Väter und Vaterschaft. Die Vaterrolle von damals bis heute


Akademische Arbeit, 2004

39 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Rolle des Vaters in der Geschichte
2.1 Vaterschaft Ende 18./ Anfang 19. Jahrhundert – Väter zwischen Idealen und Realität
2.2 Das 19. Jahrhundert – Der Verfall der Vaterschaft?
2.3 Väter im 20. Jahrhundert
2.3.1 Väter um die Wende zum 20. Jahrhundert
2.3.2 Die Abwesenheit der Väter 1945 bis in die 70er
2.3.3 Die neuen Väter

3 Väter heute
3.1 Väter und Vaterschaft
3.1.1 Zur Bestimmung des Vaters eines Kindes
3.1.2 Vaterbilder und Idealbild der Gesellschaft
3.1.2.1 Zur Entstehung von Vaterbilder/ -Ideale in der Gesellschaft?
3.1.2.2 Die Entstehung eines persönlichen Vaterbildes
3.2 Subjektive Vaterschaftskonzepte nach Matzner
3.3 Väter zwischen Beruf und Familie

4 Literaturliste

1 Einleitung

Da in der Forschung der letzten Jahrzehnte die Väter oft vernachlässigt und erst in den letzten Jahren in den Fokus genommen wurden (vgl. Martin 1979: 26), soll es in meiner Arbeit um die Rolle des Vaters im europäischen Raum gehen. Des Öfteren wurden die Väter in diesem Bereich vernachlässigt, aber auch sie haben neben den Müttern ihre Bedeutung in der kindlichen Erziehung und können ihren Beitrag zu einer positiven Entwicklung ihrer Kinder leisten.

Von der Benachteiligung der Frauen in unserer Gesellschaft wurde und wird oft gesprochen. Diese möchte ich keineswegs bestreiten, doch sollten wir nicht vergessen, dass es auch Bereiche gibt, in denen eindeutig die Männer benachteiligt sind. Das Problem der Frauen in der Vereinigung von Familie und Berufstätigkeit ist bekannt, aber gerade diese Problematik ist auch eine der Väter – vielleicht sogar im stärkeren Maße – da die Mehrzahl der Väter berufstätig ist und auch sie für ihre Familie da sein wollen, bzw. sollten. (vgl. Matzner 2004: 116f) Wir müssen den Blick auf beide Seiten richten, da wir sonst eine verfälschte Sicht vorfinden, welche nicht der Realität entspricht.

Die Vaterschaft hat sich bis heute verändert. Väter sind heute nicht mehr die autoritären unnahbaren Überväter, oft wollen sie ihren Kindern auch emotional näher kommen und sich aktiv an ihrer Erziehung beteiligen.

Doch was macht die Väter zu Vätern? Um diese Frage zu beantworten werde ich einen historischen Überblick über die Entwicklung der Väter und der Vaterschaft geben, beginnend mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Ohne den historischen Hintergrund, kann die heutige Situation der Väter nicht gänzlich begriffen werden. Im dritten Kapitel werde ich die heutige Position der Väter, angefangen bei den Situationen der Väter, über Vaterbilder- und Ideale in unserer Gesellschaft, bis zu dem schon erwähnten Problem der Vereinbarung von Beruf und Familie, erläutern und nicht zuletzt durch die subjektiven Vaterschaftskonzepte nach Matzner veranschaulichen, welche Differenzen zwischen den heutigen Vätern existieren.

Wie man an dieser Stelle schon erkennen kann, wird die Mutter ein Thema am Rande dieser Arbeit sein, welches ich nicht vernachlässigen kann und will, da die Rollen der Mutter und des Vaters miteinander verknüpft sind und nur zusammen existieren können. Sie stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und ergänzen sich. (vgl. Parke 1982) Es würde keinen Sinn machen, eine Arbeit über Väter zu schreiben, ohne die Mütter dabei zu berücksichtigen. Der Bezug der beiden Elternteile muss stets beachtet werden: Verändert sich die Mutterrolle passt sich auch die Vaterrolle dieser an und ungekehrt. (vgl. Herlth 2000: 106)

Bevor ich mich der geschichtlichen Entwicklung der Väter widme, möchte noch klarstellen, dass es den Vater von heute nicht gibt. Es existieren viele verschiedene Vatertypen (vgl. Barbaras & Erler 2002: 83), welche sich in einigen Punkten ähneln oder widersprechen. Im Folgenden werde ich dennoch verallgemeinern bzw. von der Mehrzahl der Väter sprechen, um überhaupt ein Bild der heutigen Vatertypen zu bekommen und sie greifbar zu machen. Diese Verallgemeinerung sollte aber ständig im Hinterkopf bleiben.

