Die Dreiecksbeziehung "Lehrer-Kind-Lernumgebung" in der Montessori-Pädagogik


Seminararbeit, 2014

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Dreiecksbeziehung in der Montessori-Pädagogik
2.1. Das Bild vom Kind
2.2. Die Lernumgebung und das Material
2.3. Die Rolle des Erziehers/ des Lehrers

3. Seminareinheit

4. Kritik

5. Literaturverzeichnis

6. Anhänge

1. Einleitung

Der Wunsch des Kindes „Hilf mir, Ich selbst zu werden!“ (Winkels 2000, S.16) beschreibt anschaulich das Streben eines bedeutenden Vertreters des offenen Unterrichts. Im Rahmen des Seminars war es unsere Aufgabe eine Unterrichtseinheit über die Montessori-Pädagogik zu gestalten. Wir wollten natürlich versuchen, dies mit Bezugnahme auf das Seminarthema zu tun; unsere Einheit sollte möglichst verschiedene Formen des offenen Unterrichts beinhalten. Zu Beginn informierten wir uns erst einmal über die Montessori-Pädagogik und versuchten abzugrenzen, welche Inhalte abgedeckt werden sollten, und wie viel zeitlich in diesem Rahmen überhaupt möglich ist. Da diese Strömung maßgeblich auf Maria Montessori zurückzuführen ist, durften inhaltliche Aspekte ihre Person und ihre ursprüngliche Motivation betreffend natürlich nicht fehlen. Eine geschichtliche Einordnung, sowie auch einen Überblick über die grundlegenden Ideen der Montessori-Pädagogik sollte mit eingeschlossen werden. Da die Seminareinheit an zukünftige LehrerInnen gerichtet sein würde, empfand ich besonders die Dreiecksbeziehung 'Lehrer-Schüler-Lernumgebung' in der Betrachtung als sehr lohnenswert und praxisnah. Des Weiteren wollten wir näher in Augenschein nehmen, wie diese Pädagogik heutzutage praktiziert wird. Dazu sollten sowohl räumliche Aspekte gehören, als auch der Ablauf des Alltags und einzelner Unterrichtseinheiten der SchülerInnen. So ließen sich die Inhalte in drei Thematiken unterteilen: die Allgemeinen Aspekte zu Maria Montessori und ihrem Modell, die Beziehung zwischen Erzieher, Kind und Lernumgebung, und die heutige Schulsituation.

Im folgenden Kapitel möchte ich die inhaltlichen Aspekte darlegen, die ich anschließend in komprimierter Form meinen Kommilitonen präsentiert habe. Es ist wichtig zu betonen, dass eine Zuordnung bestimmter Auffassungen nicht immer eindeutig zu einer der drei Unterpunkte getroffen werden kann. Dies liegt natürlich einfach daran, dass das Kind immer in Kontakt zur Lernumgebung steht, wohl aber auch zum Lehrer. Der Lehrer wiederum ebenfalls zur Umgebung, da er diese formt. Bei den Ausführungen zum Bild des Kindes der Montessori-Pädagogik habe ich in meiner Arbeit von einer genaueren Betrachtung der sensiblen Phasen und der Polarisation der Aufmerksamkeit abgesehen, da dies im Speziellen von einem Kommilitonen thematisiert wurde.

2. Dreiecksbeziehung in der Montessori-Pädagogik

2.1. Das Bild vom Kind

Die wahre und dem Erwachsenen gleichwertige Wesensnatur des Kindes ist am deutlichsten dadurch gekennzeichnet, daß das Menschenkind von allem Anfang an ein geistbegabtes Wesen ist. […] Zwar schlummert der Geist im Kind noch und ist zunächst noch unbewußt. (Oswald 1958, S.13)

In der Montessori-Pädagogik wird verdeutlicht, wie wichtig es für das Kind und dessen Entwicklung ist, dass es als Mensch angesehen wird. Ein Kind hat dieselben Rechte – die Menschenrechte – und muss deswegen genauso mit Respekt und Würde behandelt werden. „[J]e freier das Kind in seiner Entwicklung ist, desto schneller und vollkommener wird es seine höheren Formen und Funktionen erreichen.“ (Montessori 1995, S.14) Dabei war und ist das Leben eines Kindes von Regeln und Einschränkungen geprägt. So erklärt Montessori, dass Kinder ständig kämpfen und rebellieren müssen, wenn sie sich eigentlich nur weiterentwickeln möchten. Sie führt als Beispiel die Aussage „Nicht Anfassen!“ an, die jedes Kind vielfach hat hören müssen; dabei möchte es eigentlich seine Sinne üben – seinen Tatsinn verbessern (vgl. Montessori 1995, S. 30). Aber auch auf andere Weise wird das Kind nach Montessori in seiner Freiheit verletzt. Nämlich immer dann, wenn man ihm eine Erklärung zukommen lassen möchte, es eigentlich bilden möchte. Das Kind hat sich diese Lektion nicht frei gewählt; somit unterliegt es in solch einer Situation einem Zwang (ebd. S.48).

