Republikflucht und Folgen für die DDR-Literatur. Ein Vergleich von Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ mit Brigitte Reimanns „Die Geschwister“


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Darstellung von Manfred und Ulrich in den Erzählungen

3. Wie kommt es zur Entscheidung zur Republikflucht?
3.1. Werdegang, Ausbildung und Arbeit
3.2. Das Verhältnis zu den Eltern, zum Sozialismus und der Partei

4. Wie kommt es zur Entzweiung?
4.1. Zerwürfnis zwischen den Geschwistern Uli und Elisabeth
4.2. Trennung von Manfred und Elisabeth in „Der geteilte Himmel“

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

Für hunderttausende Menschen hatte die Teilung Deutschlands in DDR und BRD nach dem zweiten Weltkrieg die Trennung von Freunden und Familie zur Folge.

Zwischen 1949 und 1961 entschieden sich mehr als 2 ½ Millionen DDR-Bürger zur Flucht in die BRD[1], bei der politische, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Motive eine Rolle spielten. Um die Fluchtbewegung zu stoppen und die eigene Bevölkerung von „westlich-kapitalistischen Einflüssen“[2] abzuschirmen, begann die DDR-Regierung am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Dies zementierte die Teilung Deutschlands in zwei politisch, ideologisch und geografisch voneinander getrennte deutsche Staaten.

Das Thema des ideologischen Konflikts und der Entscheidung zur Republikflucht aus der sozialistischen DDR wurde von vielen bekannten zeitgenössischen Autoren und Autorinnen in ihren Werken aufgenommen.[3] Als 1963 die Erzählung „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf erschien, erweckte diese sowohl bei bundesdeutschen als auch bei DDR-Kritikern große Aufmerksamkeit.[4] Christa Wolf schildert in ihrer Erzählung die Entzweiung geliebter Menschen unter dem Druck der politischen Situation.

Obwohl Christa Wolf betonte, ihr „Grundthema“ sei „nicht die Teilung Deutschlands“, sondern die Frage „Wie kommt es, daß Menschen auseinandergehen müssen?“[5] wurde ihre Erzählung „Der geteilte Himmel“ dennoch häufig ausschließlich unter dem gesellschaftspolitischen Gesichtspunkt rezensiert.[6] Auch die Erzählung „Die Geschwister“ von Brigitte Reimann, die im gleichen Jahr wie „Der geteilte Himmel“ erschien, stellte damals eine der bedeutendsten literarischen Umsetzungen des Problems dar.

Doch inwiefern gleichen und unterscheiden sich die beiden Erzählungen inhaltlich? Wie kommt es zum Konflikt und der anschließenden Entzweiung und wie gehen die Figuren mit der Trennung um?

Um diese Fragen beantworten zu können, soll in einem ersten Schritt herausgearbeitet werden, was die beiden männlichen Protagonisten, Manfred in „Der geteilte Himmel“ und Uli in „Die Geschwister“, zur Flucht in den Westen treibt. Dazu muss zunächst geklärt werden, aus welcher Perspektive die beiden Figuren dargestellt sind. Anschließend sollen Manfred und Uli vergleichend charakterisiert und infolgedessen ihr Werdegang, die Ausbildung und ihre Einstellung zur Arbeit genauer untersucht werden. Auch das Verhältnis zu ihren Eltern und die davon geprägte Einstellung zum Sozialismus und der Partei müssen als mögliche Faktoren für die Entscheidung zur Flucht herausgearbeitet werden.

In einem zweiten Schritt wird geklärt, wie es zur persönlichen Entzweiung zwischen Manfred und Rita in „Der geteilte Himmel“ und Uli und Elisabeth in „Die Geschwister“ kommt und infolgedessen herausgearbeitet, wie die Erzählerinnen Rita und Christina mit der Entzweiung umgehen und diese verarbeiten.

Die anschließende Schlussbetrachtung soll die erarbeiteten Ergebnisse kurz zusammenfassen und klären, ob die gestellten Fragen beantwortet werden konnten.

2. Darstellung von Manfred und Ulrich in den Erzählungen

Sowohl Ritas Freund Manfred in „Der geteilte Himmel“ als auch Elisabeths Bruder Uli in „Die Geschwister“ entscheiden sich für eine Flucht in den Westen.

In „Der geteilte Himmel“ reflektiert die Erzählerin Rita Seidel während ihres Genesungsaufenthaltes im Sanatorium die gescheiterte Beziehung mit Manfred. So wird Manfred größtenteils aus Ritas Perspektive dargestellt und sein Charakter wird hauptsächlich über seine Handlungen und Gesprächen mit den anderen Figuren der Erzählung deutlich, von denen Rita rückblickend berichtet. An einigen Stellen in der Erzählung werden jedoch auch direkte Einblicke in Manfreds Gedanken gewährt[7], obwohl die Erzählerin autodiegetisch ist und aufgrund der vielen Prolepsen eine Nullfokalisierung vorliegt.

In Brigitte Reimanns Erzählung „Die Geschwister“ erfolgt die Beschreibung Ulis ebenfalls von außen durch die autodiegetische Erzählerin, seine Schwester Elisabeth. Diese befindet sich aber im Gegensatz zu Christa Wolfs Erzählerin Rita noch mitten in der Krise. Nachdem sie von Ulis geplanter Flucht in die BRD erfährt, bleiben ihr noch zwei Tage, um den Bruder davon zu überzeugen, in der DDR zu bleiben.

