Bullwhip Effekt. Verhaltensbedingte Ursachen und Problemlösungsstrategien


Bachelorarbeit, 2013

79 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Hintergrund der Recherche
1.2. Aufgabenstellung
1.3. Umriss der Arbeit
1.4. Definitionen
1.5. Abgrenzungen des Recherchebereichs
1.6. Schlussfolgerung

2. Bullwhip Effekt: Forschung, Elterndisziplinen, Gründe, Einflüsse und Auswirkungen
2.1. Forschung: Geschichte und Methodik
2.2. Eltern Disziplinen
2.2.1. Supply Chain Management
2.2.2. Operational Management
2.2.3. Verhaltenstheorie
2.2.4. Behavioral Operational Management
2.3. Bullwhip Effekt: Gründe und Einflüsse
2.3.1. Operative Gründe des Bullwhip Effekts
2.3.2. Verhaltensbedingte Gründe des Bullwhip Effekts
2.4. Auswirkungen durch den Bullwhip Effekt
2.5. Schlussfolgerung

3. Bullwhip Effekt: Überblick und Einordnung von Problemlösungsstrategien
3.1. Überblick über Problemlösungsstrategien
3.2. Detailliertere Betrachtung der Hauptstrategien
3.2.1. Implementierung von unterstützenden Systemen
3.2.2. Informationsweitergabe
3.2.3. Auf- und Ausbauen von Vertrauen innerhalb der Supply Chain Beziehung
3.2.4. Zusammenarbeit innerhalb der Supply Chain
3.3. Einordnung der Problemlösungsstrategien
3.4. Bewertung der Lösungsstrategien
3.5. Schlussfolgerung

4. Schlussfolgerung und Auswirkungen
4.1. Einleitung
4.2. Schlussfolgerungen
4.3. Auswirkungen für die Theorie
4.4. Auswirkungen für die Praxis
4.5. Begrenzungen
4.6. Weitere Forschungsmöglichkeiten

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anstieg der Globalisierung: Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenhandels

Abbildung 2: Darstellung einer schematischen Lieferkette mit Waren- und Informationsfluss

Abbildung 3: Typische Varianzerhöhung durch den Bullwhip Effekt: anschauliches Ergebnis des Beer Games

Abbildung 4: Schematischer Aufbau des Beer Game mit Lieferketteneinheiten, Warenfluss, Verzögerungen und Lagern

Abbildung 5 :Übersicht über die Gründe des Bullwhip Effekts

Abbildung 6: Haupteinflüsse der Entscheidungsfehler

Abbildung 7: Bullwhip Effekt bei Campbell‘s Soup: Geringe Verbrauchsänderung erzeugt deutlich sichtbare Nachfrageerhöhung

Abbildung 8: Übersicht über Auswirkungen des Bullwhip Effekts

Abbildung 9: Vier Ebenen der Informationsteilung

Abbildung 10: Beiträge der theoretischen Forschung von Operational Management und der Verhaltenstheorie zur Opti- mierung des Supply Chain Managements

Abbildung 11:Zusammenwirken der drei identifizierten Kernstrategien zur Lösung des Bullwhip Effekts

Abbildung 12:Darstellung der Suchergebnisse von Business Source Premier zu "bullwhip effect" und "supply chain management"

Abbildung 13: Im Behavioral Operations verwendete Methodologie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht über verbreitete menschliche Verhaltensverzerrungen und Beurteilungsfehler

Tabelle 2: Zehn Bullwhip Klischees

Tabelle 3: Übersicht über Lösungsansätze und Maßnahmen gegen den Bullwhip Effekt

Tabelle 4: Übersicht über verbreitete Systeme zur Unterstützung der Lagerhaltung oder der Bestellpolitik

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

The nature of business competition is changing in a fundamental way (…). The classic model of company vs. company is starting to give way to a new model: supply chain vs. supply chain.

Taylor (2003)

Wie Taylor vor etwa 10 Jahren beschrieben hat, treten inzwischen nicht mehr Unternehmen gegeneinander an, sondern ganze Supply Chains (SC). Die Intensität des globalen Wettkampfes zwingt die Unternehmen, sich auf die Stärke ihrer Lieferketten zu konzentrieren. Die verstärkte Spezialisierung und das Outsourcen von Nicht-Kernkompetenzen führen zu einer stärkeren Notwendigkeit der Zusammenarbeit einzelner Unternehmen. Inzwischen konkurrieren Unternehmen durch Prozesse, nicht durch Produkte oder Services (Barnes, 2006).

1.1. Hintergrund der Recherche

Die den Wettkampf verstärkende Globalisierung ist dabei weiter auf dem Vormarsch: Von 1960 bis 2010 hat sich der grenzüberschreitende Warenexport verfünfzehnfacht (siehe Abbildung 1). Dabei sind die Werte auf das Jahr 1960, das mit Index 1 versehen wurde, bezogen.

Abbildung 1: Anstieg der Globalisierung: Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenhandels

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: World Trade Organization, entnommen aus: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und- fakten/globalisierung/52543/entwicklung-des-warenhandels

Ein deutlich ansteigendes Wachstum der Exporte seit den 90er Jahren, mit Ausnahme eines Einbruchs während der Wirtschaftskrise 2008, ist auszumachen. Auch aktuell zeigt der Trend wieder deutlich nach oben.

Ebenso wie der Warenexport hat die Anzahl transnationaler Unternehmen deutlich zugenommen. Die Bundeszentrale für politische Bildung konnte einen 2,5fachen Anstieg der transnationalen Unternehmen zwischen 1990 und 2008 ausmachen.[1] Der Anstieg der Warenexporte und der international tätigen Unternehmen bedeuten eine Zunahme der Komplexität von Supply Chains und eine Erhöhung der Bedeutung des Supply Chain Managements (Croson, Schultz, Siemsen & Yeo, 2010, S. 7). Durch die größere geografische Vernetzung der einzelnen Unternehmen wächst zugleich auch die räumliche Distanz, die von Supply Chains abgedeckt wird. Die immer größer werdenden Warenmengen tragen ebenso zum beschriebenen Anstieg der Komplexität bei wie die geografischen Abstände, zeitliche Verzögerungen oder Nachschub-Probleme (McCullen & Towill, 2000, S. 25).

Diese Komplexität verursacht teilweise immense Ineffizienzen durch lange Lieferzeiten, schlechten Informationsaustausch und unklare Endkundennachfrage. Nachdem die erfolgreiche betriebsinterne Implementierung von Produktionssystemen wie Just-In-Time an die Grenzen der Optimierungsfähigkeit kam, gingen die Unternehmen dazu über, durch Lieferverträge und dem Teilen von Informationen innerhalb der Supply Chain zu kooperieren (Gavirneni, Kapuscinski & Tayur, 1999, S. 16). Das Supply Chain Management (SCM) ist somit aufgrund der großen vorhandenen Ineffizienzen und dem signifikanten Potenzial von Supply Chain Optimierungen in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Durch den intensiven globalen Wettkampf hat sich die Aufmerksamkeit der Unternehmen auf Investitionen in ihre Supply Chain fokussiert (Lu, Humphreys, McIvor, Maguire & Wiengarten, 2012, S. 5396). Dabei besteht sowohl in der theoretischen Forschung als auch in der Realwirtschaft ein großes Interesse an effektiven Lösungsstrategien für bestehende SC-Ineffizienzen. Eine dieser Ineffizienzen ist der in dieser Arbeit behandelte Bullwhip Effekt (BWE), dessen Auswirkungen mit der Globalisierung weiter zunehmen (Delhoum & Scholz-Reiter, 2009, S. 666). Im Wesentlichen handelt es sich beim Bullwhip Effekt um das Phänomen, dass die platzierten Bestellungen der weiter vom Endkunden entfernt gelagerten Supply Chain Einheiten eine größere Schwankung aufweisen als die Bestellungen der endkundennahen. Ausgelöst wird dieser Effekt unter anderem durch die steigende Verzerrung von Informationen, wenn man sich upstream entlang der Lieferkette bewegt. Dabei ist die Untersuchung des Bullwhip Phänomens aufgrund der verursachten hohen Kosten für Supply Chains von großer praktischer Bedeutung (Wei, Wang & Qi, 2013, S. 154). Eine wichtige Erkenntnis ist die Tatsache, dass im Supply Chain Management darauf geachtet werden sollte, die Gesamt-Leistung der Supply Chain zu optimieren und nicht nur die Interessen des eigenen Unternehmens zu beachten (Cachon, 1999, S. 854).

