Der Flow. Ein Erklärungsmuster für den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges


Bachelorarbeit, 2012

35 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Überblick zum Forschungsstand

3 Darstellungsdivergenzen in den Quellen

4 Der Konfliktherd Sizilien

5 Moralische Bestärkung: Das mamertinische Hilfegesuch als Auslöser des Flow

6 Roms Reaktion: Die zögerliche Senatsdebatte

7 Der politische Kurswechsel

8 Fazit

9 Quellenverzeichnis

10 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Wie überschreitet ein Mensch seine Grenzen? Wieso steigt ein Kletterer im Free-Solo- Stil in einen Überhang ein, obwohl er doch genau weiß, welche sichere Folge ihn bei einem Absturz erwarten würde? Und warum gibt es dennoch so verhältnismäßig wenige Berichte von Unfällen in Schwierigkeitsgraden, die sich den meisten Menschen nie erschließen werden? Der Psychologe Csikszentmihalyi erklärt dieses Handeln mit dem Erleben eines Flow. Was aber hat nun ein psychologisches Phänomen mit einem Kriegsbeginn vor über 2000 Jahren gemein?

Einer der bedeutendsten Kriege Roms produziert durch seinen scheinbar übereilten Beginn eine verwirrende Unzahl von Deutungsweisen. Historikern vieler Zeiten will keine plausible Erklärung einfallen, warum sich Rom auf den Ersten Punischen Krieg überhaupt einließ. Beliebte Erklärungen sind etwa Zufall und falsche Berechnungen als „the inevitable components of great events“.[1] Mit einem psychologischen Ansatz wird in dieser Arbeit versucht, die Ereignisse, die unmittelbar zur Intervention auf Sizilien führten, neu aufzurollen. Selbstverständlich soll dabei keine historische Ferndiagnose auf Einzelpersonen entstehen, aber das Ziel ist schließlich ein einleuchtenderes Bild zu zeigen, mit dessen Hilfe die Interventionsentscheidung auf Sizilien nachvollziehbarer wird. Hierzu soll die psychologische Flow-Theorie in Teilen auf die Situation 264 v. Chr. angewendet werden. Der Flow bewirkt eine Energie bei den Handelnden, die sie ihre bisherigen Fähigkeiten übersteigen lässt. Die Hypothese ist nun, dass Rom sich an einer außenpolitischen Schwelle befand, deren Übertreten von einem oder möglicherweise mehreren nobilis, angeführt, bzw. von einer ungewöhnlich starken Dynamik getragen wurde.

Dazu werden im Folgenden Thesen über die Kriegsursachen mit dem angenommenen römischen Selbstverständnis verglichen. Die bisherigen innenpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen sollen in Bezug zueinander gesetzt werden, um am Ende zu verstehen, ob und in welchem Maße die römische Nobilität „Schuld“ an der Eskalation des Konfliktes jenseits der Straße von Messina war. Es sollen verschiedene Etappen (kurz vor) 264 eingehender betrachtet werden: die mamertinischen Attacken gegen Hieron, ihr unglückliches Hilfegesuch und die Debatten darüber sowie die Rolle des Konsuls als ‚Personifizierung‘ des Flow. Eine besonders gründliche Quellenkritik ist dabei unabdingbar, bzw. bei Vermutungen Vorsicht geboten, weil weder zeitgenössische Quellen überliefert sind, noch Schilderungen von karthagischer Seite gefunden wurden.[2] Außerdem wollen wir nicht dem Fehler unterliegen, die Geschichte rückwärts zu analysieren. Gerade in Bezug auf die gestellte Hypothese wäre es völlig verfehlt, die Ausbruchsereignisse unter Einbeziehung der späteren Entwicklung Roms zur Weltmacht zu betrachten. Stattdessen wollen wir mit den Römern mitgehen, um zu sehen, wie sie sich selbst einschätzten. Die Diskussion endet mit dem Ausbruch des Krieges, in dessen Verlauf sich die Ziele zwar noch oft wandelten, aber weiterhin Elemente der Anfangsphase zu finden wären.