2 Die Rolle des Vaters in der Geschichte

Auf den folgenden Seiten werde ich einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Vaterrolle und einen Vaterschaft geben.

In der Vergangenheit, sowie auch heute, gab es keine Zeit in der von einer einzigen Form von Vaterschaf gesprochen werden kann. Alleine durch unterschiedliche Ethnizität, Klasse oder Religion entstanden beträchtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Vaterrollen und der Ausübung der Vaterschaft (vgl. Fthenakis 1999: 27).

Über die Vatergestalt in den letzten Jahrhunderten existieren eine Reihe von Quellen, die Vater-Kind-Beziehung wird aber in den meisten Fällen nur indirekt behandelt, trotzdem habe ich versuchen diese soweit möglich darzustellen und einen kurzen Überblick zu schaffen.

2.1 Vaterschaft Ende 18./ Anfang 19. Jahrhundert – Väter zwischen Idealen und Realität

Zum Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Väter die Rolle des traditionellen Ernährers, der für ökonomische Sicherheit zu sorgen hatte und der für den sozialen Status der Familie zuständig war. (vgl. Trepp 1996: 34ff, Herlth 2000: S. 106). Zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften und sozialen Schichten traten aber beträchtliche Unterschiede der Familienstrukturen auf (vgl. Fthenakis 1999). Trepp betont den damals schon existierenden Unterscheid zwischen Vateridealen der Gesellschaft, und der Ausübungen in der Realität. Sie beschreibt den damaligen Vater als autoritär, betont aber, dass er von seinen Kindern nicht nur gefürchtet, sondern auch geliebt wurde (vgl. Trepp 1996: 32). Es ist demnach zwischen den Vorstellungen des sozialen Umfeldes über Väter und der realen Ausübung der Vaterschaft zu unterscheiden, da hier erhebliche Differenzen existieren können.

Bis zum Ende 18. Jahrhunderts war die Vaterrolle durch Nähren, Schützen und Zeigen geprägt, er war das Oberhaupt und der Beschützer der Familie, welche er in der Öffentlichkeit zu vertreten hatte. Seine Kinder waren körperlich und emotional von ihm abhängig und auch die pädagogische Funktion wurde ihm zugeschrieben. (vgl. Lenzen 1991: 255ff)

So war es der Vater, welcher hauptsächlich für die Erziehung der Kinder zuständig war. (vgl. Matzner 2004: 136) Werke über die Erziehung, wie die von Rousseau, wandten sich an die Väter und sprachen ihn als Erzieher an. Der Vater sollte für die Kinder der Lehrer sein, die Mutter hingegen bekam eher die Aufgaben einer Amme zugesprochen (Schütze 1989: 52). Doch diese Aufgabenteilung konnte in einem solch strengen Maße oft nicht in eingehalten werden, so beschreibt Trepp in ihrem Artikel über eine systematische Auswertung von Selbstzeugnissen Hamburger Bürger und Bürgerinnen, wie eine Mutter u. a. ihren Kindern das Zeichnen lehrte. „Damit hatten die Frauen nach Ansicht der Pädagogen ihre Kompetenzen eigentlich schon überschritten; sollte doch der Vater der Lehrer der Jungen und Mädchen sein. Aber diese Dominanz des Vaters war ein bloßer theoretischer Entwurf ohne Aussicht auf Realisierung.“ (Trepp 1996: 43-44)

Auch das Ideal des autoritären, strengen Vaters, der rational und ohne jegliche emotionalen Regungen seine Kinder erzieht, kann von Trepp nicht bestätigt werden. Sie fand verschiedene Fälle, in denen Väter große Anteilnahme während der Schwangerschaft nahmen und direkt nach der Geburt Vaterliebe verspürten. (vgl. ebd.: 33f).

Kindestod, welcher zu dieser Zeit häufiger vorkam, wurde von den Eltern, und auch von Seiten des Vaters, als äußerst schmerzvoll beschrieben. Auch wünschten viele Väter zu ihren kleinen Kindern eine innige Beziehung und kümmerten sich um ihre Babys. Hieraus lässt sich eine gefühlvolle Zuwendung auch von Seiten des Vaters ableiten. (vgl. ebd.: 37f)

Mit der Zeit wurde auch der Frau die Notwendigkeit für die kindliche Erziehung zugestanden, diese stand in der Öffentlichkeit aber deutlich hinter der Bedeutung die dem Vater für die Erziehung seiner Kinder zugemessen wurde.

