Vom Markt zum Netzwerk? Die Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die deutsche Musikindustrie

Eine transaktionskostentheoretische Analyse


Masterarbeit, 2013

87 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Das organisationale Feld zur Abbildung einer Branche
2.1.1 Die Struktur eines organisationalen Feldes
2.1.2 Die Merkmale organisationaler Felder
2.1.3 Die Definition der Branche im Zusammenhang mit dem organisationalen Feld
2.1.4 Kritik am Konzept des organisationalen Feldes
2.2 Die Transaktionskostentheorie
2.2.1 Die Verhaltensannahmen der Akteure und Merkmale von Transaktionen
2.2.2 Der Einfluss der Transaktionskostentheorie auf strategische Entscheidungen
2.2.3 Kritik am Konzept der Transaktionskostentheorie
2.3 Die Verknüpfung der Transaktionskostentheorie mit dem organisationalen Feld

3. Die deutsche Musikindustrie
3.1 Die digitale Revolution
3.2 Die Anwendung des organisationalen Feldes zur Abbildung der deutschen Musikindustrie
3.3 Die großen Drei der deutschen Musikindustrie
3.4 Strategische Entscheidungen durch die digitale Revolution

4. Der Wandel durch das digitale Zeitalter - eine transaktionskostentheoretische Analyse der deutschen Musikindustrie
4.1 Auswirkungen strategischer Entscheidungen der deutschen Musikindustrie
4.2 Ergebnisse

5. Schlussbetrachtung
5.1 Ausblick
5.2 Kritische Würdigung

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

8. Verpflichtungserklärung für wissenschaftliches Arbeiten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Nominale und reale Veränderung des Umsatzvolumens

Tabelle 2: Relevante WZ für die deutsche Musikindustrie

Tabelle 3: Verknüpfung der Akteure und WZ-Klassifizierungen durch WZ-2008-Kodes

Tabelle 4: Bereiche vertikaler Integration eines Major-Labels

Tabelle 5: Veränderung der Unternehmensstruktur bei UMEG

Tabelle 6: Veränderung der Unternehmensstruktur bei Sony Music Entertainment

Tabelle 7: Veränderung der Unternehmensstruktur bei Warner Music Germany

Tabelle 8: Veränderungen des organisationalen Feldes der deutschen Musikindustrie

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das organisationale Feld nach DiMaggio und Powell

Abbildung 2: Der organisatorische Rahmen des Versagens des Transaktionskostenansatzes

Abbildung 3: Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten

Abbildung 4: Umsatzentwicklung der deutschen Musikindustrie

Abbildung 5: Das idealtypische organisationale Feld der Musikindustrie.

Abbildung 6: Prozess der Verarbeitung eines Schocks

Abbildung 7: Das organisationale Feld der deutschen Musikindustrie im Jahr 2000

Abbildung 8: Das organisationale Feld der deutschen Musikindustrie im Jahr 2012

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Musik und Medien sind mittlerweile fester Bestandteil der Kommunikationswissenschaft (vgl. Weinacht/Scherer 2008, S. 7). Nicht nur im Radio auf dem Weg zur Arbeit, im Kaufhaus oder im Fernsehen wird man mit Musik konfrontiert, sondern ganz besonders auf den Straßen, der U-Bahn oder im Bus fällt der Blick auf Menschen jeder Altersgruppe, welche offensichtlich mit Musik aus ihren Kopfhörern ihrem Alltag ein wenig Abwechslung verschaffen. Musik ist überall. Jugendliche vermitteln durch so genannte „Likes“ auf Facebook ihre musikalischen Vorlieben, Spotify „postet“ automatisch auf den Profilseiten sozialer Netzwerke, was der konsumierende User gerade gehört hat, und schlägt anhand des Hörverhaltens weitere ähnli- che Interpreten vor. Darüber hinaus besteht der Nutzen gemeinsamer virtueller Netzwerke, wie Dropbox1, beispielsweise darin, jede Art von Dateien, auch Musik, beliebig auszutau- schen. Die digitale Revolution hat auch die Musikindustrie vollkommen erfasst.

Seitdem es durch mp3-Player, iPhones, Spotify und andere portable Medienträger und - vermittler möglich ist, scheinbar endlos viele Titel und Interpreten jederzeit bei sich zu haben und konsumieren zu können, steht die Musikindustrie vor einer großen Herausforderung. Die- se äußert sich darin, der Veränderung des Konsumentenverhaltens durch den Einfluss von Downloads, egal ob legal oder illegal, und den im Vergleich zu traditionellem CD-Kauf güns- tigeren Alternativen entgegenzutreten. Insbesondere Downloads spielen für die Musikindust- rie eine enorme ökonomische Rolle. Waren 2003 gerade einmal eine Million Titel weltweit verfügbar, sind es 2012 bereits 30 Millionen (vgl. International Federation of the Phonogra- phic Industry 2013, S. 6f.)2. Geradezu apokalyptische Züge über den Untergang der Musikin- dustrie werden durch das Aufzeigen vergangener Statements aus der Industrie in dem Artikel auf Zeit Online von Fichter (2013) zur Zeit der starken Umsatzrückgänge Anfang der 2000er dargelegt (vgl. Fichter 2013, S. 1). Dieser Wandel verändert die Branche dahingehend, das Internet zukünftig als primären Vertriebskanal akzeptieren zu müssen. Auch der Bundesver- band Musikindustrie musste diesem Umstand Rechnung tragen, gesteht sich selbst Fehler ein und formuliert in seinem Jahresbericht 2009: „Zugegeben, die Musikindustrie war nicht an vorderster Front, als es galt, die Möglichkeiten dieses neuen Mediums für sich zu erschließen. Bei aller berechtigten Kritik hat sich die Branche nach zögerlichen Anfängen schnell auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt“ (Bundesverband Musikindustrie e.V. 2010, S. 2). Doch was genau ist mit veränderten Rahmenbedingungen gemeint und wie hat sich die Branche darauf eingestellt?

In dieser Arbeit sollen die Veränderung der deutschen Musikindustrie durch das neue Medi- um digitale Musik und ihre Verbreitung durch das Internet untersucht werden. Die Analyse der Untersuchung setzt sich methodisch zur Abbildung der Branche aus dem organisationalen Feld nach DiMaggio und Powell (1983) und analytisch aus der Transaktionskostentheorie (TAK) zur Erklärung der Veränderung zwischen Markt, Netzwerk und Hierarchie zusammen. Untersucht wird insbesondere, wie sich die Labels der Veränderung der Konsumentenwün- sche angepasst haben und welche strategischen Entscheidungen bezüglich der netzwerktheo- retischen Perspektive aus der TAK getroffen wurden. Die zu analysierenden Forschungsfra- gen lauten: „Wurde durch die digitale Revolution die Branche verändert - und wenn ja, wie?“, „Welche strategischen Entscheidungen wurden von den Major-Labels bezüglich der Kompetenzentwicklung der digitalen Distribution getroffen?“, „Hat die digitale Revolution den physischen Distributionsmarkt abgelöst?“ und vor allem „Bewegt sich die zu untersu- chende Industrie in einem Markt oder Netzwerk - und wenn ja, seit wann und warum?“.

Ziel dieser Arbeit ist es, die deutsche Musikindustrie zu zwei verschiedenen Zeitpunkten ab- zubilden sowie deren Veränderung seit dem Bestehen von digitalen Medien in Form von Mp3 aufzuzeigen. Des Weiteren soll durch eine transaktionskostentheoretische Analyse herausge- stellt werden, wie die fokalen Organisationgruppen, repräsentiert durch die drei großen Ma- jor-Labels Universal Music Group, die Warner Music Group und durch Sony Music Enter- tainment Germany GmbH, im Raum zwischen Markt, Netzwerk und Hierarchie auf diese Veränderung reagiert haben. Vorhandene Lösungsansätze für diese Problematik wurden nur wenig in der vorliegenden Literatur diskutiert, mit anderen Instrumenten der Analyse betrach- tet oder mit statischen Modellen der Abbildung des Problems veranschaulicht. Diese Arbeit geht einen anderen Weg und gliedert die drei Komponenten Theorie, Methode sowie die vor- liegenden Daten in vier Teile der Problemdarstellung und Analyse:

Der erste Teil setzt sich mit den theoretischen Grundlagen zum Verständnis der Arbeit ausei- nander. Dazu wird im Folgenden das organisationale Feld nach DiMaggio und Powell (1983) als Instrument zur Abbildung einer Branche vorgestellt und die Transaktionskostentheorie in ihren Verhaltensannahmen, ihren Merkmalen und ihrem Einfluss auf strategische Entschei- dungen erklärt. Der zweite Teil lenkt den Fokus auf die deutsche Musikindustrie. Der Schwerpunkt liegt dabei darauf, den deutschen Musikmarkt durch die Abbildung der Branche von heute abzugrenzen, sowie auf einem Referenzzeitpunkt zur Darlegung des Wandels durch die digitale Revolution und deren Hauptakteure. In diesem Abschnitt wird zudem definiert, was genau in dieser Arbeit unter einer digitalen Revolution zu verstehen ist und auf welcher Grundlage ein Referenzzeitpunkt zur Abbildung der Veränderung einer Branche zustande kommt. Der dritte Teil wird erläutern, welche strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Hauptakteure getroffen wurden, um den Herausforderungen der Veränderung der deutschen Musikindustrie gerecht zu werden und um ein nachhaltiges Bestehen am veränderten Markt zu garantieren. Im vierten und letzten Teil dieser Arbeit wird eine Schlussbetrachtung aus den Ergebnissen der Analyse erfolgen. Außerdem soll durch die Analyse und die Interpretation der Ergebnisse ein weiterer Ausblick auf zukünftige Forschungen gegeben und die Arbeit kritisch gewürdigt werden.