Aufgrund der beschriebenen Entwicklung der SC- Komplexität ist das Thema des Bullwhip Effekts in Forschung und Praxis hochaktuell. Google liefert zu dem Suchbegriff „bullwhip effect“ 446.000 Ergebnisse. Auch der deutsche Begriff „Bullwhip Effekt“ liefert über 300.000 Treffer. Ein Beleg, dass der Begriff inzwischen in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen ist. Häufig auftretende Suchanfragen sind „Bullwhip Effekt reduzieren“, „Bullwhip Effekt vermeiden“ oder „Bullwhip Effekt Maßnahmen“. Auf der US-Seite des Versandhauses amazon.com sind unter dem Suchbegriff “bullwhip effect” 18 Bücher oder Veröffentlichungen in den letzten 90 Tagen erschienen. Auch in Magazinen, Fachzeitschriften oder Tageszeitungen wird über den BWE berichtet. Sei es ein Artikel des Wall Street Journal (Aeppel, 2010), die von McKinsey herausgebrachte Fachzeitschrift McKinsey Quarterly (Lovallo & Sibony, 2010) oder die Ausgabe Dezember 2012 von LOGISTIK HEUTE ("BME Symposium Einkauf und Logistik – ein Rückblick," 2012). Das Supply Chain Management ist in den letzten Jahren in den Fokus der Operational Management Forschung gerückt. Mit Zahlen belegbar ist das gestiegene Interesse mit den Veröffentlichungen zu diesem Thema im Magazin Production and Operations Management (POM) von 1992 bis 2006. In den 60 in diesem Zeitraum erschienenen Ausgaben beschäftigten sich 49 von 399 erschienenen Papers mit Supply Chain Management. Von diesen 49 Papers wurde nur eines vor 1997 veröffentlicht, ganze 18 jedoch zwischen Frühling 2004 und Frühling 2006, was eine deutliche Tendenz zeigt. (Kouvelis, Chambers & Wang, 2006, S. 449). Auch bei anderen Magazinen gibt es ähnliche Muster (Croson et al., 2010, S. 4). Eine Auswertung der Suchergebnisse der Datenbank Business Source Premier zeigte beispielsweise einen deutlichen Anstieg der beiden Suchbegriffe „bullwhip effect“ und „supply chain management“ seit den 90er Jahren.[2]

Ein praxisbezogenes, mit Zahlen belegbares Beispiel liefern Fuller, O'Connor und Rawlinson (1993, S. 89). In ihrer Untersuchung der Lebensmittelindustrie entdeckten sie zwischen 75 und 100 Milliarden US-Dollar Supply Chain Ineffizienzen bei einem Umsatz von 300 Milliarden US-Dollar. Das entspricht fast einem Drittel. Das vorliegende Optimierungspotenzial ist also enorm.

1.2. Aufgabenstellung

Hauptprobleme des Supply Chain Managements sind die durch den Bullwhip Effekt verursachten Ineffizienzen und Kosten. Durch die Nachfrageschwankungen kommt es zu überfüllten Lagern oder Lieferengpässen. Das Ziel dieser Arbeit ist die Beschreibung und Analyse der dem Bullwhip Effekt zugrunde liegenden Ursachen und Einflüsse sowie die Vorstellung und Betrachtung von möglichen Problemlösungsstrategien. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Einbeziehen von verhaltensbedingten Fragestellungen. Neben den in der Literatur hauptsächlich beschriebenen operativen Gründen, den Einflüssen der Supply Chain Umwelt und -Infrastruktur werden die Auswirkungen von menschlicher Wahrnehmung und Entscheidungsfindung auf die Entstehung und Verstärkung des Bullwhip Effekts untersucht.

Dabei wird die Notwendigkeit der Betrachtung des menschlichen Verhaltens durch die großen Abweichungen zwischen den wirklich beobachtbaren und den erwarteten Ergebnissen von mathematischen Operational-Management-Modellen deutlich. Ein Grund für diese Divergenz ist in der Nichtberücksichtigung von verhaltensbedingten Faktoren zu finden. Die Notwendigkeit des Einbeziehens des menschlichen Verhaltens wird außerdem durch die Erkenntnis, dass menschliche Entscheidungen in nahezu jedem Kontext innerhalb des Operational Managements Bestandteil sind, unterstrichen (Croson et al., 2010, S. 1).

Um die vorliegenden Einflüsse und Ursachen des BWE abzuschwächen, wird insbesondere die Rolle von innerhalb der Supply Chain verfügbaren Informationen untersucht. Die Fragestellung, wie Informationen das Ausmaß des Bullwhip Effekts abschwächen können und welche Informationen an die Partner-Einheiten weitergegeben werden sollten, ist ein zentrales Thema der behandelten Literatur.

1.3. Umriss der Arbeit

Bevor mögliche Strategien zur Bekämpfung des Bullwhip Effekts in Kapitel 3 vorgestellt werden können, müssen erst die den BWE bedingenden Ursachen und deren Auswirkungen auf die Supply Chains beschrieben werden. Dem widmet sich Kapitel 2. Um die Forschungsansätze hinter der Bullwhip Untersuchung zu verstehen, werden zunächst die relevanten theoretischen Wissenschaftsdisziplinen und deren Zusammenwirken beschrieben. Dabei wird die Disziplin der Behavioral Operations als Verknüpfung des Operational Managements mit der Verhaltenstheorie vorgestellt.

Bei der Analyse der Gründe und Einflüsse, die zur Entstehung und Ausbreitung des Bullwhip Effekts führen, wird deutlich, dass die einzelnen Faktoren in einer komplexen Art und Weise zusammenhängen. Die Faktoren werden durch die Zusammenfassung in acht Einflussgrößen strukturiert. Es können dabei zunächst einmal operative Ursachen sowie durch menschliches (Fehl-) Verhalten bedingte Einflüsse festgestellt werden. Ebenfalls haben die vorherrschende Unsicherheit innerhalb einer Supply Chain und Störungen im Informations- und Materialfluss einen großen Einfluss auf den Effekt. Das Design der Lieferkette oder Verzögerungen durch lange Durchlaufzeiten tragen ebenfalls erheblich zur Entstehung und Verstärkung des BWE bei. Im Verlauf der Untersuchung des Einflusses des menschlichen Verhaltens konnten mehrere weitverbreitete Entscheidungsverzerrungen und verwendete Heuristiken offengelegt werden. Als Folgen der Wahrnehmungsfehler konnten fehlerhafte Einschätzungen, Probleme bei der Informationsbeschaffung, Missachten von relevanten Alternativen sowie eine mangelhafte Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und Ergebnissen von Ereignissen identifiziert werden.

