Wie sich der Politikunterricht öffnen lässt. Definitionen, Konzepte und Methoden


Hausarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Offene Gesellschaft

2. Offener Unterricht
2.1 Warum öffnen?
2.1 Was öffnen?
2.3 Wie öffnen?

3. Schluss: Noch ganz dicht?

4. Methodenreflexion

5. Kreative Aufgabe

6. Literatur

1. Offene Gesellschaft

Öffnung und Offenheit sind in demokratischen Staaten, die sich nach Karl Popper als offene Gesellschaften verstehen (siehe Popper 2003), positiv konnotierte Begriffe. Das gilt gerade für die Schule als die zentrale Sozialisationsinstanz neben dem Elternhaus; hier soll nach der herrschenden Meinung demokratisches Verhalten, Mitbestimmung, Inklusion und Integration eingeübt werden. Die Öffnung des Unterrichts hat daher auch heute noch einen guten Klang, auch wenn die begriffliche Verschlagwortung früh kritisiert (vgl. Jürgens 1995, S. 16ff) und der reformpädagogische Optimismus der 1970er und 1980er Jahre durch die Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung stark gedämpft wurde (siehe z. B. Hattie 2013).

Erfahrene Pädagogen erkannten schon bald die konzeptionellen Grenzen unterrichtlicher Öffnung, die sich aus den exo- und endogenen Faktoren des Systems Schule ergeben: zu kurze Unterrichtseinheiten von 45 Minuten, ein starres Fachlehrersystem, enge Vorgaben der Rahmenlehrpläne, fixe schulische Curricula, übermäßige Erwartungshaltungen von Eltern, Schülern und Schulleitern. Treibt man es ins Extrem, weichen der Verzicht auf das Planungs- und Entscheidungsmonopol des Lehrers, Partizipation und Berücksichtigung der Schülerinteressen, Methoden- und Medienvielfalt die Struktur des Unterrichts bis zur Unkenntlichkeit auf: Vollkommene Offenheit und Schülerautonomie hieße Spaßorientierung statt Wissensvermittlung, weil die meisten Menschen mit hoher Prognose-wahrscheinlichkeit anstrengungsfrei durch das Leben kommen wollen.

Im Nachfolgenden wird das Konzept des Offenen Unterrichts (OU) aus politikdidaktischer Perspektive diskutiert. Es geht um die Frage, wie OU am besten etabliert werden kann und welche Dimensionen der Öffnung dabei im Vordergrund stehen sollen. Dazu werden zunächst Definitionen des OU im Hinblick auf ihre Operationalisierbarkeit erörtert. Im Hauptteil sollen Überlegungen zur schrittweisen Einführung angestellt werden. Das Erkenntnisinteresse richtet sich dabei auf die Frage: Wie muss ein Lehrer vorgehen, der seinen Unterricht inhaltlich und methodisch öffnen, aber keine Einbußen in der Unterrichtsqualität hinnehmen möchte? Zu befragen sind in erster Linie die Literaturbefunde aus der Empirie und Praxis.

Die theoretischen Erörterungen im Rahmen dieser Hausarbeit stehen nicht ohne Grund am Beginn eines Portfolios zu dem Seminar „Neue Lernkulturen im Politikunterricht“, das sich insbesondere der Methodenvielfalt im Fach Politische Bildung gewidmet hat. Angehängt finden sich eine Methoden-Reflexion sowie eine kreative Aufgabe, die das Thema anwendungsorientiert ergänzen.

2. Offener Unterricht

2.1 Warum öffnen?

Das Gute ist der Feind des Besseren. Wer seinen Unterricht öffnen möchte, muss zunächst begründen, warum er dies tun will. In der Literatur finden sich zahlreiche diffuse Argumente, die oftmals einem apologetischen Zweck dienen und nicht immer plausibel erscheinen.

Zum Ersten wird auf die reformpädagogische Bewegung verwiesen, die am Fin de Siècle um 1900 die „Krise der Moderne“ als Krise der preußischen „Pauk- und Drillschule“ deutete und sich um Abkehr vom frontalen „Einpauken“ bemühte. Zu den zahlreichen Traditionssträngen zählen beispielsweise die Jenaplan-Pädagogik (Peter Petersen), die Montessori-Pädagogik (Maria Montessori), die Kunsterziehungs- (Alfred Lichtwark) und Arbeitsschulbewegung (Georg Kerschensteiner). Der Terminus des OU selbst geht auf den pädagogischen Reformansatz der „open education“ in den Vereinigten Staaten zurück, der sich wieder aus der englischen Primarstufenreform speiste (vgl. Jürgens 1995, S. 41).

