Diskriminierung. Beendigung des Arbeitsverhältnisse bei Erreichen des Rentenalters


Forschungsarbeit, 2014

24 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Beendigung des Arbeitsverhältnisse bei Erreichen des Rentenalters – Diskriminierung*[1] /[2] /[3]

1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG[4] des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie § 10 Nr. 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wonach Klauseln über die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen des Rentenalters des Beschäftigten zulässig sind, nicht entgegensteht, soweit zum einen diese Bestimmung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt ist und zum anderen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die Nutzung dieser Ermächtigung in einem Tarifvertrag ist als solche nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen, sondern muss gemäß den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel verfolgen

2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer Maßnahme wie der in § 19 Nr. 8 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung enthaltenen Klausel über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, nicht entgegensteht

3. Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat einen Tarifvertrag wie den im Ausgangsverfahren in Frage stehenden für allgemeinverbindlich erklärt, soweit dieser Tarifvertrag den in seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern nicht den Schutz nimmt, den ihnen diese Bestimmungen gegen Diskriminierungen wegen des Alters gewähren.[5] /[6]

Rechtlicher Rahmen - Unionsrecht

Der 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 lautet:[7]

Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“

Der Zweck der Richtlinie 2000/78 besteht nach ihrem Art. 1 in der „Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf
(2) Im Sinne des Absatzes 1

a. liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b. liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i. diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder
ii. der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.…“

Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

(2) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

Art. 16 („Einhaltung“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

a) die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden;
b) die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden.“

Nationales Recht- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Die Richtlinie 2000/78 wurde in die deutsche Rechtsordnung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (AGG, BGBl. I S. 1897) umgesetzt. § 1 („Ziel des Gesetzes“) AGG lautet:

„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

§ 2 „Anwendungsbereich“ AGG sieht vor:

„Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.…“

§ 7 „Benachteiligungsverbot“ Abs. 1 AGG lautet:

„Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.“

[...]


Wir widmen diesen Beitrag dem langjährigen Lehrbeauftragten an der DHBW, Herrn OStR Karl Peter Wettstein, MdL.

* Mit Erläuterungen von Direktor des FOI (DHBW) Prof. Dr. jur. utr. Dr. rer. publ. Siegfried Schwab, Assessor jur., Mag. rer. publ. unter Mitarbeit von Diplom – Betriebswirtin (DH Silke Schwab