2 Überblick zum Forschungsstand

„Die Frage, welche Ziele Rom verfolgte, als es 264 in Sizilien eingriff und dann vierundzwanzig Jahre gegen Karthago kämpfte, gehört wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Beschreibung und Erklärung des römischen ‚Imperialismus‘ zu den meistdiskutierten Problemen der Geschichte der mittleren römischen Republik“.[3]

Die Forschung zu Kriegsursachen und –zielen beruht auf Quellenanalysen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und teilweise abweichenden Textübersetzungen. Die resultierenden Deutungen, d.h. Kriegsschuldzuweisungen und Beschreibungen des Kriegsausbruches sind teilweise recht konträr: Entweder wurde die militärische Auseinandersetzung bereitwillig riskiert oder Rom glitt völlig ungewollt in den Krieg hinein.[4] Falls die Römer nämlich gar kein Interesse an Sizilien gehabt haben sollten, wäre es in der Tat verwunderlich, dass sie sich überhaupt haben in den Konflikt auf der Mittelmeerinsel hineinziehen lassen.[5] Allerdings gibt sogar Hoyos zu, dass die Römer ein generell kriegerisches Volk gewesen sein müssen, gleichwohl er darauf besteht, dass das nicht der Grund für jeden Krieg gewesen sein kann.[6] Selbstverständlich unterstellt nicht einmal Harris ein römisches ‚Imperialismusgen‘, allerdings stellt er fest, dass sie Kriege kontinuierlich leichtfertig riskierten und der potenzielle Ruhmerwerb eine kriegstreiberische Attitüde quasi ‚anerzog‘.[7] Am vernünftigsten wirken zunächst Argumentationen, die eine niedrige Aggressionsschwelle sowie ein komplexes Ursachengeflecht annehmen und die Kriegsbereitschaft nicht mit imperialistischer Kriegstreiberei verwechseln.[8] Dennoch erschließen sie die Frage nach dem Wesen der römischen Expansion nicht endgültig. In der Literatur finden sich daher meist recht eigenwillige Formulierungen, die einer klaren Aussage ausweichen oder sie schlicht nicht artikulieren können.[9]

Gleichfalls führten die Annäherungen über die soziale Elite und deren Einfluss auf die römische Geschichte leider oft in die Irre, weil sich die gens - und factiones -Theorien nicht halten konnten.[10] Indes sind die Untersuchungen des Kompromisses zwischen Selbstdarstellung, Durchsetzung persönlicher Ziele und Gruppendynamik oft zu sehr vernachlässigt worden.[11] Im Ergebnis erscheint unser Protagonist, der Konsul Appius Claudius Caudex, meistens als Demagoge, der den von moralischen Zweifeln geplagten Senat überging während das Volk, gelenkt von gentilizischer Beutegier, nur ausgenutzt wurde.[12] Diese communis opinio zu entkräften, soll das erste Ziel dieser Arbeit sein.

Weiterhin halte ich eine psychologische Erscheinung für eine belastbarere Erklärung der Ereignisse 264 v. Chr. Sowohl phänomenologisch als auch empirisch am intensivsten wurde eben dieses Flow-Erleben bisher von Csikszentmihalyi mit Fokus auf Freizeitaktivitäten erörtert.[13] Obwohl er mehrmals andeutet, wie universell diese intensive intrinsische Motivation auftaucht, steht ihre Erforschung noch am Anfang.[14] Ersteres begründet sich daraus, dass intrinsische, d.h. ohne äußere Anreize entstandene Motivation stets und in jeder Situation aufkommen kann. Diese innere Motivation vermag jedwede Tätigkeit in autotelische Aktivitäten umzuwandeln, die aus sich selbst heraus angestrebt, begonnen und fortgeführt werden. Die bemerkbaren Flow-Komponenten wie optimale Beanspruchung und Stimuli, das Gefühl von Kompetenz und Kontrolle sowie eine stark fokussierte Aufmerksamkeit und die Transzendenz von Ego-Grenzen lassen sich schließlich in der direkten Kriegsausbruchssituation 264, bzw. in Quellen wiederfinden. Ohne dabei eine Theorie unreflektiert überstülpen zu wollen, liefern diese Ansätze adaptiert eine plausible Erklärung für die strategisch wenig vorausschauende und daher Rom-untypische Intervention auf Sizilien, weil sie eine eher Instinkt-beeinflusste Handlungsweise zu Grunde legen. In der Verbindung von Alter Geschichte mit Psychologie werde ich also ein neues Gebiet betreten, in dem ich eine Ursache für die Mentalität/ Art und Weise des römischen Imperialismus vermute.

