Experimentelle und theoretische Untersuchungen zur Festlegung des Gültigkeitsbereichs des geschwindigkeitsunabhängigen Reibungsansatzes


Diplomarbeit, 1984

60 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

§ 0. Einleitung

§ 1. Aufstellung der allgemeinen Bewegungsgleichung in Inertialsystemen

§ 2. Anwendung der Integrationsmethode des Energieer­haltungssatzes auf die Bewegungsgleichung

§ 3. Thermodynamische Deutung durch den ersten Haupt- satz der Thermodynamik

§ 4. Interpretation des Ergebnisses über den Begriff der Entropie in der Formulierung des zweiten Haupt­satzes der Thermodynamik

§ 5· Festlegung des Gültigkeitsbereiches für den geschwindigkeitsunabhängigen Reibungsansatz

§ 6. Anpassung des allgemeinen Falles an spezielle Fälle:
A) freie Schwingungen eines Federpendels
B) Drehantrieb einer Scheibe

Verzeichnis der benutzten und zitierten Literatur

§ 0. Einleitung

Dem menschlichen Geist offenbart sich das Naturgeschehen in ei­nem, von ihm intuitiv erfaßbaren und ihn selbst durchdringenden, "Ordnungsorinzip" der Natur, welches sich aus Beobachtungen er­gibt, die seinen Aahrnehmungsbereich als zunächst stetig und be­ständig ablaufende Naturvorgänge erreichen.

Aufgrund seiner Fähigkeit aus gemachten Erfahrungen (Beobach­tungen, die, wenn sie von ihm erzwungen, Experimente genannt werden) Erkenntnisse zu gewinnen, ist er dadurch in der Lage, so manches Ereignis seiner Erfahrungen, mit mehr oder weniger großer Sicherheit vorherzusagen. Dazu bedient er sich einem Stilisierungsprozeß, in dem er versucht, der für ihn "im Gan­zen" unüberschaubaren, komplexen Natur Modelle abzuringen, die dazu dienen, einen wesentlichen, für ihn gerade wichtigen oder wahrnehmbaren Prozeß, in seiner dominierenden Wirkung zu be­schreiben. Die unmittelbare Folge dieser naturwissenschaftlichen Beschreibung ist die Tatsache, daß der Mensch dadurch in die Lage versetzt wird, seinen Erfahrungsbereich als "allgemeine Tendenzen" der Natur zu erfassen. Die Abstraktion dieser Ten­denzen führt, je nach "Abstraktionsgrad", zu einer mehr oder weniger umfassenden Theorie. Es zeigt sich dabei, daß, mit der Genauigkeit der Beschreibung eines Naturvorgangs, die Beobach­tungsmethoden immer weiter verfeinert werden müssen, und dadurch Ergebnisse entstehen können, die zur Ablösung einer bisher als umfassend geltenden Theorie durch eine noch umfassendere führen kann.

So geschehen mit den NErtTONschen Axiomen, die NE.vTON in einer Zeit verfaßt hat, wo man sich mit der Struktur der Materie meß­technisch noch nicht befassen konnte, und somit das mechanische Prinzip als das allumfassenste und allgemeingültigste vorange­stellt wurde. Bekanntlicherweise führten dann alsbald Erkennt­nisse in der Elektrodynamik und der Optik zu einer Erweiterung der klassischen Mechanik durch die Relativitäts- und Quantenme­chanik, die als Grenzfall jeweils zu den Gesetzen der von GALILEI, KEPLER, DESCARTES, HUYGENS, u. a. begründeten und von NECTON 1687 in seinem »erk "Philosophia Naturalis Principia Mathematica" zusammengefaßten Theorie führen.

