Die Sehnsucht nach der Rückkehr zum Tier ausgedrückt im Zustand der Kindheit

Dargelegt am Beispiel "Bringing up Baby" von Howard Hawks


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier
2.1. Der Bruch in der Beziehung zwischen Mensch und Tier - Das Zeitalter der Aufklärung

3. Bringing up Baby - eine Komödie

4. Die Tiere in Bringing up Baby
4.1. Das Motiv der Rückentwicklung in die Kindheit in Bringing up Baby

5. Die Sehnsucht nach Rückkehr zum Tier ausgedrückt im Zustand der Kindheit

6. Quellen

1. Einleitung

Das Verhältnis zwischen dem Menschen und den Tieren ist ein Besonderes.

Der Mensch stammt vom Tier ab und hat es vermocht, sich dieses im Laufe der Geschichte zum Untertan zu machen.

In den Konsumgesellschaften, die in den Großstädten dieser Welt ihren deutlichsten Ausdruck finden, nimmt das Tier eine ganz und gar nebensächliche Rolle ein. Wir konsumieren tierische Produkte, erkennen jedoch nicht das ursprüngliche Tier. Wir tragen Lederschuhe und Kleidung aus Wolle, aber sehen nicht das Rind oder das Schaf.

Das tierische Produkt ist allgegenwärtig und sein Lieferant bleibt unerkannt.

Es begegnet uns nur in den Zoos oder als domestiziertes Haustier. In freier Wildbahn erleben wir es selten.

Vor wenigen Jahrhunderten war die Situation eine andere. Es war die Zeit vor der Aufklärung und der industriellen Revolution, in welchem das Tier noch eine wahrhaftige Rolle im menschlichen Alltag spielte. Der Dualismus, der ihre Beziehung prägte, ist uns heute verloren gegangen. Er bestand aus der Notwendigkeit, die den Menschen mit dem Tier als Nutztier verband und dem alltäglichen Zusammenleben.

Wir versuchen das Tier seit dieser Zeit auf andere Weise in unseren Blickpunkt zu rücken,

zum Beispiel in dem wir es in die Kinos bringen.

In dem Film Bringing up Baby (Leoparden küsst man nicht) von Howard Hawks aus dem Jahr 1938 erleben wir, wie das Tier uns Menschen zum Bruder und zum Zeuge werden kann (vgl. Bellour 2011, S.12).

Die Sehnsucht nach dem ursprünglichen Verhältnis, vor der Folie einer strahlenden Vergangenheit, wird uns hier durch die Rückentwicklung der Protagonisten ins Kindesalter offenbart. Die Kindheit, in der wir Menschen den Tieren am nächsten und am ähnlichsten sind, ist hier die Metapher für die Zeit, in welcher wir das Tier „zum innersten Kreis unserer menschlichen Umgebung“ zählten (Berger 1981, S, 12).

Meine These ist, dass die Rückentwicklung ins Kindesalter das Motiv ist, um die Sehnsucht nach einem Verhältnis zwischen Mensch und Tier auszudrücken, wie es vor der Zeit der Aufklärung und der industriellen Revolution einmal war.

In meiner Arbeit möchte ich zunächst grob die Entwicklung der Beziehung zwischen Mensch und Tier in den letzten zwei Jahrhunderten nachzeichnen. Im Folgenden konzentriere ich mich auf den Bruch in dem Verhältnis, welcher unmittelbar mit der Epoche der Aufklärung verwoben ist.

Die Sehnsucht nach dem Tier wird uns erst gewahr, sobald wir hinterfragen, wo in unserer Kultur die Ursachen für den heutigen Zustand liegen.

Ich versuche daher im nächsten Kapitel meiner Arbeit zu zeigen, dass die Komödie dazu dient Gesellschaftskritik und Kulturkritik zu üben und in wieweit die „screwball comedy“ dies auf ihre sehr eigene Art vermag.

Die darauf folgenden Kapitel sollen die Motive Tier und Kindheit anhand des filmischen Beispiels deutlich werden lassen.

Das letzte Kapitel meiner Arbeit hat die Zusammenführung beide Motive zum Inhalt. Hier möchte ich meine These abschließend begründen.

2. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier

Blicken wir in die Historie zurück, wird uns gewahr, dass sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier in den Konsumgesellschaften während der letzten Jahrhunderte grundlegend gewandelt hat.

John Berger spricht von einem Bruch der Traditionen, welche vor dem 19. Jahrhundert zwischen Mensch und Natur vermittelten und in denen das Tier gemeinsam mit dem Menschen im Mittelpunkt der Welt stand (vgl. Berger 1981, S.12).

Der Mensch definiert sich als Mensch über die Abgrenzung zum Tier. Diese ist ihm mit der Fähigkeit zu Denken und seine Gedanken mit Hilfe der Sprache auszudrücken gegeben.

Das Schweigen des Tieres, durch die fehlende gemeinsame Sprache, ist das Indiz seiner Verschiedenheit vom Menschen (vgl. ebd., ff). Die Beziehung von Mensch und Tier war also spätestens seit der Entstehung der Sprache eine ungleiche. Die Kenntnisse, die im Laufe der Geschichte in den kulturellen Epochen der Menschheitsgeschichte erlangt wurden, zeigen dass der Mensch immer vom Tier abhängig war. Das betraf Nahrung, Arbeit, Kleidung und den Transport. Der Mensch machte sich das Tier im zeitgeschichtlichen Verlauf mehr und mehr zu Diensten. Er hielt es als Nutztier und lebte mit ihm in einer Art „Lebensgemeinschaft“ zusammen. Der Mensch war von dem Tier abhängig und hatte es sich dennoch oder gerade deshalb unterworfen.

Während der letzten zwei Jahrhunderte hat sich die Beziehung des Menschen zum Tier von einem Leben Seite an Seite zu einem Zustand gewandelt, den Berger in seiner These: „Heute leben wir ohne Sie (die Tiere) “ auf die Spitze treibt (Berger 1981, S. 20).

Im Zuge der industriellen Revolution entwickelte sich das Tier, aus der Perspektive der Menschen, vom Nutztier zur Maschine. Im modernen postindustriellen Zeitalter nutzen wir das Tier als Rohmaterial oder halten es als Haus- und Zootier (vgl. Berger 1981, S. 21).

Das Tier wurde als Nutztier kulturell aus dem Alltag der Menschen verdrängt und entwickelte sich mehr und mehr vom Subjekt zum ungeschlechtlichen Objekt, insbesondere zum Schauobjekt.

Dieses lässt sich an dem Aufkommen der zoologischen Gärten und Parks zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachzeichnen. Sie entstanden zu einer Zeit, „die das Verschwinden der Tiere aus dem alltäglichen Leben erleben sollte“ (vgl. Berger 1981, S.28).

Der Zoo ist als Institution der Gipfel der Verdrängung der Tiere aus dem menschlichen Leben. Hier werden die Tiere in keiner Weise mehr genutzt. Es geht nicht mehr um das Überleben des Menschen, welches das Tier als Nahrungsquelle sichert oder die Notwendigkeit der tierischen Arbeitskraft in den Industrien. Seiner natürlichen Umwelt entrissen ist das Tier dem Menschen in seiner Freizeit ein lebendiges Schauspiel. Diesen Zweck erfüllte es während aller Epochen der Kulturgeschichte. Denken wir beispielsweise an die Schaukämpfe im antiken Rom und den noch heute praktiziertem Stierkampf in Spanien, Dies geschah, eng verbunden mit dem Menschen. Sie begegneten sich im Kampf auf Leben und Tod.

Die zoologischen Gärten und auf andere Art der Zirkus präsentieren uns die Tierwelt bis heute auf einzigartige Weise.

Als Wegbereiter der Zoos gelten die höfischen Menagerien, welche aus den aristokratischen Wunderkammern und Sammlungen hervorgingen ( vgl. Nessel 2011, S.2 ).

Das möglichst exotische Tier galt bereits zu diesem Zeitpunkt als Objekt, nämlich als Prestigeobjekt und Schauobjekt zugleich.

