Lebensstil „Single“ als typische Lebensform moderner Risikogesellschaften?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklung moderner Lebensformen in der Risikogesellschaft
2.1. Begriffsdefinition „Lebensform“
2.2. Zum Wandel von Lebensformen in der Moderne.
2.3. Entwicklung der „Risikogesellschaft“

3. „Single“ als typisch großstädtische Lebensform
3.1. Begriffsdefinition „Single“
3.2. „Single“ und soziale Netze
3.3. „Single“ und Arbeiten
3.4. „Single“ und Wohnen
3.4. „Single“ und Freizeit

4. Gesellschaftliche Auswirkungen der Lebensform „Single“.

5. Kritische Stellungnahme zu den vorgestellten Theorien

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Er feiert mit Freunden, kriegt spannende Ausland-Jobs und erntet trotzdem mitleidige Blicke: der Single. Nur 15 Prozent der Alleinstehenden sind glücklich, ergab eine Parship-Umfrage. Aber warum eigentlich? Schließlich gibt es gute Gründe, warum es toll ist, solo zu sein.“ lautet die provokante Einleitung zum Online-Artikel „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind Single! Elf Gründe, warum Alleinsein nicht schlimm ist“ des Online-Magazins BILD.DE vom 03.06.2011. Nach diesem Artikel gilt das Single-Dasein nicht als „riskante Lebensform“, wie das Single-Dasein im Online-Artikel „Leben ohne Partner: "Singles wandern auf schmalem Grat"“ des Online-Magazins SPIEGEL ONLINE vom 09.11.2010 dargestellt wird, sondern eher als erstrebenswertes Ziel. Untermauert wird dies mit Aussagen, dass Singles kein Mitleid bräuchten, nur weil sie den richtigen Partner noch nicht gefunden haben, denn Singles hätten eher die Qual der Wahl, da immerhin jeder Dritte in Deutschland allein lebe. Außerdem wäre das Leben als Solist die meiste Zeit sogar echter Luxus, denn man könne bis zum Nachmittag schlafen, teure Schuhe kaufen, habe keine peinlichen Spitznamen und müsse nicht ständig Kompromisse machen, sondern könne das Leben in Freiheit genießen. Der Online-Artikel des Online-Magazins SPIEGEL ONLINE beschreibt das Single-Dasein ebenfalls mit Vorteilen wie Unabhängigkeit, großem Freundeskreis und hohen Verdienstmöglichkeiten, weist aber gleichzeitig auch auf Krisenzeiten, in denen die Partnerlosen meist auf sich allein gestellt seien, und insbesondere das Alter hin, in dem Isolation drohe.

Bei solch provokanten Überschriften wie in den beiden Online-Artikeln dürfte sich schnell die Frage stellen, ob es sich dabei nur um medienwirksame Blickfänger populärwissenschaftlicher Magazine handelt. Forscht man das Thema „Lebensform Single“ in wissenschaftlicher Fachliteratur genauer nach, so wird man dort schnell fündig, wenn auch mit weniger reißerischen Titeln, weniger provokanten Einleitungen und mehr belegbaren Fakten.

Dabei ist gerade das Thema zur „Lebensform Single“ durch seine wechselseitigen Verknüpfungen mit der Gesamtgesellschaft und den sich daraus ergebenden Folgen in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung. Während in den sechziger Jahren Familie, Ehe und Beruf als Bündelung von Lebensplänen weitgehend Verbindlichkeit besaßen, sind durch Entkopplung und Ausdifferenzierung der ehemals in Familie und Ehe zusammengefassten Lebens- und Verhaltensweisen mittlerweile alle Wahlmöglichkeiten als auch Wahlzwänge aufgebrochen, so dass nicht mehr klar ist, ob man heiratet, in „wilder“ Ehe oder als Single lebt. Das Wahlverhalten z.B. zur Lebensform wird dabei wesentlich durch Werthaltungen, also den Auffassungen vom Wünschenswerten, beeinflusst. (vgl. Beck 1986, S. 163 ff., Hradil 2001, S. 422 ff.)

In der nachfolgenden Hausarbeit sollen nach einer Vorstellung zu Theorien und Modellen zur Entstehung der „Lebensform Single“ sowohl Vorteile als auch Nachteile dieser Lebensform mit Einbezug der gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen kritisch betrachtet werden.

2. Entwicklung moderner Lebensformen in der Risikogesellschaft

Bereits in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass das Wahlverhalten zu einer bestimmten Lebensform nicht unerheblich durch Auffassungen vom Wünschenswerten beeinflusst wird. Insbesondere in den durch Veränderungsdynamik und Weiterentwicklung geprägten postmodernen Industriegesellschaften hat sich eine an diesen Wandlungsprozessen orientierte Sichtweise verstärkt auch der Differenzierung privater Lebensformen wie z.B. Formen des Zusammenlebens oder Alleinlebens zuzuwenden (vgl. Geißler 2008, S. 331).