Gegenstand dieser Untersuchungen ist die Beschreibung der Bewe­gung von Körpern durch die Erkenntnisse der klassischen Mechanik, mit dem besonderen Ziel den Gültigkeitsbereich, des geschwindig- keitsunabhängigen Reibungsansatzes festzulegen. Um dabei zu ei­nem "zwingenden" Ergebnis zu gelangen, wird die NEwTONsche Grund­gleichung, in Form des erweiterten Energiesatzes, durch den er­sten und zweiten Hauptsatz der Thermodynamik interpretiert.

Der Gültigkeitsbereich der vorliegenden Arbeit liegt fest, gemäß dem Begriff "klassisch", durch die Bewegungsprobleme, bei denen keine Geschwindigkeiten materieller Partikel von der Größenord­nung der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum Co*3-io V*£^(und hypo- tetisch darüber) auftreten und alle vorkommenden oder ableitba­ren Wirkungen groß sind gegen die PLANCKsche Konstante K* [a] · Letzteres schließt vor allem die Beschreibungs­ möglichkeit atomarer Vorgänge durch die klassische Physik aus. Dies gilt dann zu beachten, wenn der Körper der klassischen Physik als "Stück des unendlichen Raumes", der sich vom übri­gen Raum durch gewisse Eigenschaften abhebt, als Massenpunkt be­trachtet wird. Es handelt sich dabei um eine zweckmäßige Modell­bildung, durch die der Körper idealisiert wird, ohne daß der be­wegte "Gegenstand" tatsächlich eine Ausdehnung hätte, die gegen Null ginge, gemäß der Vorstellung von einem Punkt in der eukli­dischen Geometrie.

Diese Arbeit wird generell nicht auf Massenpunktsysteme erweitert und beschränkt sich darauf, nur die drei translativen Komponen­ten zu beschreiben, da eventuell zusätzlich vorhandene Rotations­bewegungen nur einen graduellen Unterschied bilden und von der Sache her nichts neues ergeben. Gegebenenfalls ist der Schwer­punkt des Körpers als der Massenpunkt anzusehen, in dem sich die Gesamtmasse des Körpers vereinigt zu denken ist, der bei der Beschreibung seiner Bewegung im Raum, mit der translativen Bahnkurve des Körpers zu identifizieren ist.

§ 1 . Aufstellung; der allgemeinen Bewegungsgleichung in Inertial­ systemen

Ist die Aufgabe gestellt, aus bestimmten Bewegungen von Körpern Erkenntnisse zu gewinnen, so steht allem voran die Beobachtung, Aufzeichnung(i. allg. Messung genannt)und Beschreibung der Bewe­gung des betreffenden Körpers. Nach dem "Relativitätsprinzip" ist es dazu notwendig den Beobachtungsort, als Ursprung eines "Bezugskörpers"(="Bezugssystem")anzugeben[3]·

Die Auswahl des Bezugssystems erfolgt nach Zweckmäßigkeit. Der Ort eines Punktes P Im Raum des Bezugssystems wird demgemäß in kartesischen Koordinaten angegeben, welche durch die entsprech­enden "Definitionsgleichungen"([eJ, S. 6) mit einem beliebigen, krummlinigen, orthogonalen Koordinaten­system analytisch in Beziehung gebracht werden können.

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Die Bewegung des Punktes P=P(t) läßt sich dann auswerten, wenn zu jedem Zeitpunkt t die Strecke OP(t) aufgezeichnet wird, die als eine Art Ortungsstrahl die Punktbewegung vom Ursprung aus verfolgt.

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Inwieweit nun die interpolierte Bahnkurve mit der tatsächlichen übereinstimmt, hängt von der wähl der Zeitintervalle Δt ab. Es zeigt sich nämlich, daß in gleichen Zeiten verschiedene Ortsvek­toränderungen JATi vollzogen werden können, die dann unter Umstän­den nicht mehr hinreichend genau mit der tatsächlichen Bahnkurve übereinstimmen(s. z. B. ΔλΓχ in Bild 2). Daher wird, je nach Meß- genauigkeitsforderung,a t so klein gewählt, daß der sich erge­bene Fehler, im Vergleich zur realen Bahnkurve, vernachlässigt werden kann. Betrachtet man nun den mathematischen Grenzwert Jt-*0, so führt diese Vorgehensweise, allerdings nur unter der Voraussetzung der oben erwähnten Stetigkeit, auf die von LEIBNIZ und NErtTON geprägte Infinitesimalrechnung und den grundlegenden Begriff der momentanen Geschwindigkeit

