Der Begriff "Politik" bei Carl Schmitt und Hannah Arendt


Seminararbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. DER BEGRIFF DES POLITISCHEN UND DER POLITIK BEI CARL SCHMITT
2.1 STAATLICH UND POLITISCH
2.2 KRITERIUM DES POLITISCHEN: DIE UNTERSCHEIDUNG VON FREUND UND FEIND

3. DER BEGRIFF DER POLITIK UND DES POLITISCHEN BEI HANNAH ARENDT
3.1 WAS IST POLITIK?
3.2 DER SINN VON POLITIK

4. UNTERSCHEIDUNG ZUM LIBERALEN POLITIKVERSTÄNDNIS

5. DISKUSSION

LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Der mehrdimensionale Begriff der Politik im üblichen Gebrauch der Politikwissenschaft schlägt für dessen Verständnis eine normativ-inhaltliche (Policy), eine prozessuale (Politics) und eine institutionelle (Polity) Dimension vor. Mit der Wortherkunft aus dem Griechischen polis, was mit Stadt, Gemeinde, Burg übersetzt werden kann, verweist die Politik ursprünglich insbesondere auf den Zuständigkeitsbereich innerer Verhältnisse und die Organisation, wie Erhaltung eines Staates oder kleineren Institutionen (Mols, 2009). Häufig wird im Sprachgebrauch der Begriff der Politik und des Politischen in den Zusammenhang mit Macht gebracht (Vgl. Triepel, 1927, Weber, 1926, Hobbes & Fetscher, 1984). Niccolo Macchiavelli prägte ein Politikverständnis, das im theoretischen Sinn die Lehre vom Machterwerb und deren Erhaltung und im praktischen erfolgreichen Machtgebrauch beschreibt (Mols, 2009). Auch das heutige Politikverständnis ist stark verbunden mit den Elementen der Herrschaft und der Macht, ob zur Sicherung von inner- staatlichen Verhältnissen, unter die auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte fallen, oder im Zusammenhang mit der internationalen Umwelt (Czempiel, 2004).

Die aufgeführten Begriffsbestimmungen der Politik haben einen auffällig institutionellen Charakter mit Schwerpunkten auf Herrschaft, Macht und Staatsvertretung. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten die ausserordentlichen weltgeschichtlichen Ereignisse das Politik- verständnis der Zeitgenossen und Theoretiker. Der politisch rechts stehende Carl Schmitt erar- beitete ein Politikverständnis, das später mitunter als Rechtfertigung für das Nazi-Regime galt (Petzold, 1978). Die jüdisch-stämmige Hannah Arendt hingegen untersuchte im Zuge der histo- rischen Gegebenheiten insbesondere die Ursprünge totaler Herrschaft und folgerte daraus ein Verständnis von Politik, das nach deren Sinn fragte (Vgl. Arendt, 2009; 2010).

Im Folgenden stelle ich die Begriffsbestimmung des Politischen durch Carl Schmitt an- hand seiner Unterscheidung von staatlich und politisch und des ausschlaggebenden Kriteriums von Freund-Feind Gruppierungen vor. Danach werde ich auf Hannah Arendts Definition der Politik angesichts ihrer Vorstellungen über die Voraussetzungen für Politik eingehen und ihre Antworten auf die Frage, was Politik sei, erläutern. Dies führt zur Frage nach dem Sinn der Poli- tik, die für Arendts Politikverständnis begriffsbestimmend ist. Nach den Darstellungen zu Sch- mitts und Arendts grundsätzlichen Auffassungen von Politik, werde ich den Vergleich zum libe- ralen Politikverständnis im Zusammenhang mit der Liberalismuskritik der beiden Autoren ziehen, um mit eigenen Beurteilungen der Definitionen durch Arendt und Schmitt zu schliessen.

2. DER BEGRIFF DES POLITISCHEN UND DER POLITIK BEI CARL SCHMITT

Carl Schmitt veröffentlichte 1932, ein Jahr vor seinem Beitritt in die NSDAP, sein berühmtestes Werk Der Begriff des Politischen. Als ausgebildeter Jurist nahm er in den Anfängen der nationalsozialistischen Herrschaft wichtige Ämter im Deutschen Reich ein (Marti, 2008). Seine Schriften, die als Rechtfertigung für Adolf Hitlers’ Diktatur und des Naziregimes gelten, brachten ihm bald die Bezeichnung als „Kronjurist des Dritten Reichs“ ein (Petzold, 1978; Van Laak, 1993). Schmitts Theorie zum Begriff des Politischen ist in Folge nicht unabhängig vom Kontext der geschichtlichen Ereignisse zu deuten.

2.1 STAATLICH UND POLITISCH

Schmitt (2009, S. 20) geht davon aus, dass üblicherweise „[p]olitisch“ mit „[s]taatlich“ gleichge- setzt oder das Politische zumindest auf den Staat bezogen wird, was zu einer Vermengung der beiden Begriffe und zu einer Zirkularität der Begriffsbestimmung von „staatlich“ und „politisch“ führt. In der Form des Merksatzes „[d]er Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus“ (Schmitt, 2009, S. 19), leitet er die Unterscheidung der beiden Begriffe in seinem Werk Der Begriff des Politischen ein.