Die Zulässigkeit von Regelungen, die eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der rentenversicherungsrechtlichen Regelaltersgrenze vorsehen, war eine der umstrittenen Fragen des Antidiskriminierungsrechts. Mit § 10 S. 3 Nr. 5 AGG brachte der deutsche Gesetzgeber deutlich seinen Willen zum Ausdruck, den status quo zu erhalten. Was geschieht aber, wenn ein wegen Erreichens der Altersgrenze ausgeschiedener Arbeitnehmer sich sogleich wieder um die durch sein Ausscheiden frei gewordene Stelle bewirbt? Darf der Arbeitgeber ihn wegen seines Alters ablehnen? Muss er dann zur Vermeidung weitgehender Ersatzansprüche nach § 15 AGG wieder eingestellt werden? Muss der Arbeitgeber sofort das gewähren, was er zuvor verweigert hat? Mit Sinn und Zweck einer Altersgrenze wäre dies nicht zu vereinbaren. Die Rechtfertigung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss auf die Neueinstellung wirken. Das Erreichen des Regelrentenalters als Höchstgrenze für die Einstellung ist gem. § 10 S. 3 Nr. 3 AGG zulässig, so dass auch bei einer Bewerbung auf eine andere Stelle bei demselben oder einem anderen Unternehmen eine Ablehnung wegen des Alters gerechtfertigt ist, vgl. auch Bauer/Diller, DB 2010, 2727. Die personalwirtschaftlichen Gründe gelten hier genauso, so dass dieses Ergebnis unseres Erachtens europarechtskonform ist; vgl. Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, 1239 – „ein einfaches Beispiel verdeutlicht, wie sehr ein obligatorisches Ruhealter dem Sinn des Verbots der Altersdiskriminierung widerspricht: Würde der auf Grund seines Alters rechtmäßig von seinem Arbeitsplatz Vertriebene sich bei der anstehenden Wiederbesetzung bewerben, dürfte er wegen seines Altes nicht zurückgewiesen werden. Das passt nicht zueinander“. Der EuGH setzt sich nicht mit der Frage auseinander, ob die Altersrente, die der zur Verrentung anstehende Arbeitnehmer beanspruchen kann, angemessen und zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichend sein muss. Das Problem musste dem EuGH bekannt sein, da die Generalanwältin Trstenjak in ihrem Vortrag vom 28. 4. 2010 – C-45/09, BeckRS 2010, 90513 RN 159ff ausgeführte, dass jedenfalls dann keine Prüfung der Rentenhöhe vorzunehmen ist, wenn der Mitgliedstaat eine staatliche Grundsicherung vorhält, die den grundständigen Lebensbedarf abdeckt. In RN 73 des Urteils Palacios de la Villa hat der Gerichtshof allerdings darauf abgestellt, dass die Maßnahme der Zwangsversetzung in den Ruhestand nicht als übermäßige Beeinträchtigung der berechtigten Erwartungen des betroffenen Arbeitnehmers angesehen werden konnte. In diesem Zusammenhang hat er hervorgehoben, dass die betreffende Altersgrenze nicht nur auf ein bestimmtes Alter abgestellt war, sondern auch den Umstand berücksichtigt hatte, dass den Betroffenen am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Gestalt einer Altersrente wie die in der nationalen Regelung im Ausgangsverfahren vorgesehene zugute kam, deren Höhe nicht als unangemessen betrachtet werden konnte. Nach Auffassung der Generalstaatsanwältin hat der EuGH aber nicht festhalten wollen, dass eine Rentenregelaltersgrenze nur dann mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar ist, wenn der im Einzelfall betroffene Arbeitnehmer eine auskömmliche Altersrente bezieht. Der Gerichtshof habe nämlich primär nicht auf die Höhe der im Einzelfall konkret bezogenen Altersgrenze abgestellt, sondern auf den Schutz der berechtigten Erwartungen des betroffenen Arbeitnehmers.

"Das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern

- zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts,
- zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert, vgl. Stoffels, http://blog.beck.de/trackback/36925.

[1] EuGH, Urteil vom 12.10.2010 - C-45/09 (ArbG Hamburg 20.01.2009 – 21 Ca 235/08), BeckRS 2010, 91184 – „Rosenbladt“; DB 2010, 2339 = EuZW 2010, 869 = FD-ArbR 2010, 309901 = NZA 2010, 1167 . Der EuGH entschied zunächst unter Verweis auf das Urteil Palacios de la Villa, NZA 2007, 1219, die Zulässigkeit von Klauseln über die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters könne grundsätzlich nicht als eine übermäßige Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitnehmers angesehen werden. Speziell in Bezug auf § 10 S. 3 Nr. 5 AGG berücksichtigte der EuGH, dass diese Norm nicht zur einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ermächtige, sondern eine Vereinbarung der Sozialpartner oder der Arbeitsvertragsparteien voraussetze. Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt der EuGH die Rechtsprechung des BAG, das § 19 Nr. 8 RTV ebenfalls für europarechtskonform hielt, NZA 2008, 1302. Zweifel an der Europarechtskonformität von § 10 S. 3 Nr. 5 AGG sind damit ausgeräumt. Klauseln, die eine automatische Beendigung bei Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen, sind damit zulässig. Der EuGH verlangt aber dennoch eine Überprüfung im Einzelfall. Die vom EuGH für legitim erachteten Gesichtspunkte einer berechenbaren und in der Altersstruktur ausgewogenen Personalplanung und die Förderung der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer lassen sich im Regelfall zur Rechtfertigung einer Altersgrenze heranziehen, vgl. Bauer, ArbRAktuell 2010, 552 - Zweifel an der Europarechtskonformität von § 10 S. 3 Nr. 5 AGG sind nunmehr ausgeräumt. Klauseln, die eine automatische Beendigung bei Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen, sind damit zulässig. Allerdings verlangt der EuGH noch eine Überprüfung im Einzelfall; vgl. Rolfes, http://blog.beck.de/trackback/39147. Vgl. auch Bauer/von Medem, NJW 2010, 3772 – mit dem EuGH ist eine zweistufige Prüfung für die Zulässigkeit normativer Rentenaltersgrenzen erforderlich: Die Zulässigkeit der gesetzlichen Ermächtigung entbindet nicht von der Verpflichtung, die Vereinbarkeit der konkreten Altersgrenzenregelung zu überprüfen. Nichts anderes fordert § 10 S. 3 AGG, wonach die Regelbeispiele der Nrn. 1 bis 6 nicht schlechthin zur Rechtfertigung führen, sondern nur führen „können”; a. A. Bayreuther, Altersgrenzen, Altersgruppenbildung und der Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer aus Sozialplänen - Konsequenzen der Urteile des EuGH in Sachen Rosenbladt, Andersen, Georgiev und Kleist, NJW 2011, 20 - bei einer tariflichen Regelung bedarf es keiner einzelfallbezogenen Betrachtung, ob sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers im Hinblick auf die konkreten Branchengegebenheiten gerechtfertigt erscheint. Den Tarifpartnern wäre es wohl nicht ohne Weiteres möglich, festzustellen, ob sich die Altersgrenze in der jeweiligen Branche für die jeweilige Berufsgruppe auch wirklich im Hinblick auf arbeitsmarktpolitische Belange rechtfertigen lässt, zumal Altersgrenzen in Tarifverträgen branchen- bzw. unternehmensweit und nicht für einzelne Berufsgruppen festgelegt werden müssen, und dies häufig viele Jahre vor dem möglichen Renteneintritt der betroffenen Arbeitnehmer.