Im Allgemeinen wird herausgestellt, wie sich die deutsche Musikindustrie mit Hauptaugen- merk auf die großen Drei mit der digitalen Veränderung der Umwelt auseinandergesetzt hat und wie diese Akteure ihre strategischen Entscheidungen zur Bewältigung von Umsatzein- brüchen durch rückläufige CD Verkäufe bewältigt haben. Untersucht wird dabei dieselbe In- haltsanalyse zu zwei verschiedenen Zeitpunkten. Diese Arbeit stützt sich im Zuge dessen vor allem auf Sekundärliteratur. Insbesondere Informationen aus Recherchen über das Internet spielen aufgrund der Schnelllebigkeit des sich rasant verändernden Themenfeldes eine äußerst wichtige Rolle. Doch auch Fachliteratur, wissenschaftliche Arbeiten und Artikel, speziell vom Bundesverband Musikindustrie e.V. und ähnlichen Verbänden, finden in dieser Arbeit Beach- tung.

2. Theoretische Grundlagen

Im Folgenden werden die für diese Arbeit relevanten theoretischen Grundlagen erläutert. Die Arbeit stützt sich in ihrer theoretischen Konstruktion, wie bereits unter Kapitel 1 erwähnt, im ersten Teil auf zwei aufeinander aufbauende theoretische Fundamente. Als Erstes wird in diesem Abschnitt dargelegt, wie eine Branche durch das organisationale Feld von DiMaggio und Powell (1983) abgebildet werden kann. Dazu werden sowohl die Struktur als auch die Merkmale der Einflussfaktoren des organisationalen Feldes näher beleuchtet, um im Zusammenhang mit diesem eine Branche definieren und abbilden zu können. Im Anschluss an die Definition wird das Konzept des organisationalen Feldes kritisch betrachtet. Das zweite theoretische Fundament bildet das Analyseinstrument in Form der Transaktionskostentheorie. Auch diese Theorie wird, nachdem die Annahmen dargelegt wurden und der Einfluss auf strategische Entscheidungen erfasst wurde, eine kritisch gewürdigt.

2.1 Das organisationale Feld zur Abbildung einer Branche

Das organisationale Feld nach DiMaggio und Powell (1983) wird in dieser Arbeit für die Ab- bildung einer Branche herangezogen. Porter beschreibt die Branche als eine Gruppe von pro- duktproduzierenden Firmen, welche ähnliche Substitute herstellen wie zum Beispiel ein Au- tomobil (vgl. Porter 1980, S. 5). Diese Definition ist sehr weit gefasst und geht einzig und allein auf die Ähnlichkeit der produzierten Ware ein, jedoch nicht auf die Betrachtung umlie- gender oder vor- bzw. nachgelagerter Wertschöpfungsstufen aus einer Vernetzung. Diesem Umstand wird Porter (2008) selbst, fast 30 Jahre später, gerecht und beschreibt die Bran- chendefinition dahingehend, dass jede Definition im Grunde eine Entscheidung darüber ist, „wo die Grenzen zwischen herkömmlichen Konkurrenten und Herstellern von Ersatzproduk- ten, zwischen etablierten Unternehmen und potenziellen neuen Konkurrenten sowie zwischen den Wettbewerbern der Branche, ihren Lieferanten und Abnehmern gezogen werden sollte“ (Porter 2008, S. 69). An dieser Stelle ist anzumerken, dass Porter die Branche aus Sicht der Darstellung einer Organisation definiert. Um eine Branche aus der Perspektive eines Feldes zu beschreiben, kann diese Definition zwar richtungsweisend, aber nicht als endgültig be- trachtet werden, da eine interorganisationale Komponente fehlt. Das Gabler Wirtschaftslexi- kon definiert dahingehend eine Branche als „Sammelbezeichnung für Unternehmen, die weit- gehend substituierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellen“ (Gabler 2010, S. 520).

Gesucht wird also ein fähiges Instrument zur Abbildung einer Sammlung von Unternehmen. Eine Branchenstrukturanalyse nach Porter oder ähnliche theoretische Konstruktionen sind für diese Analyse aufgrund von Problematiken mit der Transaktionskostentheorie nicht zweck- mäßig. Die Transaktionskostentheorie untersucht in erster Linie dyadische Beziehungen, wäh- rend die Branchenstrukturanalyse nach Porter auf die aus der Branchenstruktur bekannten fünf Dimensionen eingeht, nicht aber auf interorganisationale Beziehungen. Eine letzte er- kannte Unvereinbarkeit ergibt sich daraus, dass strukturelle Netzwerkanalytiker oder Ma- nagementforscher eher konventionell isolierte Akteure und Konkurrenten, die ähnliche Dienstleistungen oder Produkte in ähnlichen Geschäftsbereichen produzieren, betrachten und nicht ein wechselseitiges Verhalten von Organisationen innerhalb einer Branche (vgl. Winde- ler 2010, S. 220). Diese Argumentation bildet die Grundlage für die Wahl des organisationa- len Feldes, da eine Branche nicht vom Inneren einer Unternehmung heraus betrachtet wird, sondern andersherum. Das organisationale Feld spiegelt nicht die Gesellschaft, einzelne Ebe- nen oder Produkte aus dem Blickwinkel einer einzelnen Organisation wider, sondern Gruppen von Organisationen, welche in einem gemeinsamen System aufeinander bezogenem Handeln und institutionellen Regeln ausgesetzt sind. (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 148).

2.1.1 Die Struktur eines organisationalen Feldes

Das aus der Organisationssoziologie bekannte Konzept des „organisationalen Feldes“ nach DiMaggio und Powell (1983) eignet sich dazu, um eine schwer abgrenzbare Branche abbilden zu können. Es ist als flexibles Instrument zur Abbildung von nur unscharf zu bestimmenden Branchen wie zum Beispiel einer Medienbranche zu sehen (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 60f.), was insbesondere durch die Vermeidung der Vermengung von Industrie und Markt her- vorsticht. So wird sich ganz klar von den Annahmen distanziert, dass Waren ausschließlich für Märkte produziert werden, eine Internationalisierung gleichbedeutend mit einem Eintritt in einen ausländischen Markt ist und sich das Verhalten von Organisationen allein durch Konkurrenzdruck auf den Märkten erklärt (vgl. Windeler 2010, S. 220). Die moderne Organi- sationstheorie unterstellt eine vielfältige Welt mit einem differenzierten Set von Organisatio- nen und versucht zunehmend, die Variationen der Organisationen im Wechselspiel zwischen Umwelt und Verhalten zu erklären (vgl. Anderson 2010, S. 2ff.). Das organisationale Feld wird als das in seiner Gesamtheit anerkannte Feld institutionellen Lebens beschrieben, wel- ches folgende vier Akteursgruppen, eingeteilt in die Kernelemente Schlüssellieferanten, Res- sourcen- und Produktkonsumenten und Regulierungsbehörden, impliziert. Unter die vierte Gruppe fallen andere Organisationen, die ähnliche Dienstleistungen und Produkte beinhalten (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 148). Das bedeutet, dass sich ein Set von Organisationen in die einzelnen durch eine Kategorisierung der Tätigkeiten umrissenen Gruppen innerhalb der Umwelt aufteilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das organisationale Feld nach DiMaggio und Powell

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: DiMaggio/Powell 1983, S. 148.

