Weisheitspsalmen. Psalmen und alttestamentliche Weisheit

Fromme und Gottlose in den Psalmen 37 & 73


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 „Weisheitspsalmen“ oder „Psalmen und Weisheit“?

2 Exegese von Psalm 37

3 Exegese von Psalm 73

4 Fazit und Vergleich der Psalmen 37 und 73

5 Literatur

1 „Weisheitspsalmen“ oder „Psalmen und Weisheit“?

Betrachtet man die umfangreiche alttestamentliche Weisheitsliteratur, so ist es für jemanden, der in der Thematik nicht allzu bewandert ist, verwunderlich, welcher Weisheitsbegriff dem Alten Testament zu Grunde liegt. Im Gegensatz zur klassisch-griechischen Auffassung von Weisheit, von der σοφία, welche unser abendländisches Denken prägt[1], findet sich in Israel und im Alten Orient eine andere Konzeption des Begriffs. Im Vordergrund steht hier nicht theoretisches, intellektuelles Wissen und Denken, sondern eine Erkenntnis im Sinne der Bewältigung von Lebenssituationen durch sachkundiges und kluges Verhalten zum Zweck praktischer Lebensführung[2]. Ganz in diesem Sinne stehen die großen Werke der alttestamentlichen Weisheit, wie etwa das Buch der Sprüche (Proverbien), das Buch Hiob (Ijob), der Prediger Salomo (Qohelet), aber auch weisheitlich geprägte Texte des AT außerhalb der Weisheitsliteratur, zu denen einige Psalmen gezählt werden. Weisheitlich geprägte Psalmen sind vor allem die Psalmen 37, 49 und 73, welche sozusagen den Kernbestand an Weisheitspsalmen bilden, während je nach Exeget eine Reihe anderer Psalmen hinzugezählt werden[3]. Bei der Frage nach dem Sitz im Leben der Weisheitspsalmen stößt man auf Widersprüche. Psalmen sind einem sakralen Bereich, also dem Gottesdienst zuzuordnen, wohingegen Weisheit im strengen Sinne dem profanen Bereich angehört[4]. Einerseits wollen die sog. Weisheitspsalmen Gebete sein, auf der anderen Seite jedoch weisheitliche Lehren darstellen. Diese Diskrepanz versucht Preuß zu überwinden, indem er kunstvoll diese beiden Extrema zusammenführt und die Möglichkeit einräumt, dass man die Weisheitspsalmen als Schulgebete auffassen soll[5]. Plausibler erscheint jedoch der Weg, den Westermann geht, wenn er diese Frage erklärt, indem er sie in den größeren Zusammenhang der Entwicklung des Psalters einbettet. Demnach hat sich der Psalter aus der religiösen Praxis im Tempel hin zur Erbauungsliteratur entwickelt, in der auch Platz für weisheitliche Lehren ist[6].

Die vorliegende Arbeit möchte der Frage nachgehen, inwieweit die sog. Weisheitspsalmen weisheitliche Elemente enthalten. Was sind die Motive und in welchen Metaphern und sprachlichen Bildern kommen diese zum Ausdruck? Welche weisheitlichen Momente lassen sich aus den Psalmen 37 und 73, die exemplarisch hierfür bearbeitet wurden, herausstellen? Gibt es Parallelen zu anderen weisheitlichen Texten im AT, sowohl in formaler, als auch in inhaltlicher Hinsicht? Inwiefern kann man eine vergleichende Exegese der Psalmen 37 und 73 erstellen? Was sind die Gemeinsamkeiten? Wo gibt es Unterschiede? Von diesen und ähnlichen Fragen soll die folgende Arbeit geleitet sein, welche ihr Hauptaugenmerk nicht auf eine vollständige Exegese dieser zwei Psalmen legt, sondern Forschungskontroversen und Forschungsdesiderata aufspüren, kritisch beurteilen und die wichtigsten Themen der beiden Psalmen darstellen möchte.

2 Exegese von Psalm 37

Dass der Psalm 37 eine große Affinität zur alttestamentlichen Weisheitsliteratur besitzt, darüber besteht ein breiter Konsens bei den Exegeten. Erich Zenger beispielsweise bezeichnet den Psalm als „eine in Spruchform gebündelte weisheitliche Lebenslehre“ [7] und ordnet ihn damit der Gattung der Weisheitspsalmen zu. Diese Gattungsbestimmung basiert auf mehreren Beobachtungen, wie etwa dem Aufbau des Psalms, der darin entfalteten Motive und der Theologie, die diesen Psalm bestimmt. Auch Manfred Oeming ordnet Psalm 37 zu den Weisheitspsalmen, wenn er zu Beginn seines Kommentars zu diesem Psalm enthusiastisch schwärmt: „Psalm 37 ist ein erstaunliches Gedicht! Eigentlich ist es gar kein Psalm, jedenfalls kein Gebet; es handelt sich vielmehr um eine reine Belehrung, ohne eine Anrede an Gott.“ [8] Seine Zuordnung geschieht auch aufgrund der für die alttestamentliche Weisheitsliteratur spezifischen Motive und Bilder, die in Psalm 37 zum Vorschein kommen, aufgrund des formalen Aufbaus als Akrostichon[9] und der typischen weisheitlichen Gattungen, welche die Verse dieses Psalms vereinen[10]. Aufgrund dieser Zuordnung könnte Psalm 37 auch in anderen Büchern alttestamentlicher Weisheitsliteratur stehen, wie etwa im Buch der Sprüche oder in Jesus Sirach[11].