Konsequenzen dieser Faktoren sind vordergründig die beobachtbaren ansteigenden Varianzen der Bestellungen entlang der Supply Chain. Diese Varianzschwankungen verursachen neben hohen Kosten etwa durch hohe Lagerbestände und geringe Kapazitätsauslastung eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition (Kouvelis et al., 2006, S. 450).

Nachdem die treibenden Kräfte hinter dem Bullwhip Effekt beschrieben wurden, gibt Kapitel 3 einen Überblick und eine Einteilung der Problemlösungsstrategien um die identifizierten Ursachen abzumildern. Durch die gestiegenen Distributions- und Herstellungskosten und die Auswirkungen der Globalisierung sind effiziente Supply Chains der Schlüssel zum Erfolg (Lu et al., 2012, S. 5396). Als Kern nahezu aller effektiven Strategien können dabei die Weitergabe von Informationen, die Stärkung der Zusammenarbeit innerhalb der Supply Chain sowie der Auf- und Ausbau von Vertrauen innerhalb der Beziehungen der einzelnen Supply Chain Einheiten ausgemacht werden. Das Teilen von Informationen ist dabei ein Eckpfeiler der jüngsten Innovationen im Supply Chain Management. Großkonzerne wie Wal-Mart oder Procter & Gamble setzen seit Langem auf das Teilen und Weitergeben von Point-Of-Sale[3] - und Lagerbestandsinformationen. Der Hauptnutzen der Informationsweitergabe liegt in der Reduzierung der Bestandhaltungs- und Lieferengpasskosten in einer Supply Chain.

Wie auch bei den Einflussfaktoren des BWE lassen sich die einzelnen Problemlösungsstrategien, beispielsweise die Erhöhung der Bestellfrequenz oder gemeinsames Forecasting, nicht isoliert betrachten, sondern haben immer Auswirkungen auf mehrere Faktoren des Effekts. Eine Erkenntnis, die daraus gezogen werden kann, ist, dass Ansätze zur Lösung der Bullwhip Problematik immer eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen, insbesondere der drei erwähnten Kernstrategien - Informationsweitergabe, Vertrauen und Zusammenarbeit - beinhalten sollten.

1.4. Definitionen

Abbildung 2: Darstellung einer schematischen Lieferkette mit Waren- und Informationsfluss

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung, basiert auf Stalk und Hout (1990).

In der Literatur gibt es zwei Arten von Definitionen für den Bullwhip Effekt. Lee, Padmanabhan und Whang (1997) definieren ihn als eine Art der Informationsverzerrung, die durch den Vergleich der Bestell- und der Nachfragevarianz gemessen wird. Eine Störung des upstream Informationsflusses ist demnach der Auslöser für den Bullwhip Effekt. Die zweite Definition, die in den meisten empirischen Studien verwendet wird, vergleicht die Varianz der erhaltenen Bestellungen mit denen der Verkäufe. In diesem Fall ist eine Störung des downstream Materialflusses die Ursache (vgl. Cachon, Randall & Schmidt, 2007).

In Abbildung 2 ist eine schematische Lieferkette zu sehen. Neben dem grundlegenden Aufbau einer Supply Chain mit einem Waren- und einem Informationsfluss ist auch die Richtung der Bestellvariationserhöhung aufgezeigt. Außerdem werden Begriffe eingeführt, welche in den folgenden Kapiteln benutzt werden.

Die charakteristische Verstärkung Bestellvarianz im Verlauf der Supply Chain ist in Abbildung 3 gezeigt. In diesem Fall stammt sie aus der Untersuchung von Croson und Donohue (2003) mit dem Simulationsspiel „Beer Game“. Auf den ersten Blick ist sofort die nach rechts hin ansteigende Varianz der Bestellungen erkennbar. Während die Position 1 (Einzelhändler) nur geringe Schwankungen aufweist, zeigt Position 4 (Hersteller), die weiter weg vom Endkunden ist, deutlich stärkere Bestellvariationen.

Abbildung 3: Typische Varianzerhöhung durch den Bullwhip Effekt: anschauliches Ergebnis des Beer Games

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Basiert auf Croson und Donohue (2003, S. 6).

Der Bullwhip Effekt ist vermutlich das berühmteste Beispiel dafür, dass ineffiziente Entscheidungen zu schlechter Supply Chain Leistung führen können und damit eine Demonstration der Systemdynamik in Lieferketten. Der Effekt ist so bekannt, dass er auch das „erste Gesetz der Supply Chain Dynamics“ genannt wird (Kouvelis et al., 2006, S. 450). Der Effekt und die damit verbundenen Implikationen nehmen im Supply Chain Management eine zentrale Rolle ein.

In dieser Arbeit wird häufig der Begriff Unsicherheit als Auslöser für ineffiziente Entscheidungen, Handlungen und schließlich den Bullwhip Effekt angeführt. Unsicherheit in Bezug auf das SCM bezieht sich hier auf die Ungewissheiten und Risiken, die an jedem Punkt innerhalb des Lieferketten-Netzwerkes auftreten können. Hervorgerufen wird sie aufgrund von fehlenden oder falschen Informationen beziehungsweise der Unfähigkeit vorhandene Informationen richtig zu verarbeiten und zu interpretieren. Eine gängige Definition für die Unsicherheit in einer Supply Chain wird von van der Vorst und Beulens bereitgestellt:

Supply chain uncertainty refers to decision making situations in the supply chain in which the decision maker does not know definitely what to decide as he is indistinct about the objectives; lacks information about (or understanding of) the supply chain or its environment; lacks information processing capacities; is unable to accurately predict the impact of possible control actions on supply chain behavior; or, lacks effective control actions (non-controllability).

Van der Vorst & Beulens (2002, S. 413)

Unsicherheit bedeutet also die Unwissenheit beim Treffen einer Entscheidung aufgrund von fehlenden oder mangelhaften Informationen und der Unfähigkeit, das Ausmaß von möglichen Handlungen vorherzusehen.

1.5. Abgrenzungen des Recherchebereichs

Diese Arbeit versucht die Ursachen des Bullwhip Effekts sowie die zur Verfügung stehenden Problemlösungsstrategien möglichst ganzheitlich abzubilden. Die Notwendigkeit dafür liegt in der Komplexität und den Wechselwirkungen der einzelnen Faktoren. Daher wird nicht auf jede identifizierte Ursache oder Lösungsstrategie detailliert eingegangen, sondern versucht, möglichst alle relevanten Bestandteile des BWE und deren Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Aufgrund der bereits erwähnten Vielschichtigkeit und der Menge an möglichen Faktoren kann jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.

