Vom vierbeinigen Helfer zum Kindersatz? Die Wandlung der Bedeutung des Hundes in der Gesellschaft


Masterarbeit, 2014

94 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Rahmung
1.1 Norbert Elias - Zivilisationstheorie
1.1.1 Zum Begriff der Zivilisation
1.1.2 Selbstzwang und Fremdzwang
1.1.3 Bezug zur Fragestellung
1.1.4 Zwischenfazit und Ausblick
1.2 Gerhard Schulze - Die Erlebnisgesellschaft
1.2.1 Wandel des Alltagslebens
1.2.2 Fünf verschiedene soziale Milieus
1.2.3 Bezug zur Fragestellung
1.2.4 Fazit und Ausblick

2. Wie der Hund zum Haustier wurde
2.1 Vorfahre Wolf
2.2 Die Domestikation
2.3 Zucht
2.4 Die Schattenseite der gezielten Selektion

3. Wie der Hund zum Menschen wird
3.1 Aktueller Forschungsstand und Überblick über das Feld
3.2 Der Hund als Wirtschaftsfaktor
3.3 Die zunehmende Vermenschlichung des Hundes anhand verschiedener Beispiele
3.4 Exkurs: Heimtier versus Nutztier - ein Paradoxon
3.5 Zusammenfassung

4. Eigene Erhebung
4.1 Qualitative Methode: Beobachtung
4.1.1 These und Fragestellung
4.1.2 Setting und Feld
4.1.3 Dokumentation und Auswertung
4.1.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit
4.2 Quantitative Methode: Fragebogen
4.2.1 Konzipierung und Forschungsprozess
4.2.2 Auswertung
4.2.3 Evaluation
4.2.4 Zusammenfassung und Fazit

5. Der Hund in der Zukunft
5.1 Die Folgen der Vermenschlichung
5.2. Der Hund in der modernen Arbeitswelt
5.3 Einflüsse von wissenschaftlichen Erkenntnissen auf das Zusammenleben
5.4 Zurück zu den Wurzeln - zumindest teilweise
5.5 Welche Hunde brauchen wir in der Zukunft?

6. Fazit

Quellen

Literatur

Elektronische Ressourcen

Magazine:

Internet:

Zitate:

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Keine Nase und ein plattes Gesicht: Der Mops

Abbildung 2 Von Ostern bis Oktoberfest gibt es Kekse in allen möglichen Variationen

Abbildung 3 Hier steht ein in einem Online-Shop gekaufte Adventskalender für Hunde im Fokus des Posts bei Facebook

Abbildung 4 Der Hund wird zum Ereignis, das der Lebenswelt entspringt und stets wieder in sieleingegliedert wird

Abbildung 5 Im Internet gibt es eine riesige Auswahl an Utensilien für den Hund - sogar Buggys

Abbildung 6 Abfolge im Vorfeld einer Beobachtung

Diagrammverzeichnis

Diagramm 1 Altersverteilung der Halter

Diagramm 2 Rassevorkommen

Diagramm 3 Ausgaben pro Monat in Euro

Diagramm 4 Vorhandene Haustiere

Diagramm 5 Erster eigener Hund

Diagramm 6 Herkunft des Hundes

Diagramm 7 Grund für die Anschaffung

Diagramm 8 Stellenwert des Hundes

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Veränderung der gesellschaftlichen Werte

Tabelle 2 Handlungen während der Beobachtung

Tabelle 3 Rasse und Anzahl der Hunde

Einleitung

„Man kann ohne Hunde leben, es lohnt sich nur nicht!“ (Heinz Rühmann)

Die Bezeichnung Äder beste Freund des Menschen“ kommt nicht aus dem Nichts. Ihr liegen Jahrhunderte voller Zuneigung und gegenseitigen Nutzen zugrunde. Jedoch ist der Hund des 21. Jahrhunderts nur noch bedingt mit seinen früheren Artgenossen und gar seinem Vor- fahren, dem Wolf, vergleichbar. Waren Hunde früher hauptsächlich Helfer bei verschiedenen Arbeiten wie dem Hüten von Vieh, dem Bewachen von Haus und Hof oder der Jagd, sind sie heute zunehmend reine Familienmitglieder. Heute herrscht gut erkennbar eine andere Situa- tion vor. Der Hund hat einen anderen Stellenwert erhalten. Aus diesem Grund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der veränderten Bedeutung des Hundes in der heutigen Ge- sellschaft. Untersucht werden soll unter anderem die Frage, ob der moderne Hund nicht nur Haustier sondern vielmehr Kindersatz ist. Das erste Kapitel befasst sich mit den Theorien und Sichtweisen von Norbert Elias und Gerhard Schulze. Bei Elias steht besonders die Zivili- sationstheorie im Fokus. Beide Autoren wurden gewählt, da sie sich mit den Veränderungen beschäftigen, denen die Gesellschaft immer wieder unterworfen ist. Anhand von Schriften zur Erlebnisgesellschaft und Zivilisierung der Gesellschaft sollen Gründe für den Bedeu- tungswandel des Hundes aufgezeigt werden. Um überhaupt zum Haustier zu werden, muss- te der Hund einen langen Prozess der Zähmung durchlaufen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Domestizierung und späteren gezielten Zucht verschiedener Rassen. Da es sich hierbei um einen Part handelt, der wesentlich von den Erkenntnissen verschiedener For- scher beeinflusst wurde, kommen hier eben jene auch in Zitaten zu Wort. In Kapitel drei soll die Vermenschlichung des Hundes anhand verschiedener Beispiele aus dem Alltag analy- siert werden. Thematisiert wird unter anderem, was Namen heute aussagen und welche Rol- le Hunde in sozialen Netzwerken spielen. Weiterhin steht der Hund als Wirtschaftsfaktor im Fokus. Außerdem beleuchtet ein Exkurs das paradoxe Verhältnis von Mensch und Tier. Hier wird die Frage thematisiert, warum Nutztiere täglich getötet und gegessen werden, während dies bei Haustieren wie Hund und Katze nicht vorstellbar ist. Kapitel vier ist meiner eigenen Erhebung gewidmet. Mit einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden soll die eingangs aufgestellte These untersucht werden. Eine Beobachtung in einer Hundeschule widmet sich der möglichen Ähnlichkeit in der Behandlung von Hund und Kind. Ein konzipier- ter Fragebogen richtet den Fokus auf den Stellenwert des heutigen Hundes und geht der Frage nach, welche Bedeutung dieses Haustier für seine Halter inzwischen eigentlich hat. Mithilfe von Tabellen und Grafiken werden die erzielten Forschungsergebnisse veranschau- licht. Nicht nur der Blick auf die Entwicklung von der Vergangenheit bis heute ist wichtig, sondern auch der in die Zukunft. Mit den Ansprüchen und Anforderungen, denen sich Hunde in den nächsten Jahren und Jahrzehnten konfrontiert sehen, befasst sich Kapitel fünf. Hier soll erläutert werden, wie Hunde noch besser in den Alltag ihrer Besitzer integriert werden könnten und welche Tendenzen sich bereits jetzt erkennen lassen. Kapitel sechs fasst alle wichtigen Punkte dieser Arbeit noch einmal zusammen und gibt einen Überblick über die vorausgegangen Kapitel. Ein persönliches Fazit schließt diese Thesis ab.

Um den Lesefluss nicht zu stören, wurde in der gesamten Arbeit die allgemein gehaltene Bezeichnung ÄHund“, ÄHalter“ oder ÄBesitzer“ gewählt. Auf eine explizite Erwähnung sowie Trennung beider Geschlechter wurde somit verzichtet, jedoch nicht in der Absicht, speziell Frauen hier auszuschließen. Sowohl für die Menschen als auch die Hunde gilt: Auch wenn beide pauschal angesprochen werden, handelt es sich um individuelle und eigenständige Lebewesen, über die keine Verallgemeinerung abgegeben werden kann.

1. Theoretische Rahmung

„Lebensfreude lässt sich am besten vom Hund lernen.“ (Nina Sandmann)

1.1 Norbert Elias - Zivilisationstheorie

Wie wurde der Mensch, was er heute ist? Welche Prozesse durchlief er? Wie entwickelt sich eine Gesellschaft? Auf diesen oder ähnlichen Fragen basiert das Hauptwerk von Norbert Elias ÄÜber den Prozess der Zivilisation“. Elias gilt nicht zuletzt aufgrund dieser Theorie als einer der Klassiker in der Soziologie - und das international gesehen (vgl. Blomert/ Kuzmics/Treibel 2000: 9). Die Theorie von Elias zur Zivilisation des Menschen entstand in 1934 und 1935, als sich Elias mit der Frage nach der Entwicklung der Gesellschaft in der Vergangenheit beschäftigte. Von besonderem Interesse waren dabei für Elias die Entwicklungen des Mittelalters, der Humanismus, die höfischen Gesellschaften und die Aufklärung im Europa vom 14. bis zum 18. Jahrhundert (vgl. Treibel 2008: 51).

