Prototypentheorie und Metaphern: Die Alltagsmetaphern in der Theorie von LAKOFF und JOHNSON


Seminararbeit, 1999

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Verschiedene Positionen in der Metaphernforschung
2.1 Die Substitutionstheorie
2.2 Die Interaktionstheorie

3. Die Metapherntheorie von Lakoff/Johnson
3.1 Metapherntypen nach Lakoff/Johnson
3.1.1 Strukturelle Metaphern
3.1.2 Orientierungsmetaphern
3.1.3 Ontologische Metaphern
3.1.3.1 Die Personifikation
3.1.3.2 Die Behältermetapher
3.2 Der Zusammenhang der verschiedenen Metapherntypen in einer einheitlichen Theorie
3.2.1 Die komplexen kohärenten Metaphernsysteme
3.2.2 Die Basis der Metaphernsysteme

4. Kritische Diskussion

5. Bibliographie

1. Einleitung

Diese Arbeit befaßt sich mit der Metapherntheorie, die Lakoff und Johnson 1980 in ihrem Werk Metaphors We Live By vorgetragen haben. Da die vorliegende Arbeit im Rahmen eines romanistischen Proseminars entstanden ist, wird dieses Werk hier in der französischen Übersetzung Les Métaphores dans la Vie Quotidienne von Michel de Fornel und Jean-Jacques Leclerce besprochen.[1] Dadurch wird es möglich, die Problematik an Beispielen aus der französischen Sprache zu erörtern. Die von Lakoff und Johnson benutzte Schreibweise wird im Rahmen dieser Arbeit beibehalten, das heißt zum Beispiel, daß die Konzeptmetaphern in Großbuchstaben angegeben werden. Die Einzelbeispiele werden durchnumeriert und die Stellen, die im Kontext zu dem jeweils beschriebenen Phänomen stehen, werden durch Kursivschrift hervorgehoben. In Teil 1 dieser Arbeit werden zudem der Übersicht halber die zentrale Begriffe gefettet.

Ziel dieser Arbeit ist eine kritische Diskussion der Theorie Lakoffs und Johnsons. Zu diesem Zweck wird zunächst in allgemeiner Form ein Überblick über die Hauptpositionen in der Metaphernforschung gegeben werden und wo in diesem Rahmen die hier besprochene Arbeit von Lakoff und Johnson einzuordnen ist. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird das Werk dieser beiden Autoren dargestellt. Aufgrund der durch den Umfang der Arbeit gebotenen Kürze wird in diesem Teil allerdings nur die Theorie der Alltagsmetaphern im engeren Sinne dargestellt werden. Auf die aus dieser Theorie resultierenden Konsequenzen für die Geisteswissenschaften, insbesondere die Diskussionen um den Wahrheitsbegriff, um Objektivismus und Subjektivismus und um linguistischen Universalismus und Relativismus kann an dieser Stelle naturgemäß nicht im Detail eingegangen werden.[2]

2. Verschiedene Positionen in der Metaphernforschung

Die Metaphernforschung läßt sich zunächst in zwei Hauptströmungen unterteilen. Auf der einen Seite steht die Substitutionstheorie, auf der anderen Seite die Interaktionstheorie. Beide sollen nun in Kürze dargestellt werden.

2.1 Die Substitutionstheorie

Die Substitutionstheorie geht auf die antike griechischen Philosophie zurück. Aristoteles sah in der Metapher die Übertragung eines Wortes, das zu einer anderen lexikalischen Stelle gehört, in einen anderen Bereich. Eine Metapher ist demnach ein Stilmittel einer poetischen Sprache, nicht aber der Alltagssprache.[3] Aufgrund der erneuten, verstärkten Rezeption der altgriechischen Philosophen und der großen Autorität des Aristoteles, beeinflußte diese Position die rationalistische Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts maßgeblich. Die Metapher wurde außerhalb der Sprache der Poesie als inadäquater Sprachgebrauch gewertet, da sie, wie John Locke darlegte, falsche Ideen einschmuggle und die Urteilskraft verführe.[4] Der Substitutionstheorie folgend, wird eine „eigentliches“ Wort durch ein anderes substituiert.

