Von formaler Anwesenheit zu persönlicher Motivation. Unterrichten mit Themenzentrierter Interaktion (TZI)


Essay, 2014

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsangabe

Boden unter den Füßen gewinnen – Selbstgespräche mit mir und mein Erleben von Schule

„Ich“ als Teil eines Lehrkörpers - mit den Anforderungen, die Schulleitung, Lehrplan/Curriculum und Eltern an mich stellen – verbal oder auch unausgesprochen

Lehrer werden ist nicht schwer - Lehrer sein dagegen“ - Vom Wandel eines Rollenverständnisses

Curriculum/Lehrplan versus TZI-gemäßer Lernansatz? Ergebnisorientiertes Lernen schließt prozessbezogene Reflexion ein

Mein Beispiel: Eine Kunststunde in Klasse 5

Meine Rolle als partizipierender Lehrer - Wie gelingt mir die Chairpersonship im Kontext Schule?

Meine „inneren Stimmen“ im Hinblick auf erlebte Entwicklungsschritte mit TZI

Literatur:

Boden unter den Füßen gewinnen – Selbstgespräche mit mir und mein Erleben von Schule

Eigentlich müsste man annehmen, ein „gestandener Lehrer“ wie ich muss sich von einem solchen Thema nicht mehr angesprochen fühlen: „Boden unter den Füßen gewinnen – Fortbildung für Lehrkräfte in den ersten Berufsjahren an einer evangelischen Schule“. Und doch: Genau diese Fortbildung mit genau jenem Thema hat mich das erste Mal mit TZI in Berührung gebracht! Das war im Jahr 2010. Da war ich 45 Jahre jung und hatte schon mannigfaltige Berufserfahrungen vorzuweisen: Angefangen nach dem Lehrer-Studium als Klassenlehrer an einer Sonderschule, dann Theologiestudium und Wechsel in die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit, anschließend Religionslehrer in verschiedenen Grundschulen und einer Sekundarschule, schließlich zurück als Klassenlehrer - an eine evangelische Grundschule… Und nicht vergessen darf man natürlich die Zeit als Pflegeeltern von bis zu 5 Kindern in den 90er Jahren. Ach ja, und die drei eigenen (und ausgesprochen gut geratenen) Kinder… Und als ob das nicht reichen würde, habe ich mich nun auch noch in der Pfadfinderarbeit engagiert.

Wie sehr mir doch die Kinder-und Jugendarbeit auf den Leib geschrieben scheint…

Oder ist das alles nur Schein? Eine Liste vorzuweisender Tätigkeiten, um einen erfolgreichen Lebenslauf darstellen zu können? Auslöser war damals zum Teil ein schwelender, nicht wirklich ausgetragener Konflikt zwischen mir und Mitgliedern des Schulträgervereins. Zum Teil jedoch auch mein Selbstverständnis als Lehrer, der bereits einmal bewusst der Schule den Rücken gekehrt hatte. Damals, 1988 in der späten DDR, waren es vor allem Glaubens-und Gewissensgründe gewesen. „Nie wieder gehe ich als Lehrer zurück an die Schule!“, hatte ich damals gesagt. Meine darauf folgende Zeit in der freien Kinder- und Jugendarbeit mit Schul-Anfragen zu Projektarbeit an verschiedenen Schulen hatten dann jedoch den Hunger nach „richtigem unterrichten“ doch wieder geweckt. Wobei mir schon da irgendwie klar war: Das verkopft erscheinende, immer mehr leistungsorientierende und selektierende Schulsystem konnte es nicht sein. Über die erlebte Grundschulzeit unserer Kinder war ich dann also 2005 in einer evangelischen Grundschule angekommen. Und nun? Alles anders? Ich bekam allmählich das Gefühl, so nach und nach in ein Eliteschulsystem hinein zu gleiten. Unmerklich zwar, und immer noch sehr viel idealistischer und familiärer erscheinend, aber mir fiel immer öfter die Geschichte von dem Frosch ein, der nicht merkt, wie er schließlich gekocht wird, wenn man den Wassertopf in dem er sitzt, nur langsam genug erhitzt…

Und ich? Ich wünschte mir eine Schule, in der das miteinander lernen so selbstverständlich geschieht, dass es niemand merkt. Wo nicht Zensurendurchschnitte eine Rolle spielen, sondern der Wachstumsgrad der emotionalen Intelligenz. Eine Schule, die nicht zukünftige „Ärzte, Ingenieure, Bundeskanzler“ heranziehen will, sondern einfach nur: Menschen! So wie sie nach der Ursprungsidee Gottes vielleicht gemeint waren, als es in Genesis 5,1 heißt: „Als Gott die Menschen schuf, formte er sie nach seinem eigenen Bild (seinen Vorstellungen vom Menschen).“

Ich Traumtänzer! Ich gehöre nicht an die Schule! Ich bin einfach falsch hier! Oder ist vielleicht einfach die Schule falsch?

An dieser Stelle war meine Erstbegegnung mit TZI im Herbst 2010 ein wahrer „Eye-opener“! Mit Mina Schneider-Landolf, einer Lehrerin und Diplompsychologin aus Berlin, begannen meine verschwommenen Vorstellungen von einer Neuorientierung im gesamten Bereich des Lernens klarer zu werden! Das pädagogisch-theologische Institut Neudietendorf bot dazu den passenden äußeren Rahmen.