1.1.1 Zum Begriff der Zivilisation

Um sich der Arbeit von Elias weiter anzunähern, ist zunächst wichtig, eine Definition für Zivi- lisation zu finden. Bei Treibel findet sich folgender Ansatz: Ä‚Zivilisation‘ (lat. civilis, bürger- lich) dient umgangssprachlich als Sammelbegriff für langfristig wirksame kulturelle Errungen- schaften. Im kulturgeschichtlichen Sprachgebrauch wird Zivilisation meist historisch und räumlich abgegrenzt, wenn man etwa von der babylonischen oder griechischen Zivilisation spricht. In der politischen Auseinandersetzung fungiert Zivilisation als Kampfbegriff der politi- schen Selbstvergewisserung gegenüber als weniger zivilisiert eingeschätzten Gesellschaf- ten. In der Soziologie versteht man unter ‚Zivilisation‘ Veränderungen der Verhaltensregulie- rung, die mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen einhergehen.“ (Treibel: 2008: 50). Hier wurde der Begriff nach seinem Einsatzgebiet ausdifferenziert. Auf unterschiedlichen Gebie- ten hat ÄZivilisation“ somit unterschiedliche Bedeutung. Treibel betont jedoch: ÄEinigkeit be- steht hier darüber, dass es sich bei Zivilisation um keinen endgültigen Zustand, sondern um einen Prozess handelt. Insofern geht es im Grunde nicht um Zivilisation, sondern um Zivili- sierung.“ (ebenda: 50).

Ein weiterer Ansatz zur Begriffsdefinition lässt sich bei Kuzmics finden. ÄDer Begriff der ‚Zivi- lisation‘ oder ‚Zivilisierung‘ selbst liegt in mehreren Varianten vor: für das Eliassche Ver- ständnis zentral ist a) seine Genese im Sprachgebrauch französischer Oberschichten im 18. Jahrhundert, die sich damit bewusst von anderen Völkern und Schichten abgrenzen; dieser Begriff ist somit raum-zeitlich von eingeschränkter Gültigkeit (…). Dazu kommt b) die Abs- traktion eines stärker ‚technischen‘ Begriffsinhalts aus diesem Sprachgebrauch durch Elias selbst, mit den Schlüsselelementen der ‚Verfeinerung‘ der Sitten, des ‚Friedlicher-Werdens‘ und der wachsenden ‚Gehemmtheit‘ durch das Vorrücken der Scham- und Peinlichkeits- schwelle. (…) Dazu tritt dann c) jener theoretische Begriff der Zivilisierung, der ein psycholo- gisches mit einem sozialstrukturellen Entwicklungsmodell engstens verschweißt: als gerich- teter Strukturwandel von Seele und Gesellschaft (Blomert/ Kuzmics/Treibel 2000: 265 f).

Das dritte Kapitel von Elias‘ Arbeit ÄÜber den Prozess der Zivilisation“ ist der Untersuchung der Mechanismen gewidmet, die im Ergebnis zu einer Verhaltensänderung der Menschen geführt hat (vgl. Elias 1997: 326). Auf die diesen Erkenntnissen vorausgegangene Untersu- chung soll hier nicht ausführlicher eingegangen werden. Für die dieser Arbeit zugrunde lie- gende Fragestellung ist weniger das Herrschaftssystem im Mittelalter als vielmehr der ei- gentliche Prozess der Zivilisation und seine Bedeutung für das Verhalten der Menschen von Interesse. Elias ordnet das Kapitel ÄZur Soziogenese der abendländischen Zivilisation“ wie folgt ein: ÄHier ist gezeigt worden, wie der Zwang von Konkurrenzsituationen eine Reihe von Feudalherren gegeneinander treibt, wie der Kreis der Konkurrierenden sich langsam veren- gert, wie es zur Monopolstellung eines von ihnen und schließlich - im Zusammenhang mit anderen Verflechtungsmechanismen - zur Bildung eines absolutistischen Staates kommt. Diese ganze Umorganisierung der menschlichen Beziehungen hat ganz gewiss ihre unmit- telbare Bedeutung für jene Veränderung des menschlichen Habitus, deren vorläufiges Er- gebnis unsere Form des ‚zivilisierten‘ Verhaltens und Empfindens ist (…).“ (Elias 1997: 326). Nach Elias bilden die genannten Verflechtungsmechanismen die eigentliche Grundlage für den Zivilisationsprozess, da erst durch sie eine Veränderung nicht nur des Habitus, sondern auch Äjene Veränderungen in der Modellierung des plastischen, psychischen Apparats zu- stande kommen.“ (ebenda: 326).

Laut Elias unterliegt eine Gesellschaft grundsätzlichen strukturellen Wandlungen (vgl. Treibel 2008: 51). Dabei ist der Aufbau einer solchen Gesellschaft jedoch nicht zufällig, sondern unterliegt einem hohen ÄMaß von Zwangsläufigkeit“ (Elias 1997: 326). Eine der wichtigsten Erkenntnisse zu diesem Prozess liefert Elias gleich zu Beginn seines Werkes:

ÄDer Beobachter des Zivilisationsprozesses sieht sich vor ein ganzes Knäuel von Problemen gestellt. Da ist (…) zunächst die allgemeine Frage: Wir sehen (…), dass der Prozess der Zivilisation eine Ver- änderung des menschlichen Verhaltens und Empfindens in einer ganz bestimmten Richtung ist. Aber offensichtlich haben nicht irgendwann einmal in vergangenen Zeiten einzelne Menschen diese Verän- derung, diese ‚Zivilisation‘, beabsichtigt und allmählich ganz bewusst und ‚rational‘ durch zweckent- sprechende Maßnahmen verwirklicht; offensichtlich ist die ‚Zivilisation‘ ebensowenig, wie die Rationa- lisierung ein Produkt der menschlichen ‚Ratio‘ und Resultat einer auf weite Sicht hin berechneten Pla- nung.“ (ebenda: 323).

Somit kann festgehalten werden, dass der Prozess der Zivilisation nicht von Menschen ge- steuert und gezielt in eine bestimmte Richtung gedacht und geplant wurde, sondern das Er- gebnis einer nichtgeplanten Struktur ist. Nichtsdestotrotz weist Elias daraufhin, dass die Ver- änderung dennoch einer Ordnung unterworfen ist. In diesem Zusammenhang sieht er die durch Kontrolle stattfindenden Zwänge Selbstzwang und Fremdzwang, ohne die keine Ver- haltensänderung seitens des Menschen möglich ist (vgl. ebenda: 323 f). Neben den genannten Zwängen stellt Elias aber einen weiteren Punkt heraus, der eine Wandlung der Gesellschaft ohne rationale Planung und Regeln ermöglicht: ÄPläne und Handlungen, emotionale und rationale Regungen der einzelnen Menschen greifen beständig freundlich oder feindlich ineinander. Diese fundamentale Verflechtung der einzelnen, menschlichen Pläne und Handlungen kann Wandlungen und Gestaltungen herbeiführen, die kein einzelner Mensch geplant oder geschaffen hat.“ (ebenda: 324).

1.1.2 Selbstzwang und Fremdzwang

Elias unterscheidet zunächst zwei Gesellschaftstypen: solche mit und solche ohne stabiles Gewaltmonopol. Gesellschaften mit stabilem Gewaltmonopol zeichnen sich durch ein ihnen vorstehendes Repräsentantenhaus aus, das ihnen vorsteht und dem einzelnen Bürger einen gewissen Schutz bietet. Gleichzeitig wird als Gegenleistung von ihm erwartet, dass er sich selbst in seinen Emotionen kontrolliert (vgl. Elias 1997: 332). ÄDämpfung der spontanen Wallungen, Zurückhaltung der Affekte, Weitung des Gedankenraums über den Augenblick hinaus in die vergangenen Ursach-, die zukünftigen Folgeketten, es sind verschiedene Aspekte der gleichen Verhaltensänderung, eben jener Verhaltensänderung, die sich mit der Monopolisierung der körperlichen Gewalt, mit der Ausweitung der Handlungsketten und Interdependenzen im gesellschaftlichen Raume notwendigerweise zugleich vollzieht. Es ist eine Veränderung des Verhaltens im Sinne der ‚Zivilisation‘.“ (ebenda: 333).

Fremdzwang wird ausgeübt von der höheren gegenüber der niedrigeren Schicht. Hier geht es in erster Linie um Kontrolle (vgl. Treibel 2008: 58). ÄDer Feudalherr übt eine unmittelbare Kontrolle über seine Vasallen aus, der Herr über die Sklaven und der Patriarch über die Mitglieder seiner Familie oder seines Clans. (…) Als Kontrollmechanismus unterjocht der Fremdzwang zwar die Untergebenen, bietet ihnen jedoch auch einen Schutz gegenüber Dritten.“ (Treibel 2008: 58). Desweiteren spielt der Selbstzwang für die Funktion einer Gesellschaft eine große Rolle. Nach Elias ist die differenzierte Betrachtung und Regulierung des eigenen Verhaltens unerlässlich für die immer komplexer werdenden Prozesse, in denen der Mensch eingebunden ist (vgl. Elias 1997: 327).

Treibel schreibt hierzu: ÄDie Verinnerlichung von Selbstzwängen ist ein wichtiger Bestandteil des Erziehungs- und Sozialisierungsprozesses. Kinder werden durch die Eltern und weitere Erzieher und die Gesellschaft daraufhin konditioniert, sich - je älter sie werden - umso stärker beherrschen zu lernen. Kinder lernen, was peinlich ist und bauen so Verhaltenssicherheit auf. Elias spricht von ‚Scham- und Peinlichkeitsschwellen‘, die zwischen Gesellschaften, Generationen und innerhalb von Gesellschaften variieren.“ (Treibel 2008: 59).