Die Etikettentheorie, eine der verschiedenen Ausprägungen der Substitutionstheorie, veranschaulicht dieses Prinzip. Ebenso wie eine Flasche ein Etikett hat, hat jedes Objekt der außersprachlichen Realität eine innersprachliche Benennung, die ihm gewissermaßen anhaftet.[5] Eine Metapher ist danach der Austausch eines Etiketts gegen ein anderes.[6]

Eine weitere Spielart der Substitutionstheorie ist die Vergleichstheorie. Danach handelt es sich bei einer Metapher um einen Vergleich bei dem lediglich der Vergleichspartikel, im Deutschen also das wie, durch Ellipse verschwand. Ein Vergleich findet auf der Grundlage einer den Wortbedeutungen immanenten Ähnlichkeit statt. Diese Bedeutung war nach dieser Theorie also auch schon da, bevor die Metapher formuliert wurde. Diese Theorie wird deshalb der Substitutionstheorie zugerechnet, weil sie davon ausgeht, daß die Metapher durch einen Vergleich mit wie gleichwertig ersetzt werden kann.[7] Folgt man der Vergleichstheorie, so ist die Metapher ein rein sprachliches Phänomen, das keinerlei Entsprechung im Geist hat.

Auch das Konzept des indirekten Sprechakts ist letztlich der Substitutionstheorie zuzuordnen. Demnach vollzieht der Sprecher durch Gebrauch einer Metapher einen indirekten Sprechakt, anstelle eines ebenfalls möglichen direkten Sprechaktes.[8] Dieses Konzept unterstellt also einen von der Äußerung unabhängigen Inhalt, der direkt oder auch indirekt ausgedrückt werden kann.

Als letzte, der Substitutionstheorie immer noch in gewisser Weise verpflichteten Theorie ist die Anomalietheorie zu nennen, die auch unter dem Namen der Abweichungstheorie oder der Kontroversionstheorie bekannt ist. Dieser Theorie folgend findet immer dann ein Rückgriff auf eine zweite Ebene der Wortbedeutung durch Konnotation statt, wenn eine Äußerung wörtlich inkonsistent ist. Das bedeutet, daß eine Metapher eine semantische Anomalie darstellt, die durch einen Kategorienfehler entsteht, also der Zuordnung eines Wortes zu einem anderen Wort aus einer ganz anderen Kategorie.[9]

Alle vorgestellten Ausprägungen der Substitutionstheorie basieren auf der Vorstellung, daß eine Metapher durch einen wörtlich gebrauchten Ausdruck ersetzt werden kann, der das eigentliche, richtige Wort für das Bezeichnete darstellt. Genau darin besteht auch die Schwäche dieser Theorien, denn das topologische Konzept eines eigentlichen, wörtlich richtigen Wortes ist in der modernen Linguistik nicht zu halten. Ein Wort hat eben keine ursprüngliche, eigentliche Bedeutung, sondern die Bedeutung ist spezifisch in die jeweilige kommunikative Situation eingebunden.[10] Es lassen sich aber noch weitere Einwände gegen die oben genannten Theorien machen.

Die Vergleichstheorie arbeitet mit einem völlig ungeklärten Ähnlichkeitsbegriff. Sie kann also nicht erklären, auf welcher Grundlage eine Ähnlichkeit besteht und unter welchen Bedingungen dann eine Metapher dazu kreiert wird. Ein einfaches Beispiel zeigt diese Schwäche deutlich auf.

Argumentiert man formallogisch korrekt, so ist ein Ähnlichkeitsverhältnis in der Regel symmetrisch. Das heißt beispielsweise, daß die Ähnlichkeit von A mit B identisch ist mit der Ähnlichkeit von B mit A. Ein solches Symmetrieverhältnis existiert aber bei Metaphern nicht, wie das folgende Beispiel zeigt:

(1) Die Frau ist ein Eisberg.
(2) Der Eisberg ist eine Frau.[11]

Die These, daß diese beide Sätze semantisch identisch sind, ist offensichtlich nicht haltbar.