Bereits das kleine Kind möchte am liebsten alles selbst tun, sich eigenständig anziehen oder ohne Hilfe essen und sich waschen (vgl. Oswald 1958, S.24). Dies wird häufig jedoch unterbunden, da bspw. das selbstständige Ankleiden zu viel Zeit in Anspruch nimmt und man es als Elternteil viel schneller erledigen kann. Natürlich ist das Kind neben all dem Drang nach Selbstständigkeit dennoch abhängig vom Erwachsenen; es kann, ungleich mancher Tiere, nicht von Geburt an für sich selbst sorgen. Um aber eine eigene Persönlichkeit entwickeln zu können, „[…] braucht es in den verschiedenen Lebenslagen Hilfe durch die Erwachsenen ('Brot und Liebe'), besonders aber 'Freiheit'“ (Winkels 2000, S.15). Der Freiheit wird im Kontext der Montessori-Pädagogik eine tragende Rolle zu Teil, aber was verbirgt sich dahinter? Es soll keineswegs als Vernachlässigung des Kindes angesehen werden; es soll natürlich ehrliche Fürsorge erfahren (vgl. Montessori 1995, S.19). Nach Montessoris Ansicht handelt es sich nicht um eine 'Freiheit VON etwas', sondern eine 'Freiheit ZU etwas'. Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, auszuwählen, womit sie sich beschäftigen wollen, entscheiden zu können, mit wem sie arbeiten möchten, und bestimmen zu dürfen, wie viel Zeit sie einer Tätigkeit widmen wollen (vgl. Anderlik 1996, S. 22f). Es geht also nie darum, dass es frei von Werten oder ohne Regeln handelt, sondern nur, dass es diese selbst findet und erkennt.

„Das Kind kommt nach Montessoris Auffassung mit einem in formaler Hinsicht fertigen Bauplan seiner künftigen Persönlichkeit bereits auf die Welt“ (Oswald 1958, S.16). Diese Entwicklung läuft von Kind zu Kind verschieden aber ähnlich ab.

Nach inneren, nicht zu kontrollierenden Gesetzen erwachen ganz bestimmte Bedürfnisse, Hunger nach ganz bestimmter Nahrung, die zum weiteren Aufbau der Persönlichkeit gerade jetzt notwendig ist. ,Sensible Perioden‘ nennt Montessori diese spontan aufbrechenden Zeiten besonders gerichteter Aktivität (ebd. S.16).

Diesen Phasen gilt die gesamte Aufmerksamkeit und nach diesen ist die Pädagogik ausgerichtet. Helming (1958, S. 15) führt an, dass das Kind beispielsweise zu einem bestimmten Zeitpunkt gehen lernen möchte. Dies dürfe nicht unterbunden werden, da sich aus dem Laufen wiederum weitere Fähigkeiten entwickeln sollen, wie das Klettern. Es wäre äußerst ineffizient oder gar unmöglich, dem Kind bspw. das Gehen zu einem früheren Zeitpunkt beizubringen. Mit wenigen Monaten ist es physiologisch und psychologisch noch nicht in der Lage, hierfür die nötige Körperspannung aufzubringen. Würde man dem Kind den Lauflernprozess erst mit einigen Jahren ermöglichen, wäre auch hier der Akt sehr aufwendig oder gar gefährlich, denn je größer das Kind, desto tiefer würde es bei den Gehversuchen fallen. Überspitzt wird an diesem Beispiel deutlich, dass das Lernen zu einer 'falschen' Zeit – zu früh oder zu spät – auf Dauer weniger erfolgreich sein wird (vgl. Winkels 2000, S. 43). Ein weiterer Aspekt, der diesen Ansatz der freien Wahl der Tätigkeit unterstützt, ist die Polarisation der Aufmerksamkeit. Das Kind wendet sich bewusst und bestimmt einem Gegenstand zu; die „Intensität der Aufmerksamkeit [mit der es hieran arbeitet] ist ohne freie Hingabe nicht möglich“ (Helming 1958, S.65).

