Die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099

Lehrprobe Geschichte, 10. Klasse


Unterrichtsentwurf, 2011

17 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


1. Bedingungsanalyse

Klassensituation und Kompetenzstand der Klasse

Ich unterrichte die Klasse xy seit Schuljahresbeginn selbständig im Fach Geschichte. Die

Klasse ist mit 29 Schülerinnen und Schülern[1] sehr groß und lebhaft. Das Interesse am Fach Geschichte ist bei vielen groß, was sich an guter Mitarbeit und breiter Diskussionsbeteiligung zeigt. Auch die Lernatmosphäre in der Klasse ist trotz ihrer Größe sehr angenehm.

In ihrem Lern- und Leistungsniveau zeigt die Klasse eine gewisse Heterogenität. Vier bis fünf SuS heben sich als diskussionsfreudige Leistungsträger aus der Klasse hervor. Sie erfassen die Unterrichtsinhalte schnell und hinterfragen sie mit Eigeninitiative. Der Unterricht wird regelmäßig von ihnen getragen. Andere Schüler hingegen beteiligen sich weniger und fünf bis sechs, vorwiegend Mädchen, sind zwar aufmerksam, aber sehr still und werden deshalb öfters aufgerufen.

Die Analyse verschiedener Bildquellen sowie der Vergleich von Textquellen bilden einen der

methodischen Schwerpunkte dieses Schuljahres.

Aufgrund der Klassengröße nehmen Sozialformen wie Gruppenarbeiten oder Gruppenpuzzles

innerhalb einer Unterrichtsstunde sehr viel Zeit in Anspruch, diese werden aber dennoch in regel- mäßigen Abständen praktiziert. Der Schwerpunkt liegt aber dennoch auf Einzel- und

Partnerarbeit, wobei eine größtmögliche Schüleraktivität immer im Vordergrund steht.

Die SuS sind einen problemorientierten Geschichtsunterricht gewohnt und vielen gelingt es bereits, Ergebnisse auf abstrakter Ebene zu bewerten.

2. Bezug zu den Bildungsstandards

3. Vielfalt und Einheit Europas – Formierung Europas im Mittelalter

a. Stufenspezifische Hinweise

- „Wachsende Abstraktionsfähigkeit und methodische Kompetenzen ermöglichen einen selbstständigen, zielgerichteten und sachgerechten Umgang der Schülerinnen und Schüler mit Quellen [und] fachwissenschaftlichen Texten […].“
- „Sie entwickeln ihre Fähigkeit zu multiperspektivischer Betrachtung und differenzierter Beurteilung historischer Entwicklungen und Sachverhalte weiter.“

b. Kompetenzen und Inhalte

Die SuS können „die Ursachen der Kreuzzüge beschreiben und deren Bedeutung für die Formierung Europas beurteilen.“

c. Konkretisierungen der historischen Kompetenzen, an denen in dieser Stunde gearbeitet werden soll

Die SuS können

- zwei Bildquellen und ihre Textelemente beschreiben (Niveaustufe I, K1) und vergleichen (Niveaustufe II, K2) sowie eine Fragestellung daraus ableiten.
- in der Gruppe aus einem Quellentext relevante Informationen selbständig herausarbeiten (Niveaustufe I, K3), diese analysieren (Niveaustufe II, K4 ) und mit anderen Quellen vergleichen (Niveaustufe II, K5)
- Quellenaussagen beurteilen (Niveaustufe III, K6) und erörtern (Niveaustufe III, K7)

3. Einordnung in den Unterrichtszusammenhang

Die Behandlung der Kreuzzüge in der 10. Klasse soll weniger chronologisch als vielmehr themenorientiert erfolgen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Beitrag der Kreuzzüge zur Herausbildung einer europäischen Identität gelegt. Nachdem in der ersten Stunde dieser Einheit die Entstehung der Kreuzzugsidee in Europa in Bezugnahme zur Theorie des ´gerechten Krieges´ von Augustinus thematisiert wurde, stehen in der heutigen Stunde verschiedene Bewertungen der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099 im Zentrum.

In den folgenden Stunden werden die Folgen der Kreuzzüge für Europa und die Instrumentalisierung des Kreuzzugsbegriffes untersucht werden.

4. Gegenstand der Unterrichtsstunde

a) Sachanalyse

Der Erste Kreuzzug von 1096 bis 1099 war der spektakuläre Auftakt zu einer langen Reihe militärischer Unternehmungen zur Verteidigung oder Rückgewinnung des Heiligen Landes. Er hat in der mittelalterlichen Überlieferung und in der historischen Forschung eine herausragende Stellung eingenommen[2]. Gerade deshalb ist eine Beschäftigung mit dieser Thematik geeignet, zu einer Perspektivenerweiterung in den Köpfen der SuS beizutragen, auch weil die Kreuzzüge heute mehr denn je im Bewusstsein der Öffentlichkeit stehen[3].