Psalm 37 ist daher auch in die Zeit der jüngeren Weisheit zu datieren, also ins 5. Jahrhundert[12], in verhältnismäßig späte, nachexilische Zeit[13]. Oeming datiert Psalm 37 aufgrund der ständigen Versicherungen, dass die Gottlosen bald untergehen werden, in die Zeit der Makkabäer, weil damals eine Auseinandersetzung zwischen hellenistischen Frevlern und frommen Juden in Israel stattfand.[14]

Herrscht bei der Gattungsbestimmung und bei der Datierung noch weitgehend Eindeutigkeit, so existieren mehrere Gliederungsvorschläge, was den Aufbau von Psalm 37 betrifft. Oeming schlägt eine Gliederung in sechs inhaltlich voneinander in logischer Progression abhängigen Teilen vor[15], wohingegen Zenger seine Gliederung vor allem von formalen Gesichtspunkten abhängig macht und damit auf eine Dreiteilung und eine Feingliederung in 22 Einzelsprüche kommt[16]. Die beiden verschiedenen Gliederungen von Oeming und Zenger weisen trotz der Unterschiede auch Gemeinsamkeiten auf. So herrscht beispielsweise über den ersten inhaltlichen Abschnitt Einigkeit. Die Verse 1-11, die aus Warn- und Mahnsprüchen, also aus Imperativen bestehen, behandeln das Problem, dass die Frevler angeblich Erfolg im Leben haben und der Beter sich über diese Ungerechtigkeit ärgert. Divergenzen in der Gliederung bestehen ab Vers 12. Während der Gliederungsvorschlag von Oeming sich eher inhaltlich-thematisch orientiert[17], gliedert Zenger den Psalm „unter Berücksichtigung syntaktischer und semantischer Gesichtspunkte“ [18] und kommt somit auf eine Dreigliederung. Die Kriterien für seine Einteilung sind syntaktischer und semantischer Natur, weswegen er z.B. einen ersten Einschnitt zwischen Vers 11 und 12 sieht. Die Verse 1-9 sind syntaktisch gesehen Imperativsätze, 9-11 hingegen nicht, werden aber dennoch zum ersten Teil gerechnet, da sie „als Begründung und verheißende Motivierung [...] fungieren“ [19] . Eine andere Gliederung bietet Gianfranco Ravasi, der seine Gliederung ausschließlich auf eine formell-syntaktische Basis stellt. Der erste gliedernde Einschnitt ist bei seiner Gliederung daher zwischen den Versen 9 und 10, also an der Stelle, wo die Satzarten im Psalm wechseln[20].

An dieser Stelle sollen nun im Folgenden nicht einfach nur drei verschiedene Gliederungsvorschläge referiert werden, sondern anhand der oben vorgestellten Kriterien dieser Gliederungen soll eine eigene Gliederung erarbeitet werden, an der sich auch die daran anschließende Exegese orientiert. Anhand der Diskussion um einen ersten Gliederungspunkt hat sich schon exemplarisch gezeigt, wie man aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen auf eine ähnliche Gliederung (Oeming vs. Zenger), aber auch auf abweichende Ergebnisse kommen kann (Zenger vs. Ravasi). Die Methode von Oeming erkennt richtig die logische Strukturierung des Psalms und eine chronologische Progression von dem Gegenwartsbezug der ersten vier Teile hin zum fünften Teil, der sich auf die Zukunft bezieht, in welcher die Gerechten den Frieden erhalten und die Frevler untergehen werden[21]. Allerdings führt diese Vorgehensweise nur zu einem vagen Ergebnis. Man könnte die Einschnitte und damit die Akzentuierungen für eine Gliederung auch anders setzen, je nachdem, was man als Sinneinheit zusammengehörig interpretiert und was nicht. Die Oemingsche Gliederung ist daher im strengen Sinne auch schon eine Interpretation. Im strikten Gegensatz dazu steht die Gliederung von Ravasi, die dadurch überzeugt, dass sie streng syntaktisch-formell vorgeht und darüber hinaus auch viel stärker die strenge alphabetisch-akrostische Einteilung des Psalms widerspiegelt. Zenger, so könnte man sagen, schafft gewissermaßen eine Synthese aus beiden Positionen, weil seine Gliederung nach syntaktischen und semantischen Kriterien erfolgt. Zweifelhaft daran erscheint jedoch, dass mit dieser Methode die Analyse von zwei verschiedenen Textebenen zusammengeführt wird. Die Einzelauslegung der 22 Einzelsprüche ist wiederum überzeugend[22], doch auch hier zeigt sich methodologisch eine Vermischung zweier Textebenen. Die verschiedenen Analyseebenen (inhaltlich-semantischer Aufbau, syntaktisch-formelle Einteilung) hier zusammenbringen zu wollen, dürfte nicht ohne Vorbehalte geschehen.