Dennoch geht Elias davon aus, dass zumindest der Mensch im Mittelalter nicht völlig Herr über sich selbst war und seine Gefühle und Triebe stets so unter Kontrolle hatte, wie es von ihm gewünscht wurde. ÄEr beherrschte seine Leidenschaften weniger; er war stärker von ihnen beherrscht.“ (Elias 1997: 340). Dem gegenüber steht die Zeit des fortschreitenden Mittelalters, das von den arbeitenden Menschen ein weiteres Mal ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Selbstbeherrschung verlangte. Elias unterscheidet diese Zeit und ihre Ansprüche deutlich von der des frühen Mittelalters:

ÄSpäter, wenn die Fließbänder, die durch das Dasein des Einzelnen laufen, länger und differenzierter werden, lernt das Individuum, sich gleichmäßiger zu beherrschen; der einzelne Mensch ist nun weniger der Gefangenen seiner Leidenschaften als zuvor. Aber wie er nun stärker als früher durch seine funktionelle Abhängigkeit von der Tätigkeit einer immer größeren Anzahl Menschen gebunden ist, so ist er auch in seinem Verhalten, in der Chance zur unmittelbaren Befriedigung seiner Neigungen und Triebe unvergleichlich viel beschränkter als früher. Das Leben wird in gewissem Sinne gefahrloser, aber auch affekt- oder lustloser (…) und man schafft sich für das, was im Alltag fehlt (...) einen Ersatz: so beginnt der Adel auf dem Wege der Verhöflichung zu lesen, so sieht der Bürger Gewalttat und Liebesleidenschaften im Film.“ (Elias 1997: 340 f).

1.1.3 Bezug zur Fragestellung

Die von Elias aufgestellte Theorie zur menschlichen Zivilisation kann auch auf das veränder- te Verhältnis zwischen Mensch und Tier angewendet werden. So lässt sich heute in vielen Fällen ein Paradoxon feststellen: Einerseits wird bestimmten Tieren (in der Regel Haustie- ren) eine deutliche Empathie entgegengebracht. Die Zahl der Vegetarier und Veganer ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Eine zunehmende Psychologisierung der Tiere ist zu beobachten. Nicht zuletzt durch immer neue Forschungserkenntnisse ist inzwischen sicher, dass Tiere ebenso Schmerzen und Angst empfinden, wie der Mensch. Andererseits wird auch die Produktion von tierischen Erzeugnissen immer weiter voran getrieben. Mastställe und Schlachthöfe erreichen nie gekannte Kapazitäten. Gerade bei Nutztieren scheint die oben genannte Veränderung im Verhältnis zum Tier nicht feststellbar, eher das Gegenteil ist der Fall. Der moderne Mensch befindet sich hier in einem deutlichen Zwiespalt. Auf diese Doppelmoral soll im dritten Kapitel noch stärker eingegangen werden. Elias‘ Überlegungen zu Selbstzwang und Fremdzwang, die regulierend und disziplinierend wirken, lassen sich auch auf die Haltung von Haustieren anwenden. Das Haustier könnte für den Menschen ein (weiteres) Ventil darstellen, sich von den genannten Zwängen zu befreien und wieder ver- mehrt zu ursprünglichen Wünschen und Verhaltensweisen zurückzukehren.

Darüber hinaus ist der Zivilisationsprozess auch als Individualisierungsprozess zu verstehen. Der einzelne Mensch wird zur Persönlichkeit und sich gleichzeitig diesem Umstand in der Gesellschaft bewusst. Die Zivilisierung bedeutet somit eine wachsende Subjektivierung.

Elias spricht in diesem Zusammenhang vom Ähomo clausus“, dem verschlossenen Men- schen. Das Subjekt erfährt ein starkes Einsamkeitsgefühl als Ergebnis der Individualisierung, die wiederum das Resultat der Zivilisierung ist. Mit der Abgrenzung des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft geht eine allmähliche Vereinsamung des betroffenen Subjektes einher. Auch durch den demografischen Wandel, in dessen Folge eine wachsende Zahl älterer Menschen alleine lebt, begünstigt die Wahl eines Haustieres als neuen Sozialpartner. Das Tier erhält in diesem Zug eine neue Aufgabe und Bedeutung: Es wird zum Gefährten und oftmals alleinigen Begleiter in einem Umfeld, das, nicht zuletzt wegen der gerade im berufli- chen Alltag zunehmend geforderten Flexibilität, kaum noch Beständigkeit bietet. Das Haus- tier wird somit zu einer verlässlichen Konstanten, die dem jeweiligen Besitzer Halt und Si- cherheit vermittelt.

1.1.4 Zwischenfazit und Ausblick

Gleichwohl Elias, wie oben bereits erwähnt, unbestritten zu den Größen in der Soziologie gehört, ist seine Theorie zum Prozess der Zivilisation nicht unkritisch zu sehen. Sein Werk wirft auch einige Fragen auf, nicht zuletzt nach Möglichkeiten der Anwendung und Aktualität, knapp 80 Jahre nach Erscheinen der Theorie. So stellt beispielsweise Kuzmics die Fragen: ÄWie weit stimmt die These vom abendländisch-höfischen Zivilisationsprozess als Kernthese des ‚Prozess‘-Buches, wenn man berücksichtigt, was heute der Stand der Einzeldisziplinen ist? Wie könnte dieses Buch aussehen, wenn es mit dem Wissen der Gegenwart geschrie- ben würde?“ (Blomert/Kuzmics/Treibel 2000: 262). Kuzmics Intention ist es daher, sich ge- zielt mit der Vorgehensweise von Elias und seinen Erkenntnissen vor dem heutigen Stand der Forschung auseinanderzusetzen. Dabei weist er allerdings häufig die Kritik von anderen Wissenschaftlern an Elias Arbeit zurück und zeigt Wege auf, diese zu widerlegen (vgl. Blomert/Kuzmics/Treibel 2000: 266 f). Stattdessen hebt Kuzmics hervor: ÄElias‘ entscheiden- de Pionierleistung in ‚Über den Prozess der Zivilisation‘ und ‚Die höfische Gesellschaft‘ war sicherlich die enge, systematische Verknüpfung zweier ansonsten oft meist disparat bleiben- den Sequenzen: Jener der ‚Zivilisierung‘ als Strukturwandel der Seele, und jener der Formu- lierung von staatlichen Machtzentralen als Strukturwandel einer wesentlichen Komponente der ‚Gesellschaft‘.“ (Blomert/Kuzmics/Treibel 2000: 267).

Festhalten lässt sich an dieser Stelle: Die umfassende Untersuchung von Elias‘ ist auch mehrere Jahrzehnte nach ihrer Erscheinung noch aktuell und auf die heutige Gesellschaft anwendbar. Elias hat in seiner Arbeit den Blick auf die Entwicklung und Struktur derselben ermöglicht und somit aufgezeigt, welche Mechanismen in diesem Rahmen greifen. Seine Ansicht über Selbstzwang und Fremdzwang, die Instrumente zur Selbstdisziplinierung eines jeden Individuums, sind heute aktueller denn je. Kuzmics merkt hierzu jedoch an, dass Elias die Punkte Schuld und Scham weniger ausführlich behandelt hat (vgl. Blomert/Kuzmics/Treibel 2000: 272). ÄDie Bezeichnung Schüchternheit, Verlegenheit, Selbstsicherheit, Gelassenheit, Scham und Stolz stehen für Gefühle, deren soziale Matrix noch um einiges komplexer sein dürfte als selbst Elias angenommen hat. (…) Gehirnphysio- logie, Analysen des Hirnstoffwechsels (…) und kognitive Theorien haben eine Fülle von Be- funden und Einsichten zusammengetragen, die zur Erklärung und Theorie von Scham her- angezogen werden können. Vieles davon - etwa der Aufbau und die Wirkungsweise der Neurotransmitter - war 1936 gänzlich unbekannt.“ (Blomert/Kuzmics/Treibel 2000: 273). Bemerkenswert ist, dass Elias trotz zu diesem Zeitpunkt nichtvorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse auf diesem Gebiet eine nicht zu unterschätzende Leistung vollbracht hat, in- dem er allein anhand seiner Studien die richtigen Schlüsse gezogen hat. Hier wäre also vor dem heutigen Stand der Forschung aus betrachtet eine weiterführende Untersuchung loh- nenswert.

Nicht nur bei Elias werden der Wandel der Gesellschaft und die damit einhergehenden Ver- änderungen deutlich. Auch Gerhard Schulze hat mit seiner Theorie der Erlebnisgesellschaft einige neue Aspekte der Gegenwartskultur herausgearbeitet. Zu Elias lassen sich gewisse Parallelen ziehen. So steht bei Schulze auch die Gefühlskultur im Fokus der veränderten Gesellschaft.

1.2 Gerhard Schulze - Die Erlebnisgesellschaft

Eine deutliche Entfernung vom Pragmatismus hin zu Selbstverwirklichung und Individualisie- rung auf verschiedenen Ebenen: Gerhard Schulze stellt eine zunehmende Veränderung der Bedürfnisse und Ansprüchen an Konsumgüter der Menschen seit dem zweiten Weltkrieg fest. Produkte sollen in erster Linie dem Erlebniswert und Selbstzweck der Konsumenten entsprechen, auf Funktion wird weniger Wert gelegt als vielmehr auf Ästhetik (vgl. Schulze 1996: 13 ff). Dabei scheint die Selbstdarstellung eine große Rolle zu spielen. ÄAll diese Ästhetisierung und Pseudo-Entästhetisierung von Produkten ist Teil eines umfassenden Wandels, der nicht auf den Markt der Güter und Dienstleistungen beschränkt bleibt. Das Le- ben schlechthin ist zum Erlebnisprojekt geworden.“ (ebenda: 13). Der diagnostizierte Wandel ist offenbar ein Produkt der neu entstandenen Wohlstandsgesellschaft, mit ihren verschiede- nen sozialen Milieus. Die nach Schulze verzeichneten Veränderungen in der alltäglichen Lebenswelt sowie der jetzige Stand der Erlebnisgesellschaft werden im Folgenden vor der Fragestellung dieser Thesis vorgestellt und analysiert.

