Ursachen für die Einschränkungen junger Frauen in ihrer Berufswahl


Hausarbeit, 2000

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Der weibliche Lebenszusammenhang in der Vergangenheit

B) Ursachen für die Einschränkungen junger Frauen in ihrer Berufswahl
I. Sozialisation
I.1: Allgemeine Definition
I.2: Geschlechtsspezifische Sozialisation der Mädchen
II. Die besonderen Lebensumstände der Frauen heute
II.1: Leitbilder
II.2: Berufsorientierung der Mädchen
II.3: Lebenslagen der Frauen zwischen Erwerbstätigkeit und Familie

C) Resümee

D) Literaturverzeichnis

A) Der weibliche Lebenszusammenhang in der Vergangenheit

Die Frauen im 19. Jahrhundert waren in ihrer Gestaltungsfreiheit sehr eingeschränkt. „In der Unterschicht waren die materiellen Zwänge so hart, daß praktisch alle Anstrengungen und Energien auf das eine Ziel ausgerichtet sein mußten, das tägliche Überleben zu sichern“[1]. Größtenteils waren die Frauen als Arbeiterinnen in der Textilindustrie im Produktionsvorgang der Baumwollspinnereien und Webereien tätig. Bei schlechtem Gehalt und einer täglichen Arbeitszeit von durchschnittlich elf Stunden wurden diese Frauen regelrecht ausgebeutet. Zusätzlich mußten sie sich auch noch um die Kinder und das Wohlergehen des Mannes sorgen[2].

Für die Frauen aus dem gehobeneren Bürgertum galt ein neu entstandenes Leitbild: Die Frau hatte im Haus ihre Pflichten und Aufgaben zum „ ,Dasein für die Familie` [zu erfüllen.] [...] [Auch hier lautete das] oberste[] Gebot [...]: Selbstzurücknahme und Selbstaufgabe“[3].

„Der Frauen Bestimmung von Jugend an ist ein einziges großes Opfer ... Sie entäußert sich ihres eigenen Selbst, sie hat keine Freuden und keine Schmerzen als die der Ihrigen“[4].

In der Praxis bedeutete dies, dass die jungen Frauen von ihrer Familie streng behütet auf ihre spätere Rolle als sittsame Ehefrau vorbereitet wurden. Sie sollten ihrem Gatten ein untergeordnetes Leben führen, jegliche Eigeninteressen verdrängen und sich vollkommen dem Wohl der Familie aufopfern. Das Recht, eine persönliche Entwicklung erfahren zu dürfen wurde ihnen von der Gesellschaft verwehrt.

Heutzutage hat sich die Situation bedeutend gewandelt.

Durch den sozialen Wandel werden sich neue gesellschaftliche Anforderungen an die Frauen gestellt. Frauen können sich heute kaum mehr auf ihre Haustätigkeit in der Familie beschränken, selbst wenn sie dies wollten. Es ist „nicht mehr legitim [...] , sich von einem Mann >aushalten zu lassen<“[5], der finanzielle Beitrag der Frau zum Familieneinkommen ist in der Regel notwendig. Jetzt sind sie nahezu gezwungen, wenigstens für bestimmte Zeitabschnitte berufstätig zu sein.[6]

Für die jungen Frauen in der Gegenwart ist es unausweichlich, erwerbstätig zu sein. Allerdings sind sie in vielen Berufsgruppen, z. B. im gewerblich-technischen Bereich, kaum zu finden. In den sogenannten „Frauenberufen“, in denen Frauen deutlich überrepräsentiert sind, stoßen die Frauen aber auf durchschnittlich geringes Gehalt, schlechte Aufstiegsmöglichkeiten und wenig Übernahmechancen nach der Ausbildung in den erlernten Beruf[7]. Warum beschränken sich dennoch junge Frauen trotz dieser Nachteile in ihrer Berufswahl auf solche Erwerbstätigkeiten? Das ist das Thema dieser Hausarbeit, mit dem ich mich im Folgenden genauer beschäftigen werde. Ich werde dabei näher auf die Sozialisation und die besonderen Lebensumstände der jungen Frauen heute eingehen.