1.6. Schlussfolgerung

Die Aktualität und die vorgestellten Konsequenzen des Bullwhip Effekts implizieren die Notwendigkeit, effektive und wirkungsvolle Strategien gegen die verursachten Ineffizienzen zu entwickeln. Das dazu nötige Verständnis der Ursachen und Einflüsse des Bullwhip Effekts wird in Kapitel 2 behandelt. Nach der Analyse und Strukturierung der Gründe des Bullwhip Effekts liefert Kapitel 3 einen Überblick und eine Einordnung der in der Literatur behandelten Problemlösungsstrategien. Dazu werden Ansätze und Maßnahmen vorgestellt, die die im nächsten Kapitel identifizierten Einflussfaktoren des Bullwhip Effekts abschwächen können. Den Abschluss bildet Kapitel 4, in dem die resultierenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

2. Bullwhip Effekt: Forschung, Elterndisziplinen, Gründe, Einflüsse und Auswirkungen

Der Bullwhip Effekt als real beobachtbares Phänomen des Supply Chain Managements hat in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit in der Forschung und in der Praxis erfahren. Der Bullwhip Effekt (deutsch auch Peitscheneffekt) beschreibt die Varianzerhöhung der Nachfrage entlang des Informationsflusses in einer Lieferkette. Ein Unternehmen zeigt den Bullwhip Effekt, wenn die Bestellungen an seine Zulieferer stärker schwanken als die Verkäufe an seine Kunden. Das Phänomen weist zwei Gesetzmäßigkeiten auf. Zum einen handelt es sich dabei um das Schwanken der Bestellungen auf jeder Stufe einer Lieferkette, zum anderen die Verstärkung dieser Schwankungen, je weiter man sich vom Endkunden in einer Lieferkette entfernt (Croson & Donohue, 2003, S. 1). Das Aufschaukeln der Bestellvariationen im Verlauf der Lieferkette erinnert an die Schwingbewegung eines Peitschenschlages, mit immer größer werdenden Hoch und Tiefs, wodurch sich die Namensgebung erklärt. Geprägt wurde der Name „Bullwhip Effect“ von Procter and Gamble, die den Effekt bei der Untersuchung ihrer Pampers-Lieferkette[4] feststellten (Lee et al., 1997, S. 1). Auch „whiplash“ oder „whipsaw“ Effekt wird das Phänomen genannt.

Im Folgenden wird in diesem Kapitel die Bullwhip-Forschung vorgestellt und eine disziplinäre Einordnung des Bullwhip Effekts in das Supply Chain Management und seine fachlichen Elterntheorien gegeben. Dabei werden sowohl das Operational Management und die Verhaltenstheorie als auch deren Verknüpfung durch das Behavioral Operational Management betrachtet. Anschließend werden die Gründe und Einflüsse des Bullwhip Effekts sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Lieferkette untersucht.

2.1. Forschung: Geschichte und Methodik

Zunächst folgt in diesem Abschnitt ein Überblick über die Bullwhip Forschung. Dazu werden ein kurzer geschichtlicher Rückblick und eine Einführung in die benutzte Forschungs-Methodik gegeben.

Der Beginn der Bullwhip Forschung ist bereits vor über 50 Jahren zu finden. Forrester (1958, S. 43) war der Erste, der den Bullwhip Effekt und seine Gründe identifizierte, indem er in einem Simulationsmodell den Zusammenhang zwischen Lagerbeständen und Bestellmengen erforschte. Dazu führte er eine Computer-Simulation mit verschiedenen Einheiten einer Lieferkette durch, in diesem Fall Einzelhandel, Zwischenhandel, Fabriklager und Fabrik. Forrester simulierte zunächst einen 10-prozentigen Anstieg der Einzelhandelsverkäufe. Bei der Auswertung des Verlaufs der weiteren Bestellungen innerhalb der Lieferkette fiel Forrester das Ansteigen der Schwankungen entlang der simulierten Supply Chain auf. Er führt die Schwankungen auf die Systemdynamik oder dem sich über die Zeit verändernden Verhalten von industriellen Organisationen zurück. Forrester erkannte also, dass die Grundform und die angewendeten Strategien einer Organisation unerwünschtes und typisches Verhalten in einer Supply Chain hervorrufen. Forresters Erkenntnisse basierten jedoch nicht auf einem damals erst aufkommenden Phänomen. Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es Aufzeichnungen für die Existenz von Nachfrageschwankungen.

In einer realen Supply Chain wurde der Effekt Mitte der 1990er Jahre von Procter and Gamble (P&G) entdeckt (Lee et al., 1997, S. 1). P&G beobachtete den Effekt und seine Auswirkungen bei der Untersuchung seiner Pampers-Lieferkette. Bei der Nachfrage nach Pampers kommt es nur zu geringen Schwankungen, da der Bedarf der Babys an Windeln langfristig relativ konstant bleibt. Dennoch stellte Procter and Gamble fest, dass die Bestellungen immer stärker schwankten, je weiter man sich vom Endkundenverkauf entfernte. So waren die Bestellschwankungen bei den Großhändlern schon deutlich spürbar. Der Effekt verstärkte sich noch weiter, als P&G die Materialbestellungen bei seinen Zulieferern untersuchte. Nicht nur in der Windelproduktion bei P&G, sondern auch bei Barilla’s Nudeln (Hammond, 2008), dem Suppenhersteller Campbell Soup (Cachon & Fisher, 1997; Fisher, 1997) oder bei Hewlett-Packard (HP), in diesem Fall bei Druckern (Lee, Padmanabhan & Seungjin, 2004b, S. 1875), trat der Effekt auf. Ohne die Information über die Verkäufe auf der Ebene des Vertriebskanals am POS musste sich HP auf die Bestellungen der Vertriebspartner verlassen, um Vorhersagen, Kapazitätsplanung und Produktionszeitpläne zu entwerfen (Lee et al., 1997, S. 1). Ein Auslöser für den BWE.

Sterman (1989, S. 334) war der Erste, der in seiner Arbeit „Misperception of feedback“ verhaltensbezogene Gründe für den Bullwhip Effekt identifizieren konnte. Er stellte fest, dass Manager innerhalb einer Supply Chain den Umfang ihrer ausstehenden Bestellungen bei ihren Bestellentscheidungen unterschätzen und sie somit auf Fehlmengen oder Überbestands-Situationen überreagieren. Diese Beobachtung machte er im Rahmen des Distributionsspiels „Beer Game“. Das gezeigte Verhalten nannte Sterman „supply line underweigthing“. Er identifizierte das systematisch irrationale Verhalten der Spieler als Ursache für den aufgetretenen Bullwhip Effekt. Einen anderen Ansatz wählten Lee, Padmanabhan und Seungjin (2004b): Sie entwickelten mathematische Modelle der Supply Chain und zeigten, dass der Bullwhip Effekt durch die strategischen Interaktionen zwischen den rationalen Lieferketteneinheiten hervorgerufen werden kann (Lee et al., 2004b, S. 1876). Anders als Forrester trafen sie keine Annahmen über bestimmtes menschliches Verhalten, sondern modellierten die Mitglieder der Supply Chain als voll rational und optimierend. In ihrer viel beachteten früheren Arbeit identifizierten Lee et al. (1997) verschiedene operative Gründe des Bullwhip Effekt.

In der Forschung wurde in den letzten 20 Jahren viel unternommen, um die Supply Chain Ineffizienzen durch den Bullwhip Effekt abzuschwächen. Ein Fokus dieser Forschung liegt auf dem Teilen und gemeinsamen Verarbeiten von Informationen. In letzter Zeit ist, neben dem Verbessern von operativen Problemen, die Identifizierung und Optimierung von menschlichem Verhalten in den Fokus gerückt. So konnte in vielen Arbeiten gezeigt werden, dass verhaltensbedingte Ursachen einen entscheidenden Einfluss auf den Bullwhip Effekt haben (Croson & Donohue, 2006, S. 11).

