzahl der Teilnehmer des Leistungskurses, Umgebung (Fachräume mit nutzbaren Medien ausgestattet?), Sinnhaftigkeit des jeweiligen Themas bezüglich der Abiturprüfungen und so weiter und so fort) von Nöten ist und darauf basierend entschieden werden kann ob und wie dieses Thema behandelt wird. Bilanzierend ist also festzuhalten, dass es bei diesem Thema eher um anwendungsorientierte Interessen, als um Grundlagen geht und es somit in die Kategorie „über den Tellerrand hinaus schauen“ einzustufen ist, was jedoch auch von einem Leistungskurs der 12. Jahrgangsstufe erwartet werden kann.

I.II Formulierung und Begründung von Leit- und Teilfragen

Die Leitfrage liegt natürlich auf der Hand und ist so allgemein formuliert, dass an ihr alle Bereiche des Themas und alle Teilfragen abgeleitet werden können: „Wie funktioniert ein Navigationsgerät?“. Darunter ist natürlich primär die Funktionsweise des GPS zu verstehen. Jedoch beinhaltet diese Leitfrage auch die Teilfragen, die dann in weitere Bereiche der Thematik führen: „Welche Probleme können bei der Navigation mittels GPS auftreten?“ ist so ein Beispiel, was sowohl auf die Thematik der Fehler und Schwierigkeiten (gemeint sind nicht nur Probleme bezüglich der Navigation in einem Tunnel oder einer Großstadt, aber eben auch diese), welche dem System unterlaufen und auf welche im wissenschaftlichen Teil der Arbeit noch näher eingegangen werden soll, eingeht, als auch dazu überleitet, wie man diese umgehen oder beheben kann: „Wie kann man diesen (Problemen) begegnen?“, wäre die daraus resultierende Teilfrage, welche sich vor allem bezüglich der im wissenschaftlichen Teil des Beleges erläuterten Verfahren wie Assisted-GPS (AGPS) oder Differential-GPS (DGPS) widmet. Wenn man dabei ist, mit den Schülern bezüglich problemlösendem Denken (also der eben genannten Teilfrage), welches ja eine der zu fördernden Kompetenzen für den Unterricht darstellt, zu arbeiten, ist es relativ naheliegend, sich mit Alternativen der „reinen“ GPS-Navigation auseinander zu setzen: „Welche Alternativen gibt/gab es zur (reinen) GPS-Navigation?“ wäre eine logische Teilfrage, die dann vor allem den Arbeitsbereich um Inertiale Navigationssysteme (INS) wie zum Beispiel dem Trägheitsnavigationssystem (TNS) und diversen Kreiseln (Gyroskop, Laserkreisel, Vibrationskreisel) umfasst, sodass auch klar wird, welche Methoden/Möglichkeiten vor der erst in den 90er Jahren aufkommenden GPS-Navigation existierten und heute noch zur Unterstützung oder im Militär teilweise noch primär eingesetzt werden. Nach der Erläuterung nochmals kurz zusammengefasst:

Leitfrage: à Wie funktioniert ein Navigationsgerät?

Teilfragen: à Welche Probleme können bei der Navigation mittels GPS auftreten?

à Wie kann man diesen (Problemen) begegnen?

à Welche Alternativen gibt/gab es zur (reinen) GPS-Navigation?

Da der Umfang des Lernbereichs bezüglich der zehn zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden relativ hoch ist, sollte man nicht in Versuchung geraten noch tiefer in die Thematik eindringen zu wollen und ist mit diesen (vier) Fragen ausreichend ausgestattet, wenn nicht sogar schon zu umfassend vorbereitet. Doch bilden diese vier Fragen aufschlussreiche Möglichkeiten mit den Jugendlichen zu arbeiten und in einem ausgearbeiteten Unterrichtskonzept über mindestens zwei Doppelstunden (zum Beispiel) in Arbeitsgruppen (besonders für die Schüler) interessante und vor allem umfassende Ergebnisse zu erzielen.