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Im Punkt Pi beschreibt die momentane Geschwindigkeit einen Tan­gentenvektor der Bahnkurve, der dann mit der momentanen Bewe­gungsrichtung übereinstimmt.

Ergibt nun die Messung der Bahnkurve eines bewegten Massen­punktes im Raum die Funktion *ľ » srlt) als stetige Zeit funkt ion, so

ist Affi)mindestens einmal nach der Zeit dif ferenzierbar( ^5] , S. 416). In diesem Sinne ist ein Massenpunkt gegenüber dem Bezugs­system bewegt, wenn für ihn

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gilt. Im allgemeinen Fall ist die momentane Geschwindigkeit selbst noch eine Funktion der Zeit, d. h. /V=AT(tJ , so daß M~(t) eine mindestens zweimal nach der Zeit differenzierbare Funktion dar­stellt. Gilt jedoch

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so nennt man den Massenpunkt gleichförmig geradlinig bewegt.

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Beobachtungen an bewegten Körpern brachten GALILEI und DESCARTES um 1640 zu folgender Erkenntnis: wird ein Körper in Bewegung ge­setzt, so ähnelt die beschreibene Bewegung (Bahnkurve) umso mehr einer gleichförmig geradlinigen, je weniger "äußere Ein­flüsse", d. h. Wechselwirkungen mit anderen Körpern zum Tragen kommen. So rollt z. B. eine Kugel umso "länger", bzw. die Ge- schwindigkeitsabnahme pro Zeiteinheit ist umso geringer, je "glatter" die Unterlage ist.

Diese rein qualitativen Erfahrungen wurden von NEwTON in einer abstrahierten Formulierung als erstes Axiom an die Spitze seines mechanischen Systems (1687) gestellt, das namentlich als Trägheitsgesetz bekannt ist: "Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, jenen Zustand zu ändern. " [_O

Bezugssysteme, in denen das Trägheitsgesetz Gültigkeit bean­sprucht, werden Inertialsysteme genannt. An dieser Stelle sei bemerkt, daß die genauere Definition eines solchen Systems, auf der Grundlage der NECTONsehen Axiomatik, wegen der ihr ent­haltenden "logischen Schwierigkeiten", nicht ohne weiteres mög­lich ist (t_23i S* 17)· Vielmehr liefert erst die weitergehende Interpretation einen logisch vollständigen weg, der ursprünglich von MACH stammt (1942) und die Eigenschaften eines Inertialsys­tems anhend eines "freien Teilchens" definiert ( [_2"], S. 14 ff ),

Die nicht zu unterschätzende Abstraktionsleistung von NEwTON liegt nun in der von GALILEI und DESCARTES benannten "äußeren Einflüsse" als "einwirkende Kräfte" und ihrer sehr allgemeingül­tigen quantitativen Beschreibung in seinem zweiten Axiom: "Die Änderung der Bewegung ist der einwirkenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, in die jene Kraft wirkt."

Formal ist die "Änderung der Bewegung" von NEwTON als infinite­simale zeitliche Änderung des Produktes aus Punktmasse und mo­mentaner Geschwindigkeit, das auch Bewegungsgröße oder Impuls genannt wird, definiert worden ([/f], S. 34):

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Durch die Größe m wird dem Massenpunkt die Eigenschaft zuge­schrieben, auf "einwirkende Kräfte" zu reagieren und sich ohne diese äußeren Einwirkungen ungestört, quasi träge weiterzubewe­gen. Diese Eigenschaft des Massenpunktes bezeichnet man als träge Masse. Der Ausdruck steht somit für das Maß der Wirkung von außen auf den Massen­punkt, bzw. den Körper, bei seinem momentanen Bewegungszustand im Inertialsystem.