In Abbildung 1 ist das durch seine Gesamtheit anerkannte Feld institutionellen Lebens durch einen äußeren Ring dargestellt. Das Innere ist in die vier von DiMaggio und Powell (1983) unterteilten Akteursgruppierungen aufgeteilt, die das organisationale Feld ausfüllen. Der Vor- teil des organisationalen Feldes liegt darin, dass die Aufmerksamkeit nicht auf konkurrierende Organisationen gerichtet wird, sondern vor allem auf die Gesamtheit aller relevanten Akteure (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 148). Außerdem ermöglicht eine Neutralität gegenüber der Annahme, dass alle Organisationen innerhalb des Feldes Beziehungen zueinander pflegen müssen, die Chance, ohne Vorentscheidungen, wie das Feld abgegrenzt werden muss, eine Branche abzubilden (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 60). Es bleibt also frei in der Entschei- dung des Nutzers, ob durch ein organisationales Feld eine Branche, eine Region oder ein Teilbereich eines Wirtschaftszweiges (WZ) abgebildet wird. Ausschlaggebend in der freien Entscheidung des Nutzes zur Eingrenzung der beteiligten Akteure ist, dass es eine soziale Struktur zwischen den beteiligten Akteuren gibt, also dass sich die Organisationen überhaupt gegenseitig als Beteiligte einer gemeinsamen Umwelt wahrnehmen (vgl. Koch 2009, S. 124). Einflussfaktoren, die das Feld prägend verändern und die zur gegenseitigen Wahrnehmung der Akteure führen, liefern, neben DiMaggio und Powell (1983) selbst, zusätzlich auch eine Studie von Leblebici et al. (1991), die aufgrund einer guten Operationalisierung herangezogen wird, sowie ergänzende Überlegungen durch Windeler (2010).

Windeler (2010) erklärt, „will man die Konstitution organisationaler Felder verstehen und erklären, so ist es hilfreich […] die Koordination der Interaktionen und Beziehungen zwi- schen Feldakteuren und die Einbettung eines organisationalen Felds in Geflechte organisatio- naler Felder“ (Windeler 2010, S. 222) zu betrachten. Die Ergänzung um die Betrachtung der Governanceformen, die die Feldakteure nutzen, um sowohl Aktivitäten als auch Beziehungen miteinander im Feld abzustimmen, und der sozialen Einbettung organisationaler Felder, wel- che dazu genutzt werden, um Verknüpfungen sozialer Praktiken zu konstituieren, prägen grundlegend die Möglichkeiten, Bedingungen und dadurch das realisierbare Handeln der Feldakteure innerhalb eines organisationalen Feldes. So lässt sich konstatieren, dass sich das Feld eine eigene Umwelt schafft, während sich die Organisationen dieser Umwelt fügen, in- dem sie sich zunehmend aufeinander beziehen. Der Strukturierungsprozess eines organisatio- nalen Feldes besteht aus vier Aspekten: aus der Zunahme der Interaktionen zwischen den Or- ganisationen im Feld, aus der Herausbildung von Hierarchien, wer die größte oder kleinste Unternehmung ist, und Koalitionen. Darüber hinaus lassen sich eine erhöhte Informationslast im Feld und die Herausbildung des Bewusstseins über das Set von Organisationen, die einem Feld angehören, anführen (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 149f.). Somit stehen sowohl die strukturelle Äquivalenz als auch die Bedeutsamkeit der Verbundenheit im Fokus. Verbunden- heit stellt die Existenz von Transaktionskosten dar. Diese Transaktionen enthalten Vertrags- beziehungen oder eine informale Verbindung auf Organisationsebene zum Beispiel durch den Austausch von Mitarbeitern (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 60).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das organisationale Feld frei abgrenzen lässt, sofern die Struktur und die Akteure darin analytisch herausgearbeitet wurden und in einem Kontext einer sozialen Struktur zusammengefasst werden. Nachdem die Funktionsweise des organisationalen Feldes dargestellt wurde, werden im folgenden Abschnitt die veränderbaren Einflussfaktoren als Merkmale organisationaler Felder untersucht.

2.1.2 Die Merkmale organisationaler Felder

Um die Analyse in einen theoretischen Rahmen setzen zu können, werden an dieser Stelle die Einflussfaktoren, nämlich das Set von Organisationen, die Technologie, die Regulierung, die Praktiken (einschließlich institutioneller Praktiken), die Governancemechanismen und die Organisation eines unternehmensübergreifenden Feldes im Kontext gegenseitiger sozialer Einbettung, definiert. Die Einflussfaktoren sind sowohl Bedingungen als auch Möglichkeiten des Handelns der im Feld agierenden Akteure und wurden von DiMaggio und Powell (1983), in der Studie von Leblebici et al. (1991) und Windeler (2010) wie folgt erklärt:

1. Set von Organisationen

In der institutionellen Forschung umfasst ein organisationales Feld interorganisatorische Ak- teure und ihre Aktionen (vgl. DiMaggio und Powell 1983, S. 148). Das so genannte „Set von Organisationen“ impliziert daher alle Akteure, welche sich an dem zu skizzierenden Feld be- teiligen. Neben privatwirtschaftlich organisierten Organisationen sind staatliche Akteure, Be- rufsverbände und Aufsichtsbehörden ebenfalls relevant. Die Organisationen interagieren di- rekt durch den Austausch oder indirekt durch den Wettbewerb im organisationalen Feld. In dieser Tradition wird ein unternehmensübergreifendes Feld definiert als die historisch- spezifischen Praktiken und durch das Netzwerk transaktionsproduzierenden, kulturellen und historischen Akteuren und ihre Handlungen (vgl. Leblebici et al. 1991, S. 338). Durch diese Definition lassen sich sowohl ein historisches als auch gegenwärtiges Muster des organisatio- nalen Feldes und dessen Transaktionen zwischen Konsumenten, Netzwerken, Regulierungs- behörden, sonstigen Organisationen und anderen Akteuren unterstützender Dienstleistungen abbilden. Das Set von Organisationen beschreibt somit zusammen mit ihren Beziehungen zu anderen Organisationen, die entscheidend für ihr Funktionieren und Überleben sind, die Ak- teure (vgl. Scott et al. 2000, S. 10). Zur Analyse wird die Umgebung primär aus der Perspek- tive einer fokalen Organisationsgruppe betrachtet, wobei der Fokus dabei darauf liegt, wie die fokale Organisationsgruppe durch die Umwelt wahrgenommen wird, wie ihre Beziehungen zu anderen Organisationen ihre Struktur und Leistung beeinflussen und wie diese Beziehungen strategisch genutzt werden. Die strategische Nutzung erklären Scott et al. (2000) auf zwei möglichen Wegen: Der erste Weg über die Kontingenztheorie, welche vorschlägt, dass die erfolgreichsten Organisationen oder Organisationsgruppen, die durch ihre Führungsposition eher in der Lage sind, ihre Strukturen der Umgebung gemäß anzupassen und dadurch die Umgebung aktiv mit formen, ist für diese Arbeit nicht weiter relevant (vgl. Scott et al. 2000, S. 10; Windeler 2010, S. 234). Der andere mögliche Weg, strategische Beziehungen zu kon- trollieren, wird mit den Transaktionskosten argumentiert, wodurch Organisationen ihre Struk- turen entwerfen, um die Kosten der Verhandlung und Durchsetzung von Verträgen zwischen den Teilnehmern zu minimieren und um dadurch zu entscheiden, wie eine strategische Bezie- hung zueinander geformt wird (vgl. Scott et al. 2000, S. 10; Williamson 1975, S. 26f.). Beide Ansätze beruhen auf der Annahme, dass organisatorische Teilnehmer durch weitgehend ratio- nales Verhalten ihre Beziehungen zueinander aktiv gestalten. So lässt sich daraus folgern, dass Aktivitäten bzw. Verhaltensweisen so konzipiert sind, um die gesetzten Ziele mit mini- malen Kosten zu erreichen.

2. Technologien

Technologie wird im weitesten Sinne konzipiert und bezieht sich auf jene Werkzeuge, Wis- sen, Methoden und Fähigkeiten, mit denen Akteure in einem Feld für den Aufbau und die Aufrechterhaltung ihrer Transaktionen ausgestattet werden (vgl. Leblebici et al. 1991, S. 338). Technologie ist kumulativ und erweitert die möglichen Aktionen der Teilnehmer. Diese Er- weiterung ermöglicht eine Vielfalt von Praktiken in einem Feld. Das Hinzufügen einer neuen Fähigkeit, Wissen oder Werkzeuge bedeutet in diesem Fall, nicht vorhandene zu eliminieren. Obwohl Routinen aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden können, wenn neue Genera- tionen sie nicht lernen, bleiben alte Technologien so gut wie möglich vorhanden, sofern die Alternativen nicht zur Diskussion stehen.