Im weiteren Verlauf soll daher nun möglichst genau auf eine strikte Trennung der verschiedenen Analyseebenen geachtet werden, die ja alle etwas richtiges erkennen, aber dennoch nicht miteinander vermischt werden dürften.

[...]


[1] Vgl. Figal, Günter: Art. Weisheit. I. Philosophisch, in: RGG4. Band 8. Tübingen, 2005, S. 1362f.

[2] Vgl. Preuß, Horst Dietrich: Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 1987, S.10f.

[3] Vgl. ebd., S. 164.

[4] Vgl. Westermann, Claus: Ausgewählte Psalmen. Übersetzt und erklärt von Claus Westermann. Göttingen, 1984, S.203.

[5] Vgl. Preuß, Horst Dietrich: Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 1987, S.165.

[6] Vgl. Westermann, Claus: Ausgewählte Psalmen. Übersetzt und erklärt von Claus Westermann. Göttingen, 1984, S.203.

[7] Zenger, Erich: Psalm 37, Lebenslehre eines Weisen für die Armen, in: Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I, Psalm 1-50. Würzburg, 1993, S.229.

[8] Oeming, Manfred: Das Buch der Psalmen. Neuer Stuttgarter Kommentar: Altes Testament; 13. 1. Psalm 1-41. Stuttgart, 2000, S.205f.

[9] Der Definition von Hans Armin Gärtner zufolge ist Psalm 37 ein Abecedarius. Vgl. hierzu: Gärtner, Hans Armin: Art.: Akrostichon, in: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Band 1. Stuttgart, Weimar, 1996, S.411f.

[10] Vgl. Oeming, Manfred: Das Buch der Psalmen. Neuer Stuttgarter Kommentar: Altes Testament; 13. 1. Psalm 1-41. Stuttgart, 2000, S.206.

[11] Vgl. ebd., S.206.

[12] Vgl. Zenger, Erich: Psalm 37, Lebenslehre eines Weisen für die Armen, in: Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I, Psalm 1-50. Würzburg, 1993, S.229.

[13] Kraus, Hans-Joachim: Psalmen. 1.Teilband Psalmen 1-59. Biblischer Kommentar: Altes Testament / begr. von Martin Noth. Hrsg. von Siegfried Herrmann u. Hans Walter Wolff. Neukirchen-Vluyn, 1978, S.439.

[14] Vgl. Oeming, Manfred: Das Buch der Psalmen. Neuer Stuttgarter Kommentar: Altes Testament; 13. 1. Psalm 1-41. Stuttgart, 2000, S.209.

[15] Vgl. ebd., S.206. Allerdings kommt auf diesen Seiten eine Inkonsequenz zum Vorschein: Auf S. 206 schlägt Oeming eine Gliederung in sechs Abschnitte vor, führt aber auf den Seiten 206 bis 209 jedoch nur fünf Abschnitte aus; vgl. „Im fünften und letzten Anlauf (V. 35-40) [...]“ (ebd. S. 209).

[16] Vgl. Hossfeld / Zenger, 1993, S.230.

[17] Er spricht beispielsweise von Gedankeneinheiten: „Eine zweite Gedankeneinheit (V.12-20) [...].“ (S.206).

[18] Zenger, Erich: Psalm 37, Lebenslehre eines Weisen für die Armen, in: Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I, Psalm 1-50. Würzburg, 1993, S.230.

[19] Ebd. S.230.

[20] Vgl. Ravasi, Gianfrano: Il Libro dei Salmi. Commento e Attualizzazione. Volume Io. Bologna, 2002, S. 674.

[21] Vgl. Oeming, Manfred: Das Buch der Psalmen. Neuer Stuttgarter Kommentar: Altes Testament; 13. 1. Psalm 1-41. Stuttgart, 2000, S.206.

[22] Vgl. Zenger, Erich: Psalm 37, Lebenslehre eines Weisen für die Armen, in: Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I, Psalm 1-50. Würzburg, 1993, S. 234ff.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Weisheitspsalmen. Psalmen und alttestamentliche Weisheit
Untertitel
Fromme und Gottlose in den Psalmen 37 & 73
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V266715
ISBN (eBook)
9783656573340
ISBN (Buch)
9783656573326
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weisheitspsalmen, psalmen, weisheit, fromme, gottlose
Arbeit zitieren
Johannes Sift (Autor:in), 2008, Weisheitspsalmen. Psalmen und alttestamentliche Weisheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266715

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