Betrachtet man weiterhin, gemäß dem Erfahrungssatz des Superpo­sitionsprinz ins ([.1], S. 39), die "einwirkende Kraft" im zweiten Axiom als Vektorsumme aller wirkenden Kräfte zu einem resultie­renden Kraftvektor éC , so gilt für die formale Aussage des zweiten NEWTONschen Axioms:

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Bis hierher ist es nur gelungen das "Schicksal" eines Körpers, in Form der im Bezugssystem aufgezeichneten Bahnkurve zu be­schreiben und ihm dafür die Eigenschaft der trägen (Punkt)masse m zuzuweisen, die zu einer Änderung des Impulses -JP führt, wenn eine äußere resultierende Kraft fi wirkt. Ist nun aber außerdem das Kraftgesetz von «c bekannt, ohne daß man von des­sen eigentlicher Ursache zu wissen braucht, so zeigt sich, daß die Bahnkurve, bei bekanntem Anfangszustand (Crt und Ge­ schwindigkeit zur Zeit "Null") eindeutig bestimmt ist. Diese Tatsache ist, immer unter der Voraussetzung der Angabe eines Bezugssystems, das charakteristische Beispiel für die "Deter­miniertheit des Künftigen durch das Gegenwärtige", was gleich­bedeutend mit der "Kausalität" im mechanischen Geschehen anzu­sehen ist ([_1] S. 4-2).

Im wahrnehmungsbereich des Menschen ist die Kausalität über weite Anwendungsbereiche der Physik hinreichend erfüllt. Trotz­dem gibt es die erkannte Grenze, die in der HEISENBERGschen Un- bestimmtheits- oder Unschärfe- Relation formuliert ist. Danach ist jede Messung von Anfangszuständen (=Anfangsbedingungen) prinzipiell durch das PLANCKsche Wirkungsquantum h (s. Einlei­tung) in ihrer Genauigkeit begrenzt und führt bei der genauen Bestimmung des Anfangsortes zur Unbestimmtheit der Anfangsge­schwindigkeit und umgekehrt. Bei Vorgängen im Großen spielt diese statistische Unsicherheit in der Größenordnung von 10 keine Rolle, da "aus den statistischen Gesetzen für den Vorgang im Großen eine so hohe Wahrscheinlichkeit folgt, daß man sagen kann, praktisch sei der Vorgang determiniert " ([7] S. 30). Zur weiteren Diskussion dieser Frage sei z. B. auf [[7] S. 24 ff ver­wiesen

Das zweite NEwTONsche Axiom wird zur NE<»TONschen Grundgleichung, wenn die Identität

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hergestellt wird. Der Proportionalitätsfaktor kann gleich 1 ge­setzt werden, da die Einheiten der Masse und der Kraft noch nicht festgelegt wurden.

Für Geschwindigkeiten, die sehr viel kleiner als die Lichtge­schwindigkeit sind, d. h. für sog. nichtrelativistische Ge­schwindigkeiten, geht die "LORENTZ-Transformation" in die "GALILEI-Transformation" über und man spricht bei diesem Bezugs­system vom GALILEIschen Koordinatensystem ([з] S. 30), in dem die Masse geschwindigkeitsunabhängig ist. Die Masse kann auch als zeitlich unabhängig gelten, da von Raketenbewegungen abge­sehen werden soll, bei denen m Ф 0 ist ( [1"] S. 241). Somit folgt für die NE»vTONsche Grundgleichung:

wobei ΛΓ Beschleunigung genannt wird.