„Obgleich die Pädagogen des achtzehnten Jahrhunderts anfingen die mütterliche Verantwortung für die psychologische Entwicklung der Kinder Bedeutung zuzumessen, schrieben sie doch dem Vater oder anderen männlichen Autoritätspersonen die Führungsrolle in der Erziehung nach der Säuglingsphase zu, sie sollten sogar schon für Kleinkinder zuständig sein.“ (Taylor 2000: 42)

Laut Trepp waren die Väter Ende des 18. Jahrhunderts oft noch nicht primär berufsorientiert, sie hatten sehr großes Interesse am Familienleben. Doch konnte die Mutter in der Realität mehr Einfluss auf ihre Kinder nehmen, da die Väter viele Verpflichtungen außerhalb der Familie hatten (vgl. Trepp 1996: 42). Hier ist deutlich zu erkennen, dass sich die Erziehungsmaxime von der Praxis absetzen, da die ökonomischen Umstände die Durchführung dieser Ideale nicht zuließen.

Doch ist auch die machtvolle Position der damaligen Väter nicht zu unterschätzen. Für die Erziehung und Sozialisation der Kinder war er von großer Bedeutung, er war schließlich Beschützer und Hausvater. (vgl. Matzner 2004: 154) Diese Form, die über Jahrhunderte hinweg existierte, wich zu dieser Zeit im Bürgertum schließlich einer anderen Entwicklung, welche einen bedeutenden Einfluss auf die heutigen familiären Beziehungen hatte. Es entwickelt sich eine gefühlsbetontere Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Kinder wurden im Bürgertum nicht mehr als Zweck betrachtet, d.h. als nützliche Arbeitskraft gesehen, sondern bekamen eine neue Bedeutung als das Ergebnis der Liebe zwischen den Eheleuten. Die Erziehung der Kinder gewann zunehmend an Bedeutung und die Kinder wurden als Individuum anerkannt, welches gefördert und erzogen werden wollte. Theoretisch war der Adressat der Erziehung noch hauptsächlich der Vater, was durch seine zugeschriebenen Charaktereigenschaften begründet wurde, er sollte sogar bei der Säuglingspflege seine Frau anleiten, da dieser eine alleinverantwortliche Aufziehung nicht zugetraut wurde. In den ersten Jahren sollte eine Art Vorbereitung der Kinder auf die väterliche Erziehung stattfinden. (vgl. Trepp 1996: 31f)

Bei dieser Rollenverteilung in der Erziehung ist es nicht verwunderlich, dass die Erziehung des Vaters hauptsächlich den Söhnen gelten sollte, da diese auf ihre spätere Erziehungsfunktion und Position in der Gesellschaft vorbereitet werden sollten. (vgl. ebd.: 32)

Diese Wende zu einem lockereren und ungezwungeneren Umgang mit den Kindern hat ihren Ursprung in der Industrialisierung, wobei sich in dieser Zeit das Arbeitsleben und der Beruf für die Väter zunehmend in den Mittelpunkt stellten und sich in der Bedeutung über die Familie schoben:

„Jetzt erst begann sich der Mann primär über seinen Beruf zu definieren; die Spielräume der Männer wurden enger und andere männliche Verhaltensmuster erforderlich. Diesen entsprechend demonstrierten die Väter im späteren 19. Jahrhundert emotionale Distanziertheit, Ernsthaftigkeit und Strenge. Während die Väter um 1800 einen ganz zentralen Platz in der Familie einnahmen und den Kindern ungezwungene Emotionalität vorlebten bzw. wie selbstverständlich in die emotionalen Beziehungen mit eingeschlossen waren, traten sie im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr und mehr in die Peripherie, bis sie als strenge, unnahbare Autoritäten im Hintergrund der Familie standen. Auch sie hatten natürliche Gefühle, aber sie zeigten sie nicht; gefühlvoll waren die Mütter, aber nicht die Väter und Männer – das hatte Folgen, bis heute.“ (Trepp 1996: 45)

Durch die Industrialisierung kam auch ein Umschwung in der Erziehung zustande. Die Mutter wurde immer bedeutender, da der Vater seinen Beruf außerhalb der Familie ausübte und weniger präsent war. Durch diese Trennung von Betrieb und Familie erlangten die Mütter allmählich die Verantwortung für das Kindeswohl. (vgl. Schütze 1989: 53) Die Frau erhielt ihre Zuständigkeit für die Erziehung der Kinder und den Haushalt, der Vater hingegen war in der Erziehung oftmals nur noch symbolisch vertreten. (vgl. Herlth 2000: 106)

Die Frauen waren zwar durch ihre Bindung an das häusliche Umfeld in ihrer Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit benachteiligt, aber auch die Väter hatten einen Nachteil: Die emotionale Wärme, Zärtlichkeit und Bindung der Kinder wurde fast ausschließlich an die Mutter gewendet. (vgl. Schütze 1989: 53).

