Bierwerbung in Russland. Eine Analyse ausgewählter Werbespots


Akademische Arbeit, 2007

65 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Bierwerbung in Russland – die allgemeine Situation

2 Analyse der ausgewählten russischen Werbespots
2.1 Baltika
2.2 Botschkarev
2.3 Klinskoe
2.4 Otschakovo
2.5 Zolotaja Botschka
2.6 Nevskoe
2.7 Staryji Melnik
2.8 Doktor Diesel
2.9 Tinkoff
2.10 Bagbier

3 Fazit

4 Schluss

5 Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

6 Abbildungsverzeichnis

7 Tabellenverzeichnis

1 Bierwerbung in Russland – die allgemeine Situation

Bis Mitte der 90er Jahre gab es im russischen Fernsehen kaum Bierwerbung. Das war allerdings auch nicht überraschend, da in der UdSSR eigentlich nur zwei Biersorten existierten, ganz abgesehen von den Beschränkungen, denen die kommerzielle Werbung bis dahin unterlag.

Nach der Wirtschaftskrise im Jahr 1998 entdeckten viele russische Unternehmer den Biermarkt für sich und die Brauindustrie entwickelte sich sehr intensiv. In dieser Zeit entstanden unzählige Biermarken und dementsprechend wuchs auch die Konkurrenz. Heutzutage gibt es in Russland über 1000 Biermarken und der durchschnittliche Bierverbrauch in Russland beträgt 50 Liter pro Kopf. Etwa 66% der russischen Bürger ab 16 Jahren trinken gern Bier. Dabei werden fast ausschließlich russische Biersorten immer beliebter, was dazu führt, dass der Anteil ausländischer Marken stetig sinkt. Um diesem Trend entgegen zu wirken, haben große ausländische Unternehmen mit der Produktion ihres Bieres in Russland begonnen. Darunter sind beispielsweise so bekannte Marken wie Warsteiner, Holsten, Heineken und Miller.

Aufgrund der großen Auswahl an Biersorten, die dem Verbraucher nun angeboten wurde, war das entscheidende Kaufargument neben dem Preis nicht nur die Qualität und Tradition, wie es in Deutschland üblich ist, sondern das Image der Marke, das vor allem durch die TV-Werbung geprägt wird. Und um sich von den Mitbewerbern abzuheben, entstand somit natürlich der Bedarf, originelle Werbung zu kreieren, die sich einprägen und die die nationalen Stereotype in der notwendigen Weise berücksichtigen würde.

Durch die stark begrenzte Sendezeit hat die Bierwerbung nur einen Anteil von ca. 7% an der gesamten Produktwerbung im russischen Fernsehen. Damit nimmt dennoch den ersten Platz unter den beworbenen Konsumgütern ein. Weiterhin ist sie durch eine hohe Intensivität der Werbekampagnen gekennzeichnet: in einer Saison werden für die großen Marken in der Regel mehrere Spots produziert, manchmal sogar eine ganze Reihe von Spots, die inhaltlich miteinander verbunden sind.

Die russische Bierwerbung hat sich innerhalb kürzester Zeit sehr stark entwickelt. Erst seit 1999 waren Menschen in den Spots zu sehen – früher reichte es häufig aus lediglich das Bild einer Bierflasche bzw. eines Bierglases mit dem Produktnamen zu zeigen. Bei den dargestellten Menschen handelte es sich ausschließlich um Männer, welche im engsten Freundeskreis Bier tranken. Hervorgehoben wurden in solchen Spots vor allem Momente der Freundschaft und die seelische Vertrautheit der Handelnden – Bier trinken war also eher eine private Angelegenheit zwischen Freunden (Männern).

Bier wurde jedoch schnell zum beliebtesten Getränk der jüngeren Generation. Daher waren als neue Zielgruppe für die Bierwerbung vor allem Studenten in den Werbespots zu sehen. Ob im Park oder der Disco – überall wurde Bier getrunken – was „laut Werbung“ das „triste“ Leben natürlich viel lustiger machen sollte.