3 Darstellungsdivergenzen in den Quellen

In der Frage der Beratungen vor dem Eingreifen in Messana gehen die Schilderungen der Forschung in teilweise konträre Richtungen. Einerseits liegen diese Unsicherheiten in den unterschiedlichen Quellenberichten sowie deren Auslegung begründet, andererseits inhaltlich im Wesen des Flow selbst, wie später noch gezeigt werden wird. Für die karthagische Geschichte gibt Ameling die Quellenlage fast ironisch wieder:

„Nachdem G. Picard (…) die Möglichkeit leugnete, eine Geschichte Karthagos vor 480 schreiben zu können, hat W. Huß zu Beginn seiner ‚Geschichte der Karthager‘ sogar erklärt: ‚Meine Skepsis reicht weiter: auch für die Zeit nach der Schlacht von Himera läßt sich keine Geschichte Karthagos schreiben (…)“.[15]

Auf römischer Seite befindet sich die Historiographie noch in ihren Anfängen und hinterlässt noch längst keine derart genauen Zeugnisse wie z.B. später Ciceros Briefe. Sie idealisiert die frühe Römische Republik leider allzu oft. Des Weiteren liegen für den Kriegsausbruch 264 keine direkten Zeitzeugenberichte vor.[16] Die Verwendung der Berichte Philinos‘ und Fabius Pictors führt oft zu Unklarheiten, weil ihre ‚nationalen‘ Sympathien Sachverhalte verfälscht haben könnten.[17] Daher beschränken wir uns nur auf Grundannahmen: Erstens ist ein „none-too-successful patching together“, bzw. der „attempt to dovetail two diverging accounts“ beider in Polybios sicher.[18] Zweitens, gerade Philinos‘ Ressentiments sind womöglich ein Grund, warum der Moderne überhaupt ein Debattenbericht über das mamertinische Hilfegesuch vorliegt.[19]

Einig sind die Quellen dahingehend, dass schließlich dem mamertinischen Hilfegesuch stattgegeben wurde. Polybios‘ Bericht über die Debattierenden und ihre Diskussion aber wirkt zunächst recht schwammig, obwohl man von ihm mit Sicherheit genauere Angaben zur Stimmung und einzelnen Strömungen im Senat hätte erwarten können.[20] Schließlich will er Ereignisse erforscht und ohne eitle Selbstdarstellung seiner rhetorischen Fähigkeiten gezeigt haben, welche Aktionen Staaten zu Sieg oder Niederlage führten.[21] Generell ist Polybios eine verhältnismäßig analytische, reflektierende und ausführliche Quelle, welche die moralisch anspruchsvolle Frage stellt, ob man Roms Emporkommen loben oder kritisieren sollte. Kritikpotenzial liefern hingegen seine zum Teil bedeutungsverändernden Übertreibungen, Zusammenkürzungen oder Auslassungen.

Mit Bezug auf die Debatte 264 kann ihm das jedoch nicht als erstes vorgeworfen werden. Vermutlich schilderte er unbeabsichtigt eine tatsächliche, aber zögerliche senatorische Risikobereitschaft. Hätte der Senat mit Sicherheit gewusst, worauf er sich in Messana einließ, oder die Zerstörung Karthagos 146 v. Chr. vorhersehen können, wären Fabius Pictors und Philinos‘ Schilderungen so anders ausgefallen, dass Polybios ebenfalls ein konstant selbstbewusstes Bild gezeichnet und stets betont hätte, dass die Entscheidung für eventuelle militärische Auseinandersetzung durch einen Senatsentscheid zu Stande gekommen war. Daher könnte man sogar vermuten, dass Polybios sich noch immer im gleichen Aufwind, bzw. im Flow der römischen, territorialen Ausdehnung sah.[22] Seine teilweise abenteuerlich aufgeregte Beschreibung spiegelt vermutlich die Stimmung (vieler) seiner Zeit(genossen) wieder. Es scheint folglich ungerecht, Polybios zu unterstellen, er habe mutwillig Sachverhalte gefälscht, um das Senatsimage ‚aufzupolieren‘. Vielleicht brachten sogar gut hundert Jahre noch zu wenig objektiven Abstand zu den Ereignissen.