2.1. Begriffsdefinition „Lebensform“

Der Begriff „Lebensform“ steht in engem Zusammenhang mit der Betrachtung sozialer Ungleichheit, denn soziale Ungleichheit bezeichnet keine beliebige Ungleichheit, sondern die ungleiche Verteilung von Lebenschancen durch unterschiedliche Lebensbedingungen. In der Verwendung von Theorien und Modellen sozialer Ungleichheit werden unter Lebensbedingungen „[…] äußere Voraussetzungen alltäglichen Handelns verstanden, die unabhängig von der Wahrnehmung oder der Interpretation der einzelnen bestehen und Wirkungen haben“ (Hradil 2001, S. 147). In Anbetracht auf ungleiche Lebensbedingungen, bei denen es sich z.B. um Wohnungsgröße, Prestige des Berufs, Dauer der Arbeitszeit, Angebot verfügbarer Freizeiteinrichtungen, etc. handelt, können im Gegensatz zu Klassen und Ständen trotz unterschiedlicher ökonomischer Ressourcen gleiche Lebensformen praktiziert werden. Dies trifft beispielsweise auf die Lebensformen „Single“ wie „Familie“ zu, denn auch diese beiden Formen sind ja nur bedingt frei gewählt. Das bedeutet, auch in der Oberschicht bis hin zu Eliten kann ebenso wie in der Arbeiterschicht sowohl die Lebensform „Single“ als auch familiäre Formen praktiziert werden und somit in diesem Bereich zwar gleiche Lebensbedingungen vorherrschen, durch die jeweils praktizierte Form aber gegenüber den jeweils anderen Formen des Zusammenlebens auch ungleiche Lebenschancen entstehen. Wenn soziale Ungleichheit somit die ungleiche Verteilung von Lebenschancen bezeichnet, wodurch ganz allgemein „[…] jede Art verschiedener Möglichkeiten der Teilhabe an Gesellschaft bzw. der Verfügung über gesellschaftlich relevante Ressourcen“ (Burzan 2003, S. 3) miteinbezogen ist, so ist im klassischen Sinne auch „Familie“ als gesellschaftlich relevante Ressource anzusehen. Entscheidend bei der Betrachtung der Formen des Zusammenlebens ist jedoch, dass sich der Betrachtungswinkel sozialer Ungleichheit im

Laufe der Zeit verändert hat, so dass nicht nur zentrale Ursachen und Merkmale sozialer Ungleichheit im Zeitverlauf und in verschiedenen Gesellschaften durchaus variieren, sondern auch je nach theoretischem Hintergrund unterschiedlich bewertet werden. Dies äußert sich beispielsweise auch darin, dass in der neueren deutschsprachigen Soziologie zwar mehrere Begriffsdefinitionen wie z.B. Lebensform, Lebensweise, Lebensstil, etc. mit dem Begriff „Lebensbedingungen“ weitgehend übereinstimmend verwendet werden, all diese Begriffe dennoch jeweils einen anderen Bedeutungsinhalt aufweisen. Für die Hausarbeit soll die Verwendung des Begriffs „Lebensform“ nach der von Geißler (2008) und Hradil (1995, 2001) verwendeten Definition folgen, nach der unter „Lebensform“ im Allgemeinen Strukturen des unmittelbaren Zusammenlebens in relativ stabilen Beziehungsmustern verstanden werden, wobei sich diese Formen neben dem Zusammenleben auch auf das Alleinleben beziehen. Da Formen des Zusammenlebens in postmodernen Industriegesellschaften sowohl familiale (mit Kindern) als auch nichtfamiliale (kinderlose) Formen umfassen, steht ein Definitionsversuch des Begriffs „Familie“ vor der Schwierigkeit, die große historische und kulturelle Vielfalt der verschiedenartigsten Familienformen mit zu berücksichtigen. Der Begriff „Familie“ lässt sich wie folgt zusammenfassen:

„Im weitesten Sinn ist Familie eine nach Geschlecht und Generation differenzierte Kleingruppe mit einem spezifischen Kooperations- und wechselseitigen Solidaritätsverhältnis, dessen Begründung in allen Gesellschaften zeremoniell begangen wird. Aufgabe der Familie ist es unter anderem, Schutz zu gewähren und das Sexualverhalten ihrer Mitglieder zu regulieren“ (Geißler 2008, S. 331).

Während nach dieser Definition in den Industriegesellschaften unter der modernen Kleinfamilie eine auf der Ehe gegründete Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern verstanden wurde, stellt Familie durch die Veränderungsdynamik und Weiterentwicklung postmoderner Industriegesellschaften heute lediglich einen unter die Oberkategorie „Private Lebensform“ fallenden Begriff mit den verschiedensten Ausprägungsformen wie kinderlose Ehen, Patchwork-Familien, etc. dar (vgl. Burzan 2003, S. 3, Geißler 2008, S. 331 ff., Hradil 2001, S. 147 ff.).

