Aktivitätsformen bedürfnisorientierten Pfadfindens


Akademische Arbeit, 2009

33 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Bedürfnisorientiertes Pfadfinden
1.1 Zur Symbolik des Pfadfindens
1.2 Bedürfnisorientiertes Pfadfinden in den Altersstufen

2 Formen pfadfinderischen Handelns
2.1 Zur pfadfinderischen Form des Spielens
2.1.1 Kimspiele
2.2 Zum pfadfinderischen Erkundungslernen
2.3 Das Geländespiel
2.4 Das Zeltlager
2.5 Der Hike (Hajk)
2.6 Die Fahrt
2.7 Das Rollenspiel
2.8 Das Planspiel
2.9 Das Projekt

Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

Der Autor

Vorwort

„Pfadfinden“ („Scouting“) kann als pädagogischer Begriff gedeutet werden. Es beschreibt den besonderen Weg einer Selbsterziehung junger Menschen. Dieser Weg ist durch eine Verwirklichung der Lebensgrundsätze „Orientierung an demokratischen Werten und Regeln beim Handeln“, „Lernen durch Handeln und durch Erfahrung“, „demokratisches Lernen in kleinen Gruppen“, „natürliche und naturbezogene Lebensweise“ sowie „Leben einer Freundschaft zu allen Menschen“ gekennzeichnet.

„Pfadfinden“ zielt auf eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen; es will „zur Entwicklung junger Menschen beitragen, damit sie ihre vollen körperlichen, intellektuellen, sozialen und geistigen Fähigkeiten (…) als verantwortungsbewusste Bürger und als Mitglieder ihrer örtlichen, nationalen und internationalen Gemeinschaft einsetzen können“ (vgl. WOSM 1997, S. 7).

„Pfadfinden“ kann auch als pädagogisches Handlungsmodell interpretiert werden, bei dem die intendierten Erziehungsziele, die Lebensgrundsätze der Selbsterziehung und die fortschreitende Programmgestaltung sowie die Handlungsformen in den verschiedenen Altersstufen in einen pädagogisch und entwicklungspsychologisch begründeten Zusammenhang gebracht werden.

In der vom GRIN Verlag herausgegebenen Teilveröffentlichung, die dem Buch „Einführung in die Pfadfinderpädagogik“ entnommen worden ist, werden pfadfinderische Formen des Handelns sowie die Bedürfnisorientierung in den verschiedenen Altersstufen thematisiert.

Pfadfinden mit seinen auf die verschiedenen Altersstufen abgestimmten Programmen (beispielsweise mehr spielerische Tätigkeiten für die Jüngeren im Wölflingsalter, abenteuerliche Unternehmungen wie Lager und Fahrt für die Jugendlichen im Pfadfinderalter oder Projekthandeln für die jungen Erwachsenen im Roveralter) kommt den spezifischen Interessen und Bedürfnissen junger Menschen entgegen.

„Pfadfinden“ orientiert sich am Grundsatz „look at the boy“ („look at the girl“) und besitzt deshalb für Kinder und Jugendliche eine große Attraktivität. Bei den in der pfadfinderischen Kinder- und Jugendarbeit praktizierten Aktivitätsformen eröffnen sich Chancen in erzieherischer Hinsicht (beispielsweise demokratisches Lernen beim Projekthandeln).

Die pfadfinderische Erziehungsbewegung versteht es beispielhaft, reformpädagogische Grundsätze wie die „Pädagogik vom Kinde aus“ (M. Montessori u. a.) oder das „Lernen durch Tun“ (J. Dewey u. a.) zeitgemäß umzusetzen.

1 Bedürfnisorientiertes Pfadfinden

Pfadfinden besitzt für junge Menschen vor allem deshalb eine große Anziehungskraft, da es den Bedürfnissen, Wünschen und Erwartungen von Kindern und Jugendlichen entspricht.

Leiterinnen und Leiter orientieren sich bei ihrer Tätigkeit an dem Grundsatz „look at the boy“ („look at the girl“). Die Verwirklichung dieses Prinzips wurde bereits vom Gründer der Pfadfinderbewegung gefordert. So wünscht sich Baden-Powell vom „Scoutmaster“, dass er ein „Boy-Man“ sein möge; unter anderem bedeutet dies, dass er – neben den psychologischen Kenntnissen über die verschiedenen Altersstufen – selbst noch „Jungengeist“ in sich tragen müsse, um „die Dinge vom Blickpunkt des Jungen aus zu sehen“ (vgl. B.-P. 1920, S. 11).

