Die Auswirkungen des Mindestlohns in der Pflegebranche


Bachelorarbeit, 2014

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Arbeitsmarkttheorie
2.1 Die Neoklassische Arbeitsmarkttheorie
2.2 Das Monopsonmodell
2.3 Der Mindestlohn in der neoklassischen Theorie
2.4 Der Mindestlohn im Monopsonmodell

3. Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland
3.1 Parteiprogramme der Bundestagswahl 2013
3.2 Politische Debatte nach der Bundestagswahl 2013

4. Der britische Arbeitsmarkt in der Pflegebranche
4.1 Entwicklung der Gesetzgebung
4.2 Forschungsstand

5. Der deutsche Arbeitsmarkt in der Pflegebranche
5.1 Situation der Pflegebranche
5.2 Lohngefüge der Pflegebranche
5.3 Theoretische Auswirkungen
5.4 Übertragung der Erkenntnisse aus dem britischen Arbeitsmarkt
5.5 Mögliche Auswirkungen des Mindestlohns

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Der Mindestlohn wird nun auch in Deutschland eingeführt. Mit der Festsetzung des Koalitionsvertrages durch CDU/CSU und SPD tritt ab dem 1. Januar 2015 ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro in Kraft, welcher abgesehen von einigen Ausnahmen für alle Arbeitnehmer in Deutschland als Lohnuntergrenze gilt. Spätestens zum 1. Januar 2017 wird er ebenfalls in den Branchen eingesetzt, in denen bis dahin noch Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner gelten. Lediglich Minderjährige, Lehrlinge, Ehrenamtliche und Praktikanten sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

Dieser Beschluss bedeutet für viele Menschen sicherlich eine große Verbesserung ihres derzeitigen Lebensstandards, allerdings wirft er jedoch auch Fragestellungen auf. Im Fokus der Kritikpunkte stehen dabei die möglichen Auswirkungen auf die Lohnstruktur und die Beschäftigung. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wird der Frage nachgegangen, welche konkreten Auswirkungen die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns ab dem Jahr 2015 für die Pflegebranche mit sich bringt. Dieser Sektor steht im Zentrum der Untersuchung, da er im Gegensatz zu vielen anderen einen relativ hohen Anteil an Niedriglohnverdienern aufweist. Daher sind für diese Branche Veränderungen im Lohngefüge, der Beschäftigungsentwicklung und dem Wettbewerb zu erwarten.

Um zunächst eine arbeitsmarkttheoretische Grundlage zu schaffen, die die Wirkungsmechanismen von Lohnveränderungen nachvollziehbar macht, werden in Kapitel 2 sowohl die neoklassische Arbeitsmarkttheorie als auch das Monopsonmodell vorgestellt, welche den Arbeitsmarkt in seiner einfachsten Form erklären. Während das Monopsonmodell das Axiom setzt, dass die Nachfrage nach Arbeit eine gewisse Marktmacht besitze, wird beim neoklassischen Ansatz ein vollkommener Wettbewerb vorausgesetzt. Kapitel 3 bringt die politische Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland zusammenfassend auf den Punkt, wodurch zusätzlich der hohe Stellenwert sowie die Aktualität dieser Thematik in der politischen und gesellschaftlichen Debatte unterstrichen werden. Schließlich erfolgt in Kapitel 4 eine ausführliche Untersuchung der britischen Pflegebranche, die darauf abzielt, durch die dort gewonnen Erkenntnisse über die Auswirkungen des Mindestlohns wiederum die Folgen für den deutschen Sektor zu prognostizieren. Auf dem britischen Arbeitsmarkt wurde im April 1999 ein flächendeckender Mindestlohn in Höhe von 3,60 Pfund eingeführt. Für eine umfangreiche Betrachtung dieses Aspektes werden ausgewählte Studien über bisherige Auswirkungen in der Pflegebranche vorgestellt, sie stellen innerhalb dieser Arbeit eine Grundlage dar, Prädikationen für den heimischen Sektor zu treffen. Diese Erkenntnisse werden wiederum im fünften Kapitel dazu genutzt, die eingangs gestellte Leitfrage zu untersuchen. Dabei handelt es sich um Prognosen, welche aus zuvor gewonnen Erkenntnissen bezüglich anderer gesetzlicher Änderungen abgeleitet werden. Es wird außerdem untersucht, ob eine Übertragbarkeit der Ergebnisse möglich ist. Die branchenspezifische Mindestlohneinführung im April 2010 in der Pflegebranche, wird als weitere Quelle dazu genutzt, die Konsequenzen dieser Einführung auf das Jahr 2015 zu übertragen. Die Auswirkungen werden auf theoretischer Basis dargestellt sowie auf dem Fundament empirischer Evidenz ausgearbeitet. Das abschließende Fazit beinhaltet eine Beantwortung der Leitfrage der Untersuchung und fasst die gewonnenen Erkenntnisse nochmals zusammen.