3. Regelungen

Regelungen, im Speziellen Akteursrechte und -pflichten in Beziehungen, schränken die po- tentiellen Transaktionen im Feld ein. Ein wesentliches Interesse liegt hier in der Art und Wei- se, wie Eigentumsrechte eingesetzt werden, um die Beziehungen zwischen Akteuren und Ob- jekten zu definieren und zu schützen (vgl. Leblebici et al. 1991, S. 338f.). Eigentumsrechte prägen die soziale und wirtschaftliche Praxis dadurch, dass sie die Verwendung der Fähigkei- ten und Möglichkeiten der Akteure beschränken. Als solche bestimmen Regelungen und Vor- schriften nicht selbstständig die Verhaltensmuster in der Praxis, aber indirekt durch die Vergabe von Rechten für die Verwendung vorhandener Fähigkeiten. Getroffene Regelungen müssen dabei einem Regelsystem entsprechen. So heißt es, dass Regelungen als Institutionen dazu beitragen, „die Entstehung und den Wandel von Institutionen begreifbar zu machen“ (Wilkesmann 2009, S. 128). Das dauerhafte Regelsystem, nach dem sich der Einflussfaktor der Regelungen richtet, ermöglicht soziales Handeln, beschränkt es zeitgleich jedoch auch (vgl. Hasse/Krücken 2005, S. 15).

4. Praktiken

Als Praktiken werden die Handlungen und Vorgehensweisen von Akteuren innerhalb eines unternehmensübergreifenden Feldes bezeichnet. Darunter werden auch der Austausch von Praktiken der Finanzierung, der Produktion, des Verkaufs sowie die Auswahl geeigneter Kooperationspartner verstanden. Theoretisch werden Praktiken freiwillig übernommen, da Praktiken, die andere vollziehen, für den einzelnen Akteur auch anders funktionieren können. Zu jedem Zeitpunkt können die Teilnehmer anders handeln, entweder durch die Wahl alternativer Maßnahmen oder durch die Option, gar nicht zu handeln. Institutionelle Praktiken sind im Wesentlichen rationalisierte Standardverfahren und geben die am häufigsten ausgewählte Alternative von Praktiken wieder (vgl. Leblebici et al. 1991, S. 339). Durch die Umsetzung der Standardverfahren gewinnen Praktiken durch ihre Anwendung materielle, rechtliche und formale Rationalität, was zur Entstehung von Legitimität führt.

5. Governancemechanismen

Unter Governancemechanismen werden Vertrauen, Reziprozität, Kooperationen oder auch Verlässlichkeit verstanden (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 74). Sie sind essentielle Grundbau- steine zur Entstehung eines Netzwerkes und ein wichtiger, auch durch Leblebici et al. (1991) aufgezeigter Faktor bei der Betrachtung des organisationalen Feldes. Durch Governanceme- chanismen werden Interaktionen und Beziehungen zwischen den Feldakteuren koordiniert. Diese Mechanismen determinieren folglich das „Wie“ der Handlungen und Beziehungen, einmal in der Form der Abstimmung von Aktivitäten und Prozessen innerhalb des Feldes und einmal zur Koordination innerhalb des Sets von Organisationen (vgl. Windeler 2010, S. 222). Unter dem „Wie“ versteht sich beispielsweise die Vergabe von Aufträgen an externe Dienst- leister. Durch Governancemechanismen entsteht die Voraussetzung dazu, ein Projektnetzwerk zwischen Auftraggeber und externen Dienstleistern zu bilden. Es wird davon ausgegangen, dass diese Dienstleister den Auftrag auf unterschiedliche Art und Weise absolvieren und dass neu gewonnene Erkenntnisse über Koordinationsform und Herstellungsprozess zur Ausgestal- tung der Kooperation jedes Mal mit einfließen (vgl. Windeler 2010, S. 223). Die Koordina- tionsformen, die zu betrachten sind, sind marktliche, organisatorische und Netzwerkformen, Organisationale Felder und Netzwerke agieren beide durch soziale Praktiken wie Verlässlich- keit, Vertrauen und Reziprozität und sind als in Symbiose existierende Systeme zu verstehen (vgl. Windeler/Sydow 2001, S. 1342). Netzwerke wirken nicht nur durch ihr Beziehungsge- flecht indirekt auf die an der Güter- oder Dienstleistungsproduktion beteiligten Akteure, son- dern haben auch die Funktion der Reziprozität inne, wodurch beide Systeme das Handeln und die Konstruktion des Feldes beeinflussen.

6. Soziale Einbettung organisationaler Felder

Die soziale Einbettung des organisationalen Feldes in hierarchisch höhere oder fremde orga- nisationale Felder erfolgt durch Netzwerkbildung, Wissenstransfer oder aufgrund des in ei- nem organisationalen Feld zusammengesetzten Sets von Organisationen (vgl. Windeler 2010, S. 227f.). Ein höheres organisationales Feld lässt sich durch folgende Kausalität veranschauli- chen: Das organisationale Feld einer Unternehmung ist eingebettet in das organisationale Feld der Branche, welches eingebettet ist in das organisationale Feld einer Wirtschaft und so wei- ter. Die Hierarchie folgt in diesem Sinne nicht einer bestimmenden Überordnung, sondern lediglich einer übergeordneten Zusammenfassung einzelner Felder. Eine soziale Einbettung kann aber auch den Zusammenhang mit fremden organisationalen Feldern bedeuten. Dabei nutzen die Feldakteure, welche in zwei verschiedene organisationale Felder eingebettet sein können, diesen Vorteil zur Generierung von Wissen und durch einen höheren Grad der Ver- flechtung mit verschiedenen Akteuren unter anderem als Ressource für ihre Aktivitäten in ihrem Hauptfeld (vgl. Windeler 2010, S. 228). Gründe dafür finden sich unter anderem in der Globalisierung der Märkte und in den mehrfach in verschiedenen Branchen nutzbaren Pro- dukt- und Dienstleistungsangeboten. Begünstigt wird eine Einbettung des organisationalen Feldes durch fünf Faktoren, wenn (das Folgende nach Windeler 2010, S. 229):

a) … die in einem organisationalen Feld agierenden Akteure durch ihre Produkt- o- der Dienstleistung in mehreren Feldern aktiv sind.
b) … sich die in unterschiedlichen Feldern verwendeten Technologien gleichen.
c) … die Regelungen ähnlich sind.
d) … die sozialen Praktiken gleich verstanden werden.
e) … verschiedene Felder vereint aktiv als strategische Ressource genutzt werden.

Bevor ein Akteur eine Verknüpfung von zwei oder mehreren organisationalen Feldern anstre- ben kann, sind nicht nur kulturelle, sondern auch formale Fragen zu klären. Dazu zählen bei- spielsweise das Mittel zur Kommunikation, das Verständnis über die Strukturierung des zu verknüpfenden Feldes oder auch das Maß der Regelungen. Einen relativ ressourcenschonen- den Weg der Verknüpfung von zwei oder mehreren Feldern bietet die Bildung von Allianzen und Netzwerken mit Partnern, welche Wissensdefizite vor Ort überwinden können (vgl. Win- deler 2010, S. 229f.; Sydow/Duschek 2011, S. 61f.). Insbesondere in Feldern komplexer Be- ziehungen bietet sich durch die soziale Einbettung organisationaler Felder ein hoher Nutzen für die ausübenden Akteure.

Anhand dieser sechs Einflussfaktoren verändert sich ein organisationales Feld. Eine Beson- derheit bei einer Veränderung des organisationalen Feldes lässt sich durch die Anpassung der verschiedenen Akteure demonstrieren. So ist zu erkennen, dass sich Organisationen aus einem Feld bei der Formierung und der Veränderung des Feldes zunehmend ähneln (vgl. DiMag- gio/Powell 1983, S. 147f.). Um diesen Angleichungsprozess erfassen zu können, beschreiben DiMaggio und Powell (1983) ihr theoretisches Konzept des institutionellen Isomorphismus. Die vier dargelegten Akteursgruppierungen greifen als eine Art Mechanismus ineinander und sorgen dafür, dass sich die beteiligten Organisationen zusehends angleichen. Daher leitet sich auch der Begriff der Isomorphie ab, der als Angleichungsprozess verschiedener Organisatio- nen skizziert wird, die den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind (vgl. DiMag- gio/Powell 1983, S. 149). Eine Veränderung der Umwelt hat immer eine Angleichung der in dem Feld agierenden Akteure zur Folge, wodurch sich wieder die Umwelt verändert. Organi- sationen versuchen, sich der Veränderung der Umwelt ständig anzupassen, was in einer Ver- ringerung der Vielfalt in einem organisationalen resultiert (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 150). So können Organisationen stets versuchen, sich zu verändern, was aber durch den Iso- morphismus ab einem bestimmten Punkt während der Strukturierung eines organisationalen Feldes im Endergebnis individueller Veränderung zu einer Verringerung der Vielfalt führt (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 60f.). Der Grad der Homogenisierung hängt folglich vom Grad der Institutionalisierung ab.