In der Bullwhip Forschung wird eine breite Palette an Methoden und Untersuchungen verwendet. Neben Simulationen (z. B. Chatfield, Kim, Harrison & Hayya, 2004) und Experimenten (etwa Croson & Donohue, 2003) werden auch analytische Modelle untersucht (u. a. Chen & Lee, 2009), empirische Daten analysiert (z. B. Bray & Mendelson, 2012) oder Fallstudien an realen Supply Chains durchgeführt (u. a. Fisher, Hammond, Obermeyer & Raman, 1997). Eine häufig in der Forschung verwendete Simulation, um den Bullwhip Effekt zu visualisieren, ist das erwähnte „Beer Game“. Entwickelt wurde das Spiel 1960 unter der Leitung von Jay Forrester am Massachusetts Institute of Technology. Es zeigt die Mechanik und Dynamik einer dezentralisierten Supply Chain.

In dem Simulationsspiel übernehmen die Teilnehmer unterschiedliche Positionen in einer vereinfachten (Bier-) Lieferkette. Meist wird die Lieferkette in vier Einheiten unterteilt: Einzelhändler, Großhändler, Distributor und Hersteller. Im normalen Anwendungsfall dürfen die einzelnen Spieler nicht untereinander kommunizieren und müssen ihre Bestellentscheidungen nur mit den Bestellinformationen der benachbarten Ketteneinheit treffen. Ziel ist es, die Gesamtkosten der Supply Chain möglichst gering zu halten. Dabei werden Lagerhaltungskosten und Kosten für Lieferverzug berechnet.

In Abbildung 4 ist ein schematischer Aufbau des Beer Games zu sehen, mit den vier Einheiten der Lieferkette, ihren Lagern, dem Weg des Materialflusses und den eingebauten Lieferverzögerungen. Das Beer Game erfreut sich in der Forschung großer Beliebtheit und wird sehr häufig verwendet (u. a. von Croson & Donohue, 2006, Steckel, Gupta & Banerji, 2004 & Sterman, 1989). Durch seine weite Verbreitung in der akademischen Welt werden die beobachteten Verstärkungen von Nachfrageschwankungen auch „Beer-Game“-Phänomen genannt (Lee, Padmanabhan & Seungjin, 2004a, S. 1887). Eine Kernerkenntnis ist, dass die Interaktion der individuellen Entscheidungen mit der simulierten Logistikstruktur zu Dynamiken führt, die signifikant vom optimalen Verhalten abweichen (Sterman, 1989, S. 322). Ein Grund für die Popularität ist die Möglichkeit mit bestimmten Modifikationen eine gewünschte (Spiel-) Umwelt zu erschaffen. So können beispielsweise einige der operativen Gründe des Bullwhip Effekts entfernt werden, um den Fokus der Beobachtung auf die verhaltensbedingten Ursachen zu legen. Inzwischen gibt es das Beer Game auch als Computer-Version (Nienhaus, Ziegenbein & Schoensleben, 2006), die zudem optional online verfügbar ist (Jacobs, 2000).

Beim Beer Game sind sowohl operative Gründe wie die Struktur der Lieferkette als auch kognitive Gründe wie das Fehlinterpretieren der ausstehenden Lieferungen für das Auftreten des Bullwhip Effekts verantwortlich. Die Auswirkungen, die der Bullwhip Effekt im Rahmen des Beer Games zeigt, sind auch in wirklichen Lieferketten beobachtbar und verursachen Ineffizienzen und Kosten.

Die Quantifizierung des BWE erfolgt beim Beer Game durch die ansteigenden Bestellungen der Spielteilnehmer. In der empirischen Literatur wird meistens eine von zwei Möglichkeiten zur Messbarkeit des Bullwhip Effekts verwendet. Entweder werden wie beim Beer Game Bestellschwankungen (Cachon et al., 2007, S. 464)[5] als Maßstab genommen oder Bestandsvariationen (Agrawal, Sengupta & Shanker, 2009). Beide Methoden führen in der Regel zu gleichen Ergebnissen, sie variieren jedoch im Konzept (Chen & Lee, 2012, S. 3).

Abbildung 4: Schematischer Aufbau des Beer Game mit Lieferketteneinheiten, Warenfluss, Verzögerungen und Lagern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://web.mit.edu/jsterman/www/SDG/beergame.gif

Zum besseren Verständnis der beschriebenen Methoden und der verwendeten Theorie der Forschung bietet der nächste Abschnitt einen Überblick über die fachlichen Elterndisziplinen des Bullwhip Effekts.

2.2. Eltern Disziplinen

Der Bullwhip Effekt ist als Problem des Supply Chain Managements im Gebiet des Operational Managements angesiedelt. Die auftretenden Phänomene kann man jedoch teilweise wesentlich besser durch das Betrachten von menschlichem Verhalten erklären (Gino & Pisano, 2008, S. 682). Der BWE stellt damit ein gutes Anwendungsbeispiel für den Aufgabenbereich des Behavioral Operational Managements dar. In diesem Abschnitt wird die Notwendigkeit, verhaltensbedingte Faktoren in die OM-Modelle einzubeziehen, erläutert. Zunächst folgt eine Einleitung in das Supply Chain Management, das in der Praxis mit dem Bullwhip Phänomen in Berührung kommt.

2.2.1. Supply Chain Management

Eine Supply Chain[6] ist ein System aus Lieferanten, Herstellern, Distributoren, Händlern und Kunden. Beim Supply Chain Management geht es um die Kontrolle der Supply Chain Operationen, Ressourcen, Informationen, Geldmittel und Prozesse. Es ist jeweils mehr als ein Entscheidungsträger involviert und die einzelnen Einheiten sind miteinander über Material-, Finanz-, Informations- und Entscheidungsflüsse verbunden. Dabei ist jede Einheit unabhängig und versucht zunächst ihre eigenen Ziele, nämlich die gleichzeitige Minimierung ihres Lagerbestandes bei Aufrechterhaltung ihrer Lieferfähigkeit, zu verwirklichen. Diese konkurrierenden Aufgaben sind besonders komplex und führen zu Ineffizienzen aufgrund von Bestell- und Lieferverzögerungen innerhalb der Lieferkette und der Abhängigkeit von den Entscheidungsfähigkeiten der anderen Einheiten (Steckel et al., 2004, S. 458). Entscheidend ist, dass keine Einheit allein die Fähigkeit hat, die gesamte Supply Chain zu optimieren. Da Entscheidungen immer von mehreren Einheiten der Supply Chain getroffen werden, müssen diese zusammenarbeiten (Fiala, 2005, S. 70). Entscheidungen eines einzelnen Gliedes der Lieferkette haben Auswirkungen auf die gesamte Kette (Mishra, Raghunathan & Xiaohang, 2007, S. 865). Eine entscheidende Erkenntnis ist somit, dass lokal effizientes Verhalten, etwa das eines einzelnen Lagermanagers einer Lieferketteneinheit, ineffizient sein kann, wenn man die Lieferkette global betrachtet (Fiala, 2005, S. 419).

Damit übereinstimmend wird Supply Chain Management wie folgt vom Council of Supply Chain Management Professionals definiert:

Supply Chain Management encompasses the planning and management of all activities involved in sourcing and procurement, conversion, and all logistics management activities. Importantly, it also includes coordination and collaboration with channel partners, which can be suppliers, intermediaries, third-party service providers, and customers. In essence, supply chain management integrates supply and demand management within and across companies.