1.2.1 Wandel des Alltagslebens

Schulze sieht den oben genannten Wandel in verschiedenen Punkten im Alltag: ÄAnsteigen des Lebensstandards, Zunahme der Freizeit, Expansion der Bildungsmöglichkeiten, techni- scher Fortschritt, Auflösung starrer biografischer Muster (…)“ (ebenda: 33). Jede Entschei- dung für oder gegen etwas, seien es rationale oder irrationale Gründe, die hier zugrunde liegen, entspringt der Erlebnisorientierung (vgl. ebenda: 40 ff). Sollte man Kinder haben oder nicht, heiraten oder Single bleiben - in diesen Bereichen lässt sich eine Einstellung zum Le- ben an sich erkennen. Inzwischen ist der eigene, individuelle Lebensweg nicht mehr durch Gesellschaft und Elternhaus vorbestimmt, sondern frei wählbar. Ebenso wie Berufs- und Partnerwahl bestimmen aber auch vermeintlich kleinere Entscheidungen das Leben, was wiederum zu Problemen führen kann. Mit der wachsenden Zahl von Möglichkeiten, die das Alltagsleben nun bereit hält, steigt gleichzeitig die Gefahr, Entscheidungen als letztlich trivial erscheinen zu lassen, da sich diese nicht mehr zwangsläufig deutlich auswirken. Schulze nennt hier beispielhaft die Wahl der Kleidung, die letztlich kaum oder gar keine Auswirkun- gen auf das Befinden des Menschen hat (vgl. ebenda: 55). Angesichts dieses Überflusses scheint eine Begrenzung und genauere Differenzierung notwendig. Zu diesem Zweck lässt sich die große Menge an Äästhetischer Wahlmöglichkeiten“ (ebenda: 128) in einem Schema- ta zusammenfassen. Schulze schreibt dazu: ÄMit dem Begriff alltagsästhetischer Schemata ist eine kollektive Kodierung des Erlebens gemeint, ein ästhetisches Programm, das die un- endliche Menge der Möglichkeiten, die Welt zum Gegenstand des Erlebens zu machen, auf eine übersichtliche Zahl von Routinen reduziert.“ (ebenda: 128). Die neuerdings vorhandene Vielfalt wird so in einen Rahmen eingebettet, der gleichzeitig Struktur und Halt gibt.

Schulze stellt weiterhin einen Wandel der Werte und Lebensauffassungen fest. Er unter- scheidet bei letzterem Punkt zwischen Außenorientierung und Innenorientierung. ÄAußenori- entierte Lebensauffassungen zielen primär auf eine Wirklichkeit ab, die sich der Mensch au- ßerhalb seiner selbst vorstellt, innengerichtete Lebensauffassungen verweisen auf das Sub- jekt. (…) Beispiele für außenorientierte Ziele sind Reproduktion der Arbeitskraft, Beschaffung von lebensnotwendigen Ressourcen, Kooperation, Altersvorsorge, Erzielen von Geldein- kommen, Erfüllen einer Lebensaufgabe, Aneignung von Qualifikationen, Fortbewegung.“ (ebenda: 37). Unter Innenorientierung dagegen versteht Schulze die Ziele, die sich ein Mensch setzt und die damit verbundenen Prozesse, präziser ausgedrückt: ÄInnenorientie- rung ist Erlebnisorientierung.“ (ebenda: 38). Nach Schulze ist die Erlebnisorientierung auf das Schöne ausgerichtet. Hier kann es keine einheitliche Definition geben, da es sich dabei um eine subjektive Empfindung handelt. Der Eine empfindet einen Oldtimer als schön, der Andere wiederum einen Sonnenuntergang. Die Möglichkeit, Schönes zu erleben und zu empfinden findet sich somit theoretisch in allen Lebensbereichen und Situationen (vgl. eben- da: 39). Mit diesem Wandel geht eine hohe Individualisierung einher, der sich auch bei den Werten der modernen Gesellschaft bemerkbar macht. Anhand der nachfolgenden Tabelle wird deutlich, wie sehr sich die Werte im Laufe der Zeit gewandelt haben:

Tabelle 1 Veränderung der gesellschaftlichen Werte

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Tabelle auf der Internetseite der Universität Koblenz: http://www.uni- koblenz.de/~instso/albrecht/albrecht_sommer_ss_05/1_6_6_schulze_erlebnisgesellschaft.pdf. Stand: 18.08.2014)

Die Tabelle macht deutlich, wie sehr sich die Prioritäten des Menschen nach Schulze im Laufe der Zeit verändert haben. Heute stehen das individuelle Erlebnis sowie alles, was da- mit verbunden ist, im Fokus des menschlichen Interesses. Ein Konsum aus einer Notwen- digkeit heraus ist dagegen nicht mehr zwingend erforderlich, vielmehr geht es um den Ge- nuss.

1.2.2 Fünf verschiedene soziale Milieus

Nach Schulze lässt sich die Gesellschaft unter Berücksichtigung verschiedener Kategorien (wie Bildung, Alter, Freizeitgestaltung u.a.) in verschiedene Gruppen unterteilen. Schulze unterscheidet hierbei fünf soziale Milieus: Niveaumilieu, Harmoniemilieu, Integrationsmilieu, Selbstverwirklichungsmilieu und Unterhaltungsmilieu. Schulze definiert soziale Milieus als ÄGemeinschaften der Weltdeutung“ (ebenda: 267). Obwohl, oder gerade weil die Individuali- sierung mit der Moderne um ein Vielfaches zugenommen hat, fällt eine Einteilung in diese verschiedenen Milieus recht leicht - sie macht darüber hinaus Sinn. Schulze schreibt dazu: ÄUnterschiedliche Erfahrungshorizonte und auseinanderlaufende Routinen der Verarbeitung wahrgenommener sozialer Wirklichkeit führen dazu, dass es in unserer Gesellschaft mehrere Welten gibt. Gleiche reale Ereignisse, etwa politischer Art, kommen schon unterschiedlich gefiltert und aufbereitet in den verschiedenen Milieus an, um dort in weit auseinanderliegen- den semantischen und normativen Bezugssystemen noch einmal unterschiedlich interpretiert und in Handlungen (oder deren Unterlassung) umgesetzt zu werden (ebenda: 267). Im Fol- genden sollen die einzelnen Milieus kurz vorgestellt werden.

1. Niveaumilieu: Nach Schulze finden sich in diesem Milieu besonders viele Menschen über 40 Jahren, die eine recht hohe Bildung genossen haben. Diese Gruppe ist häu- fig in der Hochkulturszene anzutreffen, zieht klassische Musik anderen Richtungen wie Rock vor. Die Hochkultur gilt gleichzeitig als einziges alltagsästhetisches Sche- ma. Als klassische Berufsgruppen in diesem Milieu nennt Schulze Lehrer, Professo- ren oder Rechtsanwälte. Hier lässt sich eine Nähe zum Bürgertum erkennen (vgl. ebenda: 279 ff).

2. Harmoniemilieu: Im genauen Gegensatz dazu steht das Harmoniemilieu. Schulze verortet hier besonders Menschen über 40 Jahren mit niedrigerer Bildung, denen er ÄNähe zum Trivialschema“ (ebenda: 292) zuschreibt. Im Kontrast zum Niveaumilieu ähnelt dieses Milieu eher der Arbeiterschaft. Wie sich anhand der Bezeichnung bereits vermuten lässt, sieht Schulze hier eine Sehnsucht nach einer sicheren, harmonischen Welt, die das Milieu häufig etwa in Schlagermusik findet und die sich darüber hinaus Äin einer besonders hohen Bereitschaft zur politischen Unterordnung“ (ebenda: 295) niederschlägt (vgl. ebenda: 292 ff).

3. Integrationsmilieu: Hier sind nach Schulze besonders Bürger mit mittlerem Bil- dungsniveau im Alter über 40 Jahren vertreten, die Hochkulturschema und Trivial- schema miteinander verbinden. Insgesamt erscheint dieser Typus eher unauffällig und zeichnet sich vermehrt durch die ÄKombination von Stilelementen anderer Mili- eus“ (ebenda: 301) aus, statt einen eigenen Stil zu kreieren. Nach Schulze finden sich hier hauptsächlich Angestellte und Beamte, die auf unterer oder mittlerer Ebene arbeiten (vgl. ebenda: 301 ff).

4. Selbstverwirklichungsmilieu: Wie kein anderes Milieu präsentiert sich dieses voller Menschen, die flexibel, alternativ eingestellt und freiheitsliebend sind. Eine einheitliche Bildungs- oder Altersstruktur festzustellen, scheint nahezu unmöglich - zu bunt gemischt und individuell ist diese Gruppe. Das spiegelt sich auch im Lebens- und Kleidungsstil wieder. Es gibt keine einheitliche Richtung, erlaubt ist, was dem jeweiligen Subjekt dieser Gruppe gefällt. Als wichtigen Typus dieses Milieus macht Schulze den Studenten aus (vgl. 312 ff).

5. Unterhaltungsmilieu: Eher auffällig als zurückhaltend präsentiert sich die letzte Gruppe der sozialen Milieus nach Schulze. Hier sind jüngere Menschen unter 40 Jahren versammelt, die über eine geringe Bildung verfügen. Auch wenn in der Öffentlichkeit gemeinhin eher still vertreten, fällt diese Gruppe durch getunte Autos und Motorräder auf. Im Unterhaltungsmilieu steht das Erlebnis im Vordergrund, Angepasstheit ist dagegen weniger gefragt (vgl. ebenda: 322 ff).

