Das bedingungslose Grundeinkommen.

Zukunftsperspektive oder Utopie?


Seminararbeit, 2013

38 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die grundlegende Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens

3. Historische Einordnung der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens

4. Modelle des Grundeinkommens im Überblick
4.1 Das „Solidarische Bürgergeld“
4.1.1 Soziale Auswirkungen
4.1.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.1.3 Finanzierung
4.1.4 Bewertung
4.2 Das „Liberale Bürgergeld“
4.2.1 Soziale Auswirkungen
4.2.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.2.3 Finanzierung
4.2.4 Bewertung
4.3 Die „Grüne Grundsicherung“
4.3.1 Soziale Auswirkungen
4.3.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.3.3 Finanzierung
4.3.4 Bewertung
4.4 Das „Bedingungslose Grundeinkommen“ der Linkspartei
4.4.1 Soziale Auswirkungen
4.4.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.4.3 Finanzierung
4.4.4 Bewertung
4.5 „Das Bedingungslose Grundeinkommen“ der Piratenpartei
4.5.1 Soziale Auswirkungen
4.5.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.5.3 Finanzierung
4.5.4 Bewertung

5. Tabelle: Die Modelle im Überblick

6. Diskussion: BGE – Zukunftsperspektive oder Utopie?

7. Fazit und Begründung

8. Quellen

8.1 Literatur

8.2 Internet

1. Einleitung

Vor fast 500 Jahren äußerte Thomas Morus in seinem bekannten Roman Utopia die Idee einer materiellen Mindestsicherung, die jedem Menschen unabhängig von seinem Einkommen oder seiner sozialen Position zustehen solle.

Bis zum heutigen Tage hat diese Idee an Aktualität und Attraktivität scheinbar wenig eingebüßt. Ob CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Linkspartei oder Piraten: Parteien und Politiker unterschiedlichsten Couleurs diskutierten oder diskutieren intensiv verschiedene Varianten eines sogenannten Grundeinkommens. So fordert die Piratenpartei im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 „die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens […], das die Ziele des „Rechts auf sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe“ […] erfüllt“[1], DIE LINKE befürwortet „ die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Grundeinkommen im Deutschen Bundestag“[2], Bündnis90/Die Grünen sprechen sich für „eine Grüne Grundsicherung als Auffangnetz für Arbeitssuchende“ aus[3] und die FDP will „ mit dem liberalen Bürgergeld Anstrengung belohnen und Bürokratie abbauen“[4]. Die beiden Volksparteien CDU und SPD haben die Idee eines Grundeinkommens zwar nicht in ihren Wahlprogrammen zur anstehenden Bundestagswahl artikuliert, diskutierten allerdings in Kommissionen und Projektgruppen die Finanzierbarkeit und Einführung eines Bürgergeldes bzw. Grundeinkommens[5].

Diese Seminararbeit setzt sich angesichts der anhaltenden Popularität dieser Idee mit verschiedenen Konzepten eines Grundeinkommens auseinander. Neben der historischen Einordnung, den Begründungen und der Beschreibung der unterschiedlichen Modelle, widme ich mich der zentralen Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen eine arbeitsmarktpolitische Utopie und eine reale Zukunftsperspektive darstellt. Dazu werden Vor- und Nachteile kontrovers diskutiert, unterschiedliche Positionen miteinander verglichen und zum Schluss ein begründetes Urteil gefällt.

2. Die grundlegende Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens

Als bedingungsloses Grundeinkommen wird eine staatliche Transferleistung in existenzsichernder Höhe bezeichnet, die jedem Bürger von der Geburt bis zum Lebensende ohne Bedürftigkeitsprüfung zusteht[6]. Das überparteiliche Netzwerk „Grundeinkommen“ definiert das Grundeinkommen „als eine Form von Mindesteinkommenssicherung […], die sich von den zur Zeit in fast allen Industrienationen existierenden Systemen der Grundsicherung wesentlich unterscheidet. Das Grundeinkommen wird erstens an Individuen anstelle von Haushalten gezahlt, zweitens steht es jedem Individuum unabhängig von sonstigen Einkommen zu, und drittens wird es gezahlt, ohne dass Arbeitsleistung oder Arbeitsbereitschaft verlangt wird.“[7]

Daraus lassen sich drei Prinzipen ableiten, die auch als negative Freiheiten bezeichnet werden können:

a) die Freiheit von Unterhaltsbeziehungen
b) die Freiheit von Bedürftigkeitsprüfungen
c) die Freiheit von Arbeitszwängen

Hinter dem Grundeinkommen steht also die Idee, unabhängig von möglicherweise bestehenden Unterhaltsverpflichtungen, unabhängig von Einkommensprüfungen und unabhängig von der Erwerbstätigkeit des Empfängers ohne Rücksicht auf Familienstand und Einkommenslage jedem Bürger eine monetäre Mindestsicherung zu gewährleisten[8].