Die wichtigste Botschaft in allen Werbespots aber blieb, dass Bier die Menschen vereinigt, egal, ob in den Spots Geschäftsleute oder Studenten, zu sehen waren. Und auch patriotische Motive sind in der russischen Bierwerbung deutlich zu erkennen. Ab etwa 1999 wurde in jeder Werbung alles typisch Russische hervorgehoben – sozusagen die Wiedergeburt von Nationalstolz. In einigen Werbespots sind die handelnden Personen mittelalterliche russische Krieger oder Adlige aus dem 19. Jahrhundert.

Aus Sicht der Gestaltung ist die Bierwerbung heutzutage die kreativste im Vergleich zur restlichen Produktwerbung. Die Werbefachleute versuchen für jede Biermarke ein bestimmtes Image zu schaffen und der Wettbewerb untereinander wird auf relativ hohem Niveau geführt. Zusätzlich ist die Aufgabe der Werbegestalter mit Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung zur Einschränkung der Bierwerbung im Jahr 2004 wesentlich schwieriger geworden. Neben der zeitlichen Begrenzung der Werbung für Bier im Fernsehen erließt die Duma[1] zahlreiche weitere Bedingungen an die sich die Werber halten müssen:

- Bierwerbung darf im Fernsehen nur noch nach 22.00 Uhr, also in den Nachtstunden, gesendet werden.
- Es dürfen keine Menschen oder Tiere dargestellt sein.
- Es darf nicht mehr behauptet werden, dass Bier unschädlich, gesundheitsfördernd oder erfolgssteigernd sei.
- Bier darf nicht mehr als Erfrischungsgetränk bezeichnet werden.

Auch andere Werbeformen, wie z.B. die Plakatwerbung für Bier, unterliegen seit dem 5. August 2004 wesentlich strengeren Beschränkungen.

Dies zwang viele Biermarken ihre Werbekampagnen umgehend zu ändern und damit zum Teil auch ihr Image, da es nicht in allen Fällen möglich war, dieselbe Kernidee ohne Werbepersonen zu vermitteln. Es wurde sehr viel schwieriger, eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen, ohne in den Werbespots Personen zu präsentieren, mit welchen sich die Konsumenten identifizieren können.

Was die beliebtesten Biersorten in Russland betrifft, so ändert sich die Situation auf dem im Allgemeinen sehr schnell. Es kommen immer wieder neue Sorten auf den Markt, die rasch an Beliebtheit gewinnen und die Verkaufszahlen anführen. Dennoch sind in der Regel die alten Marken nach einiger Zeit wieder ganz vorn mit dabei. Insofern kann der russische Biermarkt als sehr dynamisch bezeichnet werden. Einige Marken haben es jedoch inzwischen geschafft, seit mehreren Jahren konstant einen oberen Platz in den Rankinglisten zu halten, was sie wohl vor allem der Unterstützung durch die Werbung zu verdanken haben:

1. Балтика (Baltika)
2. Бочкарёв (Botschkarev)
3. Клинское (Klinskoe)
4. Очаково (Otschakovo)
5. Золотая Бочка (Zolotaja Botschka)
6. Невское (Nevskoe)
7. Старый Мельник (Staryji Melnik)
8. Доктор Дизель (Doktor Diesel)
9. Тинькофф (Tinkoff)
10. Баг-Бир (Bagbier)

(vgl. Alexandrov 2003, S. 71)

In aller Deutlichkeit sei hier noch einmal angemerkt, dass es in Russland für Bier keinerlei Altersbeschränkungen gibt, d.h. jedes Kind, egal in welchem Alter, kann Bier erwerben. Für stark alkoholhaltige Getränke, wie z.B. Wodka, gilt dies nicht. Weiterhin ist jegliche Werbung für stark alkoholhaltige Getränke strengstens verboten und es werden präventive Kampagnen gegen Alkoholsucht durchgeführt, die sich aber in der Regel nur gegen die vorgenannten Getränke richten, zu denen Bier in Russland nicht zählt. Erst mit der Gesetzgebung aus dem Jahre 2004 wurde auch die Werbung für Bier eingeschränkt – das sich entwickelnde Problem wurde somit wohl zu spät erkannt.