I.III Voraussetzungen der Schüler für das Thema

Allein die Tatsache, dass dieses Thema im Leistungskurs der 12. Klasse als letzter Lernbereich positioniert ist, ist bereits ein Hinweis darauf, dass fast pauschal gesagt werden kann, dass die Schüler bereits „alles wissen müssen“. Dies ist natürlich zu allgemein formuliert und so sollen an dieser Stelle einige wichtige Themen, welche grundlegend sind, genannt werden, sodass klar wird, dass die Schüler ein umfangreiches Wissen in den Unterricht einbringen müssen, um mit dem Lehrer an diesem Thema zu arbeiten:

Vor allem in der zehnten Klasse werden wichtige Grundlagen vermittelt. Im Lernbereich 1 „Mechanische Schwingungen und Wellen“[7] werden sowohl die Entstehung von Schwingungen und Wellen als auch zentrale Begriffe wie „Amplitude, Periodendauer, Frequenz, Wellenlänge, Ausbreitungsgeschwindigkeit“[8] und ebenso Eigenschaften wie „Beugung, Brechung, Reflexion“ und „Interferenz“[9] eingeführt, welche essentiell für das Verständnis von elektromagnetischen Wellen und später dem Thema der GPS-Navigation sind. Im Lernbereich 3 „Licht als Strahl und Welle“[10] wird erstmals aufgeklärt, dass Licht nicht nur mit dem Verständnis aus der Strahlenoptik zu sehen ist. Vor allem die Kenntnisse aus dem ersten Lernbereich können hier übertragen und anschließend erweitert werden. Hier stehen insbesondere „Interferenz, Beugung, Brechung und (Total-)Reflexion“[11] im Fokus. Diese Kenntnisse benötigen die Schüler zum Verständnis des nächsten (nach subjektiver Einschätzung) wohl wichtigsten Lernbereichs für dieses Thema: „Lernbereich 4: Hertz’sche Wellen“[12]. Das besonders dieser Lernbereich von zentraler Bedeutung ist, sollte bei der Betrachtung der Inhalte klar werden: „Kennen Hertz’scher Wellen“, „typische Frequenzen und Wellenlängen“, „Wellenlänge und Sendeleistung“ und besonders die Anwendungen wie „Funkfernsteuerungen, Handynetze, Navigationssystem, Radartechnik, Satellitenfernsehen, Radioteleskope“ zeigen, dass hier die Grundlagen für das Interesse und auch das Verständnis der Funktionsweise von GPS-Navigation gelegt werden.[13] Soll also in der zwölften Jahrgangsstufe auf das Thema der GPS-Navigation eingegangen werden, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit einiges aus diesem Lernbereich nochmals wiederholt werden, da die Schüler zu diesem Zeitpunkt (in der zehnten Klasse) noch nicht in Grund- und Leistungskurse eingeteilt sind, sodass es wahrscheinlich ist, dass zwei Jahre später nicht sämtliche Inhalte bei allen Schülern präsent sind. In der Betrachtung der Lernbereiche der zehnten Klasse wurde eben der zweite Lernbereich „Kosmos, Erde und Mensch“[14] übergangen. Das hatte den Grund, dass die anderen drei Lernbereiche inhaltlich sinnvoller zusammen hängen und enger miteinander verflochten sind. Doch auch dieser Lernbereich ist für die Schüler von Nöten, besonders aufgrund zahlreicher Kenntnisse wie „Kepler’sche Gesetze“, „Gravitationsgesetz“, „Licht als Informationsquelle“ sowie dem generellem Wissen bezüglich astronomischer Prozesse, Bewegungen und Inhalte, welche bekannt sein sollten, um auf ein Basiswissen zugreifen zu können.[15] In der zehnten Klasse finden sich also zahlreiche Inhalte, welche von essentiellem Wert für das zu behandelnde Thema sind. Doch auch in der elften und zwölften Jahrgangsstufe gibt es noch Inhalte, welche wichtig sind und hier aufgeführt sein sollen:

In Klasse elf Grundkurs Lernbereich 5 „Relativität von Raum und Zeit“[16] und im Leistungskurs im Lernbereich 6 „Einblick in die Relativitätstheorie“[17] werden relativistische Grundkenntnisse vermittelt, die später noch von Nöten sein werden, sobald man beim Thema GPS-Navigation auf mögliche Fehlerquellen und -korrekturen zu sprechen kommt, welche sich als Übergang zu den Alternativen (DGPS, AGPS, INS) und bezüglich der Fragestellung, was in einem Tunnel oder einer Großstadt (welches ja zentrale Fragestellungen sind) geschieht, anbieten.