Die Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der deutschen Sozialpolitik bedeuten und mit fundamentalen Prinzipien der Sozialstaatsgesetzgebung brechen. Der real existierende Sozialstaat basiert auf drei grundlegenden Prinzipien: dem Prinzip der Fürsorge, dem der Versorgung und dem Prinzip der Sozialversicherung.

Das Prinzip der Fürsorge sieht vor, in materiellen Notlagen wie etwa bei Arbeitslosigkeit den Lebensunterhalt zu sichern und ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Kennzeichnend ist hierbei die Orientierung der materiellen Auszahlung an der Bedürftigkeit des Empfängers. Die Leistung wird nachrangig zu sonstigen Vermögen, Einkommen und Unterhaltsansprüchen ausgezahlt und impliziert eine bedingte Rückzahlungsverpflichtung sowie gewisse Arbeitsverpflichtungen wie Qualifizierungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. In der Praxis erhalten Betroffene das Arbeitslosengeld II zur Mindestsicherung des Lebensunterhaltes.[9]

Das Prinzip der Versorgung richtet sich an Empfänger, die in einer besonderen Beziehung zum Staat stehen (z.B. Kriegsopfer) oder einen besonderen sozialen Status innehaben (z.B. Beamte). Auch das Kinder- und Elterngeld basiert auf diesem Prinzip.

Nach dem Prinzip der Sozialversicherung basieren die Leistungsansprüche auf dem Lohnarbeitsverhältnis, also den paritätischen Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Die Sozialversicherung wird z.B. in Form des Renten-, Kranken- oder Arbeitslosengeldes I[10] ausgezahlt und dient der Erhaltung des Lebensstandards.[11]

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde in der Tat den beschrieben Prinzipien der Sozialstaatsgesetzgebung widersprechen. Das Prinzip der Fürsorge mit der Bedürftigkeitsorientierung, der Grundsatz der Koppelung von Leistung an Gegenleistung bei den Sozialversicherungsleistungen sowie die Nachrangigkeit der Leistungsgewährung würden beim bedingungslosen Grundeinkommen entfallen.[12]

3. Historische Einordnung der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, äußerte Thomas Morus bereits im 16. Jahrhundert in seinem Roman Utopia die Idee einer Art Grundeinkommen. Dies sollte seiner Meinung nach der Kriminalitätsbekämpfung dienen, da durch eine Mindestversorgung niemand mehr gezwungen werde, Diebstähle zu begehen.[13] 1848 formulierte der belgische Schriftsteller und Kaufmann Joseph Charlier in seinem Werk Lösung des Sozialproblems die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen[14].

Die britischen Ökonomin Juliet Rhys-Williams entwickelte in den 1940er-Jahren das Grundeinkommen in Form einer negativen Einkommenssteuer.

In den 1960er-Jahren äußerten Milton Friedman und James Tobin erneut die Idee. Die daraufhin ausgelöste breite Diskussion über eine so genannte Negative Income Tax führte zwischen 1968 und 1980 zu einigen praktischen Umsetzungsversuchen in den USA und Kanada. In der Öffentlichkeit wurden diese Experimente weitgehend als gescheitert wahrgenommen.[15]

In der Bundesrepublik Deutschland erlangte das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens erst ab den 1980er Jahren Aufmerksamkeit. Seither wurde die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens in zahlreichen (Partei-)Programmen, Kommissionen oder Arbeitsgruppen thematisiert und ist Bestandteil des politischen Diskurses geworden.

4. Modelle des Grundeinkommens im Überblick

Im folgenden Kapitel möchte ich die in der BRD am intensivsten diskutierten Modelle von Grundeinkommen vorstellen, die arbeitsmarktpolitischen und sozialen Auswirkungen benennen und abschließend bewerten.

4.1 Das „Solidarische Bürgergeld“

2006 stellte der damalige Thüringer Ministerpräsident Diether Althaus das Modell einer Grundsicherung für jeden Bürger vor: Das „Solidarische Bürgergeld“.