2 Analyse der ausgewählten russischen Werbespots

Die zehn im vorherigen Abschnitt genannten Biermarken werden in Russland am häufigsten verkauft. Bei den Sorten auf den Plätzen eins bis sechs handelt es sich gleichzeitig um die ältesten Biere auf dem russischen Markt – also die Sorten welche als erstes auf dem Markt eingeführt worden sind. Auf den Plätzen sieben bis zehn befinden sich dann noch relativ neue Biere, die zum größten Teil aufgrund ihrer Werbekampagnen schnell an Beliebtheit gewonnen haben. Bemerkenswert ist, dass es sich durchgehend um heimische Biermarken handelt. Die folgende Analyse soll einen Überblick schaffen, wie sich die Bierwerbung in Russland seit 1999 entwickelt hat. Wichtig ist es dabei vor allem auf die ersten Werbespots der jeweiligen Marken einzugehen, damit der Unterschied zu den aktuellen Spots ersichtlich wird. Die Analyse der Werbespots soll unter anderem die Frage klären, was ihr Image ausmacht und was die Werbekampagnen unterscheidet.

2.1 Baltika

Die Brauerei Baltika wurde 1990 gegründet und ist heutzutage die größte Brauerei in Russland. Zum größten Teil befindet sie sich im Besitz der schwedischen Firma „Baltik Beveridges Holding“. Es werden verschiedene Sorten hergestellt, darunter Pils, Hefeweizen und dunkles Bier. Im März 2006 erwarb Baltika Anteile an fünf weiteren großen Brauereien, die landesweit bekannte Biermarken herstellen, in verschiedenen Regionen Russlands. Baltika ist die meist verkaufte Marke Russlands: 2005 wurden 22,4 Millionen Hektolitern abgesetzt. Laut einer Befragung bevorzugen ca. 62% der russischen Bierkonsumenten diese Marke. (Quelle: Marketing Index der Firma TNS Gallup Media).

Als praktisch erste russische Biermarke versuchte Baltika, ihr Image mit der westlichen Tradition des Bierbrauens in Verbindung zu bringen. Der Markenname Baltika leitet sich von dem Wort „Baltikum“ ab. Damit wird offensichtlich Bezug auf den nordwestlichen Teil des Landes genommen, allerdings etwas allgemein, da das Bier direkt aus St. Petersburg stammt. In den ersten Werbespots wurde die Stadt St. Petersburg gezeigt, die im russischen Bewusstsein ohnehin häufig mit dem Westen verbunden wird. Im Hintergrund war die Bierfabrik von „Baltika“ mit dem entsprechenden Markenzeichen zu sehen. Auf diese einfache Weise wurde versucht, das Image einer „europäischen“ Marke zu schaffen.

Seit etwa 2001 hat Baltika seine Werbestrategie geändert und versucht nun die Verbraucher direkt anzusprechen. „Das Bier ist für Sie gebraut“ („Пиво сварено для Вас“) – lautete der Slogan. In dem neuen Werbespot werden fünf Personen gezeigt, die das ganze Land repräsentieren sollen bzw. die Nationen der ehemaligen Sowjetunion: ein junger Mann aus dem europäischen Teil des Landes, einer aus dem Norden, einer aus dem Süden (vermutlich aus Georgien), einer aus Kasachstan und eine junge Frau aus der baltischen Region. Jede dieser Personen hat dabei eine Bierflasche in der Hand und lobt das Bier in seiner Sprache das Bier: „ Baltika ist für mich gebraut“. Schließlich sind sie noch einmal alle gemeinsam zu sehen – sozusagen „vereinigt“. Dabei werden alle Personen vor einem winterlichen Hintergrund gezeigt. Dies könnte entweder ebenfalls ein vereinigender Faktor sein oder die Werbekampagne wurde trivialer Weise lediglich im Winter durchgeführt – womit dann gemeint war, dass Bier auch gut im Winter zu trinken sei.

In dem Spot wird offensichtlich das alte Thema der Vereinigung der russischen Nationalitäten angeschnitten. Damit soll eine Zielgruppe angesprochen werden, die die Zeiten der Sowjetunion noch in Erinnerung hat und (eventuell) auf eine Wiederherstellung des „Imperiums“ hofft.