2. Arbeitsmarkttheorie

Auf dem Arbeitsmarkt treffen das Angebot und die Nachfrage nach dem Faktor Arbeit zusammen. Im Allgemeinen sind die privaten Haushalte die Anbieter dieses Produktionsfaktors und private Unternehmen oder öffentliche Haushalte befinden sich auf der Nachfrageseite (Borjas 2013, 1-3). Der Gesamtarbeitsmarkt kann zur präziseren Analyse in Teilarbeitsmärkte aufgegliedert werden, welche bestimmte Regionen, Qualifikationsunterschiede oder unterschiedliche Berufe darstellen können. In der Realität wird der Arbeitsmarkt nicht allein durch Angebot und Nachfrage gesteuert. Die Höhe des Lohns, der in diesem Markt den Preis repräsentiert, wird ebenso durch Einflussfaktoren wie Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und deren Tarifverhandlungen wie regulatorische Eingriffe durch das Arbeits- und Sozialrecht beeinflusst. Im Grunde ist jedoch das Ziel jedes Marktteilnehmers1, wie in anderen Märkten auch, die Maximierung des eigenen Nutzens durch eine effiziente Allokation der persönlichen Ressourcen.

In diesem Kapitel wird die meist gelehrte und verbreitete Arbeitsmarkttheorie vorgestellt. Die neoklassische Theorie wird bis heute in der Volkswirtschaftslehre als Grundstein zur Erklärung des Arbeitsmarktes genutzt. Eine alternative Erweiterung ist das Monopsonmodell, welches sich in einigen Grundannahmen von der neoklassischen Theorie unterscheidet. Nach der Darstellung dieser beiden Modelle werden die Auswirkungen eines Mindestlohns in der Theorie untersucht.

2.1 Die Neoklassische Arbeitsmarkttheorie

Ein Hauptaspekt der Mikroökonomie ist die Existenz von Tauschbeziehungen zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern (Boeri/van Ours 2008, 2-3). Dieser Markt kommt dann zustande, wenn sich die Beteiligten über die Tauschbedingungen einig sind. Dies kann sich in einem bestimmten Preis für das gehandelte Gut manifestieren. Die neoklassische Theorie analysiert eben diese Preisbildung auf einem Markt. Der Arbeitsmarkt unterscheidet sich von einem normalen Markt nur in der Hinsicht, dass dort die Anbieter ihre Zeit für eine entsprechende Gegenleistung zur Verfügung stellen, anstatt Waren zu offerieren. Die Nachfrager bezahlen einen Lohnsatz für das Gut Arbeit, welcher dem Preis entspricht.

Wie auf allen anderen Märkten setzt die neoklassische Theorie auch auf dem Arbeitsmarkt bestimmte Axiome voraus (Boeri/van Ours 2008, 4). Dies ist zum einen die vollkommende Konkurrenz, die besagt, dass eine Vielzahl von kleinen Anbietern und Nachfragern auf dem Markt existieren, welche keinerlei Marktmacht besitzen und somit das Zustandekommen von Monopolen ausgeschlossen ist. Außerdem sind die Marktteilnehmer mit allen Informationen ausgestattet, die sie benötigen, um auf dem Markt agieren zu können. Dazu gehören sowohl die gezahlten Löhne all der Unternehmen, die Arbeitskräfte nachfragen, als auch die Jobs an sich, die diese anbieten. Ein weiteres Axiom ist die Homogenität des Marktes, wonach alle Anbieter die gleiche Produktivität aufweisen, keinen Mobilitätsrestriktionen unterliegen und jederzeit auf andere Teilarbeitsmärkte ausweichen können. Im Grunde genommen repräsentieren sie den „homo oeconomicus“ in all seinen Eigenschaften.

Wie bereits beschrieben besteht der Markt aus Angebot und Nachfrage. Im Folgenden werden beide Kurven kurz hergeleitet, beschrieben und daraufhin zusammengefügt.