1.1 Zur Symbolik des Pfadfindens

Für die verschiedenen Alterstufen bietet das Pfadfinden eine Symbolik an (s. Schema 1), damit Kinder bzw. Jugendliche leichter einen Zugang zu den Werten und Zielen der Bewegung finden können: „Ein symbolischer Rahmen bezieht sich auf alle Elemente einer Bedeutung, z. B. der Name der Stufen (Wölfling, Pfadfinder, Rover) und Identifikationsmerkmale wie die Uniform, Abzeichen, Lieder, Geschichten und Zeremonien. Alle diese Elemente helfen dabei, einen Hintergrund, eine Atmosphäre zu formen, der die Werte und die Absicht der Bewegung trägt und den jungen Menschen zugänglicher macht, was abstrakte Erklärungen niemals könnten“ (BdP 2002, S. 98).

Beispielsweise symbolisieren die drei aufrecht zeigenden Finger beim Pfadfindergruß oder die drei Spitzen der Lilie die drei ursprünglichen Versprechenspunkte: die Verpflichtung gegenüber Gott und dem Staat (König), die Verpflichtung gegenüber allen Menschen und die Verpflichtung zur Gestaltung des Lebens nach pfadfinderischen Regeln.

Pfadfinden als „symbolisches Spiel“ hat auch seine erzieherischen Grenzen. Nicht alle Aspekte einer Selbsterziehung passen in einen solchen Rahmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 1

1.2 Bedürfnisorientiertes Pfadfinden in den Altersstufen

Baden-Powell sieht das Pfadfinden als „fröhliches Spiel“ (vgl. B.-P. 1953, S. 7). Hier kommt vor allem das Bedürfnis nach Spaß zum Ausdruck. Kinder und Jugendliche haben teilweise recht unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, die auch kulturell beeinflusst sein können. In der pfadfinderischen Praxis kann vor allem durch eine Mitbestimmung der jungen Menschen ein Pfadfinden gewährleistet werden, das den Wünschen und Erwartungen aller gerecht wird.

Neben universellen menschlichen Bedürfnissen wie die „soziale Anerkennung“ kann man in der Entwicklung des jungen Menschen unterschiedliche Schwerpunkte in den verschiedenen Altersstufen erkennen (s. Schema 2), welche die Leiterinnen und Leiter bei ihrer Begleitertätigkeit berücksichtigen sollten.

So besteht beispielsweise in der Wölflingsstufe (späte Kindheit) ein ausgesprochenes Bedürfnis nach Bewegung und Spiel sowie eine ausgeprägte Neugierde und eine Lust am Entdecken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 2

Der Grundsatz „look at the boy“ („look at the girl“) bezieht sich auf die kontinuierliche Persönlichkeitsförderung (Ziele), auf die Entwicklung von fortschreitenden Programmen (Inhalte) und auf die Verwirklichung der Pfadfindermethode mit ihren Grundsätzen (s. Schema 3!) - (vgl. Gerr 1998, S. 95).

Während beispielsweise Wölflinge noch mehr Unterstützung durch die erwachsenen Begleiter benötigen, werden mit zunehmendem Alter junge Menschen selbständiger und sind schließlich bei Entscheidungsprozessen autonom. Auch bei der fortschreitenden Programmgestaltung (vom begleiteten Wölflingsspiel bis zur selbständigen Planung und Durchführung von Projekten) wird das Prinzip des aufbauenden Lernens berücksichtigt. Schließlich erzielen Kinder auch auf ihrem Weg der Selbsterziehung zum Erwachsenen Fortschritte. Während Wölflinge im Stadium der „heteronomen Moral“ noch sehr das Vorbild der erwachsenen Begleiter benötigen, kommt es bei jungen Erwachsenen zur selbständigen Wertebildung, und sie haben beispielsweise den zentralen pfadfinderischen Grundsatz einer „Freundschaft zu allen Menschen“ verinnerlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 3

(vgl. Gerr 1988, S. 95)

2 Formen pfadfinderischen Handelns

Eine handelnde Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist die Grundlage für fortschreitende Lernprozesse. Im Laufe der Geschichte der internationalen Pfadfinderbewegung haben sich Handlungsformen entwickelt, die das Pfadfinden kennzeichnen. Formen des Handelns wie das Zeltlager oder der Hike heben sich von den oft einseitig kognitiven schulischen Lernformen ab und üben eine stark motivierende Wirkung auf Kinder und Jugendliche aus.

2.1 Zur pfadfinderischen Form des Spielens

Im Jahr 1910 hat Baden-Powell sein Buch „Scouting Games“ veröffentlicht, in dem zu den verschiedenen Förderbereichen Spiele beschrieben werden. Bei seinem Versuchslager auf der Insel Brownsea (1907) erfolgte die Gestaltung des Programms vor allem in Form von Wettbewerben und Spielen. Wettbewerbe zwischen Pfadfindersippen wurden auch noch in der Nachkriegszeit in Form von Stafetten durchgeführt.