Laut Althaus würden hohe Lohnzusatzkosten und arbeitsmarktpolitische Reglementierungen eine weitere Beschäftigungszunahme verhindern. Außerdem werde die Sockelarbeitslosigkeit[16] weiterhin ansteigen. Während einerseits im zunehmenden Niedriglohnsektor keine existenzsichernden Löhne bezahlt werden könnten, würde andererseits das ALG II keine echten Arbeitsanreize mehr bieten. Folglich sei das Sozialversicherungssystem in seiner jetzigen Form ohne weitere Verschuldung nicht dauerhaft finanzierbar.[17] Das Modell des „Solidarischen Bürgergeldes“ solle das Sozialversicherungssystem radikal vereinfachen, indem sämtliche Sozialleistungen im Bürgergeld gebündelt werden. Das würde nicht nur Bürokratieabbau beideuten, sondern auch Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe einsparen.[18]

Das „Solidarische Bürgergeld“ sieht zwei Option vor: Das „große Bürgergeld“ bestehend aus dem Grundeinkommen in Höhe von 600 € und einer Gesundheitsprämie in Höhe von 200 Euro im Monat soll Bürgerinnen und Bürgern mit einem monatlichen Einkommen von unter 1600 Euro zustehen. Die Einkommenssteuer beträgt 50 Prozent, wäre jedoch im Grunde eine Transferentzugsrate, da sie nur im Einkommensbereich unter 1.600 € monatlich angewandt wird. Die Transfergrenze liegt also bei 1.600 Euro[19]. Das „kleine Bürgergeld“ beträgt 200 Euro monatlichen plus der Gesundheitsprämie in Höhe von ebenfalls 200 Euro. Es wird bei Einkommen ab 1.600 Euro angewendet und wird an eine Einkommenssteuer von 25 Prozent gekoppelt.

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sollen ein sog. Kinderbürgergeld in einheitlicher Höhe von 300 Euro plus 200 Euro Gesundheitsprämie erhalten. Ab dem 67. Lebensjahr sieht das Konzept eine Bürgergeldrente. Sie ist auf den maximal doppelten Betrag des Bürgergeldes begrenzt und beinhaltet das Bürgergeld von Erwachsenen in Höhe von 600 € sowie eine Zusatzrente von bis zu 600 €, die sich an der vorherigen Erwerbstätigkeit orientiert.

Menschen mit Behinderungen können darüber hinaus einen Bürgergeldzuschlag beantragen.[20]

Das Althausmodell hätte zur Folge, dass sämtliche Sozialversicherungsbeiträge entfallen. Die Arbeitgeber bezahlen stattdessen für ihre Arbeitnehmer eine Lohnsummensteuer zwischen 10 und 12 Prozent. Die Lohnzusatzkosten für die Arbeitgeber von rund 20 Prozent halbieren sich, die der Arbeitsnehmer von ebenfalls 20 Prozent entfallen ganz.[21]

Das Bürgergeld ist eine Form des bedingungslose Grundeinkommens, weil jeder erwachsene

deutsche Bürger auf diesen Transfer einen rechtlichen Anspruch hätte. Dieser Anspruch würde unabhängig von Vermögen, Erwerbsarbeit, Einkommen, Haushaltssituation und Wohnort gelten. Zudem ist mit dem „Solidarischen Bürgergeld“ keine rechtliche Arbeitsverpflichtung verbunden.[22]

4.1.1 Soziale Auswirkungen

Das Althausmodell setzt eine Mindestzahlung von 600 Euro beim „großen Bürgergeld“ und 200 Euro beim „kleinen Bürgergeld“ sowie 300 Euro für unter 18-Jährige und 600 bis 1200 Euro für Rentnerinnen und Rentner fest. Dadurch soll das soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet werden. In Deutschland liegt die Armutsrisikogrenze für Alleinstehende bei einem monatlichen Verdienst 952 Euro (Zeit online, 23.10.2012)[23].

Ein alleinstehender Arbeitssuchender würde bei einem Bürgergeld in Höhe von 600 Euro klar unter die Armutsrisikogrenze fallen. Die Differenz zwischen „großen Bürgergeld“ und Armutsrisikogrenze beträgt bei einem Nichtverdiener – 352 Euro.

Von Armut bedroht wären ebenfalls Erwerbstätige mit einem monatlichen Einkommen von bis zu 704 Euro[24]. D.h.: Nicht- und Geringverdiener bis 704 Euro fallen beim Konzept des „Solidarischen Bürgergeldes“ unter die Armutsgrenze.