So unterschiedlich diese Milieus zunächst erscheinen, haben sie doch eine wichtige Sache gemeinsam: Die schier unerschöpflichen Möglichkeiten einer modernen Zeit. Die Wahl der Lebensperspektiven und alles, was darum herum angesiedelt ist, scheinen unbegrenzt. In jedem einzelnen Milieu steht das einzelne Subjekt an erster Stelle, unabhängig davon, wie dies zum Ausdruck gebracht wird.

1.2.3 Bezug zur Fragestellung

Wie Schulze beschreibt, giert der moderne Mensch nach immer neuen Erlebniswerten und Erfahrungen in seinem Alltag. Im Rahmen sich ständig erneuernder Möglichkeiten wächst die Sehnsucht nach einem stetigen Erlebnisfaktor. Dieser könnte sich im Haustier wiederfin- den - insbesondere im Hund. Wie kein anderes Tier ist der Hund dem Menschen zugewandt und Bestandteil dessen Lebenswelt und somit bestens dafür geeignet, neue Erlebnisse zu generieren. Ähnlich wie das Kind für manche Eltern wird das Tier zum Erlebnisfaktor. Abseits der klassischen Definition von Verbrauch, sondern vielmehr im Sinne von Genuss kann das Tier somit als Konsumobjekt betrachtet werden. Es ist damit für seinen jeweiligen Halter gleichzeitig ein Sinnstifter, Genussgenerator sowie ein Erlebnisbringer. Der von Schulze be- schriebene Erlebnismarkt, der sich aus Erlebnisnachfrage und Erlebnisangebot zusammen- setzt, kann anhand vieler Beispiele auch auf Hund und Halter übertragen werden (vgl. eben- da: 421). Unter Erlebnisangeboten beispielsweise versteht Schulze ÄFernsehsendungen, Illustrierte, Volksliederstunde im Rundfunk, Rockkonzerte, Kleider, Pauschalreisen, Schall- platten usw.“ (ebenda: 422). Hält man sich vor diesem Hintergrund mal vor Augen, in wel- chen Lebensbereichen es bereits Angebote für Hunde beziehungsweise ihre Besitzer gibt, liegt der Eindruck nahe, dass es sich bei dem Hund ebenfalls um ein Erlebnis handelt. Man denke nur an die Fernsehsendungen um und über diverse sogenannte ÄHundeflüsterer“, die scheinbar für jeden Problemfall eine Lösung parat haben. ÄHundeprofi“ Martin Rütter geht sogar mit einem eigenen Bühnenprogramm auf Tour. Spezielle Reiseveranstalter für Men- schen mit Hund gibt es längst. ÄErlebnisangebote werden in unserer Gesellschaft von einer unablässig produzierenden Infrastruktur bereitgestellt. Die Dynamik gegenwärtiger Alltagsäs- thetik ist nur aus dem Spannungsverhältnis von ästhetischem Produktionsapparat und Publi- kum zu verstehen, in dem jede Seite die andere beeinflusst. Beide Seiten handeln im Zei- chen einer eigenen Rationalität.“ (ebenda: 423). Schulze gibt darüber hinaus zu bedenken, dass Geld nicht die Hauptrolle beim Erlebnismarkt spielt. Vielmehr geht es um den Wunsch nach einem Erlebnis, der hier im Vordergrund steht. Durch die ständige Nachfrage solcher Erlebnisse wird der Markt für ebensolche erst am Leben erhalten und ständig neu angekur- belt (vgl. ebenda: 422 f). Wo, wenn nicht im Haustierbereich lässt sich dieses Phänomen beobachten?

Der von Schulze geschilderte Wandel an Bedürfnissen und Erfahrungen im Alltag ist auch hier wiederzufinden: Im Gegensatz zur Vergangenheit lässt sich heute eine deutliche Liebe zum Tier feststellen. Weniger der Wert oder Nutzen eines Haustieres steht für den Men- schen im Vordergrund, sondern vielmehr die Art und Weise der Interaktion in einer Bezie- hung zum Tier. Historisch gesehen ist dieser Sachverhalt relativ neu. Für die heutige Großel- terngeneration beispielsweise ist es nur schwer vorstellbar, dass die Haustiere des 21. Jahr- hunderts oftmals eine große Bandbreite an Privilegien genießen. Dazu können umfassende medizinische Versorgung, die Erlaubnis zum Schlafen in Bett oder auf dem Sofa, speziell auf die Bedürfnisse des Tieres ausgerichtetes Futter, individuelle Betreuung und viele weitere Punkte gehören. Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Haltung von Hunden im Zwinger oder an der Kette eine gängige Praxis. Der klassische Hofhund sollte das Hab und Gut sei- ner Besitzer verteidigen und potenzielle Diebe abschrecken. Ins Haus kamen solche Hunde selten bis nie, ihr Platz war vor der Tür. Darüber hinaus war für viele Tiere in dieser Zeit kein direkt für sie produziertes Futter vorgesehen. Sie bekamen Abfälle vom Tisch oder aus dem landwirtschaftlichen Betrieb. Eine gezielte Ernährung und Gesunderhaltung der Haustiere stand wohl kaum im Fokus. Tiere wurden aufgrund bestimmter Funktionen gehalten, die ih- nen von Menschen an gezüchtet oder antrainiert worden waren. Eine Haltung eines Tieres, mit dem Ziel, ein Erlebnis zu generieren, erschien absurd und war bis vor Kurzem kaum vor- stellbar. Genau dieser Punkt scheint es aber zu sein, der im modernen Zusammenleben von Mensch und Hund entscheidend ist: Durch die ÄErlebnisorientierung“ (ebenda: 421) wird das Haustier zum Garant für Abwechslung im Alltag.

1.2.4 Fazit und Ausblick

Schulze beschreibt in seiner Arbeit eine Gesellschaft, die jeden Tag aufs Neue vor Chancen, Herausforderungen und Erlebnissen steht. Ob die von ihm beschriebenen Milieus tatsächlich so pauschal dargestellt werden können, sei dahin gestellt. Angesichts der heutigen Vielsei- tigkeit des Einzelnen, des immer mehr zunehmenden Individualismus, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass nur fünf charakteristische Gruppen bestehen. Vielmehr entsteht der Ein- druck, dass sich zwar bei jedem Subjekt Milieu-spezifische Merkmale feststellen lassen, die- se aber längst nicht ausschlaggebend für eine solche Gruppenzugehörigkeit sein müssen. Interessant wäre es, speziell auf die Haustierhaltung die fünf beschriebenen Milieus zu un- tersuchen und gegebenenfalls Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen. Gibt es Milieus, in denen es besonders viele oder besonders wenige Hunde gibt? Welche Gründe könnte es dafür geben? Dass sich Hunde und andere Heimtiere in allen Milieus finden las- sen, scheint zumindest sicher. Von Schulze abgeleitet lässt sich sagen, dass das Haustier ein Stück Harmonie darstellt und somit zur eigenen kleinen Äheilen“ Welt seines Besitzers beiträgt. Diese Haltung bestätigen auch andere, so zum Beispiel Professor Peter Kunzmann vom Ethikzentrum der Universität Jena (vgl. Interview auf der Internetseite des MDR: http://www.mdr.de/exakt/die-story/hund274.html. Stand: 18.08.2014). Die Sehnsucht nach einem friedvollen Leben im Einklang mit der Natur scheint sich durch alle Milieus hindurch zu ziehen. Der Hund fungiert somit als Bindeglied zwischen den Milieus, deren Abgrenzung untereinander offenbar sehr ernst genommen wird.

Darüber hinaus ist der Hund nicht nur ein einmaliges Erlebnis. Vielmehr garantiert er täglich neue Erlebnisse und Sozialkontakte und somit Abwechslung im Alltag. Der Markt bietet den Haltern eine große Fülle an Möglichkeiten für gemeinsame Unternehmungen oder den schlichten Konsum speziell hergestellter Produkte. Ein besonders auffälliges neues Hals- band, ein witziger Spruch am Geschirr oder ein besonderes Spielzeug lenken die Aufmerk- samkeit auf Hund und Halter. Neben Zeit und Anerkennung ist auch Aufmerksamkeit nach Schulze eine Gegenleistung im Zusammenhang mit dem Erlebnismarkt (vgl. Schulze 1996: 423). Der Hund ist somit zweifellos in denselben eingebettet und trägt davon abgesehen zur Alltagsästhetisierung bei. Schließlich wird der Vierbeiner meist aus reiner Tierliebe gehalten, als Partner für gemeinsame Hobbys, und weniger, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Da- von ausgenommen sind natürlich Diensthunde, die bei der Polizei, Jagd oder in anderen Be- reichen zum Einsatz kommen. Zweifellos lassen sich einige der von Schulze genannten Be- dürfnisse der modernen Zeit auf die Hundehaltung übertragen. Der Mensch wird nicht nur zum Erlebnissucher, sondern vielmehr zum Genuss-, Sinn- und Natursucher, der gesteiger- ten Wert auf Ästhetik und Harmonie legt.

2. Wie der Hund zum Haustier wurde

„Der Wolf ist des Hundes Oheim.“ (Estnisches Sprichwort)

Hunde sind aus dem heutigen Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Ihr Platz in der Mitte der Gesellschaft scheint selbstverständlich und wird von den meisten Menschen akzeptiert. Kaum ein Halter macht sich jedoch noch Gedanken über die Herkunft seines Heimtieres. Es fällt schwer, eine Dogge oder einen Chihuahua - die kleinste Hunderasse der Welt - mit ihrem Urvater in Verbindung zu bringen: dem Wolf. Vom wilden Raubtier bis zum Haustier mit Nutzwert war es ein Weg von mehreren tausend Jahren.