Danach folgte in Russland eine Zeit, in der die ursprüngliche russische Kultur und Geschichte und damit verbunden der russische Nationalstolz, wieder ins Leben gerufen wurde. Natürlich wurde dies in der Werbung dankend aufgenommen und für den Werbezweck genutzt. In den Werbespots von „ Baltika “ ging es inzwischen hauptsächlich um Nationalstolz. „Das berühmte Bier Russlands“ („Знаменитое пиво России“) – so lautete ab 2003 der Werbeslogan. Im Fernsehspot sind zwei Männer in einem Straßencafé zu sehen. Im Hintergrund sind die Straßen von St. Petersburg zu erkennen. Einer von ihnen, der offensichtlich ein Ausländer ist, wird von seinem Gesprächspartner überzeugt, dass dieses Bier bereits in Europa bekannt ist und bald auch auf der ganzen Welt getrunken werden wird. Aus dem Dialog ist allerdings nur zu entnehmen, dass „ Baltika bereits in England getrunken wird!“. Seinen Gesten die er mit den Händen artikuliert kann entnommen werden, dass bald die ganze Welt von Baltika erobert werden wird.

Auch im aktuellen Spot von Baltika ist nationales Empfinden deutlich präsent. In einem Hintergrund aus typisch russischer Natur, mit alten Schlössern und modernen Städten, steht alles Russische und vor allem das russische Bier Baltika im Mittelpunkt. Der Text wiederum soll dann jeden russischen Bürger überzeugen, dieses Bier zu trinken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Fernsehwerbespot für Baltika

Als Erstes fällt auf, dass in diesem Spot der Text und das Bild gleichwertig sind und einander unterstützen. Beide sollen die Vorteile des Landes hervorheben, offensichtlich mit dem Ziel, das Gefühl des nationalen Stolzes bei den russischen Empfängern zu wecken und potentielle ausländische Betrachter zu beeindrucken. In dem neuen Fernsehspot gibt es keine Dialoge und entsprechend dem Gesetz von 2004 auch keine Personen mehr. Trotzdem versucht Baltika thematisch, die Werbekampagne mit dem „berühmten Bier Russlands“ weiter zu führen.

Der Text ist emotional aufgebaut. Es werden Aussagen gemacht, die eher als Vermutungen bezeichnet werden müssen, da sie nicht begründet sind („Wir wissen nicht genau, worauf Russland morgen stolz sein wird…“). Weiterhin werden viele bekannte Stereotype genannt (z.B. deutsche Autos, französischer Käse, italienische Architektur usw.) und direkt ein bildlicher Vergleich mit den russischen Tatsachen demonstriert. Dabei ist Russland sozusagen die bessere Konkurrenz. Das Thema Bier fällt jedoch in gewisser Weise aus dieser Reihe heraus. Im Spot gibt es dazu keinen direkten Vergleich, sondern es wird behauptet, dass „Russland darauf stolz sein wird“, ebenso wie die Deutschen auf die Autos und die Franzosen auf ihren Käse. Auffallend ist, dass das Wort „stolz“, das schon sehr emotional geladen ist, im Text mehfach wiederholt wird, um die Wirkung zu verstärken. Hinzu kommen typische banale Begriffe, wie z.B. „bessere“, „schönste“, „größere“ und vor allem „das bekannteste Bier“. Diese Aussage soll Baltika über die Konkurrenz erheben und zur Biermarke Nummer eins aufbauen. Auch mit dem neuen Slogan „Hergestellt in Russland“ werden gewisse Ansprüche geltend gemacht. Es soll, ähnlich wie mit „Made in Germany“[2], ein stereotypes Bild geschaffen werden, das ein Synonym für eine neue Qualität darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Szenen aus dem TV-Spot für Baltika

(Quelle: www.sostav.ru, Stand: 23.01.2007)