Das Arbeitsangebot wird von Personen bestimmt, die ihre Freizeit gegen eine bezahlte Tätigkeit eintauschen (Boeri/van Ours 2008, 4-5). Jedes Individuum entscheidet also, wie viel seiner begrenzten Zeit es anbieten möchte. Da jeder gewillt ist, seinen eigenen Nutzen zu maximieren, bietet er so viel Arbeit an, wie er an Geld benötigt, um seine individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Er bietet jedoch nicht unbegrenzt viel Arbeitszeit an, da durch den Faktor Arbeit ein negativer Nutzen entsteht. An seinem Nutzen-maximierenden Punkt würde eine zusätzliche Stunde Arbeit den Gesamtnutzen somit verringern. Der niedrigste Lohn, bei dem jemand überhaupt anfängt zu arbeiten, nennt man Reservationslohn. Dieser variiert je nach persönlichen Präferenzen.

Der Verlauf der Arbeitsangebotskurve hängt davon ab, wie sich die Indifferenzkurven der Individuen verhalten (Nechyba 2011: 247-249). Es kann somit passieren, dass eine Person, die eine Lohnerhöhung erfährt, daraufhin weniger Arbeit anbietet, da ihm zusätzliche Freizeit mehr wert ist, als ein gesteigertes Einkommen. Dies würde bedeuten, dass die Angebotskurve ab dort einen negativen Verlauf hat.

Abbildung 1 verdeutlicht den Verlauf einer individuellen Arbeitsangebotskurve. Ab einem bestimmten Lohn (w‘) beginnt der Arbeitnehmer, bei steigendem Lohn, weniger Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen (Borjas 2013, 42-45).

Abbildung 1: Die individuelle Arbeitsangebotskurve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

Die neoklassische Theorie bedient sich zur Veranschaulichung des Arbeitsmarktes jedoch lediglich des unteren Abschnitts dieser Kurve (Boeri/van Ours 2008, 7-9). In diesem Fall ist der Faktor Arbeit ein normales Gut, welches häufiger angeboten wird, sobald der Lohn steigt. Daher zeigt die aggregierte Arbeitsangebotsfunktion einen steigenden Verlauf, wie in Abbildung 2 zu erkennen ist. Diese ergibt sich aus den kumulierten individuellen Angebotsfunktionen aller Marktteilnehmer und stellt damit die gesamte Menge der Arbeitsstunden dar, die auf diesem Markt zur Verfügung gestellt wird.

Abbildung 2: Die aggregierte Arbeitsangebotskurve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

Die Einflussfaktoren auf die Arbeitsangebotskurve sind hauptsächlich subjektiver Natur (Boeri/van Ours 2008, 9-10; Borjas 2013, 84-90). Dazu gehören die Freizeitpräferenz, die Menge an monetären Gütern die zur Befriedigung der Bedürfnisse konsumiert werden müssen und der negative Nutzen, der durch die Ausübung des Jobs entstehen kann. Die Faktoren auf der Nachfrageseite sind einfach objektiv zu betrachten. Ein Unternehmen hat das Ziel, den eigenen Gewinn zu maximieren. Bei vollkommener Konkurrenz bedeutet dies, dass es so lange Arbeiter zu dem, auf dem Arbeitsmarkt gegebenem Gleichgewichtslohn einstellt, bis die Produktionskosten dem Umsatz entsprechen2. In der neoklassischen Theorie wird angenommen, dass bei vorherrschender vollkommener Konkurrenz kein Marktteilnehmer Gewinne erwirtschaftet. Außerdem geht man davon aus, dass der Faktor Arbeit ein homogenes Gut ist, also jeder Arbeitnehmer die gleiche Produktivität aufweist. Wenn ein Unternehmen somit die Entscheidung treffen muss, einen zusätzlichen Arbeiter einzustellen, wird zunächst untersucht, ob der marginale Ertrag dieser Person die marginalen Arbeitskosten übersteigt. Solange dies der Fall ist, wird die neue Kraft eingestellt. Wenn die marginalen Kosten jedoch dem marginalen Ertrag entsprechen, ist es für das Unternehmen nicht mehr sinnvoll, Arbeiter zu akquirieren. Je höher der vom Arbeitsmarkt vorgegebene Lohn ist, desto weniger Menge des Faktors Arbeit kann genutzt werden, bis der marginale Umsatz nicht mehr steigt, sondern fällt. Der marginale Ertrag eines zusätzlichen Arbeitnehmers wird auch Wertgrenzprodukt (WGP) genannt. Dieses steigt zunächst mit jeder zusätzlich eingestellten Arbeitskraft. Ab einer bestimmten Menge an Arbeitern verringert sich jedoch die Anzahl des marginalen Ertrages nach dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Dies ist zum Beispiel dadurch zu erklären, dass sich die Arbeiter ab einer bestimmten Anzahl eher bei ihrer Tätigkeit behindern, als dass sie durch Arbeitsteilung effizienter arbeiten. Das Wertgrenzprodukt setzt sich folgendermaßen zusammen:

