Hospiz. Die Organisationsformen der (teil-)stationären und ambulanten Betreuung


Akademische Arbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Palliativversorgung Schwerstkranker und Sterbender
2.1 Palliativmedizin
2.2 Palliative Care

3. Organisationsformen der stationären und teilstationären Betreuung
3.1 Palliativstation
3.2 Stationäres Hospiz
3.3 Tageshospiz
3.4 Kinderhospiz

4. Organisationsformen der häuslichen Hospizbetreuung
4.1 Aufbau ambulanter Hospizarbeit
4.2 Ziele der ambulanten Hospizarbeit

5. Zusammenfassung und Schlussgedanken

Quellen-/Toolverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

1. Einleitung

Hospiz – weil Sterben ein Teil des Lebens ist. Dieser Gedanke ist tief greifend und für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar. Sterben ist durch den gesellschaftlichen Wandel in den letzten hundert Jahren noch schwerer geworden, als es durch die existenzielle Bedrohung, durch die Vielfalt der Krisen und die Veränderung der Gesellschaft schon war. Hauptursachen sind jedoch nicht nur die Auflösung des Familienverbandes sondern auch die fühlbare psychische und physische Überforderung vieler Angehöriger mit der Pflege eines Sterbenden.

Die geplanten Veränderungen im Gesundheitswesen haben Unruhe und Verunsicherung ausgelöst. Besonders alte und schwerstkranke Menschen fragen sich, wie viel medizinische und pflegerische Leistung sie erwarten können, und welche Wertschätzung ihnen am Ende ihres Lebens noch entgegengebracht wird. Die Begleitung Schwerstkranker und Sterbender ist ein brisantes öffentliches Thema und eine große Herausforderung für die Verantwortlichen der Gesundheits- und Sozialpolitik.

Unzählige Schlagzeilen in allen Medien handeln vom Sterben, Sterbehilfe, Hilfe beim Sterben und einem selbst bestimmten Lebensende. Menschen haben Angst vor diesem Sterben - haben Sorge, mit ihrem Leid, anderen ausgeliefert zu sein. Tod und Sterben gehören zum Leben und werden dennoch aus dem Leben ausgeblendet und verdrängt. Der medizinische Fortschritt und die Entwicklung immer effektiverer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten fördern den Glauben an die Allmacht der Medizin – selbst in aussichtslosen Fällen. In einer Gesellschaft, die die Attribute jung, gesund, erfolgreich und dynamisch als Ideale propagiert, ist für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Sterben und Tod wenig Platz.

In den letzten zwanzig Jahren hat die Hospizbewegung mit dazu beigetragen, dass sich ein nun spürbarer Wandel in der Einstellung vieler Menschen zu Sterben und Tod vollzieht. Fachleute und vor allem Laien engagieren sich zunehmend für eine menschenwürdige Sterbe- und Trauerbegleitung.

2. Palliativversorgung Schwerstkranker und Sterbender

Palliativmedizin und Palliative Care verbessern die Lebensqualität Sterbender und sorgen sich um die Angehörigen und Bezugspersonen.

2.1 Palliativmedizin

Die Bezeichnung „Palliativ“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „pallium“, die Hülle, der Mantel,[1] ab und verdeutlicht damit die ganzheitliche Betreuung des schwerstkranken Menschen. Die WHO definierte 1990 Palliativmedizin folgendermaßen:

„Die aktive Gesamtbehandlung von Kranken, deren Leiden auf kurative Behandlung nicht anspricht. Kontrolle von Schmerzen, von anderen Symptomen sowie von psychischen, sozialen und spiritualen Problemen ist von entscheidender Bedeutung. Das Ziel der palliativen Behandlung ist es, die bestmögliche Lebensqualität für Patienten und deren Familien zu erreichen.“ [2]

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin umschreibt „…Palliativmedizin als Behandlung von Patienten mit einer nicht heilbaren, progredienten und weit fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung, für die das Hauptziel der Begleitung die Lebensqualität ist.“[3] (Hervorh. B.M.)