Council of Supply Chain Management Professionals (2010, S. 180)

Branchenübergreifend hat sich das Supply Chain Management als bedeutender Wettbewerbsfaktor etabliert, besonders in der Automobilindustrie und bei Logistikdienstleistern. Die in letzter Zeit verstärkt eingesetzten Lean-Praktiken führen dazu, dass die Lieferketten durch das Auslagern von Tätigkeiten immer komplexer werden. Diese Komplexität bringt zwangsweise eine stärkere Verwundbarkeit der Supply Chain mit sich (Datta & Christopher, 2011, S. 765). Das SCM wird immer stärker durch Netzwerke, dynamische Wirtschaftsumgebungen sowie Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflusst (Fiala, 2005, S. 422; Ha & Tong, 2008, S. 701). Diese immer stärker werdende Vernetzung und die ansteigende Abhängigkeit von globalen Lieferanten und Partnern zeigt die Bedeutung eines guten Supply Chain Managements. Unternehmen wissen um die bestehenden Probleme und Ineffizienzen in den meisten Supply Chains und suchen effektive Wege diese zu bekämpfen und die Supply Chain zu optimieren.

Da das Supply Chain Management als operative Tätigkeit dem Operational Management zuzuordnen ist, wird dieses im nächsten Abschnitt vorgestellt.

2.2.2. Operational Management

Operational Management (OM) ist ein multidisziplinäres Feld, welches das Design, das Management und die Verbesserung von Prozessen beinhaltet. Es bezieht sich auf die Entwicklung, Produktion, Lieferung und Distribution von Produkten und Leistungen (Gino & Pisano, 2008, S. 677). Operational Management sucht nach exakten Gesetzen, die das Verhalten von physischen Systemen und Organisationen beeinflussen (Chopra, Lovejoy & Yano, 2004, S. 8). OM benutzt dazu mathematische Produktionsmodelle, basierend auf denen des Operations Research, um bisher unbeachtete Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren (Boudreau, Hopp, McClain & Thomas, 2003, S. 184). Die Forschung in diesem Gebiet erfolgt durch verschiedene methodologische Ansätze wie die Benutzung von Computer Simulationen, empirische Studien mit großen Stichproben, der Feldforschung oder den erwähnten mathematischen Modellen (Croson et al., 2010, S. 4)[7].

Bendoly, Donohue und Schultz (2006, S. 737) merken an, dass der Erfolg von OM Werkzeugen, Techniken und die Genauigkeit seiner Theorien stark vom Verständnis des menschlichen Verhaltens abhängen. In Betracht ziehen von menschlichen und technischen Komponenten ist also entscheidend für die Verbesserung von operierenden Programmen (Boudreau et al., 2003, S. 180). Aufgrund der Vielzahl von menschlichen Entscheidungen und Interaktionen in einer Supply Chain ist das Miteinbeziehen des „Faktors Mensch“ essenziell. Es besteht somit die Notwendigkeit das Gebiet des Operational Managements mit der Komponente des menschlichen Verhaltens zu erweitern, um die bestehenden Modelle zu verbessern und existierende Ineffizienzen abzuschwächen. Daher wird im folgenden Abschnitt die Disziplin der Verhaltenstheorie vorgestellt.

2.2.3. Verhaltenstheorie

Eine Kernerkenntnis der Verhaltenstheorie ist die Tatsache, dass Menschen in ihren Möglichkeiten zu lernen, zu denken und zu agieren sowie in der Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, limitiert sind (Simon, 1957, S. 198). Menschen besitzen psychologische Begrenzungen, insbesondere in ihrer rechnerischen Kompetenz und der Fähigkeit Voraussagen zu treffen (Simon, 1955, S. 101).

Durch experimentelle Studien in der Ökonomie und der Psychologie konnten zahlreiche kognitive, informatorische, zeitliche und andere Beschränkungen der menschlichen Rationalität identifiziert werden (Sterman, 1989, S. 321). Diese Beschränkungen sind verantwortlich für das Abweichen des menschlichen Verhaltens von den Erwartungen der zugrunde liegenden Modelle. Bereits 1955 erkannte Simon (1955, S. 99), dass es berechtigte Zweifel an der Annahme von rationalen Akteuren in den theoretischen Modellen gibt. Sterman (1989) war einer der Ersten, der die Notwendigkeit erkannte, Psychologie, Verhaltenslehre und Entscheidungstheorie in das Gebiet des Management Science miteinzubeziehen. Diese Entwicklung zeigt sich aktuell beispielsweise durch die Behandlung von verhaltensbezogenen Themen in Magazinen wie dem Harvard Business Magazine (z. B. Kahneman, Lovallo & Sibony, 2011) oder in der Recherche von McKinsey in „McKinsey Quarterly“ (Lovallo & Sibony, 2010).

2.2.4. Behavioral Operational Management

Das Behavioral Operational Management[8] ist ein Ansatz, explizit soziale und kognitive psychologische Theorie in die Forschung des Operational Management einzubinden (Bendoly, Croson, Goncalves & Schultz, 2010, S. 434; Delhoum & Scholz-Reiter, 2009, S. 679). Es stellt eine Schnittstelle von OM mit den Sozialwissenschaften, insbesondere dem Organizational Behavior, der Entscheidungstheorie und der Psychologie dar (Loch & Wu, 2007, S. 141). Definiert werden kann das Gebiet des Behavioral Operational Managements wie folgt:

„Behavioral Operations Management is a multi-disciplinary branch of OM that explicitly considers the effects of human behavior in process performance, influenced by cognitive biases, social preferences, and cultural norms.”

Loch und Wu (2007, S. 135)

Die Arbeit im Gebiet des Behavioral Operational Management setzt sich aus mehreren Referenz-Disziplinen zusammen. Zu nennen sind die experimentelle Ökonomie, die Verhaltensökonomie, die Entscheidungsfindung aus der Psychologie, das Gebiet des Organizational Behavior sowie die Entscheidungsanalyse aus dem Management (Gans & Croson, 2008, S. 563).

Kernpunkt des Behavioral Operational Management ist, dass erwartetes, modelliertes Verhalten nicht mit dem wirklichen, beobachtbaren Verhalten übereinstimmt. Individuen oder Gruppen verhalten sich also entgegen den Annahmen von theoretischen Modellen, etwa aus der Spieltheorie, die in der Operational Management Literatur zu finden sind. Die reine Anwendung von OM-Methoden in der Geschäftspraxis haben somit zu viel Enttäuschung und Frustration geführt (Loch & Wu, 2007, S. 121). Daraus bildete sich der Ruf danach, die menschlichen Schwächen stärker in die Literatur miteinzubeziehen. Die Forschung im Gebiet der Behavioral Operations versucht die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu erklären und zu schließen (Gans & Croson, 2008, S. 563). Angetrieben wird die Forschung durch die Erkenntnis, dass das Einbeziehen von menschlichem Verhalten in die Modellanalyse zu verbesserten und effizienteren OM-Modellen führen kann (Boudreau et al., 2003, S. 185).