„Ich“ als Teil eines Lehrkörpers - mit den Anforderungen, die Schulleitung, Lehrplan/Curriculum und Eltern an mich stellen – verbal oder auch unausgesprochen

Nun bin ich natürlich neben meiner Traumtänzerei erstmal ganz real an äußere Bedingungen gebunden: Ich muss zunächst erst einmal Geld verdienen für mich und meine Familie! Haus, Strom, Wasser, Essen und Trinken… Das kennen wir ja. Und da ich mit meiner aus DDR-Zeiten stammenden Berufsausbildung nicht zu wählerisch sein kann, bleibt mir in Sachsen-Anhalt erst mal nur der Bereich der freien Schulen, vornehmlich Grundschulen. Also: Augen zu und durch! Frei nach dem Motto: „Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing.“ Natürlich muss ich mich an den Schul-Lehrplan halten. Das ist auch ok so. Da es ja sogenannte schulinterne Lehrpläne sind, kann ich im Laufe der Schuljahre gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen mitentscheiden, inwieweit Lerninhalte modifiziert werden. Und ich kann meinen Unterricht frei gestalten. Jedenfalls relativ frei. Es gibt natürlich Unterrichtsmaterialien, Lehrbücher und Arbeitshefte, die sollten mit dem Kollegen/der Kollegin aus der Parallelklasse abgesprochen werden. Und auch mit dem Rest des Kollegiums, da man nicht jedes Jahr neue Lernmaterialien kaufen möchte. Das ist letztlich alles eine Frage des Geldes. Aber damit kann man sich arrangieren. Schließlich: Papier ist geduldig. Ich muss doch nicht jede Seite des Lehrbuches Seite für Seite durcharbeiten. Oder? Da gibt es nämlich Eltern, die bestehen vehement darauf, dass das Buch solchermaßen durchgenommen wird. Gut für mich, wenn sie mir das auch so deutlich sagen, dann kann ich entweder im persönlichen Eltern-Gespräch oder auch beim Elternabend darüber sprechen. Falls ich es aber versäumt habe, gleich beim ersten Elternabend alle Eventualitäten deutlich zu machen, kann es problematisch werden. Manche Eltern trauen sich offensichtlich nicht, den Lehrer darauf anzusprechen. Sie suchen zunächst erst einmal Verbündete im Klassenelternverband. Mit denen fachsimpeln sie dann darüber, wie gut ihr Schulgeld denn eigentlich angelegt ist, wenn der Spross nicht einmal genau sagen kann, welche Seite gerade dran ist. Da kann sich was zusammenbrauen… Tragisch wird es, wenn eine Schulleitung dann nicht zu ihren Kollegen steht und sich unmerklich auf die Seite einer bestimmten Elternschaft ziehen lässt. Oder der Schulträger versucht sich dann in die pädagogische Arbeit hineinzudrängen. Ich kenne dies aus Erfahrung, und ich kann sagen: Dann steht man als einzelner Lehrer ziemlich im Regen! Dies ist offensichtlich auch ein besonderes Problem an privaten Schulen, wo Eltern Schulgeld bezahlen. Mancher meint dann, er kann den Pädagogen an „seiner“ Schule vorschreiben, wie sie ihren Job zu machen haben.

Dass es auch anders möglich ist, erlebe ich an einer anderen privaten Schule allerdings auch. Da diese Schulleitung sich von Elternmeinungen nicht beirren lässt und uneingeschränkt loyal zu ihrem Kollegium steht, kann ich als Lehrer aufatmen. Ein Ergebnis ist dann ganz folgerichtig: Als Lehrer stehe ich auch gern loyal zu dieser Schulleitung. Ich setze mich mit mehr Motivation für meine Schule ein, engagiere mich vielleicht noch eher ehrenamtlich, wenn es mal nötig wird…

Ohne es bisher zu nennen, habe ich hier die Mächtigkeit des „Globe“ beschrieben. Ruth Cohn, die Begründerin der TZI, beschreibt alles, was sich um mich herum befindet und nicht direkt zu meiner Person, meiner unmittelbaren Gruppe oder meinem bzw. unserem gemeinsamen Thema gehört, als zum Globe gehörend. Für sie war letztlich der gesamte uns umgebende Kosmos[1] Globe.

Natürlich muss ich mich nicht mit jedem Molekül des gesamten Kosmos beschäftigen, aber alles, was letztlich meinen inneren und äußeren Handlungsspielraum als Person beeinflusst, wissentlich oder unwissentlich, kann mich letztlich „fressen“, wenn ich es nicht beachte[2] ! Und gefressen werden will niemand. Ich zumindest nicht!

2010 hatte ich also bei jener Fortbildung in Neudietendorf erstmals TZI-Blut geleckt. Meine Frage war danach nicht mehr, ob, sondern nur noch, wann ich mehr davon bekommen könnte. Als es dann hieß: In Neudietendorf wird eine komplette TZI-Grundausbildung angeboten, stand meine Entscheidung eigentlich schon fest. Lediglich die Frage der finanziellen und terminlichen Regelung war noch zu klären. Mit anderen Worten: Beachte den Globe!

[...]


[1] Walter Nelhiebel in: Mina Schneider-Landolf, Jochen Spielmann und Walter Zitterbarth (Hg.), Handbuch Themenzentrierte Interaktion, Göttingen 2009, S.135

[2] ebenda, S.134

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Von formaler Anwesenheit zu persönlicher Motivation. Unterrichten mit Themenzentrierter Interaktion (TZI)
Hochschule
Ruth Cohn Institute für TZI - international
Autor
Jahr
2014
Seiten
12
Katalognummer
V303121
ISBN (eBook)
9783668018778
ISBN (Buch)
9783668018785
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anwesenheit, motivation, unterrichten, themenzentrierter, interaktion
Arbeit zitieren
Wolfgang Müller (Autor:in), 2014, Von formaler Anwesenheit zu persönlicher Motivation. Unterrichten mit Themenzentrierter Interaktion (TZI), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303121

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