B) Ursachen für die Einschränkungen junger Frauen in ihrer Berufswahl

I. Sozialisation:

1.1.: allgemeine Definition:

Unter dem Begriff „Sozialisation“ versteht Klaus Hurrelmann den Prozess, durch den der Mensch eine sogenannte „zweite“ soziokulturelle Geburt erlebt. Er wird zur sozialen, gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeit, indem er in gesellschaftliche Struktur- und Interaktionszusammenhänge ( in Gruppen, Schichten, Familien etc.) hineinwächst.[8]

Bei der Entstehung und Entwicklung seiner Persönlichkeit spielt dabei sowohl das gesellschaftlich vermittelte, soziale Umfeld eine Rolle als auch die dinglich materielle Umwelt. Der Mensch ist gezwungen, sich mit seinen biologischen Fähigkeiten, mit sich selbst und mit der Umwelt auseinanderzusetzen.

Durch diesen Sozialisationsprozeß wird es dem Menschen erst möglich, eine sozial handlungsfähige Persönlichkeit zu entwickeln. Er dauert ein Leben lang an.[9]

Die Persönlichkeitsentwicklung ist nach Hurrelmann immer an die Realität gebunden, mit der sich der Mensch auseinandersetzen muß. Er unterscheidet zwischen einer äußeren und inneren Realität:

Die äußere Realität stellt die Gesellschaft dar, die durch Sozial- und Wertstruktur soziale und materielle Lebensbedingungen schafft.

Die innere Realität stellt den menschlichen Organismus dar.

Des weiteren definiert Hurrelmann die Persönlichkeitsentwicklung als „ ...die individuelle, in Interaktion und Kommunikation mit Dingen wie mit Menschen erworbene Organisation von Merkmalen, Eigenschaften, Einstellungen, Handlungskompetenzen und Selbstwahrnehmungen eines Menschen auf der Basis der natürlichen Anlagen und als Ergebnis der Bewältigung von Entwicklungs- und Lebensaufgaben zu jedem Zeitpunkt der Lebensgeschichte.“[10]

Um sich mit der äußeren Realität auseinandersetzen zu können, erlernt der Mensch motorische, sensorische, interaktive und affektive Fertigkeiten.

Diese erlernten Basiskompetenzen werden von Mensch zu Mensch allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Wenn diese Fertigkeiten soweit ausgeprägt sind, dass sie dem Menschen ein eigenständiges und selbständiges Verhalten, Interagieren und Kommunizieren ermöglichen, spricht Hurrelmann von Handlungskompetenzen.[11]

Von Identität soll gesprochen werden, wenn ein Mensch über verschiedene Handlungssituationen und über unterschiedliche lebensgeschichtliche Phasen hinweg eine Kontinuität des Selbsterlebens auf der Grundlage eines bewußt verfügbaren Selbstbildes wahrt.

Die Prozesse der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstreflexion sieht Hurrelmann als Voraussetzung und Grundstock der Identität.[12]

Mit dem Eintritt in das Jugendalter, spätestens nach Überwinden der Pubertätskrise, sind die wesentlichen Voraussetzungen für den Aufbau der Identiät gegeben. Der Zeitpunkt der Realisierung hängt allerdings von den individuellen Entwicklungsprozessen ab, die mit den äußeren Lebensbedingungen verbunden sind.[13]

1.2.: Geschlechtsspezifische Sozialisation der Mädchen:

Anja Meulenbelt versteht unter Sozialisation den gesamten Prozeß, bei dem das Individuum lernt, ein Teil der Gesellschaft zu werden und sich die Werte, Normen und Sitten dieser Gesellschaft, in der es lebt, zu eigen macht, bis sie Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist. Einen wesentlichen Anteil dieses Sozialisationsprozesses ist die Sozialisation zur Frau oder zum Mann.[14]

Untersuchungen belegen, dass Erwachsene schon mit einem Baby geschlechtsspezifisch umgehen und aufgrund des Geschlechts des Säuglings bestimmte Erwartungen und Überzeugungen haben. Oft meinen Erwachsene, sie würden Jungen und Mädchen gleich behandeln. Tatsächlich zeigt sich allerdings bald, dass sich die Beziehungsform, bis hin zur gesprochenen Tonlage, dem Geschlecht anpaßt.[15]

Meistens geschehen solche Verhaltensweisen unbewußt und man kann sich oftmals nicht davon freimachen, da man selbst eine solche Erziehung genossen hat.