In der zwölften Jahrgangsstufe sind im Grundkurs der Lernbereich 1 „Welleneigenschaften des Lichts“[18], welcher inhaltlich Gelerntes aus der zehnten Klasse erweitert und vertieft, und der Wahlpflichtbereich 3 „Akustik“[19], insbesondere aufgrund des Themas des Dopplereffekts, welches benötigt wird, um das Messen von Distanzen zwischen Satelliten und Empfängern zu verstehen, wie sich später noch herausstellen wird, von großem Wert. Der Dopplereffekt könnte natürlich auch, wenn man nicht bereit ist, einen ganzen Wahlpflichtbereich nur aufgrund einer Thematik zu wählen, ergänzend in der zwölften Klasse vor dem Thema der GPS-Navigation eingeführt und erklärt werden. Vor allem da das Thema der GPS-Navigation für den Leistungskurs geplant ist, wäre es möglich, dieses relativ zügig einzuführen.

Im Leistungskurs sind noch weitere Lernbereiche von Bedeutung wie „mechanische und elektromagnetische Schwingungen“[20], welcher ebenfalls die Thematik der zehnten Klasse nochmals aufgreift, vertieft und ergänzt, „Wellen als vielschichtige Naturerscheinung“[21], welcher besonders die Interferenz, welche für die GPS-Navigation eine enorm wichtige Eigenschaft von elektromagnetischen Wellen darstellt, der Wahlpflichtbereich 1 „Optische Phänomene“[22] und insbesondere die Inhalte des Wahlpflichtbereichs 2 „Anwendungen der Physik“[23], welche vor dem Thema der GPS-Navigation festgelegt sind, da an dieser Stelle nochmals auf den Dopplereffekt, Laufzeitunterschiede, Frequenzverschiebungen et cetera eingegangen wird, von hohem Stellenwert. In diesem Zuge ist es möglich, das Thema behutsam vorzubereiten und Grundlagen nochmals zu vermitteln, sodass die umfangreiche Lehre zum Thema selbst gewährleistet werden kann.

Das Vorstellen des Vorwissens der Schüler hat nun eine Dimension angenommen, die sehr umfangreich ist. Selbiges gilt natürlich für das gewählte Thema selbst, doch liegt es auf der Hand, dass eben solche Inhalte umfassendes Vorwissen bedingen, welches notwendig wird, sodass die Arbeit mit den Schülern überhaupt auf anzustrebender „wissenschaftlicher Basis“ (die didaktische Reduktion wohlwissend im Hinterkopf gehalten!) durchgeführt und zu (eventuell auch freudebringendem) Erkenntnisgewinn geführt werden kann. Die Lernbereiche bauen, besonders ab der zehnten Klasse, überwiegend sinnvoll und strukturiert aufeinander auf, sodass es einem Leistungskurs der zwölften Jahrgangsstufe, unter mittlerweile ausführlich dargelegten Bedingungen, möglich sein sollte, das Thema der GPS-Navigation sinnhaft zu durchdringen, Recherche zu betreiben, Erkenntnisse zu gewinnen und eine, auch auf die Lehrkraft eingegangen, erfreuliche Lehre im Unterricht zu betreiben.