Auch der direkte Vergleich mit der geltenden ALG II-Regelung fällt in Punkto Armut eher negativ aus: Ein alleinstehender erwachsener Arbeitssuchender ohne Kind, der ALG II bezieht, bekommt derzeit einen Regelsatz von 382 Euro. Hinzu kommt nach § 22 Abs. 1 SGB II die Übernahme der Kosten für Miete und Heizung, soweit diese als „angemessen“ gelten. Hierbei wird die durchschnittliche Höhe der Mieten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigt[25]. In Berlin gilt beispielsweise eine Bruttowarmmiete bei einem Ein-Personen-Haushalt als angemessen und somit im Rahmen von ALG II vollständig zu finanzieren bis zu einer Höhe von 378 Euro[26]. Ein alleinstehender erwachsener Arbeitssuchender ohne Kind, der in Berlin in einem Ein-Personen-Haushalt lebt und ALG II bezieht, würde somit bis zu 760 Euro erhalten. Die Differenz zwischen diesem Beispiel und dem „Solidarischen Bürgergeld“ beträgt folglich + 160 Euro. Selbst in Gegenden, in denen die Mieten deutlich niedriger sind als in Berlin, würde eine Differenz wohl kaum zugunsten des Bürgergeldes ausfallen.

Das „Solidarische Bürgergeld“ von Dieter Althaus würde das Armutsrisiko in den unteren Einkommensschichten und bei den Erwerbslosen erhöhen. Das scheint jedoch politisch auch gewollt zu sein. Auf die Frage, ob das Konzept des Bürgergeldes Faulheit (im Sinne von Arbeitslosigkeit) belohne, antwortete Althaus in einem Interview mit dem Sender n-tv: „Aber Faulheit wird doch durch das Solidarische Bürgergeld nicht belohnt, im Gegenteil! (…) Sie haben ja selbst darauf hingewiesen, dass 600 Euro nicht gerade viel sind. Entscheidend für mich ist: Es wird für Arbeitgeber attraktiver, Arbeitsplätze in Deutschland anzubieten.“[27]

Eine Arbeitslosenversicherung, wie sie mit dem ALG I-Regelung existiert, wäre über das Bürgergeld hinaus nicht vorgesehen. Damit wäre eine Lebensstandardsicherung von Erwerbstätigen, die im Falle eines Job-Verlustes von beispielsweise 3000 Euro auf 600 Euro fallen, ausgeschlossen[28].

Die Gesundheitsprämie in Höhe von 200 Euro entspricht einer Kopfpauschale mit Versicherungspflicht. Dadurch sollen in angebotsökonomischer Absicht Gesundheitskosten von Lohnkosten entkoppelt werden. Darüber hinaus solle es jedem Bürger freistehen, Zusatzversicherungen abzuschließen.

Die maximale Bürgerrente in Höhe von 1200 Euro (600 Euro Bürgergeld plus 600 Euro Zusatzrente) setzt eine private Altersvorsorge voraus.

4.1.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Das „Solidarische Bürgergeld“ verfolgt zwei grundlegende arbeitsmarktpolitische Ziele, die – wenn von der Entbürokratisierung abgesehen wird – der Senkung der Arbeitslosigkeit dienen sollen:

Erstens sollen die Anreize für Arbeitssuchende eine Erwerbsarbeit anzunehmen, erhöht werden. Die im großen Bürgergeld ausgezahlten 600 Euro sollen lediglich der Sicherung des Existenzminimums dienen. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Nicht-Erwerbstätige auf den Sozialleistungen „ausruhen“ bzw. die Anreize für die Annahme einer Erwerbstätigkeit erhöht werden. Der Transferentzug beim Solidarischen Bürgergeld liegt beim großen Bürgergeld bei 50 Prozent, bei ALG II bei 80 bis 90 Prozent. Dadurch soll die Attraktivität eine Erwerbsarbeit anzunehmen, erhöht werden. Schwarzarbeit hingegen soll nach Althaus Vorstellungen extrem stark sanktioniert werden. Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer würden bei nachgewiesener Schwarzarbeit ihren Anspruch auf das Solidarische Bürgergeld verlieren und bei Bedürftigkeit nur noch Lebensmittelgutscheine erhalten[29].