[2] Im Fall Rosenbladt ging es um tarifvertragliche Altersgrenzen, so dass die Zulässigkeit einzelvertraglicher Altersgrenzen noch nicht geklärt ist. Die Betonung des Ermessensspielraums der Sozialpartner könnte für einen strengeren Maßstab sprechen. Dafür spricht die wirtschaftliche Unterlegenheit und Abhängigkeit des ArbN im Einzelfall. Tarifvertragliche Regelungen haben eine kollektive Schutzfunktion. Die besondere Stellung tarifvertraglicher Regelungen im Rechtssystem unterstreich auch die Handhabung von AGB, die tarifvertraglich ausgehandelt sind § 310 BGB. Dennoch sehen Bauer/von Medem, a.a.O., keinen vernünftigen Grund, warum sich nicht auch ein einzelner Arbeitgeber bei der Ausgestaltung seiner Einzelarbeitsverträge auf die als legitim anerkannten personalpolitischen Ziele berufen darf; a. A. Bayreuther, a.a.O., S. 20 – ungeklärt bleiben individualrechtlich vereinbarte Verrentungsklauseln. Bayreuther weis auf die Formulierung des EuGH hin „die Verrentungsklausel sei Frucht einer von „Vertretern der Arbeitnehmer und den Vertretern der Arbeitgeber ausgehandelten Vereinbarung, die damit ihr als ein Grundrecht anerkanntes Recht auf Kollektivvereinbarungen ausgeübt haben”. Weiter wird ausgeführt, dass den Sozialpartnern „nicht nur bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels, sondern auch bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein außerordentlich weiter Ermessensspielraum [zukommt]”. Bayreuther folgert: „Vertragsgestalter sollten beachten, dass Verrentungsklauseln möglichst nicht auf eine starre Altersgrenze abstellen, weil das Sozialrecht Schwankungen unterworfen ist“.

[3] Das Primärrecht wendet sich zum einen gegen eine Diskriminierung wegen der Nationalität, und zwar im Umfeld der Grundfreiheiten. Für das Arbeitsrecht spielt hierbei Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) die wichtigste Rolle. Es beinhaltet zum anderen den Kampf gegen Diskriminierung wegen bestimmter Merkmale (Art. 19 AEUV, ex-Art. 13 EG) und das Gebot der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen (Art. 157 AEUV). Zu diesen Bereichen ist bedeutsames Sekundärrecht ergangen. Allen gemein ist der Schutz nicht nur vor unmittelbarer, sondern auch vor mittelbarer Diskriminierung. Die unmittelbare Diskriminierung nach Art. 45 Abs. 2 AEUV kann nicht gerechtfertigt werden, vgl. Schubert/Jerchel, Das europäische Arbeitsrecht (2009/2010), EuZW 2010, 688.

