Filme im Geschichtsunterricht am Beispiel von "Schindlers Liste"


Hausarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 2,0

Anis Grün (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Filme im Geschichtsunterricht - Grundsätzliches
2.1 Das Filmdokument
2.2 Der Dokumentarfilm

3. Der historische Spielfilm
3.1 Der Spielfilm im Unterricht
3.2. Holocaust-Spielfilme – das Beispiel Schindlers Liste

4. Schindlers Liste in der Schule?
4.1 Unterrichtseinheit
4.2 Didaktische Analyse

5. Résumé

6. Quellen-und Literaturverzeichnis

Anhang - Schindlers Liste Inhaltsangabe

1. Einleitung

„Im Unterricht diesen Einfluss von Spielfilmen […] zu ignorieren, würde im Grunde genommen bedeuten, zwei verschiedene, wenn nicht gar widerstreitende Typen von geschichtlichem Wissen erzeugen zu wollen […]: nämlich das der Schule und das – womöglich einflussreichere – außerhalb von ihr.“[1]

Dieses Zitat zeigt einerseits erst einmal die unbestreitbare hohe Präsenz von Spielfilmen auf, die für theoretisch jeden von uns vor allem durch die Medien Fernsehen, Video, DVD aber auch im Internet ständig konsumier- und abrufbar sind. Andererseits deutet das Zitat die Problematik dieser alltäglichen hohen Präsenz und ihrer Wirkung, besonders auf Schüler außerhalb des schulischen Lebens, an. Geschichtslehrer, die natürlich ebenfalls nicht vor dem Einfluss dieser historischen Filme aller Art geweiht sind, stehen also, der obigen Aussage zu Folge, vor der Herausforderung, dieses Medium sinnvoll in ihren Unterricht zu integrieren. Dieses wird jedoch im praktischen Unterrichtsalltag kaum bzw. sehr unregelmäßig und meist nur punktuell, umgesetzt. Muss hier also eine Neukonzeption des Unterrichts erfolgen, um die Nachteile bei der Herausbildung eines Geschichtsbewusstseins, die die Ignoranz von Filmen bzw. Spielfilmen durch den Lehrer nach sich ziehen würden, zu vermeiden? Oder andersherum gefragt, wie kommt Geschichte in Filmen überhaupt vor, auf welche Weise kann historisches Wissen durch die Gesamtkonzeption eines Films vermittelt werden? Um diese Fragen zu beantworten soll in folgender Abhandlung zunächst ein allgemeiner Abriss über verschiedene historische Filmgenres gegeben werden. Außerdem soll deren didaktisches Potenzial im Vergleich zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, dem Spielfilm, aufgezeigt werden. Nachdem dieses Genre im darauf folgenden Kapitel, und dabei die spezifische Gattung, der ‚Holocaust-Spielfilm‘, einer detaillierteren Betrachtung unterzogen wird, folgt anhand des Beispielfilms Schindlers Liste (1993) eine didaktische Analyse und Überlegungen zu unterrichtspraktischen Einsatzmöglichkeiten dieses Spielfilms: Darf die Judenvernichtung als Spielfilm überhaupt gezeigt werden, wenn die mörderische Realität sich eigentlich der Vorstellungswelt der Menschen, zumal der Schüler, entzieht?

Was den Forschungsstand betrifft, so weist Hans-Jürgen-Pandel auf die nur gering vorhandene didaktische Durchdringung des Films als Medium historischen Lernens hin.[2] Nichtsdestotrotz gehören unter anderem Aufsätze von Rainer Rother[3], Gerhard Schneider[4] zu Veröffentlichungen, die sich mit didaktischen Überlegungen zu (Spiel-)Filmen im Geschichtsunterricht auseinandersetzen. Was im Spezielleren Erscheinungen zum Thema Holocaust-Spielefilme betrifft, so sind hier besonders die Monographien Holocaust Spielfilme im Geschichtsunterricht von Tilo Werner, Authentisches Medium von Siegrid Lange, Bilder des Holocaust von Köppen/Scherpe sowie Publizistische Kontroversen über den Holocaust im Film von Martina Thiele zu nennen. Bei diesen Autoren wird in diesem Zusammenhang auch gleichzeitig der Film Schindlers Liste näher beleuchtet.