Wahrscheinlich muss diese Art der Werbung auch ein wenig als Abwehr gegen die vielen internationalen und deutschen Biermarken, die auf den russischen Markt strömen, gewertet werden. Hier soll einfach das Bild, das Image des russischen Bieres gestärkt werden. Und vor allem soll diese Werbung die Marke Baltika von allen anderen abheben und die Verbraucher glauben lassen, dass es die russische Biermarke Nummer eins ist und außerdem bald in der ganzen Welt beliebt sein wird. Dabei fehlen in den Spots für beide Thesen die nötigen Argumente und somit kann dies nur als Übertreibung bezeichnet werden. Der Text soll in erster Linie die Emotionen der Konsumenten ansprechen und ihnen Respekt einflößen. Die Rolle der visuellen Reihe besteht darin, die Globalität der Werbekampagne zu präsentieren. Wie bereits gesagt, nutzt Baltika für seine Werbung keine konkreten Personen mehr. In den früheren Werbespots repräsentierten die Personen jedoch jeweils ihren Landesteil und zusammen das gesamte Land, also die Vereinigung der russischen Nationalitäten. In dem alten Spot mit den zwei Männern (siehe oben) haben beide ebenfalls eine solche Bedeutung. Der ausländische Mann repräsentiert die Europäer, welche noch nichts von diesem „berühmten Bier Russlands“ wissen, aber schon bald von ihm „erobert“ werden sollen. Die Bilder sind ebenfalls global und metonymisch. Angefangen mit dem ersten Spot Baltikas in welchem die Darstellung von St. Petersburg als Sinnbild für Europa verwendet wird, bis hin zu den Bilder der neuen russischen Realität im aktuellen Spot, die alte Traditionen mit dem Fortschritt verbinden, versucht Baltika auf diese Weise nicht nur die Position der Nationalmarke zu übernehmen, sondern sich mit dem Land selbst zu identifizieren. Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass diese Kampagne nicht alle Konsumenten in Russland wirklich anspricht. Statistisch gesehen, wird diese Biermarke von Konsumenten mittleren Alters bevorzugt. Wahrscheinlich fühlt sich die jüngere Generation somit eher nicht angesprochen, auch wenn sie ein „neues Russland aufbauen“. Die Aussage „Hergestellt in Russland“ bedeutet nicht für alle Menschen in Russland Qualität, da es schon eine sehr große Auswahl an Biersorten auf dem Markt gibt.

2.2 Botschkarev

Die zweit beliebteste Biersorte Russlands ist Botschkarev und 1999 wurde die dazugehörige Werbekampagne gestartet. Der Slogan dieser Marke – „Das richtige Bier“ („Правильное пиво“) – könnte auf den ersten Blick als banal und unkreativ bezeichnet werden, da das Wort „Bier“ das zentrale Element der Aussage ist, dem jedes beliebige Wort voran gestellt werden kann, wie es in vielen Werbekampagnen demonstriert wurde: „Gutes Bier“, „Dein Bier“, „Mein Bier“ usw. Allerdings wird Botschkarev in der Kampagne nicht nur als „richtig“ bezeichnet, sondern es wird vielmehr argumentiert, warum dies so ist.

Diese Marke unterschied sich zu Beginn von allen anderen vor allem dadurch, dass versucht wurde, die Verbraucher mit rationalen Argumenten von der Qualität des Bieres zu überzeugen – also ohne Emotionen einzubeziehen. Im Werbespot, in dem sich die Handlung in einer Sauna abspielt, war die zentrale Werbeperson ein Mann, ein sogenannter Bierkenner, der über das Bier erzählt. Dabei kommt seine Stimme aus dem Hintergrund, er spricht also nicht direkt, sondern es handelt sich um einen indirekten Erzähler. Seine Rede, die wie ein belehrender Vortrag gestaltet ist, dreht sich um den Herstellungsprozess von Bier und um Qualitätskriterien, wie z.B. die Menge und Farbe des Schaums und die richtige Trinktemperatur für ein gutes Bier. Abschließend wird die Marke dann als ein konkreter Beispiel, das diese Kriterien erfüllt, genannt: „Zum Beispiel Botschkarev ist das richtige Bier“. Damit wird behauptet, dass dieses Bier dem Standard entspricht und nach den weltweit gültigen Regeln hergestellt wird. Angemerkt sei hier, dass es in Russland ein Reinheitsgebot wie in Deutschland nicht gibt. Deshalb ist es für einen Bierhersteller schwieriger die Verbraucher von der Qualität seines Produktes zu überzeugen.