II. Fachliches/Funktionsweisen

Nachdem nun der Bezug des Themas auf die Schule und den Unterricht hergestellt wurde, sollen in diesem Abschnitt Erläuterungen und Erklärungen folgen, welche das jeweilige Ortungs- und Navigationsverfahren vorstellen. Beginnend bei der Funktionsweise des Global Positioning System (GPS) über mögliche Probleme und Fehlerquellen, die auftreten können, hinführend zu einigen Alternativen, welche die Navigation in Fällen, in denen das GPS nicht ausreichend ist, unterstützen und die Ortung präzisieren wie dem Differential-GPS oder dem Assisted-GPS. Abschließend soll eine Betrachtung von Inertialen Navigationssystemen (INS), welche die Trägheitsnavigation (TNS) und diverse Kreiselsysteme umfasst, stattfinden, sodass auch Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Navigation (theoretisch und praktisch) auch ohne das GPS funktionieren kann.

II.I Das Global Positioning System (GPS)

Das GPS wurde seit Anfang der siebziger Jahre vom amerikanischen Militär entwickelt. Die Amerikaner wollten einen Ortungs- und Navigationsdienst schaffen, der es ermöglicht, ihre strategischen Einsätze durchzuführen, ohne dass eine andere Nation (damals im kalten Krieg vorrangig die Sowjetunion) die Möglichkeit besitzt, ihre operierenden Einheiten zu orten. Das GPS besitzt diesen Vorteil, denn die in den Einheiten platzierten Empfänger senden, wie das Wort „Empfänger“ bereits deuten lässt, keine Signale, sondern empfangen diese lediglich und verarbeiten eben diese. Das ermöglicht das „tracken“ ohne, dass eine andere Nation die Einheiten ebenfalls aufspüren kann (außer die andere Fraktion wäre ebenfalls im Besitz eines Satellitensystems, was zum damaligen Zeitpunkt nicht der Fall war).[24] Die Entwicklung setzte sich so fort, dass in den neunziger Jahren das GPS vollkommen ausgebaut und nutzbar wurde. Allerdings sendeten die Amerikaner ein Störsignal, genannt „Selective Ability“[25], welches erst im Mai 2000 abgeschaltet wurde, sodass das Orten nun nicht nur für den zivilen Einsatz verwendbar wurde, sondern ebenfalls die Präzision in eben dieser Anwendung sich von ungefähr 100m auf 10m steigerte.

Damit ermöglicht wird, dass zu jeder Zeit, jeder Ort auf dem Planeten mittels GPS-Ortung erreichbar ist, benötigt es mindestens 24 Satelliten, welche permanent die Erde in einer Höhe von etwa 20.200m mit einer Geschwindigkeit von 3,9km/s umkreisen (siehe Abbildung 2).[26] Diese bewegen sich, wie in Abbildung 2 angedeutet, auf sechs Bahnebenen, welche jeweils um 55° gegen die Äquatorebene inkliniert (geneigt) und um 60° gegeneinander verdreht sind. Die genaue Lage der elliptischen Bahn des Satelliten gegenüber der Äquatorialebene wird durch die Winkel Inklination und Rektaszension bestimmt. Mittels der Keplerschen Gesetze können sowohl die mittlere Winkelgeschwindigkeit des Satelliten aus der Gravitationskonstante, der Masse der Erde und der Umlaufperiode als auch die mittlere Umlaufzeit der Satelliten (wie in Abbildung 3 dargestellt) bestimmt werden.[27] Die Satelliten benötigen für zwei Erdumrundungen auf diesen Bahnen 23 Stunden 56 Minuten und 56,6 Sekunden. Währenddessen senden sie permanent Signale mit drei Informationen aus:

1. Ich bin Satellit Sx
2. Meine Position ist y-Grad Nord und z-Grad West
3. Ich sende genau zum Zeitpunkt ts

Der GPS-Empfänger auf der Erde empfängt diese Informationen und kann damit arbeiten/rechnen.[28]

Allerdings ist dies nur möglich, wenn sich die Satelliten, auf den Empfänger bezogen, oberhalb des Abschaltwinkels (auch Sichtbarkeitswinkel α genannt), also dem kleinsten Höhenwinkel, bei dem das Signal noch ausgewertet werden kann, befindet, welcher, abhängig von der Position (und der Gegebenheiten des Geländes beziehungsweise der Umgebung des Empfängers), aus α‘ und Ψmin (dem minimalem Erhebungswinkel) berechnet werden kann (siehe Abbildung 4 und 5).[29]