Mit der französischen Revolution wurden die höfischen Menagerien aufgelöst und die Tiere in öffentliche Zooparks umgesiedelt. Als erster europäischer Zoo ist der Jardins des Plantes in Paris, welcher 1793 entstand, zu nennen. Erst einige Jahrzehnte darauf folgten der Londoner Zoo (1828) und der Berliner Zoo (1844). Als öffentliche Institutionen machten sie es jedem Bürger möglich, die Tiere zu beschauen und zu bestaunen. ( vgl. Berger 1981, S.28).

2.1. Der Bruch in der Beziehung zwischen Mensch und Tier - Das Zeitalter der Aufklärung

Berger stellt heraus, dass die Tiere die Vermittler zwischen dem Menschen und seinem Ursprung darstellen, da sie dem Menschen eben so gleich wie ungleich sind. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt in der Fähigkeit des Menschen symbolisch zu denken und in der sich daraus entwickelnden Sprache.

Der Mensch entfremdete sich im Übergang zur Kulturgesellschaft zunehmend von der Natur und änderte damit sein Verhältnis zum Tier (vgl. Berger 1981, S.15, ff).

Eine besondere Bedeutung spielt hierbei die kulturelle Epoche der Aufklärung, in deren Zuge sich die kirchliche und theologisch geprägte Kultur Europas zu einer fortschrittlichen Bildung wandelte (vgl. Bark/ v. Nayhauss 2009, S. 14).

Die französische Revolution begründete sich mit den Ideen und Werten der Aufklärung, welche eine Hinwendung zur Vernunft forderte und diese als universelle Urteilsinstanz benennt.

Man glaubte „an die Erklärbarkeit aller Dinge“ und unterstellte „das soziale, wirtschaftliche und politische Handeln dem Primat der Vernunft“ (Bark/ v. Nayhauss 2009, S.14).

Das Denken, von Beginn an das Instrument des Menschen, das eigene Dasein durch Objektivierung der Natur von ihr abzugrenzen und Formen der Anpassung an erschwerende natürliche Zustände zu entwickeln, ist in dieser Zeit die Prämisse des vernünftigen Handelns (vgl. Adorno/ Horkheimer 1988, S. 61).

Der „entscheidende theoretische Bruch“ in dem Verhältnis von Mensch und Tier beginnt in dieser kulturellen Ära (Berger 1981, S.20).

Der Dualismus, der bisher die Bindung des Menschen zum Tiere bestimmte, wurde von René Descartes, einem der einflussreichsten Wegbereiter der Epoche der Aufklärung, in den Menschen verlegt. Weder gestand er den Tieren eine Seele zu, noch die Fähigkeit zu denken, also vernünftig zu handeln. So „überließ er den Körper den Gesetzen der Physik und Mechanik“ und reduzierte sie auf das Modell der Maschine (Berger 1981, S.20).

Auch der Philosoph Horkheimer stellte in seiner kritischen Theorie eine Veränderung in der Verbindung von Mensch und Tier im Zeitalter der Aufklärung fest. Er kritisiert, dass die Vernunft nicht nur das Mittel zum Verlassen des Naturzustandes sein kann, sondern gleichfalls das Mittel zur Herrschaft über Natur. (vgl. Horkheimer 1992, S. 299, ff).

Diese Herrschaft äußert sich anschaulich in der Gefangennahme von Tieren und dem Ausstellen in den Zoos.

[...]

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Details

Titel
Die Sehnsucht nach der Rückkehr zum Tier ausgedrückt im Zustand der Kindheit
Untertitel
Dargelegt am Beispiel "Bringing up Baby" von Howard Hawks
Hochschule
Universität Bremen  (Fachbereich 9/ Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Das lebende Bild. Aufzeichnung, Inszenierung und Animation von Tieren im Kino.
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V272083
ISBN (eBook)
9783656642268
ISBN (Buch)
9783656642251
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sehnsucht, rückkehr, tier, zustand, kindheit, dargelegt, beispiel, bringing, baby, howard, hawks
Arbeit zitieren
Anne Schumacher (Autor:in), 2011, Die Sehnsucht nach der Rückkehr zum Tier ausgedrückt im Zustand der Kindheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272083

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