Die Auswahl der Person für den Werbespot ist natürlich nicht zufällig getroffen worden. Ein Bierkenner (in diesem Fall also eine Autorität) ist immer objektiv bei seiner Wahl und trinkt nur das, was ihm schmeckt. Sein Erscheinen und die Argumente hinsichtlich der Qualität verleihen der Werbung mehr Glaubwürdigkeit. Im Mittelpunkt des Spots steht aber immer das Bier – die Bierflasche mit dem abgebildeten Markennamen ist die gesamte Zeit im Vordergrund zu sehen, während sich der Erzähler eher im Hintergrund der Sauna befindet. Was das Verhältnis zwischen Bild und Text anbetrifft, so steht der Text in diesem Spot im Vordergrund. Das Bild unterstützt nur die Aussage und dient vor allem dazu, den Produktnamen in das Bewusstsein der Empfänger einzuprägen.

Was die Sprache in diesem Spot unterscheidet, ist die sachliche Argumentation und der Slogan „Das richtige Bier“, der einerseits mit der Korrektheit seiner Herstellung begründet wird und andererseits, abgesehen von der Argumentation, einfach eine positive Bedeutung hat.

Der Markenname selbst ist nicht der Name des Gründers der Brauerei, wie man annehmen könnte, sondern frei erfunden. Das Wort „ Botschkarev “ stammt von dem Begriff „Botschka“ (das Fass) ab. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Markenname als ungefähr „Fassmann“. Damit ist der semantische Bezug zum Produkt selbst nicht zu übersehen. Vermutlich wird prägt sich ein solcher „Biername“ leichter ein und wird schneller in Verbindung mit Bier gebracht, als der „echte“ Name eines Menschen.

Mit diesem Werbespot konnte Botschkarev eine starke Position auf dem russichen Biermarkt einnehmen und wurde schnell beliebt, vor allem bei männlichen Verbrauchern mittleren Alters.

Als Fortsetzung zu dieser ersten Werbekampagne produzierte das Unternehmen eine ganze Reihe von Spots, in denen die Aussage „das richtige Bier“ etwas transformiert wurde. Das neue Motto der Kampagne lautete: „[Die] Regeln für gutes Bier“, die ungefähr folgendermaßen lauteten: „Gutes Bier muss [dir] viel geben“ usw. In den Fernsehspots waren inzwischen auch ganz andere Personen zu sehen. In einem Spot beispielsweise wurde ein Mann am Strand gezeigt, der eine schöne Frau beobachtet. Während dieser Zeit wird ihm sein Bier gestohlen, das er auf der Decke liegen gelassen hat. Dann wird die Handlung zeitlich zurückgedreht und in der zweiten Variante dieser Situation beobachtet der Mann ebenfalls wieder die Frau, hat dabei aber seine Flasche Bier fest in der Hand. Eine männliche Stimme im Hintergrund kommentiert dies mit: „Lieber ein Bier in der Hand, als ein Mädchen in der Ferne“. Diese Aussage rät, nicht nach etwas Unerreichbarem zu streben, sondern mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Der Zusammenhang mit dem Sprichwort „Besser den Spatz in der Hand , als die Taube auf dem Dach“ ist hier sehr offensichtlich. Auch dadurch wird die Bedeutung „Es ist besser, sich mit dem zu begnügen was man hat, als nach etwas möglicherweise Unerreichbarem zu streben.“ unterstrichen.

Der Slogan bleibt derselbe („Das richtige Bier“), aber in diesem Fall handelt es sich um eine emotionale Argumentation, die keine Tatsachen feststellt, sondern nur auf subjektiven Erlebnissen beruht. Die Regel, die entsprechend der Bedeutung des Sprichwortes aus dieser Situation entsteht, ist zwar logisch, aber der semantische Zusammenhang mit dem Motto „[Die] Regeln für gutes Bier“ ist nicht direkt festzustellen. Die „Regel“ ist hier also eher ironisch zu verstehen, da es sich nicht um eine echte Regel handelt, sondern vielmehr um ein Sprichwort und dieses mit objektiven Qualitätskriterien für ein „gutes Bier“, wie z.B. Herstellungsverfahren und sensorische Faktoren, nichts gemeinsam hat. Es ist wahrscheinlich der Versuch, eine moderne Volksweisheit zu entwickeln.