Das Konzept des indirekten Sprechaktes unterstellt eine Form-Inhalt-Trennung beim Sprechakt. Demnach wird etwas gesagt, gemeint wird aber etwas anderes. Dieses Konzept wird aber in den Geisteswissenschaften schon seit geraumer Zeit kritisiert. Es ist wohl kaum so, daß ein Sprecher etwas sagt und etwas anderes meint. Ein Sprecher meint ganz genau das was er sagt, aber er meint es eben auf eine indirekte Art und Weise.[12]

Auch die Anomalietheorie läßt sich kritisieren. Einerseits ist auch hier der zentrale Begriff Konnotation nicht weiter geklärt, so daß sich keinerlei Kriterien aufstellen lassen, um die zweite Ebene der Bedeutung zu charakterisieren. Problematisch wird andererseits vor allem aber auch die Erklärung von Metaphern, die keine semantische Anomalie beinhalten:

(3) Kein Mensch ist eine Insel.[13]

Durch die Negation kommt es hier eben zu keiner Inkonsistenz. Es dürfte sich also eigentlich um keine Metapher handeln, sondern um eine wörtliche Aussage. Dennoch ist jedem Sprecher intuitiv der metaphorische Gehalt dieser Äußerung klar verständlich.

2.2 Die Interaktionstheorie

Ein ganz anderer Ansatz findet sich in der Interaktionstheorie. Diese Theorie steht für einen Paradigmenwechsel in der Metaphernforschung,[14] die dadurch einem grundsätzlichen Umbruch in der Linguistik folgt, der durch die Entdeckung der Pragmatik gekennzeichnet ist.

Demzufolge wird das Phänomen der Metapher in der Interaktionstheorie zum ersten Mal von der rein sprachlichen Ebene losgelöst gesehen[15] und vor allem unter einem konzeptuellen Ansatz betrachtet. Sprache ist letztlich nie kontextfrei, was bedeutet, daß auch der Sinn einer Äußerung immer nur kontextgebunden sein kann. Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist also nicht nur durch die Analyse desselben zu erschließen, sondern nur durch eine Untersuchung der Interaktion in der konkreten Kommunikationssituation.[16] Dies bedeutet konsequenterweise die Aufgabe des topo-logischen Konzepts von Sprache. Im Rahmen der Interaktionstheorie wird nicht mehr nur ein isoliertes Wort, welches für ein anderes Wort steht, als Metapher verstanden, sondern die gesamte Äußerung wird in die Betrachtung einbezogen. Dabei wird unterschieden zwischen dem metaphorischen Fokus (auch Nebenthema) und dem nichtmetaphorischen Rahmen (auch Hauptthema), wobei beide Aspekte ineinandergreifen und so ein wechselseitig aufeinander einwirkendes System bilden. Dieses System ist aber wesentlich komplexer als das einfache Hervorrufen von zwei Bildern. Es wird vielmehr von einem „System assoziierter Gemeinplätze“ gesprochen. Darunter versteht man die systematische Übertragung von charakteristischen Eigenschaften des metaphorischen Fokus (Nebenthema) auf den Rahmen (Hauptthema). Da dieses System assoziierter Gemeinplätze sich aus instabilen Größen zusammensetzt, läßt es immer einen Interpretationsspielraum offen.[17]

Die Interaktionstheorie birgt aber auch Schwächen, insbesondere bei der Betrachtung ausgefeilter, poetischer Metaphern. Eine klare Abgrenzung zwischen Fokus und Rahmen ist in einem solchen Fall oft nur schwer oder gar nicht möglich. Zurückzuführen ist diese Schwäche unter anderem auf die Unklarheit des Begriffs System assoziierter Gemeinplätze in dem Modell von Max Black, der bei der Entwicklung der Interaktionstheorie federführend war.[18]

Das hier vorgestellte Werk steht der Interaktionstheorie sehr nahe. Wie sich noch zeigen wird, gehen Lakoff und Johnson ebenfalls davon aus, daß Eigenschaften eines Konzepts auf ein anderes Konzept übertragen werden und daß beide Konzepte miteinander interagieren. Ihr Ansatz kann aber nicht einfach als Erweiterung der Interaktionstheorie gesehen werden. Er entstammt vielmehr einem anderen, noch jungen, interdisziplinären Forschungszweig der Linguistik: der kognitive Sprachwissenschaft.