Der institutionelle Isomorphismus erklärt strukturellen Wandel von Organisationen durch Homogenisierungsprozesse in einem durch die Veränderung dargestellten Wandel, welcher auf die Anpassung an die institutionelle Umwelt im Hinblick auf das Legitimationsparadigma zurückzuführen ist. Er resultiert jedoch nicht der Anpassung an die technische Umwelt im Hinblick auf gesteigerte Effizienz oder zunehmenden Wettbewerb (vgl. DiMaggio/Powell 1983, S. 153). Diese Homogenisierungsprozesse in einem organisationalen Feld entstehen durch eben ein oder das Zusammenspiel mehrerer der folgenden Mechanismen institutioneller Isomorphie (vgl. Hasse/Krücken 2005, S. 24f.). Die drei Mechanismen werden untergliedert in die erzwungene Isomorphie, ausgehend von politischen Einflüssen und Problemen der Le- gitimität, die mimetische Isomorphie, die als Reaktion auf Unsicherheit zu verstehen ist, und die normative Isomorphie, welche aus Standardisierung und aus Professionalisierungsprozes- sen hervorgeht (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 63).

Die erzwungene Isomorphie ist eine Folge formalen und informellen Drucks, welcher aus Aspekten der Legitimation aus der Gesellschaft heraus entstehen kann oder auch als Antwort staatlicher Anordnung oder technologischen Fortschritts gedeutet werden kann (vgl. DiMag- gio/Powell 2009, S. 64). Die mimetische Isomorphie bezieht sich auf Prozesse der Nachah- mung und erklärt sich durch das Bestreben der Reduktion von Ungewissheit als treibende Kraft (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 66). Dieser Mechanismus ist weniger als direkter Zwang und vielmehr als eine kostengünstige und praktikable Lösung zur Bewältigung von Problemen, welche aus unklaren und ungewissen Tatbeständen entstehen, zu verstehen. Or- ganisationen orientieren sich an der Organisation mit der best-practise innerhalb des organisa- tionalen Feldes, unabhängig davon, ob sich die als Vorbild dienende Organisation überhaupt im Klaren darüber ist, kopiert zu werden oder nicht, da sie als zweckmäßige, kostengünstige und nützliche Quelle fungiert (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 66).

Der letzte Ausgangspunkt isomorpher Veränderungen ist normativer Natur und geht haupt- sächlich von Professionalisierungsprozessen aus. Unter Professionalisierung wird das ge- meinsame Bestreben einer Berufsgruppe oder Branche verstanden, welche die Bedingungen und Methoden ihrer Tätigkeit selbst definiert, sowohl die Produktion kontrollieren als auch die Etablierung ihrer beruflichen Autonomie legitimieren zu können (vgl. Larson, 1977, S. 49ff.). Das Problem dieser Legitimierung sehen DiMaggio und Powell (2009) in dem Konflikt zwischen Professionsangehörigen und der Auseinandersetzung mit nicht-professionellen oder fachfremden Akteuren. Daher wächst im Bereich der Professionen in den letzten Jahren ins- besondere die Anzahl organisationsgebundener Professionsangehöriger im Bereich Manage- ment und spezialisierter Arbeitskräfte vor allem bei den großen Organisationen eines organi- sationalen Feldes (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 69). Eine Teilfrage dieser Arbeit befasst sich mit den strategisch getroffenen Entscheidungen. Eine daraus ableitbare Untersuchungs- möglichkeit bietet sich durch die transaktionskostentheoretische Betrachtung der Kompe- tenzerweiterung und Spezialisierung. Der Professionalisierung dienen dazu zwei Quellen: Die erste Quelle ergibt sich durch die kognitive Basis durch Fachleute aus dem Hochschulbereich und die zweite Quelle entsteht aus dem Wachstum und der Erarbeitung beruflicher und orga- nisationaler Netzwerke (vgl. DiMaggio/Powell 1991, S. 71). Für diese Arbeit ist die erste Quelle, die das Management interorganisationaler Organisationen betrifft,aufgrund der Frage- stellung jedoch nicht weiter relevant, soll aber aufgrund der Wichtigkeit für andere Untersu- chungen nicht ungenannt bleiben. Der Isomorphismus beschreibt dahingehend eine Reziprozi- tät zwischen sich verändernder Umwelt und umweltverändernder Angleichung der Akteure (vgl. Schelling 1978, S. 14).

2.1.3 Die Definition der Branche im Zusammenhang mit dem organisationalen Feld

Bezugnehmend auf den Anfang von Kapitel 2.1 und die bisherige Erörterung des organisationalen Feldes werden in diesem Kapitel die bisher dargelegten theoretischen Grundlagen zu einer Definition einer Branche miteinander verknüpft. Die Abgrenzung einer Branche, so wird es durch Porter (2008) und Gabler (2010) bestätigt, ist je nach Blickwinkel der Betrachtung frei zu wählen. Diese Arbeit zieht zur Abbildung einer Branche das organisationale Feld nach DiMaggio und Powell (1983) heran. Um eine für diese Arbeit gültige Definition zu bilden, werden daher die Gemeinsamkeiten der Definitionen von Porter (2008) und Gabler (2010) herausgestellt und mit dem organisationalen Feld verknüpft.

Die Gemeinsamkeiten beider Definitionen liegen in der Substituierbarkeit der Produkte oder Dienstleistungen und in der Bezeichnung einer Gruppe oder auch eines Sets von Akteuren. Letzteres erfüllt das organisationale Feld, da hierbei zur Abbildung alle Akteure eines ge- meinsamen Erstellungsprozesses umfasst werden. Dies widerspricht jedoch in Teilen der An- nahme, dass unter eine Branche nur Akteure zu subsumieren sind, die weitgehend substituier- bare Produkte oder Dienstleistungen erstellen. Zur Abbildung der Branche durch das organi- sationale Feld gehört der komplett produktbezogene Bereich von Akteuren und externen Akt- euren aus öffentlich und privatwirtschaftlich organisierter Struktur, wobei der Fokus entgegen der beiden Definitionen nicht ausschließlich auf Unternehmen liegt, sondern auf gänzlich al- len miteinander verbundenen Akteuren. Es wird eben nicht vom Inneren einer Unternehmung heraus auf eine abgegrenzte Branche, sondern außerhalb einer Branche ins Innere der Akteure geblickt (vgl. Kapitel 2.1). Daraufhin wurde erklärt, wie sich die Struktur des organisationalen Feldes zusammensetzt und welchen Einflussfaktoren diese Struktur ausgesetzt ist. Aus diesen Erkenntnissen bildet sich für diese Arbeit eine aufeinander aufbauende Möglichkeit, eine De- finition wiederzugeben, die sich wie folgt in vier Teile strukturiert.

Der erste Teil der Definition beschreibt den durch das organisationale Feld determinierten Betrachtungsverlauf von außerhalb einer Branche auf die Akteure im Inneren. Der zweite Teil wird sich damit beschäftigen, die Konstruktion des gemeinsamen Schaffensprozesses bzw. des gemeinsamen Nenners des Feldes wiederzugeben, um eine Branche zu spezifizieren und von anderen abgrenzbar zu machen. Es wird unterstellt, dass die Akteure nicht durch die Er- stellung weitgehend substituierbarer Produkte, sondern durch ein mehr oder weniger gemein- schaftlich genutztes Feld des kompletten Produkt-, Ressourcen- und Regulierungsprozesses sowie durch die Lieferantenbeziehungen miteinander verbunden sind. Der dritte Teil dieser Definition wird sich mit den Einflussfaktoren auf das organisationale Feld auseinandersetzen. Die Einflussfaktoren werden als Präambel institutionellen Handelns und institutioneller Limi- tation verstanden. Daraufhin wird unter dem vierten und letzten Teil der Definition einer Branche im Zusammenhang mit dem organisationalen Feld die Wirkung dieser Präambel durch die drei isomorphistischen Zwänge wiedergegeben. Aus diesen Erkenntnissen der Be- trachtung des organisationalen Feldes heraus lautet die für diese Arbeit gültige Definition:

„Eine Branche ist die Zusammenfassung aller Akteure, die in einem als Gesamtheit dargestellten organisational zueinander stehenden, verbunden durch ein reziprokes Verhalten zwischen Produkt- und Ressourcenkonsument, Schlüssellieferanten, Regulierungsbehörden und Organisation ähnlich und/oder substituierbarer Produkte determinierten Feld agieren, welches sich durch Regeln institutionellen Handelns, institutioneller Limitation und durch den Zwang der Angleichung formt und/oder verändert“ (eigene Definition).