Cassius Dio und Zonaras hatten diesen Abstand definitiv. Natürlich werden dieser Fakt sowie die starken Kürzungen des Epitomators meist gleich als erste Kritikpunkte aufgefasst.[23] Bleckmann verortet Dios Quellen in zeitgenössischen Zeugnissen sowie in der römischen Annalistik und betont damit Dios Stellenwert für die Deutung der Ereignisse im 3. Jahrhundert. Zonaras‘ Tätigkeit ist ebenfalls bemerkenswert: Trotz des Exzerpierens, präsentiert er widerspruchsfreie, eindeutige Aussagen, ohne Kommentare oder Verfälschungen eingefügt zu haben.[24] Meiner Meinung nach ist das entscheidende Argument, Cassius Dios Berichte als Hauptquellen zu nutzen, einfach und logisch: Zwar untersuchte er ereignisgeschichtlich, vor allem aber strebte er an, Kausalzusammenhänge und Motivationen zu erkennen sowie langfristige Beweggründe zu analysieren. Dies vollbringt der Autor deshalb so objektiv, weil er eben erst fast fünf Jahrhunderte nach den Geschehnissen schrieb und dennoch relevante Quellen untersuchte. Nur wegen der angestrebten komplexen Deutung konnte er das römische Flow-Erleben zum Ausbruch des Punischen Krieges so reflektiert beschreiben.

[...]


[1] Vgl. Hoyos, 1998, 4.

[2] Vgl. Hoyos, 1998, 3.

[3] Bleckmann, 2002, 57.

[4] Vgl. Heuß, 1949, 459. Kompromiss-Ansichten finden sich bei Molthagen, 1975, 90/ 126f.

[5] Vgl. Molthagen, 1975, 104: Molthagen ist überzeugt, dass weder Rom noch Karthago einen aggressiven Expansionsdrang hatten und es ebenso wenig einen „elementaren Gegensatz“ zwischen beiden gab.

Vgl. Hoyos, 1998, 1/ 24f: Hoyos interpretiert Dios Aussage, „[the conflicts] plunged them into war“ dergestalt, dass beide ungeplant, aus Versehen und wörtlich in einen so bedeutungsschweren Krieg ‚hineinrutschten‘, weil diplomatische Verträge nicht ausreichend an das zunehmende Machtpotenzial beider Parteien angeglichen worden waren. Auf ähnliche Weise führen die „clumsy and hesitant“ Militäraktionen Hoyos zu der These, die Römer wollten den Krieg eigentlich nicht (vgl. Hoyos, 1998, 275). Vgl. Kostial, 1995, 169ff: Kostial behauptet, dass die Römer den Friedens-, an Stelle des Kriegszustandes als Normalität empfunden hätten und sie deshalb aus moralischen Gründen stets versucht hätten, nur belli iusti zu führen – Harris kritisiert Kostials Arbeit in seiner Rezension berechtigt scharf (vgl. W. V. Harris, 2000, 561ff).

[6] Vgl. Hoyos, 1998, 26.

[7] Vgl. Harris, 1985, 10/ 33/ 41. Freilich schildern Polybios (Pol. I, 6, 3f) und Dio (Dio X, 42 und Zon. VIII, 6) eifrig den römischen Aufstieg, aber eine verinnerlichte imperialistische Herrschaftsdenkweise belegen die Quellen zu der Zeit noch nicht, wenngleich sie spätestens bei der Zerstörung Karthagos (und Korinths) sicher vorhanden war.

Vgl. Harris, 1985, 4 zur definitiven Anwendbarkeit der Imperialismusdefinition auf Rom sowie S. 109ff/ 163 zu dessen Ummantelung mit der Formulierung ‚defensiver Imperialismus‘ vs. Hoyos, 1998, 272, der Harris‘ ‚Imperialismus‘ ‚Hegemonie‘ nennt. Dennoch muss der Kontinuität der römischen Imperialismusmentalität teilweise widersprochen werden.

[8] Vgl. Pfeilschifter, 2005, 16 zur relativ niedrigen römischen Aggressionsschwelle. Ferner: „[No] single factor, however profound or generalised, can be offered as the cause of the conflicts“ (Hoyos, 1998, 4). Trotzdem bemerkt Hoyos: „The Romans might at times be provoked by equally ambitious rivals, but whenever that happened they were ready to fight“ (vgl. Hoyos, 1998, 25).