Das Kind wird in der Montessori-Pädagogik seltenst durch direkte Aktionen seitens der Lehrkräfte erzogen. Den Kindern werden Wege bereitet und Möglichkeiten dargelegt ihre Persönlichkeit zu entwickeln. So lernen sie die Bedeutung von der Verbindung von Geist und Körper, dadurch, dass sie ihrem Bewegungsdrang jederzeit nachkommen können. „So kann nimmermehr der Sinn des Menschenlebens darin gesehen werden, die eine oder die andere Komponente auf Kosten der anderen zu unterdrücken“ (Oswald 1958, S.24). Hieraus ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt dieser pädagogischen Strömung. „Wenn das Kind aus einer bemerkenswerten Anzahl von Gegenständen den auswählt, den es vorzieht oder es sich bewegt […], kann man sagen, daß das Kind ständig seinen Willen übt“ (Montessori 1995, S.161). Diese Willenskraft, wie auch soziale Kompetenzen werden wiederum ebenfalls an anderer Stelle geschult. Man möge denken, dass das eigenständige Arbeiten der Kinder an einem Ort ihrer Wahl in eine Art Isolation und soziale Abgeschiedenheit führen kann. Hingegen dieser Annahme fördert die Art und Weise des Lernens diese Fähigkeiten. „Jedes Material ist nämlich nur einmal vorhanden“ (Hellbrügge 1984, S.145). Zum einen lernt das Kind hier, geduldig darauf zu warten, bis ein anderes fertig ist, es zu benutzen; der Wille wird gestärkt, dadurch, dass „[d]ie ungeordneten Bewegungen des Zorns [zurückgehalten werden]“ (Montessori 1995, S.162). Zum anderen aber schaut das Kind dem anderen aufmerksam dabei zu, wie jenes mit dem Material übt. Fehler werden so zeitiger bemerkt und als Folge dessen später möglicherweise von vornherein vermieden. Das Lernen erfolgt durch das Miteinander, durch das Zuschauen, dem gegenseitigen Erklären und Korrigieren viel intensiver und deutlich langanhaltender (vgl. Hellbrügge 1984, S.146).

2.2. Die Lernumgebung und das Material

Im Regelfall ist die Umgebung des Kindes ausschließlich eine Welt der Großen – also eine für die Erwachsenen geformte Welt. Deshalb ist einer der wichtigsten Aspekte in der Montessori-Pädagogik, diese Lernumgebung an die zu Erziehenden anzupassen und für sie vorzubereiten; „denn alles, was wir als erwachsene Menschen später sind und besitzen, sind und haben wir auf Grund dessen, was wir als Kinder im Kontakt und Austausch mit der Umwelt erworben und in uns aufgebaut haben“ (Oswald 1958, S.16). Die ersten Lernphasen eines Kindes sind besonders durch Imitation dessen geprägt, was ihnen vorgelebt wird. Es beobachtet die alltäglichen Handlungen, die bspw. Zuhause von den Eltern getätigt werden. So entsteht in ihm der Reiz, dieses nachzutun. Man kann ihnen die Teilnahme daran durch niedrigere Waschbecken, kleine kindgerechte Besen oder leichtere Möbel ermöglichen (vgl. Montessori, S.140) und somit auch besonderen pädagogischen Motivationen gerecht werden. Das Ziel liegt hierbei nämlich darin, „[…] im Kind den Sinn für menschliches Wohnen zu pflegen und das Gefühl für die gemäße Umgebung und die Verantwortung dafür zu bilden“ (Helming 1958, S.33). Bekommt es die Möglichkeit zerbrechliche Gläser oder Teller zu benutzen, lernt es, diese auch mit Sorgfalt zu behandeln. In Folge dessen fühlt sich das Kind akzeptiert und geachtet, was es denn wiederum seinen Mitmenschen entgegenbringt.

Das Montessori-Material, das in dieser Lernumgebung verfügbar sein soll, lässt sich vier Bereichen zuordnen. Es gibt Material zur Übung des täglichen Lebens, wie eben beschrieben, der Sinne, der Sprache und der Mathematik (vgl Hellbrügge 1984, S.143). Schaut man sich nun die Materialien der anderen Bereiche an, ist auffällig, dass sich diese in Charakteristik, Funktionsweise und Zielsetzung sehr ähneln. „Die Erziehungshilfe muß sich nach den Lebensphasen des Kindes richten und nach den 'sensiblen Perioden'“ (Helming 1958, S.14). Das Material übt eine starke Faszination auf das Kind aus (vgl. Hellbrügge 1984, S.143). Jedoch darf man dies nicht mit Sensation verwechseln. „Das 'Material' sieht stattlich und geschmackvoll aus, wenn es auch mit dem gewohnten Spielzeug verglichen, oft nicht so den direkten Anreiz gibt“ (Helming 1958, S.39). Würde das Interesse von bloßer Neugier angeregt sein, so würde es nicht die Persönlichkeit des Kindes fördern. Das Material soll vielmehr dazu dienen, die verdeckten Bedürfnisse des Kindes anzusprechen (vgl. Montessori zit. ebd., S.39). Montessori betont immer wieder, wie wichtig es für die Kinder sei, sich frei entfalten zu können.