In diesem Spot besitzen die Bilder eine größere Bedeutung als in dem vorher genannten. Das verwendete visuelle Thema ist sehr verbreitet, um gut geeignet bei den Empfängern bestimmte Assoziationen hervorzurufen: Strand, Sommer, Urlaub, schöne Frauen… Die Zuschauer werden schon von Anfang an positiv eingestellt. Der Text ist in diesem Fall also eher Nebensache. Weiterhin ist die Situation im Spot auch ohne den Text verständlich und deshalb ist er auf eine kurze Aussage und die Nennung des Markennamens und Slogans begrenzt.

Vor der Analyse der aktuellen Werbekampagne sei noch angemerkt, dass die Marke Botschkarev seit 2003 zur Brauerei Heineken gehört. Ab 2005 wird Botschkarev des Weiteren in neuen Flaschen verkauft, um einen besseren Markenschutz gewährleisten zu können. Mit dem Aussehen der Flasche hat sich auch das Image verändert. Im aktuellen Spot werden keine Regeln mehr aufgestellt, sondern es wird auf ganz andere Art und Weise versucht zu überzeugen: Dargestellt ist ein Wettrennen mit dem sich Botschkarev wahrscheinlich als ein starker Konkurrent auf dem Biermarkt positionieren will.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Fernsehwerbespot für Botschkarev

In diesem Spot ist kein direkter Vergleich mit der Konkurrenz zu beobachten, aber der blaue Zug soll offenbar eine Metonymie für die Konkurrenzmarke Baltika darstellen, da das Logo von Baltika schon immer blau war und durch die Konsumenten auch als solches erkannt wird. Durch das Wettrennen (mit Baltika), das Botschkarev in diesem Spot gewinnt, wird versucht, die Situation auf dem Biermarkt zu verändern und die Führung zu übernehmen. Das Bild spielt in dem Spot eine entscheidende Rolle und ist als Ganzes ebenfalls eine Metonymie. Was den Text betrifft, so ist dieser sehr emotional aufgebaut und enthält außerdem eine Hyperbel: „Flößt Respekt mit ersten Blick ein“. In der Realität kann eine Bierflasche wohl kaum Respekt einflößen, es sei denn, sie wäre einen Meter groß oder aus purem Gold. Somit ist die Aussage ziemlich übertrieben. Der Text insgesamt kann mit der Beschreibung eines Kunstwerkes verglichen werden. Dies ist insbesondere an Worten wie „elegant“ und „Originalität“ zu erkennen. Der Slogan „Das richtige Bier“ scheint allerdings überhaupt nicht zu dem neuen Text zu passen, da der letzte Satz eines Spots in der Regel als Schlussfolgerung einer logischen Argumentationskette wahrgenommen wird. In diesem Fall ergibt die Kette jedoch keinen Sinn, wenn der gesamte Text im Zusammenhang gelesen wird. Die ursprüngliche Bedeutung des Slogans, die im ersten Spot noch argumentiert wurde, ist also bereits verloren gegangen und ist jetzt eher als metaphorisch zu verstehen.

[...]


[1] Ein Organ der russischen Regierung vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag.

[2] Was in Russland eine wesentlich größere Wertigkeit besitzt als in anderen Ländern oder gar in Deutschland selber.

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Bierwerbung in Russland. Eine Analyse ausgewählter Werbespots
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
65
Katalognummer
V283133
ISBN (eBook)
9783656822967
ISBN (Buch)
9783668139985
Dateigröße
1182 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Балтика, Baltika, Бочкарёв, Botschkarev, Клинское, Klinskoe, Очаково, Otschakovo, Золотая Бочка, Zolotaja Botschka, Невское, Nevskoe, Старый Мельник, Staryji Melnik, Доктор Дизель, Doktor Diesel, Тинькофф, Tinkoff, Баг-Бир, Bagbier, Bierwerbung, Bier, Werbung, Werbespots, Spot, Analyse, Russland
Arbeit zitieren
Evgeniya Hoffmann (Autor:in), 2007, Bierwerbung in Russland. Eine Analyse ausgewählter Werbespots, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283133

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