Doch wie genau funktioniert jetzt die Ortung? Der Empfänger benötigt, um seine Position und seine Geschwindigkeit zu errechnen, zunächst einmal Signale von mindestens vier Satelliten. Das Signal, welches jeder der vier Satelliten aussendet, ist kugelförmig vorstellbar. Der erste Satellit projiziert also einen Kreis auf die Erdoberfläche, auf dessen Umfang sich der Empfänger befindet. Der zweite Satellit projiziert ebenfalls mit Kontakt zum Empfänger einen Kreis auf die Erdoberfläche. Die beiden Kreise besitzen nun zwei Schnittpunkte und somit gibt es zwei mögliche Aufenthaltspositionen für den Empfänger. Nun projiziert ein dritter Satellit einen weiteren Kreis auf die Erdoberfläche, auf dessen Umfang sich der Empfänger befindet, sodass sich insgesamt vier Schnittpunkte der sich überlappenden drei Kreise gibt, jedoch nur einen Schnittpunkt, an dem sich alle drei Kreise schneiden. Somit kann der Empfänger seine Position aus den Schnittpunkten bestimmen. Der vierte Satellit wird benötigt, um nicht nur die Ortung zu präzisieren, sondern auch die Bewegung(sgeschwindigkeit) des Empfängers und dessen genaue Höhenlage zu ermitteln, doch dazu später mehr. Abbildung 6 zeigt eine (stark) vereinfachte Visualisierung des eben erklärten Vorgangs.[30]

Die Abbildung 7 zeigt nochmals den Vorgang der Ortung, jedoch unter der Berücksichtigung einer wesentlichen und wichtigen Problematik: In den Satelliten sind mehrere Atomuhren eingebaut, die die Zeitmessung sehr exakt durchführen. In den Empfängern jedoch werden meist kostengünstige(re) Quarzuhren verwendet, welche nicht exakt mit den Atomuhren synchron sind. Eine Abweichung der Quarzuhr von der exakten Zeit um nur 0,01s würde bei einer ungefähren Höhe von knapp über 20km, unter der Annahme, dass sich das Signal mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, eine Abweichung in der Ortung von circa 3000km ergeben.[31] Dies ist natürlich nicht akzeptabel. Aus diesem Grund ist, wie in Abbildung 7 zu sehen, eine Abweichung (als dick gezogene Linien dargestellt und als „Pseudo Range“[32] bezeichnet) mit einberechnet. Aufgrund der neuen Schnittpunkte der Kreise (B,C und D), welche sich aus den fehlerhaften Zeiten, die auf der Abweichung der Quarzuhren basieren, ergeben, entsteht eine Art Dreieck bezüglich der Positionsbestimmung. In dessen Mitte, welche der Empfänger berechnen kann, befindet sich seine aktuelle Position.[33]

Da die Rede von vier Satelliten war, soll nun erklärt werden, warum es noch einen vierten Satelliten benötigt, um die Bewegung und genaue Höhe des Empfängers zu ermitteln:

Die drei Satelliten senden jeweils ihre Koordinaten x, y und z, sodass der Empfänger seine Position über die Berechnung der Zeit- und Entfernungsmessung errechnen kann. Dies geschieht meist durch die „Trägerphasenmessung“[34] oder die Messung mittels Doppler-Effekt[35], sodass sich daraus resultierend drei Gleichungen mit drei unbekannten Variablen ergeben. Um nun aber die Bewegung des Empfängers ebenfalls zu errechnen, kommt die Zeit als vierte Unbekannte hinzu. Folglich benötigt man auch vier Gleichungen im Gleichungssystem, um die Unbekannten zu errechnen. Dies geschieht dann durch das Gleichsetzen der Entfernung der Satelliten (für jeden Satelliten wird eine Gleichung aufgestellt) zum Empfänger und der Distanzen aus der Laufzeitmessung des Signals unter der Annahme, dass sich das Signal mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Diese Gleichungen werden anschließend binom ausmultipliziert, sodass sich am Ende jeweils zwei reelle Lösungen für den Ort und die Zeit ergeben. Der Empfänger kann folglich zwei der Lösungen ausschließen, weil sich, bezüglich des Ortes, der eine oberhalb des Satelliten und somit nicht auf der Erde befindet, und sich, bezüglich der Zeit, der eine Zeitpunkt vor dem Absenden des Signals befindet. (Fußnote beachten!)[36]