2. Filme im Geschichtsunterricht - Grundsätzliches

Im Folgenden wird zunächst kurz auf das Verhältnis zwischen der Visualität bzw. dem Film und der Geschichtswissenschaft allgemein eingegangen, wonach ein knapper Abriss über die zeitliche Entwicklung des Vordringens des Mediums Film in der Schule folgt. Auch wenn sich diese Arbeit hauptsächlich mit dem Spielfilm beschäftigen soll, wird in diesem Kapitel schlussendlich noch ein knapper vergleichender Überblick über die beiden Genres des Filmdokuments und des Dokumentarfilms gegeben, die man ebenfalls im Geschichtsunterricht einsetzen kann, um etwaige Vorteile dieser Filmgattungen ebenfalls in die Abhandlungen miteinbeziehen zu können. In dem Aufsatz Film und Geschichtswissenschaft von Günter Rieder geht der Autor auf die grundlegende, in den Köpfen der Menschen tief verankerte Wechselbeziehung zwischen Geschichtsbewusstsein und Bildern ein, indem er Walter Benjamin zitiert, welcher 1930 ein Plädoyer für die visuell bestimmte Historiografie verfasste. Demnach sei die heutige Kultur offensichtlich vor allem eine visuelle Kultur und der Wunsch danach, sich „ein Bild machen“ zu wollen zähle zu einer „anthropologischen Konstanten“.[5] Wenn es um das Geschichtsbewusstsein geht, zerfalle die Geschichte nämlich „in Bildern und nicht in Geschichten“[6]. Gerhard Schneider äußert sich über das Medium Film im Vergleich zu schriftlichen Quellen in folgender Weise: „Es gibt keine Quelle, es gibt kein Medium, das hinsichtlich seiner Intensität, seiner Faszination, Suggestivität, Ausdrucksstärke und Erlebnisqualität, aber auch seiner Genauigkeit und Realitätsnähe dem Film gleichkäme.“[7] Die Verstrickung von Geschichte und Bildern, die in Form eines Filmes direkt umgesetzt wird und ihre von Schneider beschriebene Wirkung können natürlich auch geschichtsdidaktisch im Bereich des Unterrichts von Nutzen sein. Seit den 20er Jahren finden Filme, die speziell für den Schulunterricht angefertigt wurden immer stärkere Verbreitung über nahezu alle Fächer hinweg. Wurden in den fünfziger und sechziger Jahren Filme überwiegend zur Füllung übriggebliebener Unterrichtszeit oder als ‚Schülerbelohnung‘ verwendet, wurde der Filmeinsatz in den Folgejahren didaktisch angemessen.[8] Für den Geschichtsunterricht relevante Genres stammen aus der gängigen Typologie, die zwischen Filmdokumenten, Dokumentarfilmen, dokumentarischen Spielfilmen, Spielfilmen und Unterrichtsfilmen unterscheidet[9], wobei sich diese Arbeit, bevor die Gattung Spielfilm fokussiert wird, ausschließlich überblicksartig mit den beiden erstgenannten Gattungen beschäftigen wird, da beispielsweise der dokumentarische Spielfilm sowohl Elemente des Dokumentar-sowie des Spielfilms beinhaltet, welche hier angesprochen werden. Was den didaktischen Nutzen und die Qualität von historischen Unterrichtsfilmen angeht, so übernehmen diese tendenziell eher die Funktion des Frontalunterrichts und ähneln dem Genre des Dokumentarfilms. Rohlfes zu Folge können diese Filme zwar durch das Zeigen von Originalschauplätzen etc. wirkungsvoller als der Unterricht sein, jedoch sei die Zahl gelungener Unterrichtsfilme gering, weshalb auch auf diese Gattung hier nicht näher eingegangen wird.