[9] Vgl. Bleckmann, 2002, 59 Anm. 1 (und S. 110): Bleckmann versucht den vorgefundenen Widerspruch mit „defensivem Imperialismus“ zu beschreiben. Mommsen denkt zwar in eine vielversprechende Richtung, aber nicht zu Ende: „[So] gab die Eroberung Italiens den Römern wie die Griechenlands den Makedoniern, wie die Schlesiens den Preußen, den Mut, eine neue politische Bahn zu betreten“ (Mommsen, 1993, 34). Ebenso fragen sich Heuß, was „den Krieg ins Rollen“ brachte, und Molthagen, ob ein neues Herrschaftsdenken gerade 264 entstanden sein könnte (vgl. Heuß, 1949, 459 und Molthagen, 1975, 127 sowie Hoyos, 1998, 271).

[10] Der grundsätzlichen Argumentation von beispielsweise Münzer, 1963, 53ff/ 57f/ 63 widerspricht die moderne Forschung, die maximal von befristeten, politischen Gemeinschaftsambitionen ausgeht (vgl. Bleckmann, 2002, 68). Eine solche Konstanz zu vermuten, erleichtert allerdings oft die Erklärung politischer Entscheidungsprozesse, weshalb z. T. noch immer Historiker annehmen, einige gens hätten das Volk nur nach ihrem Willen gelenkt und manipuliert (vgl. Lazenby, 1996, 18f ).

[11] Allerdings versucht man das aufzuholen, was Gelzer 1912 begonnen hatte: Nachdem dieser die Nobilität quasi entdeckt hatte, veröffentlichte Bleckmann vor wenigen Jahren eine umfassende Untersuchung zu ihrem Wirken im Ersten Punischen Krieg, in der er das Verhältnis unterschiedlicher sozialer Schichten zu einander betrachtet und Entwicklungslinien zu identifizieren sucht.

[12] Vgl. Eckstein, 1980, 176 Anm. 5 mit einer langen Liste von Vertretern dieser Meinung.

[13] Vgl. Csikszentmihalyi, 1975, 16/ 60: Csikszentmihalyi beschränkt sich auf das Klettern, die Chirurgie (die er als mehr als ‚nur‘ einen Beruf zeigt) und das Schachspielen, etc., um diese minimalen Forschungsgebiete gründlich bearbeiten zu können. Falko Rheinberg forscht mit ähnlicher Definition und Ausrichtung (vgl. Rheinberg, 2009, 259). Dabei werden natürlich auch viele Bereiche besprochen, die für den althistorischen Rahmen gänzlich uninteressant sind, etwa, wie man im Alltag den Flow fördern und der Langeweile vorbeugen kann oder Fragestellungen zur akademischen Leistungsmotivation (vgl. Csikszentmihalyi, 1975, 15/ 21ff/ 58/ 77 und Rheinberg, 2004, 155ff/ 165ff).

Vgl. zu Definitionen intrinsischer Motivation: Csikszentmihalyi, 1975, 35/ 49f/ 108ff sowie Rheinberg, 2004, 155/ 165 und Rheinberg, 2009, 258f.

[14] Das Flow-Phänomen kann in der Geschichte und in jedem Lebensbereich wiedergefunden werden (vgl. Rheinberg, 2004, 154 und Csikszentmihalyi, 1975, 11f über eine Anekdote bei Herodot zum Flow durch simples Spielen und S. 59 über Flow-Erleben in unvorstellbaren Situationen wie im Krieg, in Internierungslagern oder am Fließband).

Zudem stellt er fest, dass dasselbe Phänomen meist unterschiedlich bezeichnet wird, so z.B. als ‚Funktionslust‘, ‚universeller Tätigkeitsanreiz‘ oder ‚Schaffensrausch‘ (vgl. Csikszentmihalyi, 1975, 9/ 46; Rheinberg, 2004, 154; Rheinberg, 1996, 106). Er selbst bezeichnete es als Flow-Erleben, weil eine Vielzahl seiner Befragten dieses Wort nutzte, um ihre Erfahrungen zu schildern.

[15] Ameling, 1993, 6 (und Hoyos, 1998, 3): Das denkbar übersichtliche karthagische Quellenangebot besteht also lediglich aus wenigen Inschriften oder Beschreibungen anderer Völker, die meist eher aus schiefen Blickwinkeln über das Mittelmeer ins heutige Tunesien schauen. Zur Flotte sei in aller Kürze angemerkt, dass zahlenmäßige Angaben zwar „notorisch überhöht“ sind, Polybios ihr aber zutreffend bestätigt, wesentlich stärker gewesen zu sein, als die römische (vgl. Pol. VI, 52, 1 und Ameling, 1993, 195).