Es ist also geklärt, wie die Positions- und Bewegungsbestimmung funktioniert, doch wurde bereits darauf hingewiesen, dass es auch zu Fehlern in der Ortung und Navigation (etwa der nicht korrekt synchronen Quarzuhr) kommen kann. Dieser Thematik soll der folgende Abschnitt gelten.

Zuerst sollen hier relativistische Korrekturen angesprochen werden. Wie bereits erwähnt und in Abbildung 7 angedeutet, kann ein Zeitfehler enorme Auswirkungen auf die Positionsbestimmung haben. Nach der speziellen Relativitätstheorie (stark vereinfacht gesagt) laufenden die (Atom)Uhren in den sich mit knapp über 14.000km/h bewegenden Satelliten „langsamer“ als die im Bezugssystem Erde „ruhenden“. Die Uhren laufen um 0,83*10-8% zu langsam. Dieser Fehler summiert sich natürlich über einen gewissen Zeitraum und würde, unkorrigiert, dafür sorgen, dass die Abweichung der Messung von der wirklichen Position des Empfängers innerhalb von zwölf Stunden ungefähr einen Kilometer betragen würde. Außerdem ist die Gravitation ein Problem, denn je stärker die Gravitationskraft, desto „langsamer“ vergeht die Zeit. Dieser „Fehler“ wirkt sich also genau entgegengesetzt (die Gravitationskraft auf den Satelliten beträgt in dieser Höhe etwa nur 6% der Gravitationskraft auf der Erde (Diese ist natürlich je nach Position auch unterschiedlich)) aus und schlägt mit 5,28*10-8% zu Buche. Bezüglich der relativistischen Korrekturen ergibt das einen Gesamtfehler von etwa 450 Nanosekunden, was, auf 24 Stunden gerechnet, in etwa eine Abweichung der Ortung von 11,5 Kilometern entspräche. Diesem Fehler begegnet man allerdings, indem man die Trägerfrequenz des Signals moduliert und diese nicht auf 1023 MHz sendet, sondern auf 1022,999999545MHz herunter setzt.[37]

Weitere Fehler gilt es zu beachten:

Die Bahnen, auf welchen sich die Satelliten bewegen, können nicht als „rund“ sondern müssen, wie bereits gezeigt, als elliptisch angenommen werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Erde selbst um die Sonne kreist und dabei ebenfalls rotiert und der Sagnac-Effekt (siehe Abbildung 8) bezüglich der Erdrotation zu unterschiedlichen Laufzeiten der Signale führt. Dies resultiert unter anderem zu einem Bahnabweichungsfehler. Des Weiteren „eiern“ die Satelliten minimal, das heißt, dass sie keine symmetrische Rotationsbewegung ausführen. Auch muss berücksichtigt werden, dass die Erde nicht als symmetrische Kugel angenommen werden kann, was ebenfalls Auswirkungen auf die Signale der Satelliten hat.[38]

Weitere zu berücksichtigende Fehlerquellen sind unter anderem „Multipath“[39] zu Deutsch: der Mehrwegeffekt, wie in Abbildung 9 dargestellt und das „Shadowing“[40]. Der Mehrwegeffekt kann vor allem in Städten zu Problemen führen. Beim Mehrwegeffekt wird das Signal des Satelliten reflektiert, zum Beispiel an Häuserwänden. Wie in der Abbildung zu sehen, verlängert sich natürlich der Weg des Signals und es kann zu einer falschen Berechnung kommen oder gar zu „Phantomzielen“, wie in der selbst erstellten Abbildung 10 angedeutet. Unter Shadowing versteht man einfach das „verschlucken“ des Signals von einem Busch, Strauch, Baum oder ähnlichem.[41]