„Damit ein Selbsterziehungsprozeß stattfinden kann, genügt es nicht, daß der Reiz eine Aktivität 'wachruft', sondern er muß diese auch lenken“ (Montessori 1995, S76). Diese Führung soll zugleich einen Schutz für das Kind darstellen, sich nicht in Unordnung oder vage Impressionen zu verlieren. „Man hat den Eindruck, daß die Ordnung dem Kind Hilfe gibt, die Schwierigkeiten alles Neuen zu bewältigen“ (Hellbrügge 1984, S.144). Um diese Ordnung zu wahren ist es wichtig, dass das Material zu absolut eindeutigen Übungen und Arbeiten auffordert (vgl. Helming 1958, S.42). Ebenso darf es nur die Untersuchung genau einer Problemstellung initiieren; mehrere Aspekte bei ein und demselben Material würden die Aufmerksamkeit des Kindes zu sehr zerstreuen. Zur Förderung der geführten Eigenständigkeit ist es notwendig, dass das Material eine Fehlerkontrolle und -korrektur beinhaltet. „Der Fehler ist also ein Hindernis, dass nur durch Verbesserung überwunden werden kann, sonst kann die Übung nicht weitergeführt werden. Andererseits ist die Verbesserung so einfach, dass das Kind allein darauf kommt“ (Montessori 1995, S.77). Nach der Korrektur der Fehler und dem Erreichen des Ziels soll die Aktivität jedoch nicht automatisch beendet sein. Das Kind soll mit dem Montessori-Material arbeiten und die jeweilige Übung so oft wiederholen, bis in ihm eine Befriedigung der zuvor angesprochenen Bedürfnisse eintritt (vgl. Helming 1958, S.42). Betrachten wir hierfür das Beispiel der Einsatzzylinder. Qualitativ hochwertig, langlebig und präzise präsentiert sich dieses Montessori-Material. Das Kind versucht die jeweiligen Zylinder in die dafür vorgesehenen Aussparungen zu stellen. Geschieht ihm hierbei der Fehler, dass ein zu kleiner Zylinder in ein zu großes Loch gestellt wird, bemerkt das Kind dies recht schnell. Am Ende hat es einen Zylinder übrig, der in keines der Löcher mehr passt. Nun ist es am Lernenden dies zu korrigieren; hierbei wird nichts Übermäßiges verlangt, da die Korrektur innerhalb weniger Schritte vorgenommen werden kann. Anschließend entsteht im Kind, wie von Helming beschrieben, der Drang danach, diese Übung zu wiederholen, mit dem Ziel, diesmal auf Anhieb alles richtig zu tun. Der Ablauf eines solchen Übungsprozesses erfolgt kleinschrittig. Am Beispiel der Mathematik bedeutet das, dass das „[...] Zahlenmaterial nach und nach dargeboten wird“ (Hellbrügge 1984, S.154). So sollen die Kinder zuerst die kleinen Zahlen von Eins bis Neun kennenlernen, um später auch die mengenmäßigen Unterschiede zu größeren Zahlen begreifen zu können. Wird ersteres mit einem bestimmten Material, bspw. den Perlenketten, eingeübt, so wird dieses beim Erlernen komplexerer Zusammenhänge, wie der Addition und Subtraktion, erneut herangezogen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Dreiecksbeziehung "Lehrer-Kind-Lernumgebung" in der Montessori-Pädagogik
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
Offener Unterricht – Ursprung, Konzepte, Umsetzungsmöglichkeiten
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V285937
ISBN (eBook)
9783656862062
ISBN (Buch)
9783656862079
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Montessori, Pädagogik, Lehrer, Kind, Lernumgebung
Arbeit zitieren
Franziska Schulze (Autor:in), 2014, Die Dreiecksbeziehung "Lehrer-Kind-Lernumgebung" in der Montessori-Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285937

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