[16] Vgl. Flach, 1992, 61 und Bleckmann, 2002, 14/ 54. Eine intensivere Aufarbeitung der Vergangenheit setzt erst für die Zeit nach dem Ersten Punischen Krieg ein. Vorteilhaft ist allerdings, dass sich die Historiographie mit eben jenen beschäftigt, die militärische Oberbefehle oder politische Ämter innehatten und somit verhältnismäßig gut dokumentiert sind.

Eine der vermutlich aussagekräftigsten und umfangreichsten Quellen zum Thema ist jedoch verlorengegangen, bzw. die entscheidenden Bücher (XII – XVI) aus ab urbe condita sind nur noch als epitomae oder periochae erhalten. U. a. Heuß geht davon aus, dass es sich bei den Epitomen des Livius von Florus eigentlich um eine Zusammenstellung mehrerer Autoren handelt (vgl. Heuß, 1949, 461).

Ampelios, Orosius, etc. sollen hier keine weitere Erläuterung finden, da sie, wenn überhaupt, nur als Nebenquellen auftauchen werden. Ihre Schilderungen sind für unsere Belange zu allgemein. Ähnliches gilt für Naevius, von dem ebenfalls nur noch Fragmente seines Bellum Poenicum erhalten sind, obwohl sie nicht nur epischen Wert haben.

[17] Vgl. z.B. Bleckmann, 2002, 55; Bleicken, 1999, 153 sowie Flach, 1992, 60/ 63 und Walbank, 1972, 78. Diskussionen darüber, wer Polybios, an welcher Stelle, wie beeinflusst haben könnte, sind ausgesprochen schwierig. Sie lassen fast immer auch eine plausible und zugleich völlig konträre Auslegung zu.

Dennoch mutet es wahrscheinlich an, dass Polybios seine tendenziell positiven Äußerungen über den Senat von Fabius Pictor bezog. Als dessen Mitglied wollte letzterer ihn sicherlich als ausgleichendes und völlig schuldfreies Gremium zeigen, um somit auch der anti-römischen Stimmung in Griechenland entgegenzusteuern (vgl. Heuß, 1949, 468 und Flach, 1992, 61/ 66: „Schob er [Appius Claudius Caudex] die Schuld und der Volksversammlung die Verantwortung zu, konnte [Fabius Pictor so] den römischen Senat am bequemsten von dem Verdacht der Besitzgier reinwaschen.“).

Heuß hingegen zweifelt zu Unrecht an Polybios: Angeblich hätte er die zu ehrenvolle Beschreibung des Kriegsausbruchs von Fabius Pictor übernommen. Eine derartige Stimmung kommt, m. E., aber gar nicht auf (vgl. Heuß, 1949, 473f/ 482).

[18] Eckstein, 1980, 181 Anm. 19 und Eckstein, 1987, 81 sowie vgl. Bleckmann, 2002, 33 und Ruschenbusch 19080/ 81, 55/ 57f.

[19] Vgl. Flach, 1992, 64 und Heuß, 1949, 475.

[20] Vgl. Pol. I, 3,5 und Walbank, 1972, 21: Polybios ist, unter den erhaltenen Quellen, dem Kriegsausbruch zeitlich am nächsten. Seine pro-römische Argumentation stellt die Punischen Kriege als wichtigsten Sieg der römischen Geschichte dar. Obwohl Walbank annimmt, dass die Bücher I bis V erst etwa 150 v. Chr. veröffentlicht wurden, also bevor Scipio Aemilianus steigenden Einfluss im Senat erlangte, ist davon auszugehen, dass Polybios sehr tiefe Einblicke in das Funktionieren der Römischen Republik gewann – auch in vertrauliche Senatsdebatten (vgl. Pol. VI, 11-18 und Walbank, 1972, 8/ 19).