Im Allgemeinen wird Macht als entscheidendes Merkmal für die Definition des Politischen verwendet, wobei die meisten Autoren, die sich mit der Begriffsbestimmung der Politik befassen auf das Machtverhalten zwischen oder innerhalb von Staaten schliessen (Vgl. Triepel, 1927; Weber, 1926). Bestimmungen, die sich den Bedürfnissen der Rechtspraxis anpassen, zielen nach Schmitt nur auf die Abgrenzung von innerstaatlichen Tatbeständen, die sich auf dessen Rechtspraxis beziehen, jedoch keine allgemeine Definition des Politischen zum Zweck haben (Schmitt, 2009). Die üblichen Verweisungen des Politischen an den Staat sind laut Schmitt be- rechtigt, solange „der Staat das Monopol des Politischen hat“ (Schmitt, 2009, S. 22). Sobald sich jedoch Gesellschaft und Staat gegenseitig durchdringen, wie es in Demokratien der Fall ist, besteht die Option, dass bislang nicht-staatliche Gebiete wie Religion, Kultur, Bildung oder Wirtschaft politisch werden

2.2 KRITERIUM DES POLITISCHEN: DIE UNTERSCHEIDUNG VON FREUND UND FEIND

Schmitts Vorschlag für eine Begriffsbestimmung des Politischen beinhaltet spezifische politische Kategorien, auf die politische Inhalte wie Handlungen und Motive zurückgeführt werden können. Mit der Differenzierung zwischen Freund und Feind, führt Schmitt eine alternative „Begriffsbe- stimmung im Sinne eines Kriteriums, nicht als erschöpfende Definition oder Inhaltsangabe“

(Schmitt, 2009, S. 25) ein. Der politische Feind zeichnet sich nach Schmitt (2009) durch seine Fremdartigkeit aus, mit dem im extremen Fall Konflikte möglich sind. Er ist nicht als Konkurrent oder Gegner im Allgemeinen, im ökonomischen Sinn verbunden mit dem Mittel der Diskussion oder im privaten Sinne im Zusammenhang mit Hassgefühlen zu sehen, sondern definiert sich durch seine Öffentlichkeit, wobei Politik immer die reale Möglichkeit des Kampfes voraussetzt.

Im Zusammenhang mit der realen Möglichkeit der physischen Tötung als äusserste Kon- sequenz des Kampfes, erhält der Freund-Feind Gegensatz seinen Sinn bei Schmitt dadurch, dass die Feindschaft als existenzielle „Negierung eines anderen Seins“ charakterisiert ist (Sch- mitt, 2009, S. 31). Aus der Möglichkeit dieser äussersten Konsequenz der Kategorien Freund und Feind, die den Ausnahmezustand bezeichnen, ergibt sich eine politische Spannung. Das Politische kann sich, so Schmitt (2009), aus diversen Bereichen des menschlichen Lebens her- auskristallisieren, wie dem ökonomischen, religiösen oder auch moralischen, in dem Gegensät- ze entstehen, die durch die reale Feind-Freund-Gruppierung in eine politische Situation über- führt werden, welche sich am Ernstfall orientiert. Insofern ist das Politische nach Schmitt weni- ger ein eigenes Sachgebiet, denn ein „Intensitätsgrad einer Assoziation oder Dissoziation von Menschen“ (Schmitt, 2009, S. 36).

Schmitt (2009) vertritt die Ansicht, dass um Souveränität zu erlangen, das Entscheiden über den Ausnahmezustand massgebend ist, da der Normalfall nichts beweist. So spricht er sich auch für den Dezisionismus aus, welcher als letzte Instanz Entscheidung und Setzung statt Deduktion für richtig hält, und mit dem er sich zunächst an Hobbes (vgl. Hobbes & Fetscher, 1984) orientiert. Der Staat als entscheidende politische Einheit verfügt alleinig über die zu recht- fertigende Befugnis des „jus belli“, wonach er „offen über das Leben von Menschen verfügen“ darf (Schmitt, 2009, S. 43). Einerseits kann er Tötungs- anderseits Todesbereitschaft erwarten, aufgrund „der realen Möglichkeit, im gegebenen Fall kraft eigener Entscheidung den Feind zu bestimmen und ihn zu bekämpfen“ (Schmitt, 2009, S. 42). Das ius belli berechtigt den Staat folglich, über das Leben von Menschen zu verfügen, einerseits über das der Angehörigen des eigenen Volkes, anderseits über dasjenige der Feindesseite. Gleichzeitig hat der Staat aber für die innerstaatliche Befriedung zu sorgen, die zur normalen Situation führt, welche wiederum Rechtsnormen überhaupt ermöglicht. Werden innerstaatliche Gegensätze stärker als der Fokus auf den gemeinsamen Feind ausserhalb des Staates, trifft die Voraussetzung für Bürgerkrieg ein. International sieht Schmitt die Pluralität der Staaten als unabdingbar, einen Weltstaat hält er für unmöglich und den Begriff der einen Menschheit durch das Aufheben des Gegensatzes von Freund und Feind für Betrug.

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Details

Titel
Der Begriff "Politik" bei Carl Schmitt und Hannah Arendt
Hochschule
Universität Zürich  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Vertiefung Politische Philosophie: Geschichte des Politischen Denkens
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V299421
ISBN (eBook)
9783656961741
ISBN (Buch)
9783656961758
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arendt, Schmitt, Begriff des Politischen, Politik
Arbeit zitieren
Nicole Hauser (Autor:in), 2012, Der Begriff "Politik" bei Carl Schmitt und Hannah Arendt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299421

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