Zweitens sollen die Lohnzusatzkosten drastisch gesenkt werden. Laut Althaus würden zu hohe Lohnzusatzkosten eine weitere Beschäftigungszunahme verhindern. Durch das Bürgergeld würden die Lohnzusatzkosten der Arbeitnehmer ganz wegfallen und die der Arbeitgeber von ca. 20 Prozent würden sich halbieren. Dadurch würden insbesondere im Niedriglohnsektor zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitslosigkeit insgesamt gesenkt werden[30]. Außerdem – so die Befürworter – würde Deutschland im Standortwettbewerb gestärkt werden und attraktiver für aus- und inländische Investitionen werden.

4.1.3 Finanzierung

Wie bereits beschrieben, wäre das Konzept hauptsächlich durch zwei Einkommenssteuersätze zu finanzieren: eine 50-prozentige Einkommenssteuer beim „großen Bürgergeld“ für Einkommen bis 1.600 Euro und eine 25-prozentige Einkommenssteuer beim „kleinen Bürgergeld“ für Einkommen ab über 1.600 Euro. Der Negativsteuersatz von 50 Prozent würde letztlich eine Transferentzugsrate darstellen, um die sich der Zuschuss zum Bruttoeinkommen verringert. Die positive Steuerzahlung würde folglich erst ab der Transfergrenze beginnen und dann 25 Prozent betragen. Der Durchschnittssteuersatz beginnt hier mit null und steigt dann mit steigendem Einkommen bis auf 25 Prozent an. Der Satz von 25 Prozent wäre folglich der Spitzensteuersatz. Laut einer Berechnung von Michael Opielka und Wolfgang Strengmann-Kuhn, die 2007 im Auftrag der Konrad Adenauer Stiftung die Finanzierbarkeit des „Solidarische Bürgergeld“ untersuchten, würden sich die Einnahmen aus den beiden Einkommenssteuersätzen (plus Solidaritätszuschlag) jährlich auf ca. 408 Mrd. Euro belaufen[31]. Im Vergleich zu den Einkommenssteuereinnahmen aus dem Jahr 2007 sei dies ein Zuwachs von 200 Mrd. Euro. Die geschätzten Ausgaben des Bürgergeldes würden sich demzufolge auf 597 Mrd. Euro belaufen, rund 400 Mrd. Euro für das Bürgergeld und 197 Euro für die Gesundheitsprämie.[32] Da die Einkommenssteuer als Negativsteuer ausgestaltet wäre, würden die Einnahmen unmittelbar mit den Ausgaben des Bürgergeldes verrechnet werden. Die Gesamtausgaben des „Solidarischen Bürgergeldes“ würden sich dann auf 310 Mrd. Euro jährlich belaufen[33]. Die jährlichen Kosten der Zusatzrente (41,6 Mrd. Euro) und die der Rentenzulage (98,6 Mrd. Euro) würden durch eine Lohnsummensteuer der Arbeitgeber in Höhe von 12 Prozent finanziert werden. Nach dieser Rechnung ließe sich das Bürgergeld alleine kostenneutral finanzieren. Die Autoren schlagen zur Finanzierung der Gesundheitsprämie zwei Möglichkeiten vor: Entweder müssten die Steuersätze von 50 Prozent auf 70 bis 80 Prozent bzw. von 25 Prozent auf 35 bis 40 Prozent angehoben werden oder die Gesundheitskosten müssten vom Bürgergeld entkoppelt werden und durch eine Gesundheitssteuer in Höhe von 14 Prozent generiert werden. Und beiden Fällen - Opielka und Strengmann-Kuhn – würde die durchschnittliche Belastung deutlich unter der heutigen Belastungsquote liegen.[34]

[...]


[1] Vgl. Wahlprogramm der Piraten zur BTW 2013, Kapitel 7.1

[2] Vgl. Wahlprogramm der Linkspartei zur BTW 2013, Kapitel I S. 17

[3] Vgl. Wahlprogramm der Grünen zur BTW 2013, Kapitel G.1 S. 119

[4] Vgl. Wahlprogramm der FDP zur BTW 2013, Kapitel II S. 25

[5] Innerhalb der CDU wurde 2006 von Thüringens ehem. Ministerpräsident Diether Althaus die Debatte über ein Bürgergeld in Höhe von 800 Euro für Bürger mit einem Einkommen von bis zu 1.600 Euro und 400 Euro für Bürger mit einem Einkommen von mehr als 1.600 Euro angestoßen. Die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung hielt dieses Konzept für finanzierbar (tageszeitung, 25.10.2006). Die SPD hat in einer Projektgruppe ein Konzept für ein Solidarisches Grundeinkommen in Höhe von 800 Euro für Erwachsene und 500 Euro für Kinder erarbeitet (Projektgruppe „Grundeinkommen“ der Rhein-Erft-SPD 2007: 4).