Mit der Komponentenzerlegung nach EULER (1765) (Dl S· Ы) ist

und die NEwTONsche Grundgleichung zerfällt in drei linear unab­hängige Gleichungen der Form:

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stellt das allgemeinste Kraftgesetz dar, womit sich die Bewegung eines freien Massenpunktes angeben läßt, wenn fi analytisch be­kannt ist, bezeichnet man

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als allgemeine Bewegungsgleichung in Inertialsystemen.

Es besteht nun die i. allg. recht schwierige Aufgabe; drei Funk­tionen der Zeit zu finden, die den drei Gleichungen genügen.

Diese Aufgabe nennt man ein Problem 6ter Ordnung, da es in drei simultanen Differentialgleichungen 2ter Ordnung formuliert ist ([il] S. 53). Außerdem müssen zur exakten Beschreibung der Bahn­kurve die 6 Anfangsbedingungen x(t=0), y(t=0), z(t=0), x(t=0), y(t=0) und z(t=0) bekannt sein. Das Hauptproblem bildet jedoch die Tatsache, daß das Kraftgesetz fi a priori nicht bekannt ist. Erst die sorgfältige Analyse (d. h. Messung) von Bahnkurven und die Durchführung von Experimenten unter idealisierten Bedingun­gen, schaffen die Voraussetzungen dafür, daß aus täglichen Er­fahrungen Gesetze werden. Experimentelle und theoretische Physik durchdringen sich an diesem Punkt (klassisches Beispiel: TYCHO BRAHE-Sternbeobachtungen, JOHANNES KEPLER-Grundgesetze der Pla­netenbewegung, ISAAC NEwTON-Gravitationsgesetz). Vielfach wer­den auch aus theoretischen Überlegungen heraus Annahmen (An­sätze) gemacht, die dann bei genauen Messungen zwar nur in erster Näherung bestätigt werden, aber dennoch zur Beschreibung eines allgemeinen Trends des Vorganges hinreichend sind. Dazu zählen in erster Linie die unter § 5· angeführten Reibungsansätze.

Aeitere Gesetze bzw. Ansätze für die wirkenden Kräfte sind bei gestelltem Bewegungsproblem den Physikbüchern zu entnehmen (z. В. ΓΠ S. 5I ff und [il] S. 15 ff).

Die Andeutung, daß es sich unter dem Einfluß einer Kraft f) um einen freien Massenpunkt handelt, impliziert die Tatsache, daß bei der Bewegung des Massenpunktes geometrische Beschrän­kungen bestehen können, die den Massenpunkt zwingen, eine '.be­stimmte Fläche z. B. nicht zu verlassen ([l] S. 5^ ff)· In die­sem Fall liefert die allgemeine Bewegungsgleichung u. U. keine einzige Lösung, welche die tatsächliche Bahnkurve beschreibt, obwohl ^ (*,*",t) bekannt ist.

Gemäß dem ersten NE«vTONschen Axiom wird der Einfluß der Be­schränkungen auf die Bewegung auf eine Kraft zurückgeführt, die man Zwangskraft nennt. Diese hat durch ihren geometrischen Ur­sprung ( [_1"] S. 129) die Eigenschaft, ohne die vorhandene Kraft physikalischen Ursprungs £ , die auch die eingeprägte Kraft genannt wird, den Körper unbewegt zu lassen, wenn die Beschrän­kungen zeitunabhängig sind ([2*] S. 42 f.).

Es läßt sich eine wesentliche Erweiterung der Beschreibungsmög­lichkeit von Massenpunktbewegungen erreichen, wenn die К mög­lichen Beschränkungen, die auch К Nebenbedingungen (NB) genannt werden, als allgemein geschwindigkeitsabhängig behandelt werden ([2] Kapitel 4):

fl (ΐ»ν·,κ) (1,1) anholonom - rheonome NB

Für den Fall, daß die Zeit nicht explizit auftritt gilt:

-f (ЛГ /f) *0 (1-1 К) (^*2) anholonom - skleronome NB

Spezialfälle bilden die geschwindigkeitsunabhängigen NB: fi (<riti *0; (I'V-,K) (1,3) holonom - rheonome NB