2.1 Vorfahre Wolf

Es kann angenommen werden, dass mittlerweile nicht nur Hundehalter die Abstammungs- geschichte ihres Haustiers kennen. Gemeinhin wird der Wolf als Vorfahre des heutigen Haushundes bezeichnet. ÄIn der Tat sind Hunde Wölfe, zumindest, was ihre DNA betrifft: Der genetische Code von Wölfen und Hunden ist zu 99,96 % identisch. Folgt man dieser Logik, könnte man ebenso gut sagen, dass Wölfe Hunde sind, aber erstaunlicherweise behauptet das niemand.“ (Bradshaw 2013: 22). So eindeutig diese Erkenntnis heute ist, so unklar war die Herkunft des Hundes noch bis vor Kurzem. Die Frage, von welchem Tier der Hund ab- stammt, spaltete über einen längeren Zeitraum die Wissenschaft. Konrad Lorenz etwa äu- ßert in seinem Buch ÄSo kam der Mensch auf den Hund“ die Vermutung, die Vorläufer unse- rer Haushunde könnten Goldschakale gewesen sein (vgl. Lorenz 1998: 10 ff). Ebenso wurde von anderer Seite der Kojote ins Spiel gebracht. (vgl. hierzu auch Herre/Röhrs 1973: 25 ff). Spekulationen und Vermutungen alleine bringen keinen Beweis für die Abstammung des Hundes. Anhand der Untersuchung von DNA und Schädeln versuchen Forscher seit Jahr- zehnten, der genauen Herkunft des Hundes auf die Spur zu kommen. Nicht selten wurde davon ausgegangen, dass der Wolf oder verschiedene Spezies vom Menschen domestiziert wurden (vgl. Mugford 2013: 11). Abschließende Gewissheit über die Abstammung des Hun- des brachten erst DNA-Analysen. ÄDie erste umfassende Sequenzierung der mütterlichen DNA von Hunden, Wölfen, Kojoten und Schakalen, die 1997 veröffentlicht wurde, erbrachte keine Beweise dafür, dass Hunde Vorfahren in einer anderen Spezies haben als in der des Grauwolfs. Keine der zahlreichen, seitdem durchgeführten Untersuchungen konnten dies widerlegen. Allerdings besteht immer noch ein relativ großer Mangel an väterlicher DNA, da diese schwieriger zu analysieren ist. Es ist also immer noch möglich, dass einige Hundety- pen über die väterliche Linie von anderen Kaniden abstammen.“ (Bradshaw 2013: 23).

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr eine genetische Studie von Forschern um den finnischen Biologen Olaf Thalmann. Sie identifizierten die Europäer als erste Hundehalter der Geschichte (vgl. http://www.3sat.de/page/?source=/nano/natwiss/173392/index.html. Stand: 18.08.2014). ÄSie beenden damit die Diskussion um den Ursprung des Hundes, der lange Zeit in Ostasien vermutet wurde. Die Forscher verglichen die DNA moderner Hunde und Wölfe mit jener von prähistorischen Tieren aus verschiedenen Erdteilen. Demnach stammen alle heute lebenden Hunde von europäischen Vorfahren ab. Eine Beziehung zu Wölfen au- ßerhalb Europas sei hingegen nur entfernt vorhanden. Der Wolf wurde also zuerst in Europa zum besten Freund des Menschen.“ (Internetseite von 3sat: http://www.3sat.de/page/?source=/nano/natwiss/173392/index.html. Stand: 18.08.2014).

Eine weitere Sensation aus Sicht der Forscher: In einem Doppelgrab eines Mannes und einer Frau in Oberkassel, das 14.700 Jahre alt ist, wurden auch Hundeknochen gefunden, die genau wie die menschlichen Skelette Zeichen einer rituellen Bestattung tragen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Hund bewusst mit seinen Besitzern beerdigt wurde (vgl. Video und Artikel auf der Internetseite von 3sat: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=39944 / http://www.3sat.de/page/?source= /nano/natwiss/173392/index.html sowie http://www.archaeologie-online.de/magazin/ nachrichten/europaeer-sind-als-erste-auf-den-hund-gekommen-27870/. Stand: 18.08.2014). Der Fund gibt auch Aufschluss über Zeitpunkt und Hintergründe der Domestizierung des Hundes: ÄDemnach begann sie vor etwa 19.000 bis 32.000 Jahren zu einer Zeit, zu der Eu- ropa von Jägern und Sammlern bevölkert war. Vermutlich folgten die Wölfe den jagenden Menschen auf der Suche nach Aas und Nahrungsresten und gaben so den Anstoß zum spä- teren Zusammenleben, so das Team um Thalmann. Es widerspricht damit der bisherigen Annahme, dass die Landwirtschaft Wölfe in die Dörfer lockte und dies zur anschließenden Domestizierung führte.“ (Artikel auf der Internetseite von 3sat: http://www.3sat.de/page/ ?source=/nano/natwiss/173392/index.html. Stand: 18.08.2014).

Trotz der nahen und eindeutigen genetischen Verbundenheit zum Wolf muss der Hund als eigenständige Spezies angesehen werden, die sich heute deutlich von ihrem Vorfahren un- terscheidet. ÄEine genaue vergleichende Untersuchung der Anatomie, besonders des Gebis- ses, des Verhaltens und der Kommunikationsgewohnheiten deckt jedoch große Unterschie- de zwischen Hunden und Wölfen auf. So ist zum Beispiel das Stimmrepertoire des Grauwolfs viel größer als das der Haushunde, wobei Hunde aber insgesamt meist lauter sind als Wölfe.“ (Mugford 2013: 11). Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass sich zwar sowohl in der Anatomie als auch im Verhalten von beiden Spezi- es stellenweise Gemeinsamkeiten finden lassen, die Unterschiede jedoch überwiegen. Der Verhaltensforscher John Bradshaw vergleicht Hunde jedoch nicht nur mit Wölfen, sondern sieht darüber hinaus auch Parallelen zwischen anderen Kaniden: ÄGewiss ist es eine unbe- streitbare Tatsache, dass Hunde viele grundlegende Eigenschaften mit anderen Vertretern der Hundefamilie, den Kaniden, zu denen auch der Wolf gehört, gemeinsam haben. Hunde sind die Nachfahren der Kaniden, und sie verdanken dieser Entwicklung Eigenschaften wie ihre grundlegende Anatomie, ihren feinen Geruchssinn, ihre Begabung zum Apportieren und ihre Fähigkeit, dauerhafte soziale Bindungen einzugehen.“ (Bradshaw 2013: 22). Die heuti- gen Hunde sind somit nicht mit ihren Wolfsvorfahren gleichzusetzen. Um zu werden, wie sie heute sind, mussten sie den Prozess der Domestikation durchlaufen.

2.2 Die Domestikation

Die Geschichte der Domestikation des Hundes ist mittlerweile recht gut erforscht. Wie aber kam es überhaupt dazu? Warum wurde ausgerechnet der Wolf und nicht ein anderes Tier gezielt als Begleiter für den Menschen ausgesucht? Nicht wenige Forscher sind der Auffas- sung, dass die Zähmung des Wolfes erst durch verschiedene Parallelen in der Lebensweise von Mensch und Wildtier zustande kam. Josef H. Reichholf schreibt über den Wolf: ÄSein Sozialleben stimmt ungleich besser mit dem der Menschen überein als bei jedem anderen Tier, die Schimpansen und die übrigen Menschenaffen mit eingeschlossen. Die Welpen hängen in ihrem Überleben nicht allein von der Mutter ab, sondern vom ganzen Rudel. Fleisch ist Kernstück der Wolfsnahrung, wie bei den eiszeitlichen Menschengruppen (außer- halb Afrikas) auch. Nach außen wird die Gruppe gegen andere verteidigt. Intern herrscht eine Sozialordnung. Die Gruppe teilt die Nahrung und jagt zumindest zu Mehreren gemein- sam nach Beute. Man lebt halbnomadisch und ist gut und dauerhaft zu Fuß - all das stimmt zwischen Wölfen und Menschen überein.“ (Reichholf 2009: 18). Diese Gemeinsamkeiten waren nach Ansicht von Reichholf, wie auch von Bradshaw die Voraussetzung für die Do- mestikation von Wölfen. Bradshaw hebt außerdem die ÄFähigkeit des Hundes, eine doppelte Identität anzunehmen - eine teils menschliche und eine teils wölfische (…)“ hervor, die es dem Wolf als Vorfahren der heutigen Hunde erheblich leichter machte, sich dem Menschen dauerhaft anzupassen (Bradshaw 2013: 67).