Fthenakis beschreibt diesen Umschwung in der Familie, zumindest treffend aus der Sicht der Mütter und Kinder, als ein Wandel von einer „Produktionsgemeinschaft innerhalb einer umfassenden Gemeinde“ zu einem „geschützten Garten von Liebe und Fürsorge in einer ungastlichen Welt“. (ebd. 1999: 19)

2.2 Das 19. Jahrhundert – Der Verfall der Vaterschaft?

Gerade über die Vaterschaft im 19. Jahrhundert gibt es sehr differenzierte Ansichten. Die eine Seite sieht in diesem Jahrhundert den Beginn des nicht mehr aufhaltbaren Verfalls der Vaterschaft, die andere Seite verbindet diese Veränderungen auch mit Vorteilen für die ganze familiäre Entwicklung.

Die Geschichte sei eine Verfallsgeschichte der Vaterschaft und die Väter steckten heute in einer tiefen Krise - so beschreibt Lenzen (1991) die Entwicklungen in den letzten Jahrhunderten. Zum Ende des 19. Jahrhunderts fand, so Lenzen, im Bildungsbürgertum eine Entwicklung zur intimisierten Privat-Familie statt, welche dem Vater nur noch für die Alimentation und Allokation in der Familie zuständig machte, ihm kam, wenn überhaupt, nur noch die Rolle des strengen, autoritären Erziehers zu. Die Mutter hingegen war für interne Organisation der Familie zuständig und ihr galt ausschließlich die liebevolle Zuwendung von und mit ihren Kindern. (vgl. ebd.: 200).

In der Schicht der Großbauern und des Landadels hingegen, lebten nach Lenzen noch verschiedene Generationen in einem Haus, im Prinzip war es hier jedem möglich jeden zu erziehen, es fand noch keine so zugespitzte Rollenverteilung statt.

In den Familien der kleinen Bauern und der Handwerker waren die Kinder nicht besonders in eine Familie, wie wir sie heute kennen, eingebunden, sie waren eher vergleichbar mit einer Last, die es zu ernähren galt. Erst wenn die Kinder in einem arbeitsfähigen Alter waren, welches sie für heutige Verhältnisse recht früh erreicht hatten, waren sie für die Eltern – als Arbeitskraft – nützlich. (vgl. ebd.: 201f)

Auch wenn die Industrialisierung zuerst nur in einigen Schichten ihre Auswirkungen hatte, wurden die restlichen Schichten nur etwas später beeinflusst. So wurde die Familie, und somit auch die Erziehung, verstaatlicht. (vgl. ebd.: 205) Die Zerstörung des Vaterkonzepts hat laut Lenzen demnach im 19. Jahrhundert begonnen und fand im 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Der Vater hatte zuvor eine viel größere Bedeutung, er war Anführer der Familie und stand über der wirtschaftlichen Einheit Familie. Dieser Entwertungsprozess wurde nicht zuletzt durch die Einführung von Aufbewahrungsanstalten für die Kinder, mit der Begründung die Kinder vor einem Verziehen zu schützen, angetrieben. Hierin sieht Lenzen die versteckte Absicht die Väter der Kinder gleich mit zu erziehen. Eine Abwertung der Vaterrolle fand auch dadurch statt, dass in den Aufbewahrungsanstalten, eine Art Erziehungsersatz, ausschließlich von Frauen erzogen wurde. (vgl. ebd.: 207f) Die väterliche Funktion wurde also, zunächst teilweise, auf andere Träger übertragen. Diese Verschiebung hat die Funktionen des Vaters qualitativ abgewertet. Diese Entwicklung ging bis ins 20. Jahrhundert, bis, nach Auffassung Lenzens, die ursprüngliche Väterlichkeit endgültig verloren ging. (vgl. ebd.: 252)

Auch Barbaras und Erler beschreiben die Zunahme von Institutionen für die Kindererziehung. Sie sehen diese aber nicht mit einem Verlust diese Aufgaben für den Vater verbunden, sondern bringen diese Entwicklung in Zusammenhang mit der Emotionalisierung der familiären Erziehung und den familiären Beziehungen.