"ft (лГ) »0 (^ = Ί - О »**·) holonom - skleronome NB

Uber die holonomen NB (1,3) und (1,4) ist zu sagen, daß maximal K„*=3N-1 NB festgelegt werden können, ohne durch eine weitere NB N Teilchen auch den letzten der 3N Freiheitsgrade zu nehmen

([2] S. 39)· In diesem Fall gilt natürlich, die Erweiterung auf ein Massenpunktsystem durch , (j=1, ..., N). Für die

anholonomen NB (1,1) und (1,2) gilt nach ([2] S. 141): "Man kann sagen, jede nichtholonome NB eliminiert einen halben Frei- heitsgrad."

Das Problem der Bewegung mit NB läßt sich wie folgt formulieren:

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wobei ^ für die Zwangskraft steht und

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wieder einem freien Massenpunkt die Bahnkurve determiniert.

Die Aufgabe zur Lösung dieser allgemeinen Bewegungsgleichung mit К NB lautet nun einen analytischen Bezug, zwischen 3^ und ■fl zu finden. Die allgemeinen Methoden dazu, die hier nur na­mentlich genannt werden sollen, sind in [2] beschrieben. Diese gelten allerdings nur für den Fall, daß die NB nicht als Unglei­chungen gegeben sind ([2"] S. 4-0).

Die Bewegungsgleichungen eines holonomen Systems erhält man aus den LAGRANGEschen Gleichungen erster Art, bei der Beschreibung der Bewegung in kartesischen Koordinaten. Danach wird die Anzahl der voneinander unabhängigen rechtwinkligen Koordinaten durch К NB auf f=3N-K reduziert. Derartige f voneinander unabhängige Größen reichen zur Beschreibung der Lage des Systems genau aus und werden allgemeine oder auch generalisierte Koordinaten q1,

Ga, q3, ··· , q* genannt ([i] S. I50, S. 161 ff). Es gilt der Zusammenhang

Die Berücksichtigung der NB auf der Grundlage der generalisier­ten Koordinaten, führt durch die Anwendung des Variationsprinzips auf die LAGRANGEschen Gleichungen zweiter Art, die nur einer einfacheren Behandlung des holonomen Bewegungsproblems dienlich sind.

Für den anholonomen Fall erfordern die LAGRANGEschen Gleichungen eine Abänderung, "da das Variationsprinzip von LAGRANGE im nichtholonomen Fall keine physikalisch sinnvollen Bewegungs­gleichungen ergibt" ( [_2l S. 141). Das üblicherweise akzeptierte Ergebnis dazu stammt aus dem Jahr 1966 ([2j S. 143).

Für holonome NB sei der Lösungsweg zur Berechnung der Komponen­ten von ^ angegeben:

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Die eingeprägte Kraft sei eine bekannte Funktion von АГ , t und vielleicht von *r . ^ gibt die unbekannte Zwangskraft an, die den Massenpunkt auf der Oberfläche hält, die mit f=0 als NB formuliert ist. Es gibt aber nur vier Bestimmungsgleichungen für die sechs unbekannten Komponenten von лГ und ^ , sie be­stimmen daher die Bewegung nicht vollständig. Man kann das aus der Tatsache ersehen, daß eine beliebige Komponente parallel zur Oberfläche haben kann, ohne die Beschränkung f=0 zu ändern.

Da die Annahme einer Tangentialkomponente von ^ aber dazu führt, daß sich der Massenpunkt auch ohne eingeprägte Kraft auf der Oberfläche bewegen würde und dies dem Energiesatz widerspricht, wird у als normal zur Oberfläche angesetzt, d. h. vier Gleichungen für die vier Unbekannten x, y, z und λ ge­schrieben werden.