[4] Gleichbehandlung und Altersdiskriminierung - die Richtlinie 2000/78 EG, EuGH, Urteil vom 5. 3. 2009 - C-388/07 (The Queen, The Incorporated Trustees of the National Council on Ageing [Age Concern England]/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform), BeckEuRS 2009, 494553 = EuZW 2009, 340 = NZA 2009, 305 = BeckRS 2009, 70260, mit Anm. Bauer, GWR 2009, 279605 = GWR 2009, 48 - der EuGH klar, dass die nationalen Gesetzgeber Regelungen über das Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem aktiven Erwerbsleben bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze treffen können, solange die Regelung einem legitimen Ziel wie z.B. der Beschäftigungspolitik dient. Nach diesen Vorgaben haben die Arbeitsgerichte der Mitgliedstaaten die nationalen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 der RL zu überprüfen. Der EuGH gibt ihnen auf, dabei den weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers zu beachten.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung, die, wie Regulation 3 der im Ausgangsverfahren fraglichen Verordnung , keine genaue Aufzählung der Ziele enthält, die eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters rechtfertigen könnten, nicht entgegensteht. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG besteht die Möglichkeit, eine Ausnahme von diesem Grundsatz vorzusehen, jedoch nur für Maßnahmen, die durch rechtmäßige sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung einem solchen rechtmäßigen Ziel entspricht und ob der nationale Gesetz- oder Verordnungsgeber angesichts des Wertungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik verfügen, davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ermöglicht es den Mitgliedstaaten, im Rahmen des nationalen Rechts bestimmte Formen der Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters vorzusehen, sofern diese „objektiv und angemessen“ und durch ein rechtmäßiges Ziel, wie aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieser Ziele angemessen und erforderlich sind. Diese Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten die Beweislast dafür auf, dass das zur Rechtfertigung angeführte Ziel rechtmäßig ist, und stellt an diesen Beweis hohe Anforderungen. Dem Umstand, dass der in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie verwendete Begriff „reasonably“ nicht in Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie enthalten ist, ist keine besondere Bedeutung beizumessen.