Zuletzt sei noch auf weitere ernstzunehmende Fehler hingewiesen: atmosphärische Fehler. Da die Sonne die Erde nicht in allen Bereichen gleichmäßig erwärmt, kommt es zu Luftunruhen (turbulente Luftströmungen) beim Aufsteigen der Luft (Konvektion). Dies ist wie beim „Flimmern der Straße an heißen Tagen“ durch die Szintillation der Sterne wahrnehmbar und nennt sich „Seeing“.[42] Diese Tatsache sorgt dafür, dass sich in der Ionosphäre und in der Troposphäre ständig die Brechzahl und die Durchdringungseigenschaften der elektromagnetischen Wellen ändern. Besonders die Ionosphäre ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Schichten und der unterschiedlichen Elektronendichten schwer ausrechenbar und wirkt sich direkt auf die elektromagnetischen Wellen der Satelliten aus, wie in Abbildung 11 und 12 (stark vereinfacht) dargestellt.[43]

Wie zu erkennen ist, gibt es eine Vielzahl an möglichen Stör- und Fehlerquellen, welche die GPS-Ortung und –Navigation erheblich erschweren. Da es diese zu korrigieren gilt, soll Abbildung 13 nochmals die Korrekturfaktoren bezüglich der hier vorgestellten Fehler in Metern aufzeigen. Dabei wird klar, dass die relativistischen Korrekturen im Verhältnis zu der Rotation der Erde (Sagnac-Effekt et cetera) und den Störungen der Ionosphäre relativ gering sind, obwohl, wie vorhin dargelegt, diese auch bereits nach einem halben Tag, unkorrigiert, Auswirkungen im Kilometerbereich hätten. Es sind also exakte Berechnungen und Kontrollen erforderlich, um die genaue GPS-Navigation rund um die Uhr an jedem Ort der Erde zu ermöglichen. Doch war auch, wie beim „Shadowing“ zu erkennen, dass manche Probleme derart schwierig zu lösen sind, dass es Erweiterungen oder Alternativen geben muss. Einige ausgewählte sollen nun in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden.

[...]


[1] Im Folgenden wird ausschließlich das Maskulinum verwendet. Dies soll dem flüssigeren Lesen dienen und stellt keineswegs eine Diskreditierung oder Diskriminierung des weiblichen Geschlechts dar.

[2] Bachmann, P.: Handbuch der Satellitennavigation. GPS Technik – Geräte – Anwendung. Stuttgart 1993, S. 9.

[3] Sächsisches Ministerium für Kultus [Hrsg.]: Lehrplan Gymnasium – Physik. Dresden 2009, S. 59, Stand 2004.

[4] Ebd., S. 59.

[5] Ebd., S. 59.

[6] Jank, W./Meyer, H.: Didaktische Modelle. 9. Auflage, Berlin 2009, S. 32.

[7] Sächsisches Ministerium für Kultus [Hrsg.]: Lehrplan Gymnasium – Physik. Dresden 2009, S. 28, Stand 2009.

[8] Vgl. ebd., S. 28.

[9] Vgl. ebd., S. 28.

[10] Ebd., S. 29f.

[11] Vgl. ebd., S. 29f.

[12] Ebd., S. 30.

[13] Vgl. ebd., S. 30.

[14] Ebd., S. 28f.

[15] Vgl. ebd., S. 29.

[16] Ebd., S. 38.

[17] Ebd., S. 47.

[18] Ebd., S. 39.

[19] Ebd., S. 41.

[20] Ebd., S. 52.

[21] Ebd., S. 52f.

[22] Ebd., S. 58.

[23] Ebd., S. 59.

[24] Vgl. Zarchan, P. [Hrsg.] u.A.: Global Positioning System: Theory and Applications Volume I. 3. Auflage, Danvers 1996, S. 3-9.

[25] Hofmann-Wellenhof, B./Kienast, G./Lichtenegger, H.: GPS in der Praxis. Wien 1994, S. 6.