Bei der Eroberung Jerusalems 1099 im Verlauf des Ersten Kreuzzuges hatten die Kreuzfahrer bereits zahlreiche Kämpfe und Strapazen hinter sich. Die Stadt war gut befestigt, alle Christen waren ausgewiesen worden, um einen Verrat wie bei der Belagerung Antiochias auszuschließen. Am Morgen des 15. Juli gelang es einigen Kämpfern des lothringischen Kontingents, die nördliche Stadtmauer zu überwinden und die anderen Krieger in die Stadt zu lassen. Hiermit begann ein schreckliches Massaker, das in der jüdischen und mehr noch in der islamischen Welt Entsetzen hervorrief und das kollektive Gedächtnis prägte[4]. Dennoch lässt sich eine seit Jahrhunderten wahrgenommene Diskrepanz in der Beurteilung der Kreuzzüge und damit auch der Begleitumstände der Eroberung Jerusalems im Juli 1099 feststellen[5]. Während die zeitgenössischen christlichen Chronisten, die teilweise selbst Augenzeugen waren, den Gegensatz zwischen dem Triumph der Christenheit und der gleichzeitigen Ausrottung der Heiden herausstellen und dabei das blutrünstige Vorgehen deutlich hervorheben, steigern Darstellungen arabischer zeitgenössischer Quellen die Exzesse der Kreuzfahrer ins Unermessliche: Dem arabischen Chronist Ibn al-Atir zufolge sollen allein in der al-Aqsa-Moschee nicht weniger als 70.000 Muslime umgebracht worden sein[6]. In historischen lateinischen Liedern und Dichtungen des 12. und 13. Jahrhunderts werden die Kreuzritter und ihre Taten immer wieder gepriesen und verherrlicht. Die Geschichtsschreiber des 18. Jahrhunderts betrachten die Kreuzzüge vorrangig skeptisch, wie es ihrer Einstellung zum Mittelalter und ihrem Ritterbegriff entsprach. Die Äußerungen aus dem 19. Jahrhundert sind zwar gegenüber einzelnen Aspekten der Kreuzzugsbewegung nicht unkritisch, betrachten sie aber insgesamt eher verklärend. Hierbei wird ebenso deutlich wie in Darstellungen der NS-Zeit oder der DDR, dass die aktuelle Gegenwart die Deutungen prägt. Besonders nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges werden die Kreuzzüge und die ihnen vorausgehenden Pogrome in die Nähe des Holocaust gerückt. Dennoch hat man zugestanden,

dass die Ereignisse nicht eindeutig als „Massenmord, Heldentat oder Erlösungswerk“ klassifiziert werden können[7].

Somit muss man sich mit den Worten Jasperts auch in Bezug auf dieses Ereignis vor einfachen Erklärungsmustern hüten und sich der Mühe unterziehen, die Geschehnisse aus ihrer Zeit und deren Denken heraus historisch zu erklären[8].

b) Methodisch-didaktische Analyse

Bei vielen SuS ist die Vorstellung verbreitet, man könne Geschichte, so ´wie sie tatsächlich war‘, etwa durch handwerklich sorgfältige Quellenarbeit ´rekonstruieren´. Als ´Geschichte´ gilt das, was man eben aus Quellen und seriösen Geschichtsdarstellungen entnehmen kann[9].

In der heutigen Unterrichtsstunde sollen die SuS deshalb anhand des Vergleichs verschiedener Quellen und Bewertungen zu einem Ereignis den Konstruktionscharakter historischer Beschreibung erkennen. Sie kann nur „die Vergangenheit ausgehend von Fragestellung der Gegenwart kontrolliert untersuchen und möglichst plausibel deuten“[10], da sich die Deutungen der Vergangenheit ständig im Horizont der jeweiligen Gegenwart ändern. Exemplarisch soll diese Kompetenz an der Darstellung der Eroberung Jerusalems 1099 ausgebildet werden.

Als Einstieg habe ich zwei Ausstellungsplakate zu den Kreuzzügen gewählt. Durch ihre Beschreibung und ihren Vergleich soll den SuS die Diskrepanz auch in der aktuellen Beurteilung der Kreuzzüge bewusst werden. Diese Erkenntnis bildet die Basis für die Leitfrage der heutigen Stunde, nämlich wie unterschiedlich ein und dasselbe Ereignis dargestellt werden kann und welche Motive hierfür ausschlaggebend sind.

In der Erarbeitungsphase sollen sich die SuS in Gruppen arbeitsteilig mit multiperspektivisch ausgewählten Quellen und kontroversen Forschungspositionen zur Eroberung Jerusalems 1099 auseinandersetzen (Rekonstruktion) und diese im Hinblick auf das gesellschaftspolitische Umfeld des jeweiligen Autors kritisch hinterfragen (Dekonstruktion), um sich anschließend selbst eine Meinung bilden zu können.