Es ist zu betonen, dass sich die palliative Therapie nicht auf bösartige Erkrankungen beschränkt, dennoch wird ein großer Teil chronischer Leiden oder Behinderungen (z.B. Rheuma) mit Rücksicht auf die Behandlung durch spezielle Fachärzte von der Palliativmedizin ausgeschlossen.

Klaschik definiert das Gesamtkonzept der Palliativmedizin wie folgt:

„1. Exzellente Schmerz- und Symptomkontrolle.

2. Integration der psychischen, sozialen und seelsorgerischen Bedürfnisse der Patienten, der Angehörigen und des Behandlungsteams sowohl bei der Krankheit als auch beim Sterben und in der Zeit danach.

3. Akzeptanz des Todes als ein Teil des Lebens. (…)Palliativmedizin ist eine deutliche Absage an die aktive Sterbehilfe.

4. Kompetenz in den wichtigen Fragen der Kommunikation und Ethik.“[4]

Es ist bekannt, dass besonders Tumorpatienten nicht nur unter körperlichen, sondern auch unter psychischen, sozialen und spirituellen Schmerzen leiden. Schmerzen gelten als häufigste Symptome bei Tumorpatienten und haben starken Einfluss auf die Lebensqualität. Man weiß heute, dass zwischen 75% und 90% der Patienten unter Schmerzen leiden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass lediglich 10 – 25% aller Schmerzpatienten eine ausreichende Therapie erhalten. Gründe hierfür liegen in einer unzureichenden Aus- und Weiterbildung der Ärzte aber auch in einer begrenzenden Gesetzgebung, die den Ärzten eine Verschreibung von Betäubungsmittel erschwert.[5]

In diesem Zusammenhang fordert Horst Schmidbauer (MdB) eine Veränderung der restriktiven Vorschriften der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung. Er weist darauf hin, dass durch die gesetzlich geforderte Vernichtung nicht verwendeter Betäubungsmittel eines verstorbenen Patienten, diese für die Versorgung anderer Patienten nicht mehr zu Verfügung stehen. Gerade im palliativmedizinischen Bereich einer stationären Hospizeinrichtung oder in Alten- und Pflegeheimen können unvorhersehbare Interventionen beim sterbenden Menschen jederzeit notwendig werden. Die Beschaffung neuer Medikamente bedeute einen Zeitverlust und damit unnötiges Leid für den Betroffenen.[6]

Nicht zu unterschätzen sind die Vorurteile der Bevölkerung, dass Opioide Sucht erzeugen würden. Opioide sind stärkste Schmerzmedikamente, zu denen auch das Morphin gehört.[7] Zeitungsberichte über Drogenabhängige beeinflussen oftmals Patienten und nicht geschulte Ärzte, die einer Schmerztherapie mit Morphinpräparaten gar nicht oder nur mit großen Bedenken zustimmen. Es ist Aufgabe des Schmerztherapeuten, Betroffene aufzuklären, dass bei sachgerechter Anwendung Opioide nicht zur psychischen Abhängigkeit führen, da der Patient kein Verlangen nach den psychischen Auswirkungen des Präparates sondern nur nach der schmerzstillenden Wirkung habe.[8] Heute steht für eine adäquate Schmerztherapie eine Fülle geeigneter Medikamente zur Verfügung, so dass bei Ausschöpfung aller Mittel nur bei einer kleinen Gruppe von Patienten keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht werden kann.

Klaschik verdeutlicht, dass Deutschland zu den Ländern mit steigender Morphinverschreibung gehört. Er erläutert, dass der Morphinverbrauch pro 1 Mio. Einwohner im Zeitraum von 1985 bis 2000 von 0,8 kg auf 18,0 kg angestiegen ist, sagt aber gleichzeitig, dass dies noch immer eine extreme Unterversorgung bedeutet. Aufgrund umfangreicher Berechnungen begründet er seine Aussage: „Bei einer notwendigen Verschreibung von ca. 6500 kg pro Jahr und einer Einwohnerzahl…von 81 Mio. ergibt sich ein Verschreibungsbedarf von ca. 80 kg Morphin pro 1 Mio. Einwohner.“[9] Gleichzeitig zieht er als Fazit, dass Opioide falsch dosiert und zu selten verschrieben werden.[10]

Aurnhammer sagt, dass die Palliativmedizin aus der Pionierphase der 80ziger Jahre in die Differenzierungsphase eingetreten ist. Er begründet dies mit den Entwicklungen im Fort- und Weiterbildungsbereich, aber auch mit der zunehmenden Nachfrage nach palliativen Konsiliarteams in Krankenhäusern. „…Palliativmedizin muss das Ideal der palliativen Idee im Auge behalten…und gleichzeitig…differenzierte, am übergeordneten System orientierte Strukturen entwickeln…“[11].