[5] Der Gerichtshof hat sich zur Zulässigkeit von Altersgrenzen bekannt und präzisiert dabei die Palacios-Rechtsprechung, EuGH, Diskriminierung auf Grund des Alters, EuZW 2007, 762 = DB 2007, 2427 = EuGRZ 2007, 690 . Die Entscheidung räumt letzte Zweifel an der Europarechtskonformität von § 10 S. 3 Nr. 5 AGG aus. Er fordert jedoch eine zweistufige Prüfung: Die Zulässigkeit der gesetzlichen Ermächtigung entbindet nicht von der Verpflichtung, die Vereinbarkeit der konkreten Altersgrenzenregelung zu überprüfen. Nichts anderes fordert § AGG § 10 S. 3 AGG, wonach die Regelbeispiele der Nrn. 1 bis 6 nicht schlechthin zur Rechtfertigung führen, sondern nur führen „können”. Leitsatz 2 zeigt, dass die Prüfung der konkreten Altersgrenzenregelung kaum eine Hürde darstellen wird. Der E uGH hält die in Rede stehende tarifliche Altersgrenze für europarechtskonform und bestätigt damit die Rechtsprechung des BAG, NZA 2008, 1302. Der EuGH geht von den Zielen aus, die der beteiligte Arbeitgeberverband angegeben hatte und die sich im Urteil des BAG finden: dem Interesse an einer sachgerechten Personal- und Nachwuchsplanung, der Begünstigung der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer und der Ermöglichung einer in der Altersstruktur ausgewogenen Personalplanung. Solche Ziele sind nach seiner Auffassung legitime Ziele i. S. der Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78 EG. Die Einwände des ArbG Hamburg gegen die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Altersgrenze weist der EuGH zurück. Nach dem Urteil in der Sache Age Concern England, EuGH, NZA 2009, 305) wurde vielfach gefolgert, legitime Ziele könnten nur solche im Allgemeininteresse sein, nicht aber individuelle Ziele des Arbeitgebers. Diesem Standpunkt neigte auch die Generalanwältin zu. Der EuGH hat in der vorliegenden Entscheidung alle genannten personalpolitischen Ziele anerkannt, nicht etwa nur die Begünstigung der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer. Damit bestätigt sich, was unseres Erachtens schon aus den Entscheidungsgründen in der Sache Kücükdeveci, EuGH, NJW 2010, 427 folgte: Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78 erlaubt auch die Berücksichtigung genuiner Arbeitgeberinteressen, so auch BAG, NZA 2009, 361. Der EuGH führt als Argument für die Verhältnismäßigkeit der Altersgrenze an, sie führe nicht zu einem erzwungenen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und nehme dem Arbeitnehmer nicht den Schutz vor Altersdiskriminierung, wenn er weiter erwerbstätig bleiben wolle. Was geschieht nun, wenn der soeben wegen Erreichens der Altersgrenze ausgeschiedene Arbeitnehmer sich sogleich wieder um die frei gewordene Stelle bewirbt? Darf der Arbeitgeber ihn wegen seines Alters ablehnen? Mit Sinn und Zweck einer Altersgrenze ist es überhaupt nicht zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf altersdiskriminierungsfreie Berücksichtigung bei der Vergabe der durch sein eigenes Ausscheiden frei gewordenen Stelle hätte. Die Rechtfertigung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlägt auf die Neueinstellung durch. Darüber hinaus ist die Altersgrenze als Beendigungsgrund und das Erreichen des Regelrentenalters als Höchstgrenze für die Einstellung gem. § 10 S. 3 Nr. 3 AGG zulässig, so dass auch bei einer Bewerbung auf eine andere Stelle bei demselben oder einem anderen Unternehmen eine Ablehnung wegen des Alters gerechtfertigt ist, vgl. auch Bauer/Diller, DB 2010, 2727; vgl. Bauer, NJW 2010, 3771f.