Heute weiß man, dass Wettbewerbssituationen vor allem schwächere Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung (Gewinnen von Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl etc.) behindern können (vgl. Orlick o.J.). Konkurrenzfreie Spiele, bei denen man „zusammen gewinnt und lernt“, können sich sehr positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken (s. Schema 4!).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 4

2.1.1 Kimspiele

Vor allem in der Wölflingsstufe ist das Spiel die angemessene Form des Lernens, da eine handelnde Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der operativen Denkart der Kinder entspricht. Neben der Förderung von motorischen, sozialen und anderen Fähigkeiten können auch bei Kindern die Wahrnehmungsbereiche (sehen, hören, tasten, fühlen, schmecken) gefördert werden. Zur Förderung der Sensibilität (als Grundlage für Lernprozesse) eignen sich vor allem die Kimspiele; der Name wurde von Rudyard Kiplings Roman „Kim“ übernommen (s. Schema 5!).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 5

Kimspiele können zu jeder Gelegenheit, beispielsweise im Heim, auf einer Naturstreife (mit Naturmaterialien) oder im Zeltlager, durchgeführt werden. Sie sind nicht aufwendig, bereiten Kindern Spaß und fördern die Wahrnehmungsfähigkeit. In der Wölflingsstufe sollte darauf geachtet werden, dass Reize aus nur einem Wahrnehmungsbereich angeboten werden (vgl. Gerr 2000, S. 36).

2.2 Zum pfadfinderischen Erkundungslernen

Eine typische Form pfadfinderischen Handelns ist die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Lebenswelt. Im Gegensatz zu der heute häufig stattfindenden medialen Erfahrung, ermöglicht Erkundungslernen ursprüngliche und authentische Erfahrungen. Vor allem in der Wölflings- und Jungpfadfinderstufe sind Erkundungen aufgrund der Neugierde und des Entdeckungsdranges hoch motivierend. Neben dem Spiel sind Erkundungen die „natürliche Lernform“ in diesen Altersstufen; auf diese Weise machen sich Kinder die Wirklichkeit verfügbar. Die Erkundungstätigkeit wird aber auch in der Pfadfinder- und Roverstufe praktiziert; sie kann einen Schritt innerhalb eines Projekts darstellen.

Man kann verschiedene Formen des Erkundungslernens unterscheiden (s. Schema 6!): die Naturstreife, das Stadtspiel, die Spielrallye (s. Schema 7!), das Quiz und die politische Kundschaft, die für ältere Pfadfinderinnen und Pfadfinder eine Form des politischen Lernens sein kann (vgl. BdP 1983).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 7

Erkundungen sollten gut vorbereitet werden. Beispielsweise sind Absprachen hinsichtlich eines klar abgegrenzten Gebiets (z. B. Fußgängerzone) und der zeitlichen Begrenzung notwendig. Bezüglich der Aufgabenstellungen ist darauf zu achten, dass den Akteuren genügend Freiraum für die Umsetzung eigener Ideen gewährt wird. Bestimmte Erkundungstechniken (Festhalten der Informationen, Interview etc.) sollten vorher spielerisch eingeübt werden. Nicht zuletzt sollte auf eine abwechslungsreiche Gestaltung und auf Rhythmisierung geachtet werden; beispielsweise könnten bei einem Stationsspiel auf Stationen mit körperlicher Anstrengung Aufgabenstellungen folgen, die Konzentration, Ruhe oder das Wahrnehmen erforderlich machen.

2.3 Das Geländespiel

Eine beliebte Handlungsform ist das Geländespiel, das in der Stadt, vor allem aber in der Natur durchgeführt werden kann. Häufig bildet das Geländespiel einen Teil bei der Programmgestaltung eines Zeltlagers. Es kann zur Tages- und zur Nachtzeit stattfinden. Bei Geländespielen in der Natur sind die allgemeinen Regeln für das Verhalten in der Natur zu beachten (s. Schema 8!).

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Details

Titel
Aktivitätsformen bedürfnisorientierten Pfadfindens
Autor
Jahr
2009
Seiten
33
Katalognummer
V279085
ISBN (eBook)
9783656717966
ISBN (Buch)
9783656717973
Dateigröße
3679 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
formen, handelns
Arbeit zitieren
Dr. phil. Hans E. Gerr (Autor:in), 2009, Aktivitätsformen bedürfnisorientierten Pfadfindens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279085

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