Es ergibt sich also aus dem Grenzprodukt der Arbeit (GP) multipliziert mit dem Preis. Die effiziente Anzahl an einzustellenden Arbeitnehmern ist dann erreicht, wenn folgende Gleichung erfüllt ist:

Wie bereits erläutert hat das Wertgrenzprodukt nach einem erreichten Maximum einen fallenden Verlauf. Sobald dieses den vorherrschenden Lohnsatz schneidet (A), ist es für das Unternehmen nicht mehr rentabel weitere Mitarbeiter einzustellen. Abbildung 3 verdeutlicht dies:

Abbildung 3: Wertgrenzprodukt der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

Je höher der gleichgewichtige Lohnsatz auf dem Arbeitsmarkt ist, desto weniger Arbeiter kann ein Unternehmen einstellen, bevor das Wertgrenzprodukt kleiner ist als w‘. Dementsprechend hat die aggregierte Arbeitsnachfragekurve einen negativen Verlauf. Wie auch bei der aggregierten Angebotsfunktion, werden bei der Nachfrage ebenfalls alle individuellen Kurven der Unternehmen addiert, um die Arbeitsnachfrage des gesamten Marktes vereinfacht darzustellen (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Die aggregierte Arbeitsnachfragekurve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

Angebot und Nachfrage sind somit beide von der Lohnhöhe abhängig, jedoch in gegensätzlichen Richtungen (Borjas 2013, 144). Wenn man beide Kurven in einem Diagramm kombiniert, erhält man eine vereinfachte Abbildung des neoklassischen Arbeitsmarktes (Abbildung 5). Die Theorie geht davon aus, dass sich ein effizientes Gleichgewicht selbstregulierend einstellt. Dies ist ein Beispiel für Adam Smith‘s Theorem der „unsichtbaren Hand“, welches besagt, dass durch das egoistische Handeln aller Marktteilnehmer trotzdem ein wohlfahrtmaximierendes Marktgleichgewicht erzielt wird.

Abbildung 5: Der neoklassische Arbeitsmarkt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

Doch wie wird der Gleichgewichtslohn erzielt? Die Angebotsseite hat die Absicht ein möglichst hohes Gehalt zu erhalten, wohingegen die Nachfrageseite die Lohnkosten gering halten möchte (Borjas 2013, 144-145). Begonnen wird bei einem beliebigen Lohn, bei dem es mehr Nachfrager als Anbieter gibt. Es gibt also mehr Jobs als Arbeiter, die bereit sind, zu dem gegebenen Lohn in den Markt einzusteigen. Die Unternehmen sehen sich gezwungen das Gehalt zu erhöhen, mit der Absicht um die Arbeitnehmer zu werben. Auf diese Weise sinkt die generelle Nachfrage nach Arbeit, da die Lohnstückkosten steigen. Dieser Mechanismus wiederholt sich so lange, bis die angebotene Menge der nachgefragten entspricht. Es herrscht ein effizientes Gleichgewicht, mit einem entsprechenden Lohnsatz (w*), wie in Abbildung 5 zu sehen ist. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit, denn alle Personen deren Arbeitsangebot über w* liegt, fordern einen zu hohen Lohn und sind laut der Theorie freiwillig arbeitslos.

Alle Unternehmen deren Lohnangebot über w* liegt, bezahlen weniger für die Arbeit als sie bereit gewesen wären (Borjas 2013, 145). Deshalb erhalten sie eine sogenannte „Konsumentenrente“, die durch das Dreieck „a“ oberhalb des Gleichgewichtslohns gekennzeichnet ist. Das gleiche gilt für alle Arbeitnehmer, die für einen geringeren Lohn bereit gewesen wären zu arbeiten, als sie im Endeffekt erhalten. Das Dreieck „b“ stellt somit die „Produzentenrente“ dar.