[6] Bayreuther, Altersgrenzen, Altersgruppenbildung und der Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer aus Sozialplänen - Konsequenzen der Urteile des EuGH in Sachen Rosenbladt, Andersen, Georgiev und Kleist, NJW 2011, 19 - mit der Palacios-Entscheidung des EuGH schien die weitere Zulässigkeit von Altersgrenzen geklärt zu sein. Das BAG übernahm die aufgezeigten Kriterien, BAGE 127, 74 = NZA 2008, 1302 - eine tarifvertragliche Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Regelrentenalters endet, ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bereits erworben hat. Auf die Höhe der dem Arbeitnehmer konkret zustehenden Altersrente kommt es nicht an. Eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in einem Tarifvertrag dient auch allgemeinen beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Zielen i. S. des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG. Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch eine Altersgrenze eröffnet jüngeren Arbeitnehmern eine Beschäftigungschance und dient der Entlastung des Arbeitsmarkts. Die Nachteile, die die von der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer durch die Altersgrenze erfahren, sind gegenüber der dadurch bewirkten Förderung der Beschäftigungspolitik und der Entlastung des Arbeitsmarkts als angemessen und erforderlich i. S. des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG anzusehen, vgl. Bauer, FD-ArbR 2008, 262318. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass eine auf das 65. Lebensjahr abstellende Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen und individualvertraglichen Abmachungen sachlich gerechtfertigt sein kann, BAGE 109, 6 = NZA 2004, 1336 = NJW 2004, 3654 L = AP TzBfG § 17 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 4; BAGE 57, 30 = NZA 1988, 617 = AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 2 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 1; BAG, BAGE 29, 133 = AP BAT § 60 Nr. 1.Dabei haben die Senate die Interessen der Arbeitsvertragsparteien an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einerseits und seiner Beendigung andererseits gegeneinander abgewogen. Sie haben berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch auf dauerhafte Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen verfolgt. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Allerdings handelt es sich um ein Fortsetzungsverlangen eines mit Erreichen der Regelaltersgrenze wirtschaftlich abgesicherten Arbeitnehmers, der bereits ein langes Berufsleben hinter sich hat, und dessen Interesse an der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit aller Voraussicht nach nur noch für eine begrenzte Zeit besteht. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer auch typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelungen durch seinen Arbeitgeber Vorteile hatte, weil dadurch auch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden sind. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, haben die Senate jedenfalls dann Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers gewährt, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres wirtschaftlich abgesichert ist, BAGE 115, 265 = NZA 2006, 37 = NJW 2006, 255. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Dieses Ergebnis ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 TzBfG ist nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig. Ein solcher Prüfungsmaßstab wäre systemwidrig, weil im Befristungsrecht nur maßgeblich ist, ob der Arbeitgeber bei Vertragsschluss einen von der Rechtsordnung anzuerkennenden Grund für einen nicht auf Dauer angelegten Arbeitsvertrag hatte oder nicht. Mit diesem Grundgedanken ist es unvereinbar, die Wirksamkeit der bei Vertragsschluss vereinbarten Befristung nach der konkreten wirtschaftlichen Situation des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze zu beurteilen. Auch das verfassungsrechtliche Untermaßverbot erfordert für die Wirksamkeit der Altersgrenze keine am individuellen Lebensstandard des Arbeitnehmers und seinen subjektiven Bedürfnissen orientierte Altersversorgung. Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht ist bereits dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat. Mit den Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung und ihre Ausgestaltung hat der Gesetzgeber ein geeignetes Altersversorgungssystem für Arbeitnehmer geschaffen, das nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ihren Lebensunterhalt sicherstellt. Durch die von beiden Arbeitsvertragsparteien entrichteten Beiträge erwerben die Arbeitnehmer eine Altersrente, die ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage nach Wegfall des Arbeitseinkommens bilden soll. Die Höhe der sich im Einzelfall aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergebenden Ansprüche ist für die Wirksamkeit einer auf die Regelaltersgrenze bezogenen Befristung grundsätzlich ohne Bedeutung. Da die sich aus der Beitragszahlung ergebende Versorgung vorhersehbar ist und auch der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand feststeht, ist der Arbeitnehmer gehalten, seine Lebensplanung auf die zu erwartenden Versorgungsbezüge einzustellen, BAGE 115, 265 = NZA 2006, 37. Die sich aus dem Untermaßverbot des Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen werden durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze auch dann nicht unterschritten, wenn der Arbeitnehmer seinen Lebensunterhalt aus der gesetzlichen Altersrente allein nicht bestreiten kann. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts gebieten keine andere Beurteilung. Eine auf die Vollendung des Regelrentenalters bezogene tarifliche Altersgrenzenregelung hat dann keinen Bestand, wenn sie den betroffenen Arbeitnehmer diskriminiert oder ihn dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot zuwider, zu vertraglichen Altersgrenzen: BAGE 109, 6 = NZA 2004, 1336. Die unterschiedliche Behandlung zwischen Arbeitnehmern, die ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben und anderen Arbeitnehmern ist aber durch legitime Ziele i. S. des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt; sie verstößt nicht gegen den primärrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung. Im Übrigen ist sie durch allgemeine beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitische Ziele gerechtfertigt. Die Nachteile, die die von der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer durch die Altersgrenze erfahren, sind gegenüber der dadurch bewirkten Förderung der Beschäftigungspolitik und der Entlastung des Arbeitsmarkts als angemessen und erforderlich i. S. des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG anzusehen. Dass diese Ziele tatsächlich erreicht werden können, ist m. E. bei tarifvertraglichen Altersgrenzen durch die Tarifvertragsparteien einzelfallbezogen zu begründen, wobei auch darzulegen ist, wie die Neubesetzung auf Grund der Altersgrenzenregelung freigewordener Stellen gewährleistet wird.

[7] Vgl. Sagan, BB 2009, 1815 - erstens hat der EuGH in der Entscheidung Hütter, EuGH, Urteil vom 18.6.2009 C-88/08, zu erkennen gegeben, dass die Bestimmung des Arbeitsentgelts nach der Berufserfahrung grundsätzlich keine unzulässige Altersdiskriminierung darstellt. In dem hierzu in Bezug genommenen Urteil in der Rs. Cadman, NZA 2006, 1205, ist dieser Grundsatz lediglich im Hinblick auf eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung aufgestellt worden. Dem Verweis auf diese Entscheidung lässt sich aber entnehmen, dass er nun auch im Bereich der Altersdiskriminierung gelten soll. Demnach ist eine Bemessung des Arbeitsentgelts nach der Berufserfahrung nur ausnahmsweise dann rechtfertigungsbedürftig, wenn ein Arbeitnehmer Anhaltspunkte liefert, die ernstliche Zweifel daran aufkommen lassen, dass berufliche Erfahrung die Arbeitnehmer dazu befähigt, ihre Arbeit besser zu verrichten. In der Rs. Hütter führt der EuGH nun das Kriterium der Kohärenz ein und prüft, ob die beiden vorgetragenen Regelungsziele in sich stimmig sind. Insoweit attestiert er der österreichischen Altersuntergrenze einen Mangel "innerer Kohärenz", da sie angeblich widersprüchlichen Zwecken diene. Dabei ist aber nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass mit der Regelung letztlich das alleinige Ziel verfolgt wurde, alle Berufsanfänger auf gleichem Niveau zu vergüten. Roß-Kirsch, Steigende Renteneintrittsalter in Europa - Herausforderung für Personalverantwortliche, BB 2011, 441 - steigende gesetzliche Renteneintrittsalter in Europa stellen Personalverantwortliche vor vielfältige Herausforderungen im Zusammenhang mit einer damit vielfach verbundenen immer älter werdenden Belegschaft. Darunter auch, ob Arbeitnehmer bei Erreichen des Renteneintrittsalters in Ruhestand versetzt werden können, falls eine entsprechende Vereinbarung besteht, vgl. Berg/Natzel, Die Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht, BB 2010, 2885 - Höchstaltersgrenzen auch nach Inkrafttreten des AGG weiterhin in zulässiger Weise vereinbart werden können. Sie müssen aber ein legitimes Ziel verfolgen; die Mittel zur Zielerreichung müssen angemessen und erforderlich sein. In Anbetracht der erfolgten Rechtsprechung sollte für den Fall einer beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze liegenden Zeitpunkt jeweils zusätzlich auch vereinbart werden, dass das Vertragsverhältnis jedenfalls mit Erreichen der Regelaltersrente endet. Denn die Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll, ist nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls in aller Regel zulässig, wie sich indirekt auch § 41 SGB VI entnehmen lässt. Ältere Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Erfahrung vielfach sehr wertvoll für das Unternehmen. Gleichzeitig gilt es, deren Motivation weiter aufrechtzuerhalten, gerade wenn bereits der unternehmensinterne Karriereweg ausgeschöpft wurde oder Aufgaben seit vielen Jahren routinemäßig erledigt werden. Kommt es nämlich zu einem dauerhaften Leistungsabfall ("lowperformance"), ist zu bedenken, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie in jedem Fall und hier ganz besonders das letzte Mittel sein sollte. Dafür sprechen aus Sicht des Arbeitgebers schließlich auch wirtschaftliche Erwägungen, da eine Kündigung oder die Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages im Fall von älteren Arbeitnehmern europaweit oft mit sehr hohen Trennungskosten verbunden ist.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Diskriminierung. Beendigung des Arbeitsverhältnisse bei Erreichen des Rentenalters
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim  (Forschungsinstitut (FOI))
Note
1,2
Autor
Jahr
2014
Seiten
24
Katalognummer
V274113
ISBN (eBook)
9783656669678
ISBN (Buch)
9783656669616
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeitsrecht und Europarecht
Schlagworte
Altersdiskrimminierung, Eurparecht, Renteneintrittsalter, Arbeitsrecht
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2014, Diskriminierung. Beendigung des Arbeitsverhältnisse bei Erreichen des Rentenalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274113

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