Reichholf beschreibt darüber hinaus einen weiteren entscheidenden Punkt: Ädie gleichartige Reaktion auf das ‚Kindchenschema‘. Dass Wölfinnen Menschenkinder ‚aufgezogen‘ haben sollen, gehört zu den weit verbreiteten Ursprungsmythen und ist nicht allein auf Romulus und Remus, die Gründer Roms, beschränkt. Umgekehrt sichert die Aufzucht von Wolfswelpen ein monate- bis mehrere Jahre lang andauernd enges Verhältnis zum Menschen (…).“ (ebenda: 18 f). Mit eben dieser Gemeinsamkeit des wirkenden Kindchenschemas, (der Be- griff wurde von Konrad Lorenz entwickelt und geprägt), konnte der Mensch sicherstellen, dass seitens der gezähmten Wölfe keine Gefahr für die in der Familie vorhandenen Kinder bestand. Den Wölfen wiederum fiel es nicht schwer, sich in die neue Gemeinschaft einzufü- gen, kannten sie doch die vorhandenen Strukturen bereits aus ihrer eigenen Rudelzusammensetzung. Die in die Menschengruppen integrierten Wölfe dienten allerdings mitnichten der bloßen Unterhaltung oder des Zeitvertreibs, so wie die heutigen Hunde ihren Besitzern in erster Linie Zerstreuung bringen. Bei Reichholf wird die klare Aufgabenvertei- lung innerhalb der Gemeinschaft, bestehend aus Menschen und Wölfen deutlich. ÄSo lange Menschen als Jäger und Sammler lebten, erfüllten die aufgezogenen, allmählich zum Hund gewordenen Wölfe die Anforderungen an ein gemeinschaftliches Leben mit dem Menschen sicherlich am besten. Als Verwerter der Abfälle hielten sie fremde Wölfe oder Bären fern, erhielten im Gegenzug aber regelmäßig selbst Nahrung von der Beute, die die Menschen machten. Eine für beide Beteiligten vorteilhafte Symbiose kam in Gang.“ (ebenda: 19).

Doch auch eine andere Funktion der ersten zahmen Wölfe soll hier nicht verschwiegen wer- den: ÄEs gibt Knochenfunde, die darauf hinweisen, dass die Tiere zur Jagdbeute der Men- schen gehörten und zur Fleisch- und Fellgewinnung dienten, genau wie andere Wildtiere auch.“ (Schaab 2011: 5). Auch heute noch ist es in einigen asiatischen Ländern üblich, Hun- defleisch zu essen. Hunde werden speziell zur Fleischgewinnung gezüchtet (vgl. Schaab 2011: 6). Ebenso wie Schaab beschreibt Herzog diese frühe Verwendung des Hundes: ÄIn vielen Teilen der Welt haben Menschen Hunde in der Vergangenheit als wandelnde Vorrats- kammer verwendet, die in üppigen Zeiten gefüllt wurde, indem man dem Hund überschüssi- ges Essen gab, um ihn dann zu schlachten, wenn Protein Mangelware war. Die Azteken züchteten eine haarlose Rasse, die ausschließlich zum Verzehr gedacht war, und auch bei vielen Indianerstämmen Nordamerikas war Hundefleisch fester Bestandteil des Speise- plans.“ (Herzog 2012: 202).

Dass die gezähmten Wölfe aber nicht nur ihres Nutzens für den Menschen wegen gehalten wurden, zeigen zahlreiche Funde in der Vergangenheit. So wurden - wie oben bereits er- wähnt - in Gräbern Menschen zusammen mit ihren Hunden gefunden. Diese Funde sind nicht nur so bedeutend, weil sie von der sozialen Bindung zwischen Mensch und Haustier zeugen, sondern auch deshalb, weil sie Indikatoren für die genaue Zeitspanne der Domesti- kation sind. ÄBelege für die früheste bekannte Hundebestattung sind mehr als 14000 Jahre alt. (…) Archäologische Funde belegen, dass von dem oben genannten Zeitpunkt an Hunde- bestattungen immer verbreiteter wurden. (…) Einige Hunde wurden gemeinsam mit Men- schen beigesetzt; für andere gab es spezielle Hundefriedhöfe.“ (Bradshaw 2013: 53 f).

Die Domestikation hat nicht nur die Optik, sondern in gewisser Weise auch Verhalten und Charakter der Hunde verändert. ÄZunächst einmal unterscheiden sich Hunde von Wölfen oder anderen Kaniden dadurch, dass sie sich an ein Leben in der Gemeinschaft von Men- schen angepasst haben - das Ergebnis der Domestikation. Die Domestikation hat die Hunde verändert, und so scheinen sie viele subtile und komplexe Facetten des Wolfsverhaltens abgelegt zu haben. Übrig bleibt ein Tier, das zwar immer noch als Kanide, aber nicht mehr als Wolf erkennbar ist.“ (ebenda: 22 f). In aktuellen Versuchen im Wolfsforschungszentrum nahe Wien mit unter gleichen Bedingungen aufgezogenen und gehaltenen Hunden und Wöl- fen konnten außerdem große Unterschiede beim Lösen von Aufgaben festgestellt werden. Hunde setzen im Gegensatz zum Wolf bei der Bewältigung von Problemen immer auch auf die Hilfe des Menschen und zeigen von Beginn an eine generelle Bereitschaft zur Kooperati- on. Wölfen stattdessen ist diese Einstellung völlig fremd. Durch ihr ursprünglich wildes Leben käme eine Zusammenarbeit mit dem Menschen nicht infrage. Hunde dagegen haben im Lau- fe der Domestikation gelernt, dass Menschen nützlich und hilfreich sein können und machen sich diese Tatsache zunutze (vgl. hierzu http://www.wolfscience.at/de/. Stand: 18.08.2014).

2.3 Zucht

Auf die erfolgreiche Domestizierung des Hundes folgt die gezielte Selektion nach Nutzen und Gebrauch - die ersten Zuchtversuche finden statt. Bereits Römer und Germanen züchteten Hunde nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen und für bestimmte Aufgaben. ÄDeutliche Veränderungen in der Hundehaltung sind dann in der Römischen Kaiserzeit zu erkennen. Diese betreffen vor allem die Hundezucht. Neben mittelgroßen und großen Tieren treten jetzt erstmals auch Zwergformen unter den Hunden auf. Beinah in jeder provinzialrömischen Siedlung in Mittel- und Westeuropa (…) werden kleinwüchsige Hunde mit Widerristhöhen zwischen 20 und 30 cm nachgewiesen.“ (Benecke 1994: 221). Diese kleinen Hunde dienten wohl mehr dem Vergnügen ihrer Halter und hatten darüber hinaus keine besondere Funkti- on. Hierbei könnte es sich um die ersten Gesellschaftshunde gehandelt haben. Auch lässt sich schon zur Römischen Kaiserzeit ein Hang zur Vermenschlichung von Hunden erkennen: so wurden einige der kleinen Tiere auf Bildern festgehalten oder sogar bestattet (vgl. eben- da: 221). ÄDie Germanen hielten hauptsächlich mittelgroße und große Hunde mit Widerrist- höhen zwischen 45 und 67 cm. In der Wuchsform des Schädels ähnelten ihre Hunde (…) rezenten lupoiden Hunderassen, wie etwa dem Deutschen Schäferhund, dem Wolfsspitz oder dem Collie. (…) Die mittelgroßen und großen germanischen Hunde wurden wohl haupt- sächlich zum Hüten und Treiben von Vieh verwendet. Darauf weisen auch Verletzungsspu- ren an den Hundeknochen hin, wie sie in auffällig großer Zahl z.B. an den Schädelfunden aus der Wurtensiedlung Feddersen Wierde (Kr. Wesermünde) festgestellt wurden. (…) Zweifellos wurden Hunde bei den Germanen auch zur Jagd benutzt.“ (ebenda: 222 f).

Mit der Zeit haben sich das Erscheinungsbild und der Einsatz der verschiedenen Rassen stark verändert. In wenigen Jahrzehnten ist zum Beispiel die Optik des Deutschen Schäferhundes deutlich von der ursprünglich gezüchteten Form abgewichen. ÄVon kräftigen, gedrungen gebauten Hunden kam es zu schmaleren schlanken, aber gut bemuskelten Formen mit stark nach hinten gestellten Hinterbeinen. Dadurch machen diese Hunde einen sehr gespannten, angriffslustigen Eindruck.“ (Herre/Röhrs 1973: 83). Der Mensch formte und veränderte nach seinen Vorstellungen Hunde, die sich für spezielle Aufgaben wie die Jagd oder das Hüten von Nutztieren eigneten. Immer mehr spielte dabei auch das Aussehen eine Rolle, was zu einer großen Anzahl von verschiedenen Rassen führte.

ÄDie Mannigfaltigkeit, wie sie bei rezenten Haushunden auftritt, wird von keinem anderen Haustier erreicht. Neben dem bunten Gemisch ‚rasseloser‘ Haushunde in den verschiedenen Regionen der Erde gibt es etwa 150 anerkannte Kulturrassen, deren Zahl auch heute noch ständig zunimmt. Die meisten Kulturrassen sind erst im Laufe der letzten Jahrhunderte entstanden, nur bei wenigen Ras- sen, wie z.B. beim Bernhardiner oder beim Pekinesen, lässt sich die Zuchtgeschichte bis in das Mit- telalter zurückverfolgen. Im Hinblick auf ihre vorrangige Nutzung lassen sich die modernen Hunderas- sen in Arbeits- und Gebrauchshunde, in Jagdhunde und in Begleit- oder Gesellschaftshunde einteilen. Viele Rassehunde werden allerdings nicht mehr entsprechend den ursprünglichen Zuchtzielen einge- setzt, was zur Folge hat, dass Verhaltensbesonderheiten, die den eigentlichen Wert der Rassen aus- machten, gegenüber Exterieurmerkmalen in der Zucht an Bedeutung verlieren.“ (Benecke 1994: 226 f).