2.1 Das Filmdokument

Gerade im Bereich der Filmdokumente wird bei Schülern der Eindruck, sich mitten in einer historischen Situation zu befinden, wohl am größten sein, denn hier werden vor allem Stimmungen und die ‚Atmosphäre der Zeit‘ vermittelt. Sie bestehen aus „kürzeren oder längeren Bildsequenzen zu Vorgängen und Ereignissen, die in der Originalsituation vor Ort gedreht wurden.“[10] Schneider zählt zu den Filmdokumenten beispielsweise Wochenschauen, zeitgenössische Dokumentationen, oder gefilmte Interviews.[11] Rohlfes zählt zum Spektrum der Filmdokumente außerdem Zufallsaufnahmen und vorbereitende Aufnahmen von nicht-inszenierten Begebenheiten.[12] Auch wenn das Filmdokument im Gegensatz zum Spielfilm aufgrund seiner zeitlichen und örtlichen Unmittelbarkeit sowie dem dokumentarischen Zug scheinbar mehr als der Spielfilm in der Lage ist, Abbild und Quelle von Realien zu liefern, weist Rainer Rother zurecht daraufhin, dass zwar jedes Einzelbild schlicht eine getreue Reproduktion der Situation sei, doch würde dieses durch Umstände wie Kameraeinstellung, Wahl des Objektives usw. geformt, sodass eigentlich nur wenige Einzelbilder dokumentarisch seien. Zwar ist der Fiktionsgrad in Filmdokumenten geringer als bei Spielfilmen, bei Zufallsaufnahmen eventuell gänzlich abwesend, jedoch müsse man sich auch von der Vorstellung lösen, dass es bei diesen Dokumenten um das „Realgeschehen“, also nicht-inszeniertes Geschehen handele, denn meistens würde die gefilmte Wirklichkeit einer anderen Wirklichkeit bewusst vorgezogen. So würden relevante Situationen festgehalten, die in diesem Augenblick eben auch für die Kamera stattfinden, auch wenn sie in den meisten Fällen den Anschein einer reinen Dokumentation bewahren wollen:[13] „Die Wochenschau, der Dokumentarfilm sind nicht von der Fiktion zu trennen, indem man sie auf ihren Wirklichkeitsbezug befragt; der bleibt im Gegenteil immer fraglich […]“[14]

Das didaktische Potenzial hängt bei einem Filmdokument von der Fragestellung ab, aber wenn man zum Großteil bis zu einem gewissen Maße inszenierte Handlungen voraussetzt, ist wohl hier eher die Analyse dieser Inszenierungen und das Lesen zwischen den Zeilen aufschlussreich. Die Lehrperson muss sich in jedem Fall die Frage stellen, ob die Schüler in der Lage sind, die inszenierte Realität zu durchschauen. Notwendig ist außerdem eine detailreiche Analyse des gezeigten Materials. Sofern dieses Verfahren glückt, können Schüler meist mehr über die Zeit und deren Geschichtsdeutung, in der der Film produziert wurde, lernen, als über die Ereignisse selbst, da beispielsweise einer der wichtigsten Bestandteile, die Geschichtsunterricht fördern soll, die Multiperspektivität, meist völlig fehlt.[15] „Das historische Filmdokument (schärft) erfahrungsgemäß das historische Urteilsvermögen, erweitert den Fragenkranz.“[16]