[21] Vgl. Pol. XII, 25b, 1 und Pol. III, 20, 5 sowie Pol. II, 56, 10. Löblich sind seine drei Voraussetzungen für wissenschaftliches Arbeiten: Quellenstudium sowie das Sammeln topographischer Kenntnisse und eigener Erfahrungen (vgl. Pol. XII, 25e, 1-7, ferner Pol. I, 4,7-10 sowie I, 3, 9 und I, 12, 6). Flach unterstützt Polybios‘ ehrliche Wissbegier daran, wie Rom derart rasant aufsteigen konnte und folgert, dass er wohl kaum Zusammenhänge verfälscht haben konnte (vgl. Flach, 1992, 52f).

In Pol. I, 13, 6-8 begründet er seine Kürzungen natürlich mit der Funktion der Prokataskeue, dennoch wiegen einige chronologische und durch seine Schwerpunktsetzung verursachte Unklarheiten zu stark, als dass man ihn als „eindeutig und unmißverständlich“ loben dürfte (vgl. Heuß, 1949, 465f zum Problem der Datierung der Schlacht am Longanos). Hoyos wirft Polybios sogar zeitweise vor, „[he is] lying outright“ (Hoyos, 1998, 2/ 285). Vgl. Bleckmann, 2002, 19f/ 55f / 67: Bleckmann geht zwar davon aus, dass ihm annalistische Zeugnisse vorlagen, die erwiesenermaßen Senatsbeschlüsse – wenn auch nicht ihr Zustandekommen – festhielten, und dass er diese auch nutzte, Polybios dennoch von der ‚Scipionen-Familie‘ beeinflusst war. Ferner kritisch: Molthagen, 1975, 90 und Walbank, 1972, 28/ 43/ 84.

[22] Vgl. Csikszentmihalyi, 1975, 59f und Rheinberg, 2004, 162: Das Ende eines Flow kann nur abstrakt beschrieben werden, z.B. durch einen Misserfolg oder das Erreichen eines Zieles. In Bezug etwa auf das Klettern könnte ein Absturz als Misserfolg zählen, bzw. das Erreichen eines Gipfels als ein Ziel. Beide Ereignisse würden zu einer Reflexion des Erlebten führen, entweder in Form einer Fehlersuche oder einer Rekapitulation der Errungenschaft.

Im militärischen Kontext könnten demzufolge eine Niederlage als Misserfolg oder die Eroberung einer Insel als Haltepunkte wahrgenommen werden. Möglicher Weise war ein Autor wie Cassius Dio, der mit viel mehr Distanz und im Angesicht vieler dazwischen liegender Niederlagen schreiben konnte, gerade deshalb eher in der Lage, ein Verständnis für die Handlungen zu entwickeln. Diese Haltepunkte sind allerdings in hohem Maße subjektiv, weshalb Aussagen über Polybios‘ mentalen Schreibzustand wirklich nur Vermutungen bleiben sollten.

[23] Vgl. Bleckmann, 2002, 35ff/ 44/ 50/ 55: In jüngerer Vergangenheit unternahm Bleckmann große Anstrengungen, die bisherige Ablehnung Dios auf Grund seiner ‚erst‘ kaiserzeitlichen Darstellung zu relativieren. Er entkräftet das Argument, Dio wäre nur dann mit Polybios als der Quelle schlechthin vergleichbar, wenn nachweisbar wäre, dass Dio aus mindestens ebenso alten und zuverlässigen Quellen schöpfte, wie Polybios. Im Gegenteil: Cassius Dio sei keine umformulierte, ursprünglich prokarthagische Quelle (also nicht von Philinos beeinflusst), sondern er bediente sich einfach der typischen überheblichen (und daher natürlich pro-römischen) Schreibweise, ergo: er ist die römische Quelle schlechthin.

[24] Vgl. Ruschenbusch, 1980/ 81, 59 und Bleckmann, 2002, 35: Aus Zonaras‘ Erwähnung des Hilfegesuch und der römischen Angst vor der karthagischen Machtausdehnung lässt sich schließen, dass bei Cassius Dio eine noch längere Dokumentation der Debatte zu finden gewesen sein muss.

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Details

Titel
Der Flow. Ein Erklärungsmuster für den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges
Hochschule
Technische Universität Dresden
Autor
Jahr
2012
Seiten
35
Katalognummer
V230851
ISBN (eBook)
9783656578895
ISBN (Buch)
9783656582687
Dateigröße
765 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flow, Erster Punischer Krieg, Appius Claudius Caudex, Csikszentmihalyi
Arbeit zitieren
Cordula Zwanzig (Autor:in), 2012, Der Flow. Ein Erklärungsmuster für den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230851

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