Beladungsplanung von Autozügen bei unsicheren Fahrzeuggewichten


Bachelorarbeit, 2016

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Motorail Transportation Problem (MTP)
2.1. Charakteristika von Autozügen und deren Verladung
2.2. Das mathematische Modell
2.3. Anwendungsbereiche von Optimierung
2.4. Auswirkung von Gewichtsabweichungen
2.5. Einordnung in entscheidungstheoretische Grundlagen

3. Robuste Optimierung
3.1. Robustheitskriterien
3.2. Einstufige robuste Optimierung
3.2.1. Strikte robuste Optimierung
3.2.2. Budget of Uncertainty
3.3. Mehrstufige Modelle
3.3.1. Adaptive robuste Optimierung

4. Robuste Optimierungsmodelle zur Autozugverladung
4.1. Strikt robustes Modell
4.2. Szenariobasiertes robustes Modell aus Stichproben
4.3. Relative Robustheit durch Restriktionsverletzung
4.4. Budget of Uncertainty der Gewichtsrestriktion
4.5. Mehrstufiges Modell mit Szenarien

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1: Schlupfvariablen der Gewichtsrestriktion einer Testinstanz

Tab. 4.1: Zielfunktionswerte in Abhängigkeit der Anzahl der Szenarien und

Tab. 4.2: Zielfunktionswerte in Abhängigkeit von M und

Abb. 2.1: Darstellung der Positionen auf Ober- bzw. Unterdeck

Abb. 4.1: Prozessbeschreibung der mehrstufigen robusten Optimierung

1. Einleitung

Seit einiger Zeit werden, unter anderem von der Deutschen Bahn, Autozüge für den Fernverkehr genutzt. Sie bieten Kunden die Möglichkeit, auf das Fahren ihres Fahrzeugs zu verzichten, stattdessen in Personenwaggons befördert zu werden und entspannt am Zielort anzukommen. Zum Angebot der Deutschen Bahn zählt dabei der Transport von Motorrädern mit bzw. ohne Beiwagen und Autos mit bzw. ohne Anhänger. Meist wird diese Art des Transports für die Urlaubsreise genutzt, andererseits auch in den Alpen, um Reisenden die beschwerliche Fahrt über enge Pässe abzunehmen oder eine Reise überhaupt zu ermöglichen, wenn Straßen, z. B. aufgrund von Schnee, gesperrt sind.

Anwendungen des Operations Research (OR) können bei der Beladungsplanung von Autozügen zur Steigerung des Umsatzes führen, wenn optimale Beladungspläne, in Bezug auf die Anzahl und Positionen der zu verladenen Fahrzeuge, ausgewählt werden, um eventuelle Kapazitätspuffer zu vermeiden. In bisherigen deterministischen Modellen zur Beladungsplanung­ von Autozügen fließen die eingegebenen Daten des Kunden nominal in das Mo­dell ein. Da aber vor allem Aussagen über das Fahrzeuggewicht als unsicher eingestuft wer­den müssen, scheint die Notwendigkeit eines (robusten) Modells, das die Zulässigkeit für mögliche Ausprägungen der Umweltzustände absolut sicherstellt, gegeben zu sein.

In Kapitel 2 werden das zugrundeliegende mathematische Modell und Charakteristika der Auto­zugverladung erläutert, sowie die Sensitivität einer Testinstanz aufgezeigt und anschließend­ Anwendungsbereiche von Optimierung in diesem und einem verwandten Problem be­schrieben. Kapitel 3 gibt eine kurze Einführung in die robuste Optimierung im Allgemeinen­­­. Es werden verschiedene Methoden vorgestellt um Unsicherheiten durch Parameter im Rahmen der Optimierung in einem Problem zu berücksichtigen. Diese Ansätze werden anschlie­ßend in Kapitel 4 auf die Beladungsplanung von Autozügen bei unsicheren Fahrzeuggewichten­ übertragen und mit Testinstanzen gelöst. Es folgt zusammenfassend ein Ver­gleich der erhaltenen Lösungen sowie ein Ausblick für mögliche Untersuchungen in der Zu­kunft.

2. Das Motorail Transportation Problem (MTP)

2.1. Charakteristika von Autozügen und deren Verladung

An speziellen Terminals, die üblicherweise an Bahnhöfe angegliedert sind, werden mit Hilfe von Laderampen ankommende Fahrzeuge auf Autozüge geladen. Ein Autozug besteht dabei aus Fahrzeugtransport- sowie Personenbeförderungswaggons. Fahrzeugtransportwaggons, im Folgenden nur noch Waggons genannt, umfassen zwei Transportdecks. Ein Oberdeck sowie ein Unterdeck. Jedes Deck besitzt grundsätzlich fünf Positionen, auf de­nen Fahrzeuge verladen werden können. Sämtliche Positionen unterliegen im Unterdeck ei­ner einheitlichen maximalen Höhe für Fahrzeuge, während sie auf dem Oberdeck variiert, wie Ab­bildung 2.1 veranschaulicht.1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Darstellung der Positionen auf Ober- bzw. Unterdeck

(Quelle: Entnommen aus Lutter/Werners (2014), S. 103)

Außerdem gilt für Fahrzeuge auf dem Oberdeck mit einer Dachbreite, von mehr als 135 cm, eine um ca. 10 cm verringerte Maximalhöhe. Dies wird durch die rot gestrichelten Linien dargestellt und ist angesichts von aerodynamischen wie auch gesetzlichen Vorschriften notwendig. Jedes Deck unterliegt in der Gesamtheit außerdem einer Gewichtsgrenze, die für alle Decks und Waggons einheitlich 7,5 t beträgt. Ist eine Menge an Fahrzeugen be­reits verladen, so ist die Position dieser Fahrzeuge fest, da es einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellt, alle Fahrzeuge noch einmal zu entladen, um die Position eines Fahrzeugs zu verändern.

2.2. Das mathematische Modell

Zu dem MTP existieren in der Literatur mehrere Optimierungsmodelle.2 Im Folgenden wird das ursprüngliche Modell mit vier Indizes, welches von Lutter und Werners eingeführt­ wurde, näher beschrieben. Zunächst folgt eine Definition der Indizes, Parameter und Entscheidungsvariablen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das vorliegende ganzzahlige lineare Optimierungsmodell maximiert die Anzahl der verladenen Fahrzeuge (Zielfunktion (2.1)). Restriktion (2.2) summiert die Entscheidungsvariable [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] aller Positionen für jedes Fahrzeug [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Da jedes Fahrzeug nur einmal verladen werden kann, darf diese Summe höchstens den Wert 1 annehmen. Eine Überschreitung des zulässi­gen Gesamtgewichts eines Decks wird durch Restriktion (2.3) verhindert. Ist ein Fahr­zeug in einem Beladungsplan auf einer bestimmten Position vorgesehen, beträgt der Wert der entsprechenden Binärvariable für die zugehörige Position des Decks auf diesem Wag­gon 1. Somit wird das Gewicht dieses Fahrzeugs mit 1 multipliziert und zu den Gewich­ten­ der anderen Fahrzeuge auf diesem Deck addiert. Ist ein Fahrzeug in der optimalen­ Lö­sung nicht auf einem Deck eines bestimmten Waggons vorgesehen, beträgt der Wert entspre­chenden der Binärvariablen 0, was dazu führt, dass das entsprechende Gewicht des Fahr­zeugs mit 0 multipliziert wird und somit nicht zur Summe der Gewichte der verladenen­