2.2 Der Dokumentarfilm

Dokumentarfilme, also filmische Rekonstruktionen, die im Fernsehen gezeigt werden, verwenden hingegen historische Filmdokumente als Grundlage. Diese werden durch Standfotos, Grafiken, Karten o.ä. ergänzt und meist mit einem gesprochenen Kommentar unterlegt. Schüler im Geschichtsunterricht könnten einen Dokumentarfilm eventuell ähnlich wie einen Lehrervortrag auffassen. Der Vorteil gegenüber dem Filmdokument liegt in der simultanen Kommentierung der gezeigten Archivbilder, womit es den Schülern leichter fallen sollte, diese richtig einzuordnen, wenn die Kommentare günstiger Weise auch verschiedene oder oppositionelle Sichtweisen beinhalten. Notwendig wäre diese ‚Hilfestellung‘ jedoch eigentlich nur im Falle von spärlichem oder nicht vorhandenem Vorwissen der Schüler, beispielsweise wenn mit einer solchen Dokumentation in ein neues Thema eingeführt werden soll. Ist bereits Wissen auf dem gefragten Gebiet vorhanden, ersetzt der Kommentar vielfach mögliche eigenständige intellektuelle Leistungen der Schüler.[17] Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommentare häufig ungenau und zu allgemein gehalten sind, weshalb sich die Lehrperson nicht vollends auf diese verlassen kann. Aus diesem Grund sollte sie sich den Dokumentarfilm unbedingt vorab ansehen, um geeignete Ausschnitte auszuwählen und zu beurteilen ob der Film überhaupt einen Erkenntnisgewinn verspricht oder ob er verzichtbar ist.[18] Dokumentarfilme sind neben den Spielfilmen das am verbreitetste Genre, mit denen Schüler außerhalb der Schule in ihrer Alltagswelt durch Medium Fernsehen konfrontiert werden. Durch den Unterricht sollen die Schüler dazu angehalten werden, ihre Machart kritisch zu betrachten, um die oftmals hohe Suggestivität, das Plakative und die „auf Quotensteigerung zielende Weise“[19], Geschichte zum Thema zu machen zu erkennen und angemessen beurteilen zu können. Im besten Fall können Dokumentarfilme, besser als Spielfilme, für die „Bildung und Förderung von konkreten Vorstellungen zu historischen Ereignissen und Begriffen [dienen], […] [da diese] um eine durch Quellen abgesicherte historische Rekonstruktion bemüht sind.“[20] Außerdem liegt bei diesem Filmgenre, ähnlich wie beim Filmdokument, der Vorteil gegenüber einem Spielfilm in der Möglichkeit der Verkürzung durch das Auswählen einzelner Sequenzen und somit in der unterrichtpraktischen Durchführbarkeit.

[...]


[1] Werner: Holocaust-Spielfilme, S. 9.

[2] Vgl.: Pandel: Bild, S.158.

[3] Rother, Rainer: Geschichte im Film, in: Bergmann, Klaus u.a. (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik. Seelze- Velber 1997, S, 681-687.

[4] Schneider, Gerhard: Filme, in: Pandel, Hans-Jürgen/ Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach 1999, S. 365-386.

[5] Riederer: History, S. 96.

[6] Ebda.

[7] Schneider: Filme, S. 370.

[8] Vgl.: Ebda., S. 365.

[9] Vgl.: Rohlfes: Geschichte, S. 339.

[10] Rohlfes: Geschichte, S. 339.

[11] Vgl.: Schneider: Filme, S. 368.

[12] Vgl.:Rother: Geschichte, S. 339.

[13] Vgl.: Ebda, S. 682-683.

[14] Rother: Geschichte, S. 684.

[15] Vgl.: Zwölfler: Quellen, S. 131.

[16] Schneider: Filme, S. 370.

[17] Vgl.: Ebda., S.367.

[18] Vgl.: Zwölfler: Quellen, S. 136.

[19] Sauer: Geschichte, S. 222.

[20] Zwölfler: Quellen, S. 135.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Filme im Geschichtsunterricht am Beispiel von "Schindlers Liste"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Veranstaltung
Fachdidaktik Geschichte
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V279967
ISBN (eBook)
9783656738268
ISBN (Buch)
9783656738299
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
filme, geschichtsunterricht, beispiel, schindlers, liste
Arbeit zitieren
Anis Grün (Autor:in), 2012, Filme im Geschichtsunterricht am Beispiel von "Schindlers Liste", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279967

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