Benecke erwähnt hier einen entscheidenden Punkt: Der ursprünglich für spezielle Aufgaben gezüchtete Hund verliert nach und nach ebendiese und muss sich stattdessen auf anderen Gebieten zurechtfinden. Im Alltagsgeschehen ist dieses Phänomen immer wieder gut zu be- obachten: Viele Retrieverarten wie beispielsweise Golden oder Labrador Retriever erfreuen sich als geduldige und umgängliche Familienhunde seit Jahren großer Beliebtheit. In diesem Fall hat sich ein für die Jagd, genauer gesagt für das Apportieren geschossener Wasservö- gel, speziell gezüchteter Hund anscheinend problemlos in seinen neuen Aufgabenbereich als Spielkamerad für Kinder oder allgemeiner Gesellschaftshund eingefügt. Sein ausgegli- chenes und unkompliziertes Wesen machen es dem Retriever in diesem Fall leicht. Aller- dings gibt es auch zahlreiche Beispiele, in denen eine solche Umstrukturierung der Aufgaben nicht gelingt. Vertreter dieser Rassen sind als Resultat zahlreich in verschiedenen Tierhei- men vertreten. Hier sind besonders verschiedene Terrierarten, Schäfer- oder auch Schlitten- hunde zu nennen. Schon die Kategorisierung letzterer lässt kaum einen anderen Schluss zu, als den, dass es sich hierbei mitnichten um reine Familienhunde handelt. ÄZu den Arbeits- und Gebrauchshunden zählen auch die Schlittenhunde, die als Zugtiere vor dem Schlitten einzigartige Arbeit leisten. Wichtige Vertreter dieser Gruppe sind die sibirischen Huskys, die Malamute aus Alaska, die Samojeden-, Grönland- und Eskimohunde.“ (Benecke 1994: 227).

Auch der britische Tierpsychologe Roger Mugford nennt diese Problematik in seinem Buch ÄEinfach Hund“: ÄHeutzutage müssen die meisten Hunde keine Aufgaben wie Rattenfangen, Jagen oder Wagenziehen mehr erledigen. Die vielen verschiedenen Rassen sind oft nichts weiter als ein Modestatement ihrer Besitzer.“ (Mugford 2013: 15). Hier muss noch einmal zwischen den verschiedenen Linien einer Rasse unterschieden werden: Arbeits- und Show- linie. ÄEs gibt auch deutliche Typenunterschiede zwischen den ‚Arbeitslinien‘ und ‚Showli- nien‘ von Labradors, Cocker Spaniels, Border Collies und vielen anderen Rassen. Hunde aus Arbeitslinien können wegen ihres hohen Energieniveaus als Familienhunde sehr an- spruchsvoll sein, während die Showversionen vielleicht manchmal eher dazu neigen, ruhig zu Ihren Füßen zu sitzen oder viel zu schlafen. Border Collies aus Arbeitslinien sind das bes- te Beispiel für dieses Phänomen, denn sie sind darauf programmiert, ständig auf eine Viehherde zu achten und sie zu hüten - was ein Problem sein kann, wenn Sie keine Schafherde besitzen!“ (ebenda: 16). In diesem Fall kann es sein, dass sich der Hund wegen chronischer Unterforderung ein Ersatzverhalten angewöhnt, beispielsweise wird der Hütetrieb dann an den Familienmitgliedern ausgelebt.

Es bleibt festzuhalten: Jagdhunde, Hütehunde oder Schlittenhunde eignen sich nicht für eine Stadtwohnung im dritten Stock. Vertreter dieser Rassen sind und bleiben hochgezüchtete Spezialisten, die eine ihrer ursprünglich zugedachten Aufgabe benötigen. Kann man ihnen dies nicht ermöglichen, leiden diese Hunde. Nicht selten werden sie wegen in diesem Zu- sammenhang ausgebildeten Verhaltensstörungen oder Überforderung der Besitzer in Tier- heime abgegeben.

2.4 Die Schattenseite der gezielten Selektion

Früher war die Zucht von Hunden klar auf die Erhaltung von bestimmten gewünschten Fä- higkeiten ausgelegt. So wurden die Hunde miteinander verpaart, die am besten Haus und Hof bewachten oder besonders erfolgreich bei der Jagd waren. Um Äußerlichkeiten ging es dabei nicht. Im Vordergrund stand einzig und allein der größtmögliche Nutzen für den Men- schen. Das änderte sich mit der Gründung der ersten Rassezuchtvereine. Der American Kennel Club wurde im Jahr 1884 gegründet, wobei der britische Kennel Club als Orientie- rung genutzt wurde. Schnell konnte eine stetig wachsende Anzahl von registrierten Rasse- hunden sowie eine zunehmende Beliebtheit derselben verzeichnet werden (vgl. Herzog 2012: 136). ÄGenau wie in England erlebte auch in den USA die Begeisterung für Rassehun- de einen spektakulären Anstieg. Hundeausstellungen waren anfangs nur ein Zeitvertreib des Landadels, doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfasste die Begeisterung für den Hund auch die wachsende Mittelschicht.“ (ebenda: 136). Parallel dazu kamen auch in Deutschland erste Zuchtversuche zustande. 1863 fand die erste Ausstellung von Rassehun- den statt. Insgesamt 453 Hunde waren in Hamburg zu sehen (vgl. Chronik auf der Internet- seite des VDH: http://www.vdh.de/fileadmin/media/ueber/wir_ueber_uns/vdh_chronik.pdf. Stand: 18.08.2014).

Jeder Zuchthund sollte nach Möglichkeit dem für seine Rasse eigens definierten Standard entsprechen. Hierunter sind bestimmte Merkmale in Aussehen und Wesen zu verstehen. So ist bis heute für jede Rasse genau festgelegt, welche charakterlichen, vor allem aber opti- schen Ausprägungen erwünscht sind und gefördert werden. Das reicht von der exakten An- ordnung von Flecken im Fell bis hin zur Form der Schnauze. ÄDas Streben nach ‚Perfektion‘ in der Rassehundezucht hatte mitunter unglückliche Folgen. Ein einheitliches Aussehen lässt sich nur durch die Paarung miteinander verwandter Tiere erreichen, was mitunter auch Väter und Töchter bedeutete.“ (Mugford 2013: 13). Unter dieser Vorgehensweise, dem gezielten Einkreuzen auch eng verwandter Tiere, also Inzucht, leidet besonders die Gesundheit der einzelnen Exemplare. So kommt es bei bestimmten Rassen zu mittlerweile typischen Er- krankungen, die nicht selten die Behandlung von Tierärzten erfordert. Kritiker dieser Praxis, wie beispielsweise Mugford, sehen dabei spezielle Rassen in Gefahr. So ist unter anderem der Deutsche Schäferhund - nach wie vor die Rasse mit der höchsten Anzahl an Würfen pro Jahr - besonders von Erbkrankheiten wie Hüftgelenksdysplasie, Fehlbildungen an der Wir- belsäule oder Epilepsie betroffen (vgl. ebenda: 14). Ein weiteres Beispiel ist die vermehrt auftretende Taubheit bei Dalmatinern. Die Universität Hannover forscht am Institut für Tier- zucht und Vererbungsforschung unter anderem zu rassespezifischen Erkrankungen. Auch zur Taubheit des Dalmatiners liegen Ergebnisse vor. ÄDer Dalmatiner zeigt von allen Hunde- rassen die höchste Taubheitsinzidenz. Auch hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Pigmentierungsgrad und Taubheit, denn Hunde mit blauen Augen sind häufiger von Taubheit betroffen, während Hunde mit so genannten Platten (Patches) weitaus seltener Hörverluste erleiden. Obwohl eine Erblichkeit beim Dalmatiner nachgewiesen werden konnte, war es bisher nicht möglich ein taubheitsverursachendes Gen zu finden.“ (Internetseite der Tierärzt- lichen Hochschule Hannover: http://www.tiho-hannover.de/de/kliniken- institute/institute/institut-fuer-tierzucht-und- vererbungsforschung/forschung/forschungsprojekte-hund/taubheit-beim-dalmatiner/. Stand: 18.08.2014).

Wie eingeschränkt der Genpool mancher Rassen teilweise ist, wird bei Bradshaw deutlich: ÄGerade einmal eine Handvoll preisgekrönter, beliebter Deckrüden wird dazu auserkoren, Vater der Mehrheit der Welpen zu sein. (…) So werden zum Beispiel in Großbritannien jedes Jahr etwa 8000 neue Golden Retriever registriert, während die Gesamtpopulation der Rasse um die 100.000 Tiere beträgt. Innerhalb der letzten nur sechs Generationen wurde so viel Inzucht betrieben, dass mehr als 90 Prozent der einst für die Rasse typischen Variation ver- loren gingen.“ (Bradshaw 2013: 254). Jedoch sind nicht nur reduzierte Genpools ein Problem der heutigen, vermeintlich modernen Zucht. Auch die starke Veränderung mancher Rassen hinsichtlich ihres äußeren Erscheinungsbildes ist immer häufiger Anlass zur Kritik. So kommt es, dass aus manchen ursprünglich gesunden und robusten Rassen mittlerweile sogenannte Qualzuchten geworden sind. Als Beispiel sind hier der Mops und der Cavalier King Charles Spaniel zu nennen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Vom vierbeinigen Helfer zum Kindersatz? Die Wandlung der Bedeutung des Hundes in der Gesellschaft
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Soziologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
94
Katalognummer
V305844
ISBN (eBook)
9783668043091
ISBN (Buch)
9783668043107
Dateigröße
2159 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hund, Gesellschaft, Wandel, Kultur, Mensch, Soziologie, Zucht, Kind
Arbeit zitieren
Christine Heinz (Autor:in), 2014, Vom vierbeinigen Helfer zum Kindersatz? Die Wandlung der Bedeutung des Hundes in der Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305844

Kommentare

  • Gast am 2.10.2015

    So ist es! Absolut lesenswert!

Blick ins Buch
Titel: Vom vierbeinigen Helfer zum Kindersatz? Die Wandlung der Bedeutung des Hundes   in der Gesellschaft



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