2.1.4 Kritik am Konzept des organisationalen Feldes

Das Konzept des organisationalen Feldes umfasst in erster Linie die Umwelt in Form der Er- fassung aller Organisationen dieser (vgl. Koch 2009, S. 124). Ziel des Konzeptes ist es, kom- plexe Zwischenbeziehungen aller an einer bestimmten Umwelt beteiligten Akteure in alle Richtungen für eine Analyse erfassen zu können. Welche Bedingungen dafür bestehen, einen Akteur in das organisationale Feld einzuordnen, erklärt Koch (2009) dadurch, dass sich Orga- nisationen gegenseitig wahrnehmen bzw. in einem sozialen Kontext zueinander erkennbar sein müssen. Was nicht erklärt wurde, ist, wie über die Zugehörigkeit eines Akteurs entschie- den wird, wenn ein offensichtlich wichtiger Akteur von einen oder mehreren Akteuren als Knotenpunkt in einem organisationalen Feld wahrgenommen wird, jedoch selbst den einen oder mehrere Akteure nicht wahrnimmt. Dazu liefert die Literatur keinen eindeutigen An- haltspunkt zur Problemlösung bzw. erklärt auch nicht explizit, was unter einer gegenseitigen Wahrnehmung verstanden wird oder wie eine Wahrnehmung gemessen werden kann.

Ein weiterer Kritikpunkt am Konzept ist die sehr weit gefasste Option der freien Eingrenzung der Akteure und des Feldes an sich. Sowohl regionale, internationale oder leistungsbezogene Eingrenzungen sind möglich. Eben diese freie Wahl ohne exakte Angaben zur klaren Abgren- zung wird in der Literatur als zu unterkomplex empfunden (vgl. Koch 2009, S. 127). Genau an dieser Stelle sieht die Arbeit noch weitere Möglichkeiten zur klareren Abgrenzung, ohne im Widerspruch zum Grundgedanken des Konzeptes, der Erklärung der Struktur und der Ver- änderung eines Feldes, zu stehen. Eine sich permanent verändernde Struktur und der Wegfall oder die Hinzunahme von Akteuren in einem Feld verändert die Dynamik und die relationalen Beziehungen der Akteure zueinander. Dadurch erschwert das Konzept, einen Vergleich zu zwei verschiedenen Zeitpunkten anzustellen, dadurch, dass nicht eindeutig in der Literatur beschrieben wird, wie neu entstandene oder sich veränderte Beziehungen in Abhängigkeit zu den anderen Akteuren wirken.

Seit den ersten Beiträgen zum neo-institutionalistischen Konzept des organisationalen Feldes in den 1980er-Jahren bis heute sind 30 Jahre vergangen, die eine ständige nicht zuletzt durch DiMaggio und Powell selbst, sondern auch durch Scott, konzeptionelle Erweiterung des Kon- zeptes hervorbrachten. Es kann nicht von dem einen Konzept des organisationalen Feldes gesprochen werden, sondern es müssen explizit der zeitliche Rahmen sowie die eingebrachten konzeptionellen Erweiterungen einer Untersuchung mit betrachtet werden. Beispielsweise in welchem Kontext man welche Erweiterung, wie beispielsweise die von Leblebici et al. (1991), einsetzt, damit keine Missverständnisse im Umgang mit dem Konzept entstehen.

2.2 Die Transaktionskostentheorie

In einem Feld, in dem Organisationen miteinander agieren und wirtschaftliche Beziehungen eingehen, sind Transaktionskosten zur Wahl der Organisationsform ausschlaggebend (vgl. Scott et al. 2000, S. 10; Williamson 1975, S. 26f.). Durch den Strukturierungsprozess eines organisationalen Feldes treten Interaktionen, die Herausbildung einer Hierarchie sowie Koali- tionen zwischen den im Feld beteiligten Akteuren in den Vordergrund (vgl. DiMaggio/Powell 2009, S. 60). Um zu untersuchen, wie sich die Steuerung und Gestaltung dieser Herausbil- dung strategischer Entscheidungen der Koordinationsform gestalten, welche Rolle die Trans- aktionsspezifität bei Netzwerkkooperationen in organisationalen Feldern einnimmt und wie sich diese ggf. unterscheiden kann, wird auf die Transaktionskostentheorie zurückgegriffen.

Der Interaktionsprozess zwischen Akteuren eines organisationalen Feldes verursacht Kosten, die durch die TAK untersucht werden können. Die TAK stammt aus dem Bereich der Neuen Institutionenökonomik und ist auf Williamson (1975) zurückzuführen, welcher die Nutzung des Marktes und die damit verbundenen Transaktionskosten nach Coase (1937) fokussiert und weitergeführt hat (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 236). Mittelpunkt der Theorie ist die Wahl effizienter Koordinationsformen zwischen den Idealtypen Markt, Hierarchie und Hybridfor- men, wie beispielsweise ein Netzwerk (vgl. Ebers/Gotsch 2006, S. 284). Es wird durch die TAK versucht zu verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen die Realisierung eines Leis- tungsaustausches über den Markt, innerhalb der Organisation oder in vernetzter Form vorteil- haft ist. Ursprung der Überlegung ist, dass die Hierarchie unter bestimmten Bedingungen dem Markt durch die Minimierung der Transaktionskosten überlegen ist (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 236). Prämisse der TAK ist, dass, auf lange Sicht gesehen, eine Organisation einen hohen Effizienzgrad erreicht, wenn sich sowohl interne (unternehmensbezogene) als auch externe (marktbezogene) Transaktionskosten auf dem Minimum befinden (vgl. Macharzi- na/Wolf 2010, S. 58; Richter/Furubotn 2010, S. 55f.). Die Reduzierung der durch den Leis- tungsaustausch einhergehenden Transaktionskosten ist eine wesentliche Bedingung zur Effizienz einer Organisation. Durch die Konstitution einer Branche wird von Unternehmen ausgegangen, welche einen nachhaltigen langfristigen Erfolg anstreben und somit den Anspruch der Langfristigkeit als Kriterium der Prämisse erfüllen.

Doch was genau sind Transaktionskosten? Eine häufig verwendete Definition findet sich bei Arrow (1969), bei dem „Transaktionskosten die Betriebskosten eines Wirtschaftssystems“ (Arrow 1969, S. 48) darstellen. Diese Definition ist für den Gang der Untersuchung nur teil- weise anwendbar, da sich die Arbeit nicht auf die Betriebskosten konzentriert. Transaktions- kosten lassen sich nicht als zusätzliche Kosten zu Produktion und Transport erklären (vgl. Richter/Furubotn 2010, S. 55). Vielmehr entstehen Transaktionskosten durch die Wahl der Koordinationsform der Organisation in Verbindung mit den Verhaltensannahmen der be- grenzten Rationalität (bounded rationality) und dem opportunistischen Verhalten (opportu- nism) mit Fokus auf Tauschbeziehungen selbst und nicht auf Produktionskosten. Unter einer Transaktion ist der Prozess „der Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und u.U. Anpassung eines Leistungsaustausches, der dem eigentlich physischen Güteraustausch logisch, meist auch zeitgleich vorausgeht“ (Picot 1982, S. 269), zu verstehen. Dieser Prozess des Leistungs- austausches legt eine Vertragsproblematik offen, welche den Raum für Opportunismus öffnet. Opportunismus wird in der Transaktionskostentheorie besonders betont (vgl. Williamson 1975, S. 26). Verträge sowie die geeignete Form der Organisationskoordination sollen eben diese Störanfälligkeit der Öffnung des Raumes für Opportunismus und dessen negative Aus- wirkungen eindämmen (vgl. Williamson 1990, S. 73). Dies bildet auch den Erklärungsansatz für die Entstehung von Netzwerkkooperation als Hybridform zwischen Markt und Hierarchie. Transaktionskosten werden unter der Beachtung vertraglicher Beziehungen und der Netz- werkbildung in Ex-ante-Kosten (Anbahnungs- und Vereinbarungskosten) und Ex-post-Kosten (Kontroll- und Anpassungskosten) vertraglicher Übertragung eines Verfügungsrechts, zum Beispiel an einer Ware oder einer Dienstleistung, differenziert (vgl. Picot 1982, S. 270).