Eine optimale Auseinandersetzung der SuS mit den verschiedenen Quellen würde erfolgen, wenn jeder der SuS alle Quellen zunächst für sich erarbeiten würde. Dies würde jedoch mehrere Stunden in Anspruch nehmen[11]. Auch ein Gruppenpuzzle wäre denkbar, würde aber ebenso eine Doppelstunde in Anspruch nehmen. Deshalb habe ich mich für die arbeitsteilige Variante entschieden. Das heterogene Leistungsniveau und eine unterschiedliche stark ausgeprägte Kompetenz mit eigenständiger Quellenarbeit der SuS spricht für die Erarbeitung in der Gruppe, da dies den SuS Sicherheit bietet und sie zudem in kooperativen Lernformen übt. Dadurch können sich sehr viel mehr Lernende am Arbeitsprozess beteiligen, als dies im Unterrichtsgespräch der Fall wäre[12]. Die Gruppeneinteilung erfolgte aus zeitökonomischen Gründen bereits in der vorigen Stunde.

Mir ist bewusst, dass diese Quellenauswahl nicht das gesamte Spektrum der Bewertung dieses Ereignisses widerspiegeln kann. Dennoch wurden Quellen ausgewählt, durch die den SuS möglichst viele Sichtweisen auf das Ereignis präsentiert werden. Damit wird die in den Bildungsstandards gestellte Forderung nach Multiperspektivität eingelöst.

Indem die SuS die Quellen im Hinblick auf die Standortgebundenheit ihrer Urteile untersuchen, soll ihnen deren Perspektivität und Standortgebundenheit bewusst werden[13]. Durch diese historische Verortung der Quellen können die SuS diese im Licht ihrer historischen Entstehung und Entwicklung reflektieren[14], wodurch ihre Urteilskompetenz gefördert wird. Angestrebte Kompetenzen sind hierbei zudem die „Narrativität als ein wesentliches […] Element historischer Rekonstruktion und Ergebnispräsentation sowie die Fähigkeit zu Kritik, Argumentation, Urteilsbildung und Präsentation auf der Grundlage des fachgerechten Umgangs mit Quellen und Darstellungen[15] “. Durch die anschließende Präsentation der jeweiligen Bewertung wird die Präsentationskompetenz ebenso geschult wie die Fähigkeit, Ergebnisse in eigenen Worten in eingeschränktem Umfang zu präsentieren.

[...]


[1] Im Folgenden SuS genannt.

[2] Vgl. Jaspert, Nikolas: Die Kreuzzüge, Darmstadt 52010, S. 44.

[3] Zum einen gibt es fundierte Ausstellungen, z.B. die große „Jubiläumsausstellung“ 2004 in Mainz; zum anderen ist der

Begriff „Kreuzzug“ mit all seinen Konnotationen Teil der alltäglichen Geschichtskultur und wird auch bei den

Jugendlichen z.B. durch Filme wie „Königreich der Himmel“ (2004) geprägt.

[4] Vgl. Jaspert, S. 42.

[5] Vgl. Elm, Kaspar: Die Eroberung Jerusalems im Jahre 1099, S. 37.

[6] Vgl. Ibn-al-Atir, zitiert nach: F. Gabrieli: Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, München 1973, S. 49f.

[7] Vgl. Elm, S. 36.

[8] Vgl. Jaspert, S. 37.

[9] Vgl. Wunderer, Hartmann: Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II, Schwalbach/Ts. 2000, S. 16.

[10] Vgl. Sauer, Michael: Geschichte unterrichten, Seelze-Velber 82009, S. 69.

[11] U. u. H.-J. Krautheim setzen bspw. für ein derartiges Modell im Zusammenhangmit der Agrarreform der Gracchen 8

Unterrichtsstunden an (vgl. Geschichte lernen Nr. 139 (2011): Kompetenzorientiert unterrichten, S. 32ff.).

[12] Vgl. Adamski, Peter: Gruppen- und Partnerarbeit im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2010, S. 11.

[13] Dies ist auch eine elementare Forderung der Bildungsstandards.

[14] Vgl. Wunderer, S. 19.

[15] Zitiert nach: Bildungsstandards Geschichte, Leitgedanken zum Kompetenzerwerb, S. 216.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099
Untertitel
Lehrprobe Geschichte, 10. Klasse
Note
1,5
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V231685
ISBN (eBook)
9783656508311
ISBN (Buch)
9783656620624
Dateigröße
699 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eroberung, jerusalems, kreuzfahrer, lehrprobe, geschichte, klasse
Arbeit zitieren
Nina Hirschle (Autor:in), 2011, Die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231685

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden