Interkulturelles Management. Unternehmen und interkulturelle Kommunikation


Akademische Arbeit, 2007

65 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Interkulturelles Management

3.1 Begriffsklärung
3.2 Differenzierende Kulturmodelle

4 Kulturvergleichende Forschung
4.1 Vergleichende Betrachtung ausgewählter Kulturmodelle
4.2 Zusammenfassung

5. Interkulturelle Kommunikation
5.1 Sprache und Identität
5.2. Interkulturelle Kommunikationsarten
5.3 Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen
5.4 Stereotype
5.5 Interkulturelle Kommunikation und interkulturelle Kompetenz

6 Diversity Management und Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit

7 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis (mit weiterführender Literatur)

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Kultur als ein wichtiger Umweltfaktor für Unternehmen in der globalen Wirtschaft. Interkulturelles Management ist ein Ansatz, welcher diese Umfeldbedingungen berücksichtigt. Dessen Darstellung schließt sich die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Begriff Kultur an. Auf analytische Unterscheidungen von Teilen des Konzepts Kultur wird daran im Anschluss eingegangen. Die Zusammenfassung ausgewählter Dimensionsmodelle aus der kulturvergleichenden Forschung umfasst das vierte Kapitel. Diesem folgen Ausführungen zur interkulturellen Kommunikation unter besonderer Berücksichtigung deutscher und tschechischer Kommunikationsmerkmale. Der Text schließt mit einem Überblick über den Begriff Diversity Management und der Darstellung der Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit.

2 Interkulturelles Management

Grundsätzlich unterscheidet sich der Bezugsrahmen des internationalen Managements nicht von dem des nationalen Managements. Beiden werden als Hauptaufgaben Organisation, Führung, Controlling und Personalbeschaffung zugewiesen (vgl. Barsauskas/Schafir, 2003, S. 12). Im Unterschied zum nationalen Management sind die Aktivitäten im internationalen Management jedoch grenzüberschreitend (vgl. ebd., S. 10). Bei dieser erheblich komplexeren Planungs- und Entscheidungssituation (vgl. Zentes/Swoboda, 1997, S. 144) stellt die Kultur einen wichtigen, nicht vom Unternehmen beeinflussbaren Umweltfaktor dar. Als externe Größe wirkt sie auf alle Teilbereiche des Unternehmens und muss deshalb in allen unternehmensrelevanten internationalen Entscheidungssituationen berücksichtigt werden. Die kulturbezogene Ausrichtung internationaler Unternehmenstätigkeiten gewinnt immer mehr an Bedeutung. In der Literatur wird deshalb auch vom „interkulturellen Management“ gesprochen, dessen Inhalte folgendermaßen definiert werden können: „Das Forschungsfeld interkulturelles Management befasst sich mit sämtlichen Fragen und Problemen, die sich aus der Verschiedenartigkeit der kulturellen Umwelt und aus der Konfrontation von Personen und Institutionen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund für den Managementprozess, das heißt für die Lenkung betriebswirtschaftlicher Organisationen ergeben. Dazu gehören insbesondere Probleme des Transfers von Managementtheorien, Managementtechniken und Managern über kulturelle Grenzen hinweg und die wirtschaftsbezogene Kommunikation und Interaktion von Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise.“ (Hasenstab, 1999, S. 120)

Neben der Nationalkultur stellt auch die Unternehmenskultur im interkulturellen Management eine wichtige Komponente dar. Letztere wird von der jeweiligen Nationalkultur des Landes maßgeblich beeinflusst, wie Abbildung 1 verdeutlicht.

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen National- und Unternehmenskultur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Scherm/Süß, 1999, S. 68

Die Unternehmenskultur basiert auf gemeinsam geteilte Praktiken (vgl. Hofstede, 2003,
S. 34f.), so dass die zweckmäßige Ausrichtung der unternehmensinternen Praktiken auf die kulturspezifischen Werte des Landes eine bedeutende Aufgabe des interkulturellen Managements darstellen (vgl. Weidmann, 1995, S. 59). Wenn Unternehmens- und Nationalkultur nicht miteinander vereinbar sind, können bspw. geschäftliche Misserfolge oder Identifikationsprobleme seitens der Mitarbeiter die Folge sein (vgl. Siedenbiedel, 1997,
S. 59f.).

Diesem Bereich widmen sich eine Reihe von Managementtheorien, für welche Perlitz (2000, S. 293ff.) folgende drei grundsätzliche Denkweisen findet:

(1) Universalismus: Die Universalisten vertreten die Ansicht, dass Managementtheorien kulturunabhängig anwendbar sind (sog. „culture-free“-These) (vgl. Kutschker/Schmid, 2002, S. 770).
(2) Ökonomischer Relativismus: Der Standpunkt der Relativisten ähnelt dem der Universalisten, allerdings wird diese Meinung mit der Konvergenzthese, nach welcher sich Managementprinzipien langfristig annähern (Homogenisierung), begründet. Im Gegensatz zu den Universalisten wird jedoch keine Unabhängigkeit des Managements von der Nationalkultur angenommen, sondern im Rahmen der kulturvergleichenden Forschung nach Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen gesucht.
(3) Kulturismus: Die sog. „culture-bound“-These der Kulturisten besagt, dass Managementpraktiken individuell an die Kulturen angepasst werden müssen. Eine interkulturelle Anwendbarkeit und Übertragbarkeit ist nicht möglich. Es besteht ein enger Zusammenhang zu den Vertretern der Divergenztheorie, nach welcher eine Tendenz der zunehmenden Unterschiedlichkeit der Kulturen angenommen wird (vgl. Kutschker/Schmid, 2002, S. 771).

Eine internationale Übertragung von Managementkonzepten (dominant sind vor allem US-amerikanische) ist vorrangig für sog. harte, d.h. technisch messbare Bereiche des Managements wie Controlling oder Investitionsrechnung möglich. Die Anwendbarkeit von Strategien im sog. weichen, personen- und verhaltensbezogenen Managementbereich ist dagegen vor dem kulturellen Hintergrund des Gastlandes zu prüfen (vgl. Welge/Holtbrügge, 1998, S. 45).

In Anbetracht der im folgenden Kapitel von verschiedenen Forschern ermittelten Kulturunterschiede wird dem Management international agierender Unternehmen bewusst gemacht, dass die interkulturelle Kompetenz des Managements einen entscheidenden Erfolgsfaktor ausmacht. Jegliche Managementinstrumente müssen hinsichtlich ihrer kulturspezifischen Anwendbarkeit geprüft und angepasst werden. Das Bewusstsein über die eigene kulturelle Prägung sowie die Fähigkeit der Anpassung und Relativierung der eigenen Denk- und Handlungsweise im interkulturellen Kontext ist dabei von großer Bedeutung (vgl. Reimer, 2005). Ethnozentrische sowie stereotypisierte Entscheidungen und Urteile sollen durch interkulturelle Kompetenzen vermieden bzw. reduziert werden (vgl. Weidmann, 1995, S. 41).

3 Nationalkultur als Einflussfaktor

3.1 Begriffsklärung

Der Kulturbegriff wird sehr unterschiedlich gebraucht, meist stammen Begriffsdefinitionen aus der Kulturanthropologie, der Ethnologie oder der Kulturpsychologie. Schon Kroeber&Kluckhohn (1952) fassten in ihrem Werk 170 verschiedene Definitionen zusammen. Zudem variiert der genaue Inhalt des Wortes „Kultur“ oder seiner Äquivalente von Sprache zu Sprache. Im Folgenden soll zunächst eine kurze semantische Betrachtung des Begriffs in ausgewählten westlichen sowie der japanischen und chinesischen Sprache vorgenommen werden, dem folgen Definitionsvorschläge verschiedener Autoren und schließlich sei die für diese Arbeit gültige Erklärung von Kultur angegeben.

Fast alle westlichen Begriffe für Kultur – so auch des englischen „culture“ - gehen auf lateinische Wurzeln mit den Worten „colere“ oder „cultus“ zurück. „Colere“ bedeutet dabei zum einen Land zu kultivieren. Landwirtschaft und Ackerbau erfordert das Leben in einer Beziehung zum Land, welches kultiviert werden soll. Kultivieren entspricht hierbei einem restrukturierenden Vorgang. Zum anderen bedeutet „colere“ Truppen oder Menschen zu ernähren, Sorge und Anbetung. Auch bei letzterem existiert eine Beziehung zwischen dem angebeteten Etwas als mentales Modell (z.B. ein Gott) und den sichtbaren Ritualen und Verhaltensweisen. Das Wort „cultus“ trägt die Bedeutung Kult, d.h. Verehrung von Etwas. Im Deutschen trägt das Wort „Kultur“ eine klare Konnotation im Sinne von „Hoch-Kultur“, d.h. die intellektuelle Seite der Zivilisation und Gesellschaft wie die Ästhetik, Kunst, Theater, Oper, akademische Institutionen etc. (vgl. Heller, 1985, S. 15f.) Das finnische Wort „kulttuuri“ wird einerseits im Zusammenhang mit Zivilisationen und nationalen Einheiten angewendet, andererseits kann auch die Betonung auf Hoch-Kultur liegen. Das japanische Äquivalent „bunka“ besteht aus zwei Teilen, geschrieben in zwei chinesischen Schriftzeichen. Auch das chinesische Wort für Kultur „wenhua“ wird so geschrieben. Das erste Schriftzeichen bedeutet das „Schreiben“ oder die „Zivilisation“, das zweite trägt die Bedeutung „Transformation“, „Wechsel“ oder „Bezaubern“. Das japanische linguistische Konzept für Kultur trägt die Konnotation des Wechselns von etwas durch menschliche Aktivität, insbesondere durch Schreiben und Lernen (vgl. Henshall, 1988, S. 19, 69). Es seien an dieser Stelle nun einige ausgewählte Begriffserklärungen in Form einer Tabelle, geordnet nach den Quellen, vorgestellt.

Abbildung 2: Kulturdefinitionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1][2][3]

Quelle: Eigene Darstellung.

Aus der Vielzahl an unterschiedlichen Kulturansätzen sollen die Vorstellungen von Keller, Luthans und Kluckhohn herausgegriffen werden, die ihre Vorstellungen von Kultur durch die Aufzählung von charakteristischen Kennzeichen präzisieren. Keller (1982, S. 114ff.) geht dabei von folgenden Eigenschaften aus:

- „Kultur ist Menschen geschaffen. Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Handelns und Denkens einzelner Menschen.
- Kultur ist überindividuell und ein soziales Phänomen, das den Einzelnen überdauert.
- Kultur wird erlernt und durch Symbole übermittelt.
- Kultur ist durch Normen, Regeln und Verhaltenkodizes verhaltenssteuernd.
- Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration.
- Kultur ist ein Instrument zur Anpassung an die Umwelt.
- Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig.“
Auch bei Luthans (1997, S. 96) finden sich Aspekte der sozialen Kultur, welche das zwischenmenschliche Leben strukturieren:
- „Learned. Culture is not inherited or biologically based; it is acquired by learning and experience.
- Shared. People as members of a group organization, or society share culture; it is not specific to single individuals.
- Transgenerational. Culture is cumulative, passed down from one generation to the next.
- Symbolic. Culture is based on the human capacity to symbolize or use one thing to represent another.
- Patterned. Culture has structure and is integrated; a change in one part will bring changes in another.
- Adaptiv. Culture is based on the human capacity to change or adapt, as opposed to the more genetically driven adaptive process of animals.”
Kluckhohn erklärt den Begriff weiter unter Zuhilfenahme von elf Kurzdefinitionen, die Kultur als den umfassenden Zusammenhang des menschlichen Verhaltens abbilden:
- das gesellschaftliche Erbe, das der Einzelne von seiner Gruppe gewinnt.
- die Theorie von Anthropologen über die tatsächlichen Verhaltensweisen Gruppen von Menschen.
- der Komplex von stabilen Orientierungsreaktionen auf sich wiederholende Probleme.
- der Mechanismus der normativen Verhaltensregulierung.
- der Komplex von sich dem Umfeld und anderen Menschen angepassten Vorgehensweisen.
- die gesamte Lebensweise von Menschen.
- die Art von Denken, Fühlen und Glaube.
- das Abstrahieren von Verhalten.
- erlerntes Verhalten.
- das Depot von gemeinsamen Kenntnissen.
- das Kondensat der Geschichte.

(zitiert in: Geertz, 2000, S. 14)

Laut Posner (1991) wird Kultur in der Anthropologie auf vier verschiedene Arten verstanden:

1. Mentale Kultur ohne Gesellschaft oder Zivilisation, d.h. Kultur umfasst geistige Phänomene, Gesellschaft und Zivilisation werden als Produkt dieser Phänomene angesehen.
2. Mentale und materielle Kulturen (Artefakte und Fertigkeiten) ohne Gesellschaft.
3. Mentale, materielle und soziale Kulturen (Institutionen und institutionalisiertes Verhalten, z.B. Rituale) ohne Technologie.
4. Mentale, materielle und soziale Kulturen sowie die in der Kultur angewendete Technologie.

Einer der bekanntesten Kulturwissenschaftler Hofstede (2001) erklärt Kultur zunächst ausgehend von der Wortbedeutung als „Zivilisation“ oder „Verfeinerung des Geistes“ und insbesondere die Ergebnisse dieser Verfeinerung wie Bildung, Kunst und Literatur (vgl. Hofstede, 2001, S. 3). Seine häufig zitierte genaue Definition von Kultur lautet aber: „Kultur ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet.“ (ebd., S. 4)

Einen handlungsorientierten Ansatz liefert der Psychologe Thomas (1993) mit folgender Begriffsbestimmung: „Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft, Organisation und Gruppe tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft, Organisation und Gruppe.“ (Thomas, 1993, S. 380). Zentrale Merkmale des Orientierungssystems sind Kulturstandards, worunter „alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handels verstanden [werden], die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert.“ (Thomas, 1993, S. 380f.). Nach erfolgreicher Sozialisation ist sie internalisiert, auf deren Basis eigenes und fremdes Verhalten beurteilt und reguliert wird (vgl. ebd., S. 381).

Diese ausgewählten Definitionen und Erklärungsansätze haben folgende Aspekte gemeinsam, die im Allgemeinen mit dem Konzept Kultur in Verbindung stehen:

1. Kultur ist ein System von Werten und sozialen Normen (Regeln und Richtlinien, die das Verhalten bestimmen), welches in einer Gemeinschaft oder einer Gruppe von Personen geteilt wird.
2. Kultur ist nicht angeboren, sondern erlernt. In anderen Worten wird Kulturverstehen nicht ererbt, sondern muss während der Sozialisation erworben werden.
3. Kultur wird geteilt, kommuniziert und übertragen von Mitgliedern eines sozialen Systems und definiert die Grenzen zwischen verschiedenen Gruppen.
4. Es gibt unterschiedliche Facetten von Kultur, die miteinander in Beziehung stehen.
5. Kultur stellt ein Wert- und Orientierungsmuster für unser Denken, Fühlen, Werten und Handeln dar.
6. Kultur ist maßgebend für unser Verhalten und unsere Wahrnehmung der Welt, die zum großen Teil unbewusst geschieht und als selbstverständlich angenommen wird.
7. Kultur beeinflusst stark unsere Identität und unterliegt ständigem Wandel.

Nachdem die Klärung des Begriffes Kultur einen umfangreichen Raum einnahm, bleibt noch zu erläutern, was unter dem Begriff Nationalkultur zu verstehen ist. Thomas (2003) versteht darunter „die Kultur, die eine große Anzahl von Menschen, die einer Nation per Geburt angehören oder sich ihr zugehörig fühlen, im Verlauf ihrer Geschichte entwickelt haben und als für sie verbindlich und daseinsbestimmend definieren.“ (S. 33) Die Nationalkultur stellt eine Art kollektives Bewusstsein der Bevölkerung dar: tradierte Werte, Normen, Verhaltensregeln (Sitte, Gesetz, Brauch) und ethisch-moralische Überzeugungssysteme (Religion) sowie die daraus abgeleiteten Welt- und Menschenbilder (vgl. ebd.) Bestimmte zentrale, wertbehaftete Ziele eines Individuums (z.B. Selbstverwirklichung) können nur in einer solchen Nationalkultur verwirklicht werden, die diese Ziele auch zulässt. Dabei sind Nationalkulturen keine starren Gebilde, sondern befinden sich in einem ständigen Entwicklungsfluss. Als ein Beispiel zu nennen ist die Veränderung der Geschlechterrollen.

3.2 Differenzierende Kulturmodelle

Verschiedene Autoren haben nun versucht, eine Unterscheidung von Teilen des Konzepts Kultur analytisch aufzustellen. Adler (2002) beschreibt einen zirkulären Zusammenhang zwischen Werten, Einstellungen, Verhalten und Kultur (S. 17). In Anlehnung an den Schweizer Linguisten de Saussure, der Sprache als ein Zwei-Ebenen-System (parole – das Sprechen, langue – die Grammatik) betrachtet, teilt Lévi-Strauss (1972) auch Kultur in zwei Ebenen ein: die Oberflächen- und die Tiefenebene. Laut dieser Betrachtungsweise besteht die Oberflächenebene einer Kultur aus Artefakten, sozialen Institutionen, gemeinsamen Werten und Gedankenkonzeptionen. Auf der Tiefenebene einer jeden Kultur gibt es fundamentale Annahmen und Werte, welche die Selbstidentität einer gegebenen Kultur definieren. Diese Annahmen und Werte werden in den Phänomenen der Oberflächenebene einer Kultur reflektiert (z.B. in Form von Zeichen). In anderen Worten entsprechen die Tiefenebene einer „kulturellen Grammatik“ und die Oberflächenebene der Art des „Sprechens“ einer bestimmten Kultur. Dieser Ansatz erinnert auch an die Analogie eines Eisberges mit seinen beiden Schichten: die sichtbare, kleinere und die unsichtbare, größere Ebene.

Bei Schein (1990) findet sich eine ähnliche Unterscheidung wieder, die er als einen hierarchischen Aufbau aus diesmal drei Ebenen darstellt (siehe Abbildung 3 - links). Auf der obersten Ebene zeigt sich Kultur in Symbolen in Form von Sprache, Ritualen, Kleidung und Umgangsformen, die zwar sichtbar, aber offen für Interpretationen sind. Auf einer mittleren Ebene ordnet er Normen und Standards ein, die aus Maximen, Richtlinien und Verboten bestehen. Diese Ebene ist für den Betrachter nur z.T. sichtbar, zum anderen Teil eher unbewusst. Den Kern bilden Basisannahmen (basic assumptions), die unsichtbar und unbewusst sind. Eine ähnliche Unterscheidung nimmt Hofstede (1991) vor, wenn er kulturelle Phänomene in vier Kategorien gruppiert: Symbole, Helden/Vorbilder, Rituale sowie Werte. Symbole sind dabei Dinge (Zeichen, Bilder, Objekte etc.), deren Bedeutungen den Mitgliedern einer Kultur bekannt sind. Helden/Vorbilder sind Personen (lebende, historische, fiktive), die in einer Kultur besonders angesehen sind. Vorbilder können zu Trendsettern werden, Dinge, die sie kennzeichnen, können sich zu Symbolen für eine ganze Gruppe entwickeln. Rituale sind konventionalisierte Verhaltensmuster, die in bestimmten Situationen ablaufen (z.B. Begrüßung, Smalltalk etc.). Üblicherweise sind sie redundante Praktiken, die keine spezifischen, originalen Botschaften tragen. Werte bilden die innerste Schicht des Modells (auf Grund der verschiedenen Schichten auch „Zwiebeldiagramm“ genannt). Werte sind im Gegensatz zu den Praktiken nicht direkt sichtbar, werden aber von den (meisten) Mitgliedern einer Kultur geteilt. Werte manifestieren sich als Neigung, bestimmte Dinge anderen vorzuziehen. Folgende Abbildung (rechts) veranschaulicht das Zwiebeldiagramm von Hofstede.

Abbildung 3: Drei Ebenen der Kultur nach Schein (1990; Übersetzung und Ergänzung von Stahl, 1998, S. 38) sowie das „Zwiebeldiagramm“ nach Hofstede (1991)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Sowohl die Basisannahmen im Modell von Schein als auch die innerste Schicht bei Hofstede beziehen sich auf fundamentale Wertorientierungen und verdeutlichen, dass das Wertesystem einer Person einen Schlüsselbegriff in der Auseinandersetzung mit Kultur darstellt. Eine genauere Definition des Begriffes liefert Hofstede (1980), wenn darunter die breit angelegte Tendenz verstanden wird „to prefer certain states of affairs over others.“ (S. 19) Wie viele andere Autoren greift er auf Kluckhohn&Strodtbeck (1961, zitiert in Adler, 2002, S. 18) zurück, die Werte als explizite oder implizite, für ein Individuum oder eine Gruppe charakteristische Konzeption des Wünschenswerten definieren, welche die Auswahl unter den verfügbaren Handlungsarten, -mitteln und –zielen beeinflusst. Kulturelle Werte repräsentieren implizit oder explizit geteilte abstrakte Ideen darüber, was gut, richtig und wünschenswert in einer Gesellschaft ist (Schwartz, 1999, S. 25). Dabei ist die Frage zu stellen, welche Werte universelle Gültigkeit haben, d.h. allen Menschen gemeinsam sind, und welche nur von bestimmten Gruppen geteilt werden, d.h. kulturspezifisch sind. Menschen werden nicht nur von ihrer Kultur bestimmt, sondern auch von ihrer Persönlichkeit und von allgemein menschlichen Instinkten. Ähnlich zu Schein (1990) unterscheidet Hofstede (1980) drei Ebenen der Entwicklung von persönlicher Kultur: (1) Eine universelle, originär menschliche Ebene, (2) eine gruppen- oder kategoriespezifische, erlernte Ebene sowie (3) eine individuelle, sowohl erlernte als auch vererbte Ebene (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Entwicklung von persönlicher Kultur (in Anlehnung an Hofstede, 1980)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Ein Großteil der theoretischen Auseinandersetzungen und empirischen Arbeiten legen die Nationalkultur als Kulturbegriff zu Grunde (vs. multiple Kulturen). Grundsätzlich geht es bei der Definition von Kultur nicht streng um Nationen, sondern um Kategorien oder Gruppen von Menschen. Hofstede (2001, S. 12) unterscheidet dabei folgende Schichten einer Kultur: neben der nationalen auch regionale, ethnische, religiöse oder sprachliche Zugehörigkeiten sowie Geschlecht, Generation, soziale Klasse, Mitarbeiter eines Unternehmens, ausgeübter Beruf oder auch nur Teile der Gruppierungen in Form von Subkulturen. Dennoch besitzt die Nationalkultur eine besondere Bedeutung, und es ist legitim, auf die Kultur nationaler Gruppen zu fokussieren. Zur Klassifizierung ist die Nationalität ein brauchbares Kriterium (Hofstede, 2001; Schwartz, 1999) und wird deshalb auch in dieser Arbeit angewendet, wenn die Nationalität der Teammitglieder bei der interkulturellen Zusammenarbeit als wichtigste Analysegrundlage dient.

4 Kulturvergleichende Forschung

Die kulturvergleichende Forschung beschäftigt sich mit Fragen wie nach der universellen Charakteristika von Menschen, kennzeichnenden Merkmalen für kulturelle Gruppen sowie der individuellen Einzigartigkeit und vergleicht und analysiert dabei systematisch den Einfluss von Kultur auf das menschliche Verhalten (vgl. Podsiadlowski, 2002, S. 40). Bezogen auf den Kontext in Organisationen nennt Adler (2002, S. 11ff.) folgende Aufgaben des Cross-cultural Management (kulturvergleichendes Management):

- Beschreibung des Verhaltens in Organisationen in Ländern und Kulturen,
- Vergleich des Verhaltens in Organisationen über die Länder und Kulturen hinaus,
- Versuch, die Interaktion von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Allianz-Partnern aus verschiedenen Ländern und Kulturen zu verstehen und zu verbessern.

Die kulturvergleichende Psychologie beschreibt und analysiert zum einen psychologisch relevante Unterschiede im Verhalten und Erleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, zum anderen überprüft sie die universelle bzw. kulturspezifische Gültigkeit psychologischer Hypothesen sowie Theorien und schließlich analysiert und identifiziert sie die kulturellen Grundlagen psychischer Prozesse (vgl. Thomas, 1996, S. 108f.).

Kulturdimensionen

Wesentliches Ergebnis der kulturvergleichenden (Management-)Forschung und Psychologie sind Kulturdimensionen, die universell für Menschen und speziell im organisationalen Kontext relevant sind. Die verschiedenen Konzepte zur Beschreibung und Kategorisierung von Nationen dienen der Einteilung und dem besseren Verständnis. Sie sind kategorisierend und vereinfachend, aber ein analytisches Instrumentarium zur Erklärung von nationalen Unterschieden. Die im Folgenden dargestellten Konzepte sollten die Unterschiede bezüglich Normen und Werthaltungen zwischen Nationen aufzeigen, auf Grund der Vielzahl der in der Literatur beschriebenen Modelle besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

4.1 Vergleichende Betrachtung ausgewählter Kulturmodelle

Im Folgenden soll ein inhaltlicher Vergleich ausgewählter Modelle über Kulturdimensionen vorgenommen werden. Der Zuordnung in der unten stehenden Abbildung liegen inhaltliche Überlegungen des Verfassers zu Grunde. In der Literatur sind eine Vielzahl von Vergleichen zu finden (siehe u.a. Hasenstab, 1999; Fink et al., 2004). Mit der Darstellung soll verdeutlicht werden, inwiefern die Forscher verwandte bzw. ähnliche universelle Merkmale zum Kulturvergleich identifizieren und heranziehen. Ausgangspunkt sollen zunächst die Dimensionen von Hofstede (2001) sein, da sein Konzept zu den bekanntesten gehört.

[...]


[1] zitiert in: Heringer, 2004, S. 105ff.

[2] zitiert in: Ferraro, 2002, S. 19

[3] zitiert in: Adler, 2002, S. 16

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Interkulturelles Management. Unternehmen und interkulturelle Kommunikation
Hochschule
Vysoká škola ekonomická v Praze  (Lehrstuhl für Psychologie und Management)
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
65
Katalognummer
V275357
ISBN (eBook)
9783656676294
ISBN (Buch)
9783656676249
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interkulturelles, management, unternehmen, kommunikation
Arbeit zitieren
Ph.D. Tobias Cramer (Autor:in), 2007, Interkulturelles Management. Unternehmen und interkulturelle Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275357

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