Diese vier Elemente lassen sich durch die zeitliche Einordnung zum Zeitpunkt des Vertrags- abschlusses in Phasen unterteilen (das Folgende nach Picot 1982, S. 270). Als Erstes fallen noch vor einem Vertragsabschluss Anbahnungskosten durch die Informationssuche und - beschaffung in Frage kommender Partner und deren Bedingungen der Vertragsannahme an. Findet sich ein potentieller Partner, so entstehen durch die Intensität und zeitliche Ausdeh- nung der Verhandlung, Vertragsformulierung und Einigung so genannte Vereinbarungskos- ten. Kommt der Vertrag an dieser Stelle zustande, muss sichergestellt werden, dass die ver- einbarten Punkte auch eingehalten werden, wodurch Kontrollkosten resultieren. Fällt dadurch ein Mangel im Vertrag auf, muss dieser angepasst werden. Diese Form der Durchsetzung der angestrebten Ziele zur Minimierung der Kosten der Tauschbeziehung wird als Anpassungskosten bezeichnet. Die Entscheidung zur Schließung eines Vertrages erklärt sich durch das Verhalten der Akteure und der Merkmale einer Transaktion. Im Folgenden werden dazu die Verhaltensannahmen der begrenzten Rationalität, die Gefahr von Opportunismus sowie die drei Merkmale einer Transaktion näher betrachtet.

2.2.1 Die Verhaltensannahmen der Akteure und Merkmale von Transaktionen

Wie bereits kurz beschrieben, besteht die zentrale Annahme der Transaktionskostentheorie darin, die Höhe von Transaktionskosten von alternativen Organisationsformen zu bewerten (vgl. Swoboda 2005, S. 47). Das bedeutet, dass ein am organisationalen Feld beteiligter Ak- teur durch die Veränderung der Umwelt eine Alternative findet, die sich transaktionskosten- günstig dieser Veränderung annimmt. Unterstellt wird, dass Netzwerkbeziehungen eingegan- gen werden, die eine Alternative zur vergangenen Organisationsform darstellen, wodurch sich die Effizienz steigert und sich dadurch der Akteur im Feld neu legitimiert. Des Weiteren be- deutet die Wahl einer alternativen Organisationsform gemäß der Transaktionskostentheorie, dass die Entscheidung zur Alternative die Höhe der Transaktionskosten bestimmt, ohne eine quantitative Angabe über die Kostenvorteile wiederzugeben (vgl. Schonert 2008, S. 169).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der organisatorische Rahmen des Versagens des Transaktionskostenansatzes Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Williamson 1975, S. 40.

In Abbildung 2 ist der organisatorische Rahmen des Versagens aus dem Transaktionskosten- ansatz ersichtlich. Dieser bildet die Grundlage der Herkunft und Wirkung der Verhaltensan- nahmen der Akteure und der Merkmale einer Transaktion in der Transaktionskostentheorie. Art und Ausprägung der Verhaltensannahmen sowie der Grad der Merkmale einer Transakti- on bilden mit der Transaktionsatmosphäre und der Häufigkeit der Transaktion einen direkten Zusammenhang. Unter der Transaktionsatmosphäre werden politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen verstanden, die einen direkten Einfluss auf die Höhe der Transaktionskosten nehmen (vgl. Picot 1991, S. 148). In der Regel wird die Transaktionsatmosphäre zur Vereinfachung analytisch ausgeklammert.

Die zwei Verhaltensannahmen der ökonomischen Akteure sind zum einen ein beschränkt ra- tionales Handeln (bounded rationality) sowie die Gefahr von Opportunismus (opportunism). Beschränkt rationales Handeln bedeutet, auf Grundlage vorhandener Informationen und nicht aller existenten Informationen entscheiden zu können. Der Akteur ist der Entscheidung hin- sichtlich Limitationen der Informationsbeschaffung, -kosten und Unsicherheit ausgesetzt. Wäre ein unbeschränkt rationales Handeln möglich, so wäre die Frage nach der Vertragsge- staltung obsolet, da es ausschließlich vollständige Verträge geben würde und opportunisti- sches Verhalten nicht möglich wäre. Der Mensch hat nur eine begrenzte Kapazität der Infor- mationsverarbeitung, wodurch Informationsasymmetrien entstehen und daher Verträge nie vollständig, sondern immer unvollständig sein müssen (vgl. Richter/Furubotn 2010, S. 305). Da folglich nur beschränkt rationales Handeln möglich ist, wird davon ausgegangen, dass die Maximierung des eigenen Nutzens nicht nur auf der Grundlage vorhandener Informationen basiert, sondern auch aufgrund opportunen Verhaltens und der Inkaufnahme von Arglist und Täuschung, woraus zwischen begrenzt rationalem Handeln und Opportunismus ein Kontext erkennbar ist (vgl. Williamson 1975, S. 26). Im Zusammenhang der Transaktionskosten, ins- besondere mit Kontroll- und Anpassungskosten, wäre das Streben nach vollständigen Verträ- gen aufgrund der entstehenden Höhe der Transaktionskosten durch permanente Kontrolle, sukzessive Anpassung und die Einbuße der Flexibilität von Vertragen nicht sinnvoll (vgl. Wallenburg/Weber 2005, S. 760). Dargestellt werden die Verhaltensannahmen des Akteurs in der Transaktionskostentheorie durch die personalen Bedingungen. Diese Annahmen agieren, wie durch die beiden horizontalen Pfeile in der Abbildung 2 illustriert, im Wechselspiel mit den situativen Bedingungen bzw. den Merkmalen von Transaktionen.

Charakteristika einer Transaktion finden sich in Abbildung 2, dargestellt durch den Grad der Spezifität („asset specifity“), welcher sich durch die Anbahnung und Abwicklung von Investi- tionen in Sach- und Humanvermögen definiert, und die Unsicherheit und Komplexität („uncertainty“) einer Transaktion (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 237). Auch die Häufigkeit („frequency“) wird als Merkmal einer Transaktion gewertet, allerdings als Merkmal der Transaktionsatmosphäre und nicht als situativer Bestandteil. Der Grad der Spezifität wird gesetzt durch die Gefahr von sunk costs bzw. den Grad der Zweckgebundenheit einer Investi- tion. Das bedeutet, je spezifischer eine Transaktion ist, also je weniger die Investition für an- dere Produkte oder andere Dienstleistungen als für die vorgesehene Leistungserstellung brauchbar ist, desto höher ist der Grad der Spezifität. Solche Investitionen werden auch trans- aktionsspezifische Investitionen genannt. Ein weiteres Charakteristika einer Transaktion ist die Frage nach dem Ausmaß der Unsicherheit. Dies wird durch die sich verändernden Fakto- ren der Umwelt determiniert und resultiert im Wechselspiel mit der begrenzten Rationalität. Zudem setzt sich der Grad der Unsicherheit auch aus dem Wissen oder Unwissen der Koope- rationspartner über das Transaktionsobjekt zusammen. Das dritte Merkmal ist der Faktor der Häufigkeit einer Transaktion, der die Höhe einer Transaktion durch die Häufigkeit der Durch- führung und die damit verbundenen Kontrollmechanismen bestimmt. Wird eine Transaktion häufig durchgeführt, so zeigt sich eine hierarchische Koordination effizienter als bei einer niedrigen Häufigkeit, in der eine marktliche Koordination zu wählen ist (vgl. Niemojewski 2005, S. 51).