Bei Jungen im Alter von 19-24 Monaten zeigt sich im Sozialverhalten mehr Durchsetzungsvermögen. Dadurch sind sie erfolgreicher als Mädchen zu diesem Zeitpunkt, die sich zurückgezogener verhalten. Dieses Schema setzt sich auch im späteren Lebenslauf fort.[16] Wenn zum Beispiel Jungen und Mädchen verbal das gleiche aggressive Verhalten zeigen, wird das Mädchen „zickig“ genannt. Ein Mann gilt als „willensstark“, während eine Frau als „herrisch“ bezeichnet wird. Bei einem Jungen, der sein Auto auseinandernimmt, wird sein technisches Interesse gelobt. Ein Mädchen dagegen, das seine Puppe die Arme ausreißt, kommt einer Kindsmörderin gleich.[17]

Von den Forschern werden geschlechtstypische Spielzeuge und Spiele sowie Interaktionen der Kinder mit späterem Sozial- und Leistungsverhalten, insbesondere Berufswahl in Zusammenhang gebracht. Die spielerische Einübung und Vorwegnahme der geschlechtstypischen Arbeitsteilung erscheint eindeutig.[18] Während Mädchen im Rollenspiel mit Puppen z.B. mehr personen- und beziehungsorientiert zu denken lernen, wird den Jungen anhand von Legosteinen und Spielzeugautos handwerkliches und technisches Denken schon frühzeitig vermittelt.

[...]


[1] Beck-Gernsheim, Elisabeth, Vom „Dasein für andere“ zum Anspruch auf ein Stück „eigenes Leben“: Individualisierungsprozesse im weiblichen Lebenszusammenhang, in: Soziale Welt, Nr. 34, 1983, Heft 3, S.309, Z. 21-23

[2] vgl. dazu: Fels, Heinrich, Hofmeier, Franz, Lang, Wolfgang u. Dr.Sigel, Robert, Wege durch die Geschichte 4, erschienen in: Geschichtsbuch Gymnasium Bayern, hrsg. von Hofmeier, Franz, Berlin, 1986, S.27

[3] Beck-Gernsheim, 1983, S.309, Z. 27-29

[4] Beck-Gernsheim, 1983, S. 309, Z. 35-37, zit. nach Behrens, K., Das Insel-Buch vom Lob der Frau, Frankfurt am Main, 1982, S. 69 f.

[5] Geissler, Birgit, u. Oechsle, Mechtild, Lebensplanung als Konstruktion: Biographische Dilemmata und Lebenslauf-Entwürfe junger Frauen, in: Riskante Freiheiten, hrsg. von Beck, Ulrich und Beck-Gernsheim, Elisabeth, Frankfurt am Main, 1994, S. 157, Z.26-27

[6] vgl. dazu: Geissler u. Oechsle, 1994, S. 158

[7] vgl. dazu: Martens, Beate, „ ... wünschen für die Zukunft alles Gute“, Hamburg, 1989, S.45

[8] vgl. dazu: Hurrelmann, Klaus, Einführung in die Sozialisationstheorie, Basel, 1995, S. 275

[9] vgl. dazu: Hurrelmann, 1995, S.14

[10] Hurrelmann, 1995, S.71-72

[11] vgl. dazu: Hurrelmann, 1995, S. 160

[12] vgl. dazu: Hurrelmann, 1995, S. 169

[13] vgl. dazu: Hurrelmann, 1995, S. 177

[14] vgl. dazu: Meulenbelt, Anja, Wie Schalen einer Zwiebel oder wie wir zu Frauen und Männern gemacht werden, München, 1986, S.82

[15] vgl. dazu: Bilden, Helga, Geschlechtsspezifische Sozialisation, in: Handbuch der Sozialisationsforschung, hrsg. von Hurrelmann, Klaus, Basel, 1991, S. 282

[16] vgl. dazu: Bilden, 1991, S.282

[17] vgl. dazu: Meulenbelt, 1986, S. 96

[18] Bilden, 1991, S. 283

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Ursachen für die Einschränkungen junger Frauen in ihrer Berufswahl
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V26954
ISBN (eBook)
9783638291392
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ursachen, Einschränkungen, Frauen, Berufswahl
Arbeit zitieren
Verena Watzal (Autor:in), 2000, Ursachen für die Einschränkungen junger Frauen in ihrer Berufswahl, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26954

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