Ein Fehler vieler analytischer Modelle ist die Annahme, dass die operierenden Personen vollkommen rational sind oder sich zumindest so verhalten (Croson & Donohue, 2002, S. 74). Diese Annahme kann besonders in unsicheren Umgebungen und Situationen systematisch verletzt werden (Carter, Kaufmann & Michel, 2007, S. 632). Häufig wird angenommen, dass Personen Signale von Störungen unterscheiden können und auf relevante Informationen reagieren, während sie die nicht relevanten ausblenden. Die Entscheider in diesen Modellen haben konsistente Präferenzen und beziehen in ihre Entscheidungen alle relevanten Alternativen und Variablen mit ein. Sie lassen sich folglich nicht von kognitiven Verzerrungen oder Emotionen beeinflussen (Gans & Croson, 2008, S. 676). Boudreau, Hopp, McClain und Thomas (2003, S. 183) zählen sieben Grundannahmen über menschliches Verhalten im Operations Research auf. Menschen sind demnach kein Hauptfaktor des untersuchten Problems (1) und kein Teil des Produktes (2). Sie werden außerdem als deterministisch und vorhersehbar angesehen (3). Menschliche Fehler werden in diesen Modellen also nicht beachtet. Weitere Annahmen sind, dass die Arbeiter in den Modellen unabhängig(4), emotionslos (5) und überwachbar (6) sind. Sie werden als stationär betrachtet (7). Lerneffekte oder Müdigkeit bleiben außen vor.

Die traditionelle OM-Literatur nimmt an, dass Rationalität durch eine Erhöhung der Anreize herbeigeführt werden kann. Jede Irrationalität könne somit mit zu geringen oder falschen Anreizen erklärt werden (Gino & Pisano, 2008, S. 676). Dass die erwähnten getroffenen Annahmen unzureichend und teilweise falsch sind und die Herbeiführung von rationalem Verhalten deutlich komplexer ist, sind Schlüsselerkenntnisse und wichtige Beiträge der Behavioral Operations. Durch diese Einsichten können die bestehenden Modelle überprüft und optimiert werden, in dem die Annahmen über menschliches Verhalten modifiziert und an realistischere Verhaltensmuster angepasst werden. Die Erkenntnis, dass das Einbeziehen von menschlichem Verhalten und kognitiven Faktoren zu fundamental unterschiedlichen Annahmen über die Leistung von operierenden Systemen führen kann, ist also essenziell für die Arbeit der Behavioral Operations Disziplin.

Ein Anzeichen für die Relevanz der Behavioral Operational Management Forschung zeigt sich in dem sprunghaften Anstieg der Forschung in diesem Gebiet seit dem Jahr 2000. Dies lässt sich mit der schon lange bekannten Nichtbeachtung der menschenbezogenen Probleme im OM erklären (Loch & Wu, 2007, S. 2). Das gestiegene Interesse zeigt sich in vielerlei Hinsicht: zum einen durch die steigende Anzahl von Operations Management Publikationen in angesehenen Journals, die normalerweise nicht OM als Thema haben (z. B. das Journal of Applied Psychology), zum anderen im Anstieg der Veröffentlichungen von OM-Papers mit Fokus auf Verhaltensfragen oder in immer größer werdenden Versammlungen und Seminarreihen zu diesem Themengebiet. So jährte sich die BDOM Invitational[9] zum siebten Mal. Bei der Academy of Management 2012 und der POMS[10] 2012 Konferenz war das Thema Behavioral Research jeweils im Hauptprogramm enthalten und Meetings zum Thema Behavioral Process Management wurden auf der INFORMS[11] 2012 abgehalten. Seit 2008 findet sogar eine POMS-Konferenz mit Titel „Behavior in Operations Management“ statt. Die Behavioral Operations wurden zu einem akzeptierten Forschungsgebiet im Operational Management (Croson et al., 2010, S. 1).

Die Behavioral Operations sind jedoch bei Weitem nicht das einzige Feld, das menschliches Verhalten in seine Methoden und Studien mit einbezieht. Dieser Weg ist keineswegs neu oder einzigartig. Gebiete wie Marketing oder Ökonomie[12] waren hier Vorreiter. Das Forschungsgebiet des Behavioral Economics ist hier als Paradebeispiel zu nennen. Bereits in den 50er Jahren erkannte Simon, dass viele Probleme der theoretischen Modelle durch das Beachten von menschlichen Limitationen und Irrationalitäten verschwinden (Simon, 1955, S. 114). In dieser Hinsicht weist die Disziplin des OM ein gewisses Defizit auf (Loch & Wu, 2007, S. 131).

Nach der Einführung in die theoretischen Elterndisziplinen der Bullwhip Forschung untersucht der nächste Abschnitt die Ursachen und die treibende Mechanik hinter dem Bullwhip Phänomen.

2.3. Bullwhip Effekt: Gründe und Einflüsse

Aufbauend auf der Vorstellung der wissenschaftlichen Untersuchung des Bullwhip Effekts und der Beschreibung der relevanten Elterndisziplinen folgt nun eine Identifizierung der verschiedenen Gründe und Einflüsse, die den Bullwhip Effekt verursachen und verstärken.

Abbildung 5 :Übersicht über die Gründe des Bullwhip Effekts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Literatur über den Bullwhip Effekt kann man in zwei Orientierungen aufteilen, nämlich in die normative und die deskriptive Forschung. Die normative Forschung sieht die Gründe des Effekts als Folge von rationalem Verhalten und in der Infrastruktur und den Prozessen in einer Supply Chain. Deskriptiv betrachtet sind kognitive Prozesse und begrenzte Rationalität ursächlich für das Phänomen (Delhoum & Scholz-Reiter, 2009, S. 667). Lee, Padmanabhan und Whang (1997, S. 3) etwa kommen entgegen Stermans Vermutung, dass menschliche Irrationalität den Bullwhip Effekt verursacht, zu dem Ergebnis, dass das rationale Verhalten von Entscheidern innerhalb der Supply Chain Infrastruktur den Effekt hervorruft. Diese verschiedenen identifizierten Ursachen und deren Einschätzung zeigen die bestehende Komplexität der Einflussfaktoren des BWE.

Abbildung 5 gibt einen Überblick über die in diesem Kapitel behandelten Hauptgründe des Bullwhip Effekts. Dabei wird verdeutlicht, dass eine Vielzahl an verschiedenen Ursachen und ihr Zusammenspiel für den Effekt verantwortlich sind. Diese Ursachen sind also nicht einzeln zu betrachten, sondern in Interaktion. So tragen Faktoren der Supply Chain Umgebung und des Designs zur bestehenden Unsicherheit und somit zum Bullwhip Effekt bei. Auch der Umkehrschluss ist möglich. Durch die Auswirkungen des Bullwhip Effekts steigt die Unsicherheit. Alle Einflüsse zusammen erzeugen und verstärken den Bullwhip Effekt. Aufgrund der komplexen Zusammenhänge der Gründe wurde in Abbildung 5 bewusst auf eine strukturierende Anordnung der identifizierten Gründe verzichtet, um bestehende Wechselbeziehungen nicht zu vernachlässigen.

Ungewissheiten in Lieferketten werden durch die wachsende Komplexität der globalen Supply Chain Netzwerke und die immer dynamischere Wirtschaftsumgebung weiter verstärkt. Bei allen Supply Chain Management Fragestellungen ist somit das Problem der Unsicherheit allgegenwärtig. Sowohl ungewisse zukünftige Nachfrage als auch Unsicherheiten bezüglich der Erfüllung von Bestellzugängen und der eigenen Produktionsprozesse sind an dieser Stelle zu nennen. Aus diesen entspringt der Bullwhip Effekt und verschlimmert sie gleichermaßen. Dabei ist zu beachten, dass ein Großteil der durch den Bullwhip Effekt verursachten Unsicherheiten weniger durch externe Marktkräfte und vielmehr durch das die Supply Chain umgebende System herbeigeführt werden (Mason-Jones & Towill, 2000, S. 40). Die Nachfrageerhöhung durch den Bullwhip Effekt entsteht also durch das System selbst und wird sowohl von Informations- als auch Materialverspätungen in der Lieferkette und den Rückkopplungsschleifen im Entscheidungsprozess beeinflusst.