Nach Sydow und Duschek (2011) verursachen weder die Verhaltensannahmen noch die Merkmale der Transaktion an sich ökonomische Probleme. Diese treten erst in Erscheinung, wenn bei beschränkter Rationalität eine hohe Unsicherheit und Komplexität vorliegen, Op- portunismus aufgrund von Marktversagen greifen kann (vgl. Sydow/Duschek 2011, S. 238) und wenn eine hohe spezifische Investition Opportunismus durch eine monopolartige Aus- tauschsituation das Ausbeuten eines Lieferanten oder des Kunden erlaubt. Weiterhin manifes- tieren sich ökonomische Probleme, wenn durch das Zusammenspiel von Opportunismus und hoher Unsicherheit eine Informationsverkeilung entsteht, die eine Informationsasymmetrie zugunsten eines Akteurs zulässt (vgl. Williamson 1975, S. 31f.). Der organisatorische Rah- men des Versagens zeigt dahingehend Ursache, Wirkung und Wechselspiel zur Unterstützung der richtigen Wahl der Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie anhand relativer Transaktionskostenvorteile. Daraus lässt sich folgern, dass die Transaktionen in der Art ge- staltet werden sollen, dass Unsicherheitsprobleme, welche aus beschränkt rationalem Handeln entstehen, maximal minimiert werden, um Opportunismus vorzubeugen. Zur analytischen Vereinfachung und weil sich der Kern der Wahl der Koordinationsform auf die Höhe der Transaktionskosten konzentriert, wird dem Akteur zusätzlich die Annahme der Risikoneutra- lität unterstellt (vgl. Ebers/Gotsch 2006, S. 276f.).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Akteure beschränkt rational, opportunistisch und risikoneutral handeln. Die Transaktionskosten vor dem Hintergrund der Annahmen wer- den durch die Spezifität, Unsicherheit, die Häufigkeit und die Transaktionsatmosphäre beein- flusst. Dahingehend lassen sich drei Aussagen treffen: Nicht nur die Höhe der Spezifität, son- dern auch die Pflege der Beziehung der Transaktionspartner verursacht Kosten, Unsicherheit treibt Transaktionskosten in die Höhe und je häufiger Transaktionen durchgeführt werden, desto mehr muss darauf geachtet werden, bei den jeweiligen Transaktionen Kosten zu sparen. Nach dieser Grundlage richtet sich die Wahl der Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie. Es kann resümiert werden, dass der Einfluss der Merkmale die strategische Entscheidung der Wahl der Koordinationsform maßgeblich bestimmt. Wie eine Wahl getroffen wird soll im Folgenden dargestellt werden.

2.2.2 Der Einfluss der Transaktionskostentheorie auf strategische Entscheidungen

Akteure in einer Brache können miteinander agieren und Tauschbeziehungen entwickeln. Dadurch entstehen Transaktionen, welche Kosten verursachen, die zu minimieren sind. Wie so genannte Transaktionskosten minimiert werden können, wird unter anderem in der TAK thematisiert. Die TAK schlägt dahingehend vor, dass das Wissen über die Merkmale einer Transaktion und das Verhalten der Akteure dazu genutzt wird, durch die Wahl einer geeigne- ten Organisationsform die daraus resultierenden Kosten minimal organisieren zu können. Das bedeutet, dass Transaktionen entweder über den Markt oder innerbetrieblich über eine Hierar- chie organisiert werden müssen. In der ökonomischen Theorie wurden diese beiden Koordina- tionsformen lange Zeit als die einzigen Alternativen zur Wahl der Organisationsform angese- hen. Es ist auch möglich, über eine intermediäre Form zwischen Markt und Hierarchie Trans- aktionen zu gestalten. Diese werden als Hybridform verstanden oder auch als so genanntes interorganisationales Netzwerk. Der Prozess zur Wahl der geeigneten Organisationsform ist damit eine für die Organisation wichtige strategische Entscheidung (vgl. Sydow 2005, S. 96). Im Folgenden wird dazu dargelegt, was die marktliche und hierarchische Koordinationsform der Organisation für Transaktionen unterscheidet und wie dadurch die strategische Entschei- dung dafür getroffen werden kann (vgl. das Folgende nach Sydow 2005, S. 98ff.).

Die Organisationsform Markt beinhaltet beliebig viele Teilnehmer, welche grundsätzlich be- grenzt rational und opportunistisch handeln. Die Marktteilnehmer sind gleichberechtigt, weit- gehend unabhängig und bieten eine spezifizierte Leistung auf dem Markt für alle anderen Teilnehmer an. Unabhängig wird verstanden, als die freie Wahl über den Marktzugang oder Marktaustritt. Die Marktteilnehmer bleiben daher autonom. Die Koordination der Austau- schleistung regelt sich am Markt ausschließlich über den Preis, der dadurch als Steuerungs- mechanismus anzusehen ist. Der Preis enthält jede für eine Transaktion relevante Information, die somit jedem Marktteilnehmer bekannt ist. Dadurch weiß jeder Marktteilnehmer, wo wel- che spezifizierte Leistung, die benötigt wird, beschafft werden kann. Die Transaktion an sich ist der einzige Berührungspunkt zwischen Anbieter und Abnehmer, wodurch konstatiert wer- den kann, dass die marktliche Koordination flüchtig, diskret und kompetitiv, also stark kon- kurrierend ist. Dadurch wird der Transaktion über den Markt eine Möglichkeit der direkten Bewertung über die Leistung geschaffen. Zudem wird durch den Wettbewerb hervorgerufenes opportunistisches Verhalten abgewendet.

Das Gegenteil einer marktlichen Koordination ist eine ausschließlich innerbetriebliche bzw. hierarchische Koordination. Sie beinhaltet eine begrenzte Anzahl an Organisationsteilneh- mern und wird durch Weisungen gesteuert. Die Organisationsteilnehmer sind nicht gleichbe- rechtigt, sondern gliedern sich in die Kette von Weisungen, je nach Zuständigkeit im Leis- tungsaustausch, ein. Dies repräsentiert das ungleiche Machtverhältnis zwischen den Organisa- tionsmitgliedern. An oberster Stelle steht die Organisationsleitung, welche durch Weisungen den Auftrag und Zweck des Leistungsaustausches bestimmt. Die hierarchische Koordination erweist sich bei unspezifischen Leistungen als sinnvoll, welche auf Dauer angelegt und ko- operativ, also nicht konkurrierend sind. Somit lässt sich folgern, dass bei unsicheren Aus- tauschbeziehungen, bei denen Menge und Charakteristika der zur Disposition stehenden Transaktion unterschiedlich sind, eine hierarchische Organisationsform vorteilhaft ist. Eine hierarchische Koordination ist dabei nicht als ein Wechselspiel zwischen reinem Weisungs- sender und -empfänger zu verstehen. Insbesondere Planungs- und Kontrollsysteme, die Per- sonalführung sowie die Organisationskultur nehmen auf den Hierarchieablauf Einfluss.

Beide Koordinationsformen stellen differente Funktionsprinzipien dar, die sich beide auf ein individuelles Vorgehen verständigen. Durch diese Formen lässt sich abwägen, ob eine Trans- aktion über den Markt abgewickelt oder ob die Exit-Option des Marktes benutzt wird, da ein in der Organisation durchgeführter Leistungsaustausch günstigere Transaktionskosten ermög- licht. Markt und Hierarchie repräsentieren unterschiedliche Steuerungs-, Kontroll- und An- reizmöglichkeiten, gepaart mit komplementären Vor- und Nachteilen. In der Realität ist je- doch erkennbar, dass sich bei Transaktionen auf dem Markt stark hierarchische Elemente er- mitteln lassen. Umgekehrt sind in hierarchischen Koordinationsformen marktliche Elemente etabliert (vgl. Powell 1990, S. 299). Markt oder Hierarchie sind demnach nicht in ihrer Rein- form in Organisationen wie beschrieben selten vorhanden. Powell (1990) gibt als Beispiel dafür die marktlich koordinierte Beziehung von Organisationen zu beispielsweise Wirt- schaftsprüfern oder ihrer Bank an, welche weniger unabhängige, kurze bzw. spontane Trans- aktionen widerspiegeln, welche zum Teil dauerhafter sind als ihre hierarchisch koordinierte Beziehung zu ihren Mitarbeitern (vgl. Powell 1990, S. 299f.). Auch die Existenz von Ver- rechnungspreisen oder ein interner Arbeitsmarkt in Organisationen verbinden marktliche und hierarchische Elemente miteinander (vgl. Sydow 2005, S. 100).

[...]


1 Dropbox ist ein 2007 erschienener Onlinedienst, welcher die Vernetzung mehrerer Rechner durch die Bereit- stellung virtueller und auf externen Servern gespeicherter Ordner ermöglicht. Insbesondere durch die Funktion der Live-Synchronisation, Online-Datensicherung und einfachen Handhabe erfreut sich Dropbox großer Beliebt- heit.

2 Der Report vom Internationalen Verband der Phonographischen Industrie erhob die Daten durch 7502 Online-

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Vom Markt zum Netzwerk? Die Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die deutsche Musikindustrie
Untertitel
Eine transaktionskostentheoretische Analyse
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Professur für Betriebswirtschaftslehre insbesondere Organisationstheorie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
87
Katalognummer
V311395
ISBN (eBook)
9783668103634
Dateigröße
1319 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transaktionskostentheorie, DiMaggio, Powell, organisationale Feld, BWL, deutsche Musikindustrie, Musikindustrie, Mp3, Industrielle Netzwerke, Netzwerke, Markt, Wandel
Arbeit zitieren
Henning Jürgensen (Autor:in), 2013, Vom Markt zum Netzwerk? Die Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die deutsche Musikindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311395

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