[26] Vgl. Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 21.

[27] Vgl. Mansfeld, W.: Satellitenortung und Navigation. Grundlagen und Anwendung globaler Satellitennavigationssysteme. Braunschweig/Wiesbaden, 1998, S. 25f.

[28] Vgl. ebd., S. 21.

[29] Vgl. ebd., S. 204f.

[30] Vgl. Strobel, J.: GPS – Global Positioning System. Technik und Anwendungen der Satellitennavigation. Poing 1995, S. 103-108.

[31] Vgl. Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 31.

[32] Bachmann, P.: Handbuch der Satellitennavigation. GPS Technik – Geräte – Anwendung. Stuttgart 1993, S. 39.

[33] Vgl. Strobel, J.: GPS – Global Positioning System. Technik und Anwendungen der Satellitennavigation. Poing 1995, S. 103-108.

[34] Mansfeld, W.: Satellitenortung und Navigation. Grundlagen und Anwendung globaler Satellitennavigationssysteme. Braunschweig/Wiesbaden, 1998, S. 159-178.

[35] Vgl. Bachmann, P.: Handbuch der Satellitennavigation. GPS Technik – Geräte – Anwendung. Stuttgart 1993, S. 23 und Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 79.

[36] An dieser Stelle soll nicht die exakte mathematische Rechnung vorgestellt werden, weil diese bereits mehrere Seiten in ausgewählter Fachliteratur füllt und dies somit den Rahmen sprengen würde. Gerne verweise ich für das Nachschlagen und exakte Verstehen dieser Mathematik aber auf ausgewählte Fachliteratur:

Gaul, L./Kistner, A./Mangold, U./Sorg, H. [Hrsg.]: Universität Stuttgart. Institut A für Mechanik. Anwendungsorientierte Genauigkeitsanalysen von satellitengestützten Trägheitsnavigationssystemen. Stuttgart 5/1998, S. 121-130.

Mansfeld, W.: Satellitenortung und Navigation. Grundlagen und Anwendung globaler Satellitennavigationssysteme. Braunschweig/Wiesbaden, 1998, S. 159-180.

Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 41-47.

[37] Vgl. Mansfeld, W.: Satellitenortung und Navigation. Grundlagen und Anwendung globaler Satellitennavigationssysteme. Braunschweig/Wiesbaden, 1998, S. 179f und Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 56f.

[38] Vgl. Zarchan, P. [Hrsg.] u.A.: Global Positioning System: Theory and Applications Volume I. 3. Auflage, Danvers 1996, S. 477f.

[39] Gaul, L./Kistner, A./Mangold, U./Sorg, H. [Hrsg.]: Universität Stuttgart. Institut A für Mechanik. Anwendungsorientierte Genauigkeitsanalysen von satellitengestützten Trägheitsnavigationssystemen. Stuttgart 5/1998, S. 99f.

[40] Thaller, G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 53f.

[41] Vgl. ebd., S. 53f.

[42] Zarchan, P. [Hrsg.] u.A.: Global Positioning System: Theory and Applications Volume I. 3. Auflage, Danvers 1996, S. 487.

[43] Vgl. ebd., S. 487-516 und Thaller,G. E.: Satellitennavigation. Das Global Positioning System (GPS). Baden-Baden 1999, S. 50ff.

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Wie funktioniert ein Navigationsgerät?
Untertitel
Gibt es Alternativen/Erweiterungen?
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Physik)
Veranstaltung
Anwendungen der Physik und ihre Didaktik
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
52
Katalognummer
V213121
ISBN (eBook)
9783656411055
ISBN (Buch)
9783656411642
Dateigröße
3577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Physik, Didaktik, Navi, Navigationsgerät, Navigationssystem, Tunnel, GPS, DGPS, AGPS, INS, Global Positioning System, Differential-GPS, Assisted-GPS, Inertiale Navigationssysteme
Arbeit zitieren
Robert Schich (Autor:in), 2012, Wie funktioniert ein Navigationsgerät?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213121

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