3. Wie kommt es zur Entscheidung zur Republikflucht?

3.1. Werdegang, Ausbildung und Arbeit

Uli ist zum Zeitpunkt der Erzählung 25 Jahre alt, ein Jahr älter als seine Schwester Elisabeth. Sie beschreibt ihn zu Beginn als einen sehr attraktiven, intelligenten und erfolgreichen jungen Mann.

Er ist schön, der schönste Junge, den ich kenne. Er ist klug, viel klüger als ich. Er hat sein Abitur mit Auszeichnung gemacht. Er ist der Beste in seiner Seminargruppe. Die Mädchen laufen ihm nach. Er ist stark ein gewandter Sportler […].[8]

Nicht nur sein Abitur hat Uli mit Auszeichnung bestanden, auch sein Studium absolviert er hervorragend und schließt das Diplom mit der Note „sehr gut“ ab. Nach seinem Abschluss hat Uli fest mit einem sehr guten, anspruchsvollen und seinen Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz als Schiffsbauingenieur gerechnet. Aufgrund der Hilfstätigkeit bei einem republikflüchtigen Professor im vierten Semester wird er dort jedoch abgelehnt.

Als Uli mit Elisabeth über die Gründe spricht, warum er die DDR verlassen will, wird seine Frustration über diese Enttäuschung deutlich:

„ […] Mit der Ablehnung fing es an. Dann kam die Enttäuschung über die Arbeit auf der Neptunwerft. Ich bin eine Art Konstruktionszeichner, nicht mehr. Dazu habe ich also studiert, dazu habe ich mein Diplom … Ich will selbständig arbeiten, verstehst du das, ich will Schiffe entwerfen. Ich verblöde. Und dann mein Herr Vorgesetzter …“ […] „Er war mein Kommilitone. Er hat bloß mit Drei bestanden. Aber er ist Genosse, und nur seinem Parteibuch verdankt er den Job.“[9]

Die Erbitterung darüber, dass Parteimitglieder eine bessere Position bekleiden als er selbst, lässt Uli wütend und jähzornig werden.

Neben der Wut macht sich auch ein immer größeres Gefühl der Resignation und Niedergeschlagenheit breit, gegen das sich Uli nicht mehr wehrt. Er sieht keinen Sinn mehr darin in einem Staat zu bleiben, der ihm beruflich alle Möglichkeiten vorenthält und indem er sich nicht mehr weiterentwickeln kann. Er hat keinen Spaß mehr an der Arbeit und das „ganze Leben [in der DDR] ist [ihm] zuwider“.[10]

Manfred ist zu Beginn der Erzählung 29 Jahre alt und somit nur wenige Jahre älter als Uli in Brigitte Reimanns Erzählung „Die Geschwister“. Er gleicht Uli insofern, dass er auch sehr begabt ist und seine Arbeit einen großen Stellenwert in seinem Leben einnimmt. Bereits im zweiten Kapitel betont die Erzählerin Rita im Hinblick auf die spätere Entwicklung, dass Manfred ein studierter Chemiker ist, der seine Doktorarbeit mit Auszeichnung bestanden hat und sich im Dorf erholen will.[11]

[...]


[1] Emmerich, Wolfgang: Kleine Literaturgeschichte der DDR. 3., korrigierte Auflage Neuwied 1985, S. 123.

[2] Ebenda.

[3] Beispiele hierfür sind Anna Seghers „Die Entscheidung“ (1959), Uwe Johnsons „Mutmaßungen über Jakob“ (1959), Brigitte Reimanns „Die Geschwister“ (1963) und Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ (1963).

[4] Klasson, Vera: Bewußtheit, Emanzipation und Frauenproblematik. In „Der geteilte Himmel“ und drei weiteren Texten von Christa Wolf. Göteborg 1991, S.19.

[5] Stephan, Alexander: Christa Wolf- Autorenbücher. 4. Aufl., Reihe „Text und Kritik“, München 1976, S. 35.

[6] Klasson, Vera: Bewußtheit, Emanzipation und Frauenproblematik, S.36.

[7] „Manfred wußte sehr genau: Es gibt eine Art von Tüchtigkeit, die den Tüchtigen kalt lässt. Jetzt erst, da er nicht mehr kalt bleiben konnte, fragte er sich: Was war denn mit mir los?“, Wolf, Christa: Der geteilte Himmel. 43. Aufl. München 2012.S.23.

[8] Reimann, Brigitte: Die Geschwister. 2. Aufl. Berlin 1999.

[9] Reimann, Brigitte: Die Geschwister, S. 104.

[10] Ebenda, S. 84.

[11] Siehe Wolf, Christa: Der geteilte Himmel, S. 8.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Republikflucht und Folgen für die DDR-Literatur. Ein Vergleich von Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ mit Brigitte Reimanns „Die Geschwister“
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V274089
ISBN (eBook)
9783656666905
ISBN (Buch)
9783656666882
Dateigröße
398 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
republikflucht, folgen, ddr-literatur, vergleich, christa, wolfs, himmel, brigitte, reimanns, geschwister
Arbeit zitieren
Sabrina Rutner (Autor:in), 2012, Republikflucht und Folgen für die DDR-Literatur. Ein Vergleich von Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ mit Brigitte Reimanns „Die Geschwister“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274089

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