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wobei Λ "LAGRANGEscher Multiplikator" genannt wird ([/T] S. 56). Die Bewegungsgleichung kann nun als

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An dieser Stelle soll nun vorab die "Integrationsmethode des Energieerhaltungssatzes" auf die Bewegungsgleichung mit holono- mer NB angewandt werden:

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d. h. der Energiesatz ist nicht gültig, es sei denn

(holonom - skleronome NB).

Als für diese Arbeit relevanter Punkt bleibt also festzuhalten, daß der in §2. hergeleitete Energiesatz für den Fall sklero- nomer NB - (1,4) und (1,2) (s. [_1"], S. 151 ) - gültig und für den Fall rheonomer NB - (1,5) und (1,1) - ungültig ist, was auch anschaulich z. B. bei der Führung eines Tennisballes wäh­rend des Schlages, d, h. Kontaktes mit der Fläche eines Tennis­schlägers, zu erklären ist. In diesem Fall bewirkt der Tennis­schläger zumindest eine Änderung der kinetischen und i. allg. auch der potentiellen Energie des Balles. Im übrigen ist dies ein Beispiel für eine Bewegung mit anholonomer NB.

§ 2. Anwendung der Intégrâtionsmethode des Energieerhaltungs- satzes auf die Bewegungsgleichung

Ausgangspunkt der Betrachtungen in diesem Abschnitt ist die Bewegungsgleichung, d. h. die NEwTONsche Grundgleichung mit bekanntem Kraftgesetz:

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Dies bedeutet, daß es durch entsprechende Analysen gelungen ist, im Rahmen der Meßgenauigkeit, sämtliche Einwirkungen auf den Körper, hinreichend zu berücksichtigen. Man geht also von einem real vorhandenen Bewegungsproblem aus, bei dem zu beobachten ist, daß das Teilchen, der Massenpunkt oder Körper zwischen zwei Punk­ten - 1 und 2 - im Raum eine Bahnkurve durchläuft. Ist der Kör­per für das Experiment zugänglich, und in diesem die beobachtete Bahnkurve unter gleichen Randbedingungen reproduzierbar, so läßt sich in der Regel das Kraftgesetz ermitteln. Anders ausge­drückt: Kennt man das Kraftgesetz, so existiert eine und nur eine Bahnkurve, die für jedes Bewegungsproblem charakteristische. Diese nicht mehr frei zu wählende Bahnkurve soll eC genannt werden.

In (2,1) gilt also das Kraftgesetz als prinzipiell bekannt. Nun lassen sich dadurch zwar noch nicht die Gleichungen mx=X, mÿ=Y und mz=Z lösen, dennoch kann man eine rein formale Untersuchung . durchführen, die davon ausgeht, daß sich die Bewegungsgleichung integrieren läßt. Namentlich wendet man dazu gewissermaßen einen "Integrationstrick" an, der als die "Integrationsmethode des Energieerhaltungssatzes" betitelt wird, und in einer skalaren Multiplikation der Bewegungsgleichung mit Af besteht:

In dieser Form lassen sich beide Seiten der Gleichung über die Zeit, d. h. von t-i nach ta (im Raum von Punkt 1: P-, =P(ti ) nach Punkt 2: Pa=P(ta.)) integrieren:

[...]

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Experimentelle und theoretische Untersuchungen zur Festlegung des Gültigkeitsbereichs des geschwindigkeitsunabhängigen Reibungsansatzes
Note
1,0
Autor
Jahr
1984
Seiten
60
Katalognummer
V265038
ISBN (eBook)
9783656546283
Dateigröße
32105 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reibung, Reibungsansatz, Reibungskoeffizient, Hauptsatz Thermodynamik, Perpetuum Mobile, Integrationsmethode des Energieerhaltungssates, Integrationsmethode des Energieerhaltungssatzes
Arbeit zitieren
Christian Krusch (Autor:in), 1984, Experimentelle und theoretische Untersuchungen zur Festlegung des Gültigkeitsbereichs des geschwindigkeitsunabhängigen Reibungsansatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265038

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