Dieser Gleichgewichtslohn w* stellt jedoch keinen fixen Wert dar, sondern ändert sich im Laufe der Zeit (Nechyba 2011: 478-483). Dies geschieht zum Beispiel durch den Eintritt neuer Arbeitnehmer in den Markt. Das Resultat ist eine Rechtsverschiebung der Arbeitsangebotskurve und ein niedrigerer Gleichgewichtslohn. Bietet jedoch eine Vielzahl von Unternehmen Arbeit an, ohne dass sich die Anzahl der Arbeitnehmer oder deren Freizeitpräferenz ändern, verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts und der gleichgewichtige Lohnsatz steigt.

2.2 Das Monopsonmodell

Das zweite Modell, welches in diesem Abschnitt erklärt wird, unterscheidet sich zum vollkommenen Wettbewerb in der Hinsicht, dass es lediglich einen Nachfrager gibt. Im Falle des Arbeitsmarktes bedeutet dies, dass lediglich ein Unternehmen auf dem Markt existiert, welches Arbeit nachfragt. Ein Beispiel hierfür sind Städte, die um Kohle-Minen entstehen, da dort eine große Anzahl an Arbeitern nachgefragt wird und hauptsächlich das Kohleunternehmen Arbeitskraft nachfragt.

Bei vollkommener Konkurrenz muss ein Unternehmen den Lohn bezahlen, welcher vom Markt vorgegeben wird. Hierbei ist es irrelevant wie viel Arbeit es nachfragt, der Lohnsatz wird dadurch nicht beeinflusst (Borjas 2013, 187-189). In einem Monopsonmarkt ist dies nicht der Fall. Der Monopsonist bestimmt den Marktlohn als alleiniger Nachfrager selbst. Von daher steht er der steigenden Angebotskurve gegenüber, die ihn dazu zwingt, einen immer höheren Lohn zu bezahlen, wenn er mehr Arbeit nachfragen möchte. Wenn man nun davon ausgeht, dass das Unternehmen perfekte Diskriminierung in Hinsicht auf den Lohn betreiben kann, wird trotz des imperfekten Marktes ein effizientes Gleichgewicht erzielt. In diesem Fall hat der Monopsonist die Möglichkeit, seinen Arbeitern unterschiedlich hohe Löhne zu zahlen, in diesem Fall den Reservationslohn jedes einzelnen. Abbildung 6 verdeutlicht, dass die Menge der nachgefragten Arbeit im Schnittpunkt der Arbeitsangebotskurve und dem Wertgrenzprodukt der Arbeit des Monopsonisten liegt3. w* ist in diesem Fall jedoch nicht der Marktlohn, sondern lediglich das Gehalt, das der Unternehmer zahlen muss, um den letzten Arbeitnehmer einstellen zu können. Somit herrscht auf dem Markt keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Der einzige Unterschied zum vollkommenen Wettbewerb ist der, dass die Konsumentenrente des alleinigen Nachfragers der kompletten Fläche a entspricht und die Anbieter keine Produzentenrente erwarten können.

Abbildung 6: Perfekt diskriminierender Monopsonist

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

In der Realität ist es jedoch sehr unrealistisch, dass homogene Arbeitnehmer bereit sind, zu unterschiedlichen Löhnen, die gleiche Arbeit zu verrichten. Die logischere Alternative ist, dass der Monopsonist den gleichen Lohn an alle seine Arbeiter zahlt, unabhängig von deren Reservationslohn (Borjas 2013, 189-191). In diesem Falle ist er ein nicht-diskriminierender Monopsonist. Er steht jedoch nun dem Problem gegenüber, dass seine marginalen Kosten des Faktors Arbeit stärker steigen, als die Angebotskurve selber. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass er bei der Einstellung eines neuen Arbeitnehmers, der einen höheren Lohn erwartet als die vorherigen, den Lohn aller anderen Angestellten ebenfalls erhöhen muss. Wenn er zum Beispiel einen Arbeiter für fünf Euro beschäftigt, der zweite jedoch sechs Euro verlangt, erhöhen sich seine marginalen Kosten nicht um sechs sondern um sieben Euro, da er dem ersten Arbeiter einen Euro mehr zu zahlen hat. Daher hat die marginale Kostenkurve (MK) einen steileren Verlauf als die Angebotskurve selber. Da der Monopsonist gewinnmaximierend handelt, stellt er so viele Arbeitnehmer ein, bis das Wertgrenzprodukt der Arbeit den marginalen Kosten der Arbeit entspricht.