Erst allmählich etablieren sich in großen Krankenhäusern Mediziner mit einer speziellen Weiterbildung in Palliativmedizin bzw. Schmerztherapie. Der große Bedarf an ausgebildeten Schmerztherapeuten kann derzeit nicht gedeckt werden, da es in Deutschland bislang nur wenige Lehrstühle für Schmerztherapie gibt und dieses Fach in der medizinischen Ausbildung noch immer eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist festzustellen, dass der medizinische Fortschritt, sowohl in Diagnostik als auch in Behandlung, unserer Gesellschaft eine hohe Lebensqualität gebracht hat. Die Verfasserin gibt jedoch zu bedenken, dass, auch bei einer noch so qualifizierten medizinischen Versorgung, das Leben endlich ist, und bei bestimmten Krankheitsbildern letztendlich die ärztliche Kunst machtlos dem drohenden Tod gegenübersteht. Hier kann der Betroffene zwar nicht mehr geheilt werden, die sich auf den Körper belastend auswirkenden Symptome können jedoch gemildert und Schmerzen gelindert werden. Es ist erforderlich, dass neben den körperlichen Schmerzen in besonderer Weise auch psychische, soziale und spirituelle Schmerzen berücksichtigt werden. Der psychische Druck durch die Erkrankung kann zusammen mit Angst, Verzweiflung und Hoffungslosigkeit den Schmerz unerträglich werden lassen. Die psychosoziale Begleitung bewirkt dabei eine seelische Entlastung.

2.2 Palliative Care

Cicely Saunders bezeichnete umfassende Unterstützungsmassnahmen für Betroffene mit „terminal care“, was später durch „hospice care“ ersetzt wurde. 1980 wurden beide Begriffe zusammengeführt, und die WHO griff 1990 den Begriff „palliative care“ auf, der sich dann weltweit durchgesetzt hat. Es ist anzumerken, dass in Großbritannien kein Unterschied zwischen hospice care und palliative care besteht und bestand, da in der englischen Hospizbewegung immer schon die körperlichen Bedürfnisse genau so wie die psychosozialen und spirituellen Bedürfnisse Berücksichtigung finden. Dies wirkt sich auch auf die stationäre Versorgung aus, da es in Großbritannien keine Palliativstationen sondern nur Hospize gibt.[12] Student sagt, dass die liebevolle Betreuung weit über die Palliativmedizin hinausgeht und Betroffenen ein Sterben in Geborgenheit ermöglichen will.[13]

Grundlagen von Palliative Care[14] sind die Qualitätsmerkmale der Hospizarbeit, die in jede Versorgungseinheit übertragen werden können. Sie werden auf die jeweilige Situation abgestimmt und sind immer erkennbar, wenn es um die Palliativ- oder Hospizbetreuung von schwerstkranken oder sterbenden Menschen geht. Palliative Care richtet sich an Menschen ohne Aussicht auf Heilung, deren Lebensqualität erhalten oder verbessert werden soll. Sie stützt sich auf eine multidisziplinäre Versorgung durch Professionelle und Ehrenamtliche, um die Lebensqualität der Betroffenen so gut wie möglich bis zum Schluss zu erhalten. Palliative Care betrifft somit nicht nur Menschen im Sinne der akuten Sterbebegleitung, sondern auch Patienten, die an einer langsam fortschreitenden Erkrankung leiden und noch Monate oder Jahre zu leben haben.[15] Die Bedürfnisse der Angehörige werden nach Möglichkeit berücksichtigt, sie werden in den gesamten Prozess einbezogen und auch nach dem Tod begleitet.[16]

3. Organisationsformen der stationären und teilstationären Betreuung

Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Möglichkeiten der palliativen Betreuung entwickelt, die auch immer die vier Dimensionen des schwerkranken Patienten berücksichtigen.