[6] Vgl. Projektgruppe „Grundeinkommen“ der Rhein-Erft-SPD 2007: 3

[7] Vgl. Homepage des Netzwerkes „Grundeinkommen“; https://www.grundeinkommen.de/die-idee

[8] Vgl. WISO-Diskurs der Friedrich-Ebert-Stiftung 2009: 17f.

[9] Das Arbeitslosengeld II (ALG II) wurde zum 01.01.2005 eingeführt. Der Regelsatz beträgt 382 Euro pro Monat plus Zahlungen für Miete und Heizung.

[10] Das Arbeitslosengeld (ALG I) beträgt 60 Prozent (bzw. 67 Prozent mit Kind) des ursprünglichen Leistungsentgeldes. Wer unter 50 Jahre alt ist oder weniger als 30 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, erhält maximal ein Jahr lang ALG I. Danach folgt ALG II.

[11] Vgl. Kemmer 2008: 9f.

[12] Vgl. Spermann 2007: 158

[13] Vgl. Löding 2007: 8

[14] Vgl. Löding 2007: 11

[15] Vgl. Kemmer 2008: 11f.

[16] Als Sockelarbeitslosigkeit wird der Anteil der Arbeitslosigkeit bezeichnet, der unabhängig von Konjunktur und Jahreszeit immer vorhanden ist (vgl. Vimentis, 29.12.2011).

[17] Vgl. Löding 2007: 48f.

[18] Vgl. INSA, Homepage „Solidarisches Bürgergeld“, www.solidarisches-buergergeld.de

[19] Verfügt ein Arbeitnehmer über ein Einkommen von genau 1600 Euro, so heben sich die negativen und die positiven Steuern auf.

[20] Die Bedürftigkeit für den Bürgergeldzuschlag müsste jedoch individuell nachgewiesen werden.

[21] Vgl. Kemmer 2008: 166f.

[22] Vgl. Kemmer 2008: 168

[23] Nach EU-Definition gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Einkommen nach Einbeziehung staatlicher Hilfen weniger als 60 Prozent des Landesdurchschnitts beträgt.

[24] Zur Erläuterung: Ein Bezieher des großen Bürgergeldes in Höhe von 600 Euro netto wird mit einer 50-prozentigen Einkommenssteuer belastet. Bei einem monatlichen Einkommen von 704 Euro hätte der Arbeitnehmer folglich 600 Euro Bürgergeld plus 704 Euro abzüglich 50 Prozent Einkommenssteuer zu Verfügung, was genau 952 Euro entsprechen würde.

[25] Vgl. § 22 SGB II „Bedarfe für Unterkunft und Heizung“

[26] Vgl. Homepage der Stadt Berlin, http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/land/av/av_wohnen.html

[27] Vgl. n-tv-Interview mit Dieter Althaus vom 27.02.2007, http://www.n-tv.de/politik/dossier/Anreize-statt-Gaengelei-article57854.html

[28] Vgl. Löding 2007: 52

[29] Vgl. Althaus 2007: 6

[30] Vgl. Althaus 2007: 6

[31] Vgl. Opielka und Strengmann-Kuhn 2007: 20

[32] Die rechnerische Differenz zwischen den gesamten Ausgaben in Höhe von 597 Mrd. € und den simulierten Einnahmen in Höhe von 408 Mrd. € würde also 189 Mrd. Euro pro Jahr betragen. Dies entspreche in etwa den Kosten für die Gesundheitsprämie (Opielka und Strengmann-Kuhn 2007: 21).

[33] 90 Mrd. für Kinder, 100 Mrd. für Rentner und 120 Mrd. für sonstige Erwachsene (Opielka und Strengmann-Kuhn 2007: 21).

[34] Vgl. Opielka und Strengmann-Kuhn 2007: 22

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Das bedingungslose Grundeinkommen.
Untertitel
Zukunftsperspektive oder Utopie?
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
38
Katalognummer
V267531
ISBN (eBook)
9783656581970
ISBN (Buch)
9783656580515
Dateigröße
993 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit stellt unterschiedliche Modelle des BGEs vor, bewertet diese und vergleicht sie miteinander. I
Schlagworte
grundeinkommen, zukunftsperspektive, utopie
Arbeit zitieren
B.A. Karsten Stöber (Autor:in), 2013, Das bedingungslose Grundeinkommen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267531

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