2.2. Zum Wandel von Lebensformen in der Moderne

Der Bedeutungszusammenhang der Lebensform „Familie“ steht in engem Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit durch die Benachteiligung von denjenigen Vorfahren, welche sich aufgrund äußerer widriger Umstände zum Überleben nicht zu Gemeinschaften zusammenschließen konnten. „Die Integration in eine Familie, einen Haushalt, […] bot in den damaligen, quasi permanent existenzbedrohenden "Pest, Hunger und Krieg" –Zeiten zumindest einen relativen Schutz“ (Grözinger 1994, S. 17). Während in den damaligen permanent existenzbedrohenden Zeiten Formen des Zusammenlebens eine gewisse Art an Schutz boten, entstand nach dem Ende des zweiten Weltkriegs bis heute eine durchgehend „Pest, Hunger und Krieg“-freie Zeit, was unter anderem dazu führte, dass Mann wie Frau ein temporä-

res oder permanentes Singledasein ohne Gefährdung der eigenen Existenz führen können, denn selbst in Krisenzeiten greifen tragfähige soziale Netzwerke. „Niemand stirbt bei uns "einfach so" mehr hungers oder erfriert winters obdachlos“ (Grözinger 1994, S. 18). Dennoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass es bereits vor Beginn der Industrialisierung schon eine außerordentlich große Vielfalt der heute auftretenden Lebensformen gegeben hat, auch wenn diese mit den heutigen Lebensformen z.B. durch deren kulturelle Bedeutung, etc., nur mehr bedingt vergleichbar sind. So waren in vorindustriellen Zeiten Struktur und Funktion eng mit der Produktionsweise der verschiedenen Bevölkerungsgruppen verbunden, was bedeutet, dass die vorindustrielle Wirtschaft überwiegend Familienwirtschaft mit Familien als Produktionsstätten darstellte (vgl. Peuckert 2002, S. 21).

Die typische Lebensweise einer solchen Familienwirtschaft war die Sozialform des „ganzen Hauses“, welche eine Vielzahl gesellschaftlicher Funktionen wie Produktion, Konsumtion, Alters- und Gesundheitsvorsorge, etc. erfüllte. Zentrales Merkmal dieser Sozialform war die Einheit von Produktion und Familienleben. Mit der Ausbreitung kapitalistischer Produktionsweisen, welche zu Beginn der frühindustriellen Gesellschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts vorwiegend auf Besitz und Nichtbesitz an Kapital und industriellen Produktionsstätten basierten, verlor die Sozialform des „ganzen Hauses“ durch Trennung von Arbeits- und Wohnstätte an Bedeutung, denn durch eben diese Trennung von Berufsstätte und Wohnung wurde die Erwerbsarbeit aus der Familie herausgelöst. Mit dieser Trennung wurden auch ehemals in der Familie geleistete Aufgaben wie z.B. Teile der Kranken- und Altersversorgung, Ausbildung, Erziehung etc. nach außen verlagert (vgl. Geißler 2008, S. 332, Peuckert 2002, S. 21 ff.).

Hinzu kommt, dass das 18. Jahrhundert durch ein rapides Bevölkerungswachstum gekennzeichnet war, wodurch bereits während der damaligen Ständegesellschaft die Zahl der Landarmen und Landlosen zugenommen hatte. In den Städten hingegen wurde durch einen immer höheren Grad an Arbeitsteilung und einen stetig ansteigenden Einsatz technologischer Veränderungen in der Produktionsweise durch die Verzahnung von Forschung und Produktion eine Steigerung der Produktivität erreicht und in der Folge Massenproduktion ermöglicht. Dadurch verlagerte sich diese ökonomischere Produktionsweise von kleinen Gruppen wie Familien oder Kleinstbetrieben zugunsten von Großbetrieben und Fabriken. „Stets handelt es sich bei der Entstehung sozialer Klassen in erster Linie um einen Fortschritt der Arbeitsteilung innerhalb der Stämme und Völker“ (Dahrendorf 1966, S. 17). Auch andere Berufsgruppen wie Bäcker, Metzger, Baugewerbe, etc. waren Nutznießer des Bevölkerungswachstums und der wachsenden Städte, wodurch neben der Schaffung

von Arbeitsplätzen in der Produktion auch in diesen Bereichen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, die zu großen Teilen von den ehemaligen Landarbeitern besetzt wurden, wodurch die absolute Zahl an Beschäftigten im industriellen Sektor stieg, während sie sich im primären Landwirtschaftssektor weiter verringerte. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde vom größten Bevölkerungswachstum der deutschen Geschichte begleitet, weshalb die Städte als eigentliche Orte des sozialen Wandels und der Erosion der Ständegesellschaft angesehen werden (vgl. Geißler 2008, S. 21 ff., Hradil 2001, S. 115 ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Lebensstil „Single“ als typische Lebensform moderner Risikogesellschaften?
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V263327
ISBN (eBook)
9783656520542
ISBN (Buch)
9783656520825
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lebensstil, single, lebensform, risikogesellschaften
Arbeit zitieren
Carsten John (Autor:in), 2013, Lebensstil „Single“ als typische Lebensform moderner Risikogesellschaften?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263327

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