„Jedoch ist die Funktionsauslagerung an spezialisierte Erziehungsinstitutionen lediglich die Kompensation eines Teils des gestiegenen Aufwandes, den moderne im Vergleich zu traditionellen Eltern in die Erziehung ihrer Kinder investieren. Erziehung und Bildung werden im Zuge des gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses und der Ausdifferenzierung immer weiterer gesellschaftlicher spezialisierter Teilbereiche zunehmend wichtiger. Damit verzeichnen die Familien aber einen enormen Bedeutungsanstieg ihrer Erziehungsleistungen, die die Vorbereitung der Kinder auf die sie erwartenden weiterführenden Ausbildungsinstitutionen gewährleisten muss. Die skizzierten Differenzierungsprozesse haben dazu geführt, dass sich die moderne Familie in einem bisher unbekannten Ausmaß auf persönlich-emotionales Zusammenleben spezialisiert hat.“ (Barbaras & Erler 2002: 53)

Lenzen hingegen sieht auch die Schule, bzw. die dort unterrichtenden Lehrer, als ein Elternersatz, der durch seine autoritären Umgangsformen hauptsächlich den Vater ersetzte. Es wurden neue Konkurrenten für die Rolle des Vaters geschaffen. „Der Vater, insbesondere der Vater des proletarischen Teils der Bevölkerung, verliert im 19. Jahrhundert seine wichtigste Erziehungsfunktion an staatliche, hoch organisierte Institutionen mit totalitärem Charakter.“ (Lenzen 1991: 211f) Somit konnte der Staat eine beträchtliche Autorität gegenüber den Kindern und deren Eltern gewinnen. (vgl. ebd.: 210)

Lenzen beklagt auch, dass die Sozialpädagogik sich in dieser Zeit durch den Staat kontrollieren ließ und somit zu dessen Instrument wurde. Dies äußerte sich durch Zwangserziehung und Besserungsanstalten. „Pädagogische Institutionen und Gefängnis sind enge Verwandte.“ (ebd.: 211)

Erst die Abgabe der Vaterfunktionen an die Mutter und die Schule, machten das Konzept der angeblich natürlichen Mutterliebe möglich, welches heute von vielen Seiten unhinterfragt als biologisch gegeben angesehen wird. (vgl. ebd.: 212)

Auch Matzner beschreibt die Trennung der Arbeitsstätte vom familiären Umfeld durch die Industrialisierung. Er sieht die Entwicklung der Vaterrolle nicht ganz so drastisch wie Lenzen. Der arbeitende Vater befand sich hauptsächlich im außerhäuslichsten Bereich, er hatte aber, trotz der häufigen Abwesenheit, immer noch Autorität und wurde als Oberhaupt und Vater der Familie akzeptiert. (vgl. Matzner 2004)

Das von Matzner aufgeworfene Bild des Vaters als sozialen Zufall und biologische Notwendigkeit, d. h. die Mutter fungiert als Erzieherin durch die materielle Unterstützung des Vaters, welcher nur im indirekten Kontakt mit den Kindern steht, wird von Parke hingegen als Klischee bezeichnet. Dieses Bild hat seiner Auffassung nie in solch einem extremen Maße existiert. (vgl. Parke 1982: 9)

Wie deutlich zu erkennen ist, sind sich die Wissenschaftler über die Auswirkungen der Verlagerung der Arbeitsstätte nicht völlig einig. Sie bestätigen jedoch alle, dass die Vaterrolle einen entscheidenden Wandel erlebt hat und die Erziehung sich vom Vater entfernt hat. Über die Tragik dieser Entwicklung hingegen bestehen sehr differenzierte Auffassungen.

2.3 Väter im 20. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert hat sich die Entwicklung der Vaterschaft beträchtlich beschleunigt, aus diesem Grund habe ich dieses Jahrhundert in zwei Abschnitte eingeteilt. (vgl. Lenzen: 219)

2.3.1 Väter um die Wende zum 20. Jahrhundert

In der ersten Hälft des 20. Jahrhundert fand eine eher dürftige Forschung zur Vater-Kind-Beziehung statt. (vgl. Matzner 2004: 145) Aus diesem Grund beschäftige ich mich in den folgenden Abschnitten mit der Veränderung der Vaterrolle zu dieser Zeit.

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Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Väter und Vaterschaft. Die Vaterrolle von damals bis heute
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1.0
Autor
Jahr
2004
Seiten
39
Katalognummer
V308329
ISBN (eBook)
9783668087224
ISBN (Buch)
9783668133273
Dateigröße
700 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
väter, vaterschaft, vaterrolle
Arbeit zitieren
Laura Trümper (Autor:in), 2004, Väter und Vaterschaft. Die Vaterrolle von damals bis heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308329

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