Da, wie in der obigen Grafik ersichtlich, Gründe auf operativer und verhaltensbezogener Ebene auftreten, werden diese beide Gruppen in den folgenden Abschnitten behandelt und mit den anderen Ursachen in Bezug gesetzt.

2.3.1. Operative Gründe des Bullwhip Effekts

Lee, Padmanabhan und Whang (1997) vereinen in ihrer Arbeit vier der wichtigsten operativen Gründe des Bullwhip Effekts. Dies ist zum einen der nach Forrester benannte „Forrester Effect“, der sich vor allem auf die Verarbeitung von Nachfragesignalen (demand signal processing) und die Bedeutung von Durchlaufzeiten bezieht. Dazu ergänzen Lee et al. den „Burbidge Effect“ (Burbidge, 1968), der vorwiegend die Auftragsbündelung (order batching) beschreibt, und den „Houlihan Effect“ (Houlihan, 1985), der sich auf den Engpasspoker (rationating and shortage gaming) fokussiert. Zusätzlich identifizieren sie den „Promotion Effect“, der Preisschwankungen (price fluctuation) als Ursache des Bullwhip Effekts benennt (Lee et al., 1997, S. 3).

Bei der Verarbeitung von Nachfragesignalen geht es nicht nur um das Verarbeiten der aktuellen Nachfrageinformationen, sondern auch um das Vorhersagen der zukünftigen Nachfragen durch das Forecasting. Beides kann zu einer Verstärkung des Bullwhip Effekts führen (Chen, Drezner, Ryan & Simchi-Levi, 2000, S. 442). Bestellinformationen werden in jedem Unternehmen innerhalb einer Lieferkette Verspätungen, Verzerrungen und Störungen ausgesetzt, bevor sie an den nächstliegenden Partner weitergegeben werden. Dadurch führt die jeweilige Verarbeitung der Nachfragesignale unweigerlich zu steigenden Schwankungen, je weiter man sich vom Endkunden wegbewegt. Verschlimmert werden die Schwankungen durch den Versuch der Supply Chain Einheiten, das richtige Nachfragemuster zu erraten, da diesen durchaus die mögliche Fehlerhaftigkeit der Informationen bewusst ist. Dabei werden das Nachfragemuster und die Bestellpolitik der Einzelhändler jedoch in aller Regel falsch geraten und die bestehende Varianz weiter vergrößert (vgl. Chen & Lee, 2009, S. 795).

Bei der Auftragsbündelung bestellen Unternehmen periodisch und in relativ großen Mengen, um durch Skaleneffekte Bestellkosten zu sparen. Die Lieferanten erhalten somit verzerrte und verspätete Informationen über den wahren Bedarf. Eine womöglich konstante Endkundennachfrage zerfällt in Perioden mit starker Nachfrage und Perioden ohne Nachfrage. Grund für diese niedrig frequentierte Bestellpolitik sind die mit der Bestellung verbundenen Kosten und der zeitliche Aufwand (Lee et al., 1997, S. 4). Die hohen Kosten entstehen auch dadurch, dass es deutliche Kostenunterschiede zwischen der Bestellung von vollen Wagenladungen und nicht vollen Wagenladungen gibt. Volle Wagenladungen sind häufig mit Rabatten verbunden, wodurch Unternehmen den Anreiz haben, ihre Bestellungen zu sammeln, bis die Menge für das Vervollständigen einer gesamten Wagenladung ausreicht. Durch die systembedingt ähnlichen Bestellzyklen der einzelnen Kunden wächst die auf den Zulieferer einwirkende Nachfragevarianz weiter an (Cachon, 1999, S. 843).

Engpasspoker tritt auf, wenn die Nachfrage nach einem Produkt sein Angebot übersteigt. Die Lieferanten rationieren dann die Produkte und verteilen sie gemäß bestimmten Allokationsregeln. Häufig sind diese Zuordnungen an den jeweiligen Bestellgrößen der Kunden orientiert. Wenn die Käufer einen solchen Engpass erwarten und antizipieren, blähen sie ihre Bestellungen über ihren wirklichen Bedarf auf, um nach der Rationierung der womöglich knappen Produkte dennoch genug zu erhalten (Cachon & Lariviere, 1999, S. 1104). Sobald die Lieferengpässe überwunden sind, kündigen sie ihre überzähligen Bestellungen.

Preisschwankungen führen dazu, dass Kunden auf Angebote und Preisreduzierungen spekulieren und bei einem günstigen Preis sehr große Mengen kaufen. Dieses Kaufen auf Termin macht es für den Hersteller schwer, den wahren Bedarf seiner Produkte zu erfassen, da die bestellte Menge des Käufers lediglich eine Reaktion auf den aktuellen Preis und nicht auf die wirkliche Nachfragesituation ist. Unklare Endkundennachfrage führt dann auch zu einer schlechteren Produktionsplanung (Sogomonian & Tang, 1993, S. 192). Diese Preisschwankungen können überall in der Supply Chain auftreten und führen unabhängig von der Art der Werbeaktion zu einer Verzerrung der Nachfrage (Lu et al., 2012, S. 5397).

[...]


[1] Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52630/anzahl

[2] Genaue Daten und Entwicklungen sind im Anhang in Abbildung 12 auf S. I zu finden.

[3] Point-Of-Sale (POS) bedeutet übersetzt Verkaufsort und ist der Ort des Warenangebots, an dem der Kunde Kontakt mit der Ware hat und diese meistens auch bezahlen kann.

[4] Pampers ist eine Marke von Procter & Gamble. Hauptprodukt sind Babywindeln.

[5] Cachon, Randall und Schmidt (2007) sprechen vom Bullwhip Effekt, wenn die Varianz der Produktion eines Unternehmens größer ist, als die Varianz seiner Nachfrage.

[6] In dieser Arbeit wird der inzwischen im Sprachgebrauch verankerte Begriff Supply Chain verwendet, auch wenn die Nachschubstrukturen eher einem Supply Network gleichen. Lieferkette wird hier synonym benutzt.

[7] Für genauere Zahlen siehe Abbildung 13 im Anhang auf S. I.

[8] Die Begriffe Behavioral Operational Management und Behavioral Operations werden synonym behandelt.

[9] BDOM: Behavioral Dynamics in Operations Management; die diesjährige BDOM Invitational Conference fand vom 9. bis zum 11. Juni in der University of Maryland statt (http://lema.smeal.psu.edu/conference/2012/).

[10] POMS: Production and Operations Management Society (http://www.pomsmeetings.org/)

[11] INFORMS: Institute for Operations Research and the Management Sciences(http://www.informs.org/Attend-a-Conference/Conference-Calendar)

[12] Vgl. Blanchard (1983) und Mitchell (1924).

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Bullwhip Effekt. Verhaltensbedingte Ursachen und Problemlösungsstrategien
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
79
Katalognummer
V300282
ISBN (eBook)
9783656972754
ISBN (Buch)
9783656972761
Dateigröße
1707 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Supply Chain, Bullwhip, Behavioral Economics
Arbeit zitieren
Christopher Jankow (Autor:in), 2013, Bullwhip Effekt. Verhaltensbedingte Ursachen und Problemlösungsstrategien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300282

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