Dieses Gleichgewicht ist in Abbildung 7 durch den Punkt A gekennzeichnet.

Abbildung 7: Nicht-diskriminierender Monopsonist

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung

WGPM und xM bezeichnen das Wertgrenzprodukt der Arbeit und die nachgefragte Menge an Arbeit des Monopsonisten in Punkt A. Der Lohn, der an diesem Punkt an alle Arbeitnehmer gezahlt wird, kann von der Arbeitsangebotskurve abgelesen werden und entspricht wM. Der Monopsonist erwirtschaftet einen Gewinn in Höhe des Rechtecks a. Es lohnt sich jedoch für ihn nicht, weitere Arbeitnehmer einzustellen, da sonst die marginalen Kosten den marginalen Ertrag des Faktors Arbeit übersteigen würden. Dieses Gleichgewicht ist jedoch nicht effizient. Zum einen entsteht eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit, die ein Ausmaß von der Strecke zwischen xM und x* umfasst und zum anderen wird die Gesamtwohlfahrt um das Dreieck b verringert. Außerdem beträgt der Lohn, den die Arbeiter in diesem Gleichgewicht erhalten, weniger als wenn vollkommene Konkurrenz herrschen würde und ist zudem niedriger als deren erwirtschaftetes Wertgrenzprodukt (wM<WGPM). Sie werden durch den Monopsonisten also auf gewisse Art ausgenutzt.

2.3 Der Mindestlohn in der neoklassischen Theorie

Ein Mindestlohn kann von einer legislativen Macht mit Hilfe von Gesetzen in bestimmten Arbeitsmärkten eingesetzt werden. Wie an der neoklassischen Theorie im Folgenden erklärt wird, ist es nur sinnvoll, wenn dieser höher angesetzt wird, als der Gleichgewichtslohn in einer bestimmten Branche.

Wie in Abbildung 8 zu sehen ist, wird ein Mindestlohn in Höhe von wmin eingesetzt (Boeri/van Ours 2008, 33-34; Borjas 2013, 115-117). Dieser befindet sich über dem gleichgewichtigen Lohnsatz w*. Wenn angenommen wird, dass dieser für den kompletten Arbeitsmarkt gilt und die Strafe bei geringeren Lohnzahlungen als wmin ausreichend hart ausfallen, werden die Unternehmen aufgrund der höheren Lohnstückkosten ihre Nachfrage nach dem Faktor Arbeit um die Strecke x*-xmin verringern. wmin ist somit der neue gleichgewichtige Lohnsatz und die Arbeitsangebotskurve verläuft vorerst waagerecht bei wmin, bis bei xs ein zusätzlicher Arbeitnehmer einen höheren Lohn als den Mindestlohn verlangen würde. Die betroffenen Arbeitnehmer werden daraufhin beschäftigungslos. Diejenigen, die nun bereit sind zu dem höheren Lohn zu arbeiten, fallen ebenfalls in diese Kategorie. Die Anzahl der zusätzlichen Arbeitslosen entspricht xs-x*.

[...]


1 Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form genutzt, obgleich selbstverständlich beide Geschlechter angesprochen werden.

2 In diesem Modell wird angenommen, dass der Faktor Kapital kurzfristig fix ist. Es kann also nur Einfluss auf die produzierte Menge ausgeübt werden, wenn der variable Faktor Arbeit adjustiert wird.

3 Der in Abbildung 3 zu erkennende, steigende Verlauf des Wertgrenzproduktes der Arbeit kann in diesem Fall vernachlässigt werden, da der logische Schnittpunkt mit der Angebotskurve erst im fallenden Abschnitt der Kurve zu finden ist.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des Mindestlohns in der Pflegebranche
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
49
Katalognummer
V281353
ISBN (eBook)
9783656845478
ISBN (Buch)
9783656845485
Dateigröße
1447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mindestlohn, Pflege, flächendeckender Mindestlohn, Pflegebranche, 8.50€
Arbeit zitieren
Gero Kassen (Autor:in), 2014, Die Auswirkungen des Mindestlohns in der Pflegebranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281353

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