Zum Zweiten werden Änderungen der familiären Lebenswirklichkeit als Argument für OU ins Feld geführt: die demographische Entwicklung hin zu niedrigeren Geburtenraten seit dem sogenannten „Pillenknick“ Ende der 1960er Jahre hat die Zahl der Einzelkinder deutlich steigen anlassen; gleichzeitig verflüchtigen sich die Sozialbindungen in den Elternhäusern, weil die Zahl der berufstätigen Mütter ebenso steigt wie die Scheidungsfälle (vgl. Nave-Herz 2004, S. 58ff) .

Zum Dritten unterliegt das elterliche Erziehungsverhalten einem Wandel: der autoritäre Erziehungsstil ist einer Eltern-Kind-Beziehung gewichen, die mehr auf Symmetrie, Autonomie, Kreativität und Kindgerechtheit abhebt, dagegen Gehorsam, elterliche Straf- sowie Kontrollmaßnahmen misstrauisch beargwöhnt. Nach der Mehrheitsmeinung im pädagogischen Fachdiskurs muss sich die „Demokratisierung“ des Elternhauses auch in der Schule widerspiegeln (vgl. Jürgens 1995, S. 29ff).

Zum Vierten hat sich das Freizeit-, Spiel- und (Medien-)Konsumverhalten von Jugendlichen drastisch modifiziert: Die Internetrevolution hat die Tendenz des Fernsehzeitalters zu passivem Medienkonsum noch einmal deutlich verschärft. Die motorischen und sprachlichen Fähigkeiten bei Heranwachsenden nehmen im Vergleich zu den vorherigen Generationen beständig ab, während die Verweildauer vor Fernsehgeräten, PCs, Tablets, Laptops, Smartphones und Videokonsolen tendenziell zunimmt mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen: entwicklungs-psychologische Verzögerungen, sinkende Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspannen, Lernstörungen und andere Verhaltensauffälligkeiten.

Zum Fünften konstatieren Soziologen eine Pluralisierung der Lebens, die von abnehmender Prägekraft der Religionen und Traditionen, kulturfremder Masseneinwanderung, Wertewandel und voranschreitendem Relativismus gekennzeichnet ist. Der höhere Grad gesellschaftlicher Komplexität, bedingt durch die globale Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, geht einher mit dem Schwund von Verbindlichkeit, absoluten Wahrheiten und gesichertem Wissen. Die Unsicherheit wächst auch unter den Politiklehrern. Sie stehen im dritten Jahrtausend nach Christi Geburt vor dem Phänomen nachlassender Deutungskraft politologisch-soziologischer Konzepte angesichts rasanter technologisch-ökonomischer Wandlungsprozesse (vgl. Jung 2001, S. 12ff).

2.1 Was öffnen?

Hinter der dieser Frage verbirgt sich das Problem einer klaren Definition des OU, der als „Sammelbegriff für unterschiedliche Reformansätze in vielfältigen Formen inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Öffnung mit dem Ziel eines veränderten Umgangs mit dem Kind auf der Grundlage eines veränderten Lernbegriffs“ (Wallrabenstein 1991, S. 51) verstanden wird.

Zur Lösung dieses Pudding-an-die-Wand-nageln-Dilemmas – ist der Unterricht offen in seiner Ausgestaltung und Themensetzung, so entzieht er sich automatisch einer griffigen Definition – haben verschiedene Autoren vier Dimensionen der Öffnung herausgearbeitet:

-rganisatorische Öffnung, methodische Öffnung, inhaltliche Öffnung, politisch-partizipative Öffnung.

Wirklich offen sind nach dieser – zugegebenermaßen – sehr abstrakten Definition allerdings nur Unterrichtsformen, die Schüler über die Inhalte mitbestimmen lassen (inhaltlich-partizipative Öffnung). Eine kurze Phase Gruppenarbeit nach einer längeren Phase frontaler Stoffvermittlung im Lehrervortrag wäre demnach kein OU, allenfalls eine methodisch-organisatorische Auflockerung (vgl. Bohl/Kucharz 2010, S. 19f).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wie sich der Politikunterricht öffnen lässt. Definitionen, Konzepte und Methoden
Hochschule
Universität Potsdam  (Lehrstuhl für politische Bildung)
Veranstaltung
Neue Lernkulturen
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V300271
ISBN (eBook)
9783656966333
ISBN (Buch)
9783656966340
Dateigröße
707 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
politikunterricht, definitionen, konzepte, methoden
Arbeit zitieren
Christian Schwießelmann (Autor:in), 2015, Wie sich der Politikunterricht öffnen lässt. Definitionen, Konzepte und Methoden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300271

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