3.1 Palliativstation

Die stationäre Ausübung der Palliativmedizin erfolgt auf Palliativstationen. Diese sind einem Krankenhaus angegliedert oder in einem Krankenhaus integriert. Als eigenständige Abteilungen verfügen sie meist über 8-12 Betten.[17] Bundesweit rechnet man 9 Betten auf eine Million Einwohner. Zur Bedarfsdeckung werden 20 Betten auf eine Million Einwohner benötigt.[18] Palliativstationen sollten im krankenpflegerischen Bereich einen Stellenplan von 1,2-1,4: 1 (Pflegepersonal zu Patient, die Verf.) und im medizinischen Bereich für 8-10 Patienten einen Arzt berücksichtigen. Das interdisziplinäre Team wird von Psychologen, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern und ehrenamtlichen Helfern der örtlichen Hospizvereine ergänzt.[19]

[...]


[1] vgl. Georges, K., a.a.O., S. 514

[2] vgl. Korff, W. u.a., Lexikon der Bioethik, CD-ROM ,Gütersloh, 2000, S. 818

[3] vgl. Klaschik, E., Was ist Palliativmedizin?, in: Husebø, S. u.a., a. a. O., S. 2

[4] ebenda S. 3

[5] vgl. Radbruch, L., Schmerz / Schmerztherapie, in: Student, J.-C. (Hg.)1994, a.a.O., S. 187

[6] vgl. Schmidbauer, H., Was geschehen muss- Herausforderungen für die Hospizarbeit, in: Die Hospiz-Zeitschrift, Wuppertal, 6. Jahrgang, Heft 4, 2004, S. 18 f

[7] vgl. Klaschik, E., Arzneimittel, in Husebø S. u.a., a.a.O., S. 214

[8] ebenda S. 218

[9] ebenda S. 232

[10] ebenda

[11] vgl. Auernhammer, K. u.a., (Neben-)Wirkung einer Palliativeinrichtung, in: Zeitschrift für Palliativmedizin, 6. Jahrgang, Stuttgart, Heft 3/2005 , S. 99

[12] vgl. Schmid, U., „Hospice Care“ und „Palliative Care“ – Synonym oder Unterschied? in: Die Hospiz-Zeitschrift, Wuppertal, 8, Jahrgang, Heft 3/2006, S. 4 ff

[13] vgl. Student, J.-C., Hospiz, in: Student, J.-C. (Hg.) u.a., a. a. O., 2004, S. 90 ff

[14] Im deutschsprachigen Raum hat sich diese Schreibweise durchgesetzt

[15] vgl. Wilkening, K., Kunz, R., Sterben im Pflegeheim, Perspektiven und Praxis einer neuen Abschiedskultur, Göttingen, 2005, 2. akt. Auflage, S. 84

[16] vgl. Heller, A. u. a., Mit den Eltern über das Sterben reden. Die Perspektive der Angehörigen, in: Heller, A. u.a. (Hg.), Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun. Wie alte Menschen würdig sterben können. Freiburg, 2000, 2. Auflage, S. 83 ff

[17] vgl. Sabatowski, R., u. a., a. a. O., S. 20 f

[18] vgl. Rest, F., a. a. O., S. 33

[19] vgl. Klaschik, E., Entwicklung und Stand der Palliativmedizin in Europa, in: Husebø, S. u.a., a. a. O., S. 6

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Hospiz. Die Organisationsformen der (teil-)stationären und ambulanten Betreuung
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin  (Steinbeis-Business-Academy)
Note
1,2
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V278715
ISBN (eBook)
9783656713760
ISBN (Buch)
9783668136953
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hospiz, organisationsformen, betreuung
Arbeit zitieren
Barbara Mayerhofer (Autor:in), 2006, Hospiz. Die Organisationsformen der (teil-)stationären und ambulanten Betreuung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278715

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