Die kognitive Sprachwissenschaft ist ursprünglich ein Teilbereich der in den 70er Jahren durch einen Paradigmenwechsel in der Psychologie entstandenen Kognitionswissenschaft. Das Paradigma des Behaviourismus wurde hier durch die Erforschung der Strukturen und Prozesse menschlicher Kognition abgelöst.[19] Da Lakoff und Johnson ihre Thesen in einen detaillierten Kontext zu Strukturen der Kognition setzen,[20] ist ihr Werk eindeutig diesem Wissenschaftsbereich zuzuordnen., wobei durchaus diskutiert werden kann, in welchem Maße Blacks Interaktionstheorie ebenfalls der kognitiven Sprachwissenschaft zuzuordnen ist.

[...]


[1] Lakoff, George/Johnson, Mark 1985: Les métaphores dans la vie quotidienne. Trad. par Michel de Fornel et Jean-Jacques Leclerce, Paris [engl. Orig.: G.L./M.J. 1980: Metaphors we live by, Chicago/London]

[2] mit dieser Diskussion befassen sich u.a. Quine, W.V. 1984: «Relativism and Absolutism», The Monist 67:293-96; Rorty, R. 1991: Objectivity, relativism and truth, Cambridge u.a.; Gellner, E. 1982: «Relativism and Universals», in: M. Hollis/S. Lukes (Hrsg.), Rationality and Relativism, Oxford:181-200; Mandelbaum, M. 1979: «Subjective, objective, and conceptual relativisms», The Monist 62:401-28

[3] vgl. Kurz, Gerhard 31993: Metapher, Allegorie, Symbol, Göttingen:8

[4] vgl. Frieling, Gudrun 1996: Untersuchungen zur Theorie der Metapher: Das Metaphern – Verstehen als sprachlich – kognitiver Verarbeitungsprozesse, Osnabrück:24

[5] laut Saussure ist diese Zuweisung eine arbiträre, vgl. auch das Organmodell von Bühler

[6] vgl. Kurz 1993:11

[7] vgl. Frieling 1996:27

[8] vgl. Kurz 1993:15

[9] vgl. Frieling 1996:29

[10] vgl. Kurz 1993:11ff

[11] Frieling 1996:28f

[12] vgl. Kurz 1993:15

[13] Frieling 1996:29

[14] vgl. Frieling 1996:32

[15] vgl. Baldauf, Christa 1997: Metapher und Kognition: Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher, Frankfurt a.M. u.a:14

[16] vgl. Kurz 1993:13

[17] vgl. Frieling 1996:30f

[18] vgl. Frieling 1996:32

[19] vgl. Baldauf 1997:29f

[20] vgl. Lakoff/Johnson 1985:65ff

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Prototypentheorie und Metaphern: Die Alltagsmetaphern in der Theorie von LAKOFF und JOHNSON
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar: Die Prototypentheorie in der Linguistik
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
22
Katalognummer
V28673
ISBN (eBook)
9783638303859
Dateigröße
682 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit wurde für ein linguistisches Seminar im Fach Französisch angefertigt. Ein großer Teil der zitierten Beispiele stammt also aus der französischen Edition von Lakoff/Johnson. Mithilfe der englischen oder deutschen Ausgabe lassen sich diese aber ohne Probleme auch in anderen Sprachen nachvollziehen. Ansonsten orientiert die Arbeit sich nicht nur an den Strukturen der französischen Sprache, sondern ist allgemein linguistisch angelegt.
Schlagworte
Prototypentheorie, Metaphern, Alltagsmetaphern, Theorie, LAKOFF, JOHNSON, Proseminar, Prototypentheorie, Linguistik
Arbeit zitieren
Ulrich Jacobs (Autor:in), 1999, Prototypentheorie und Metaphern: Die Alltagsmetaphern in der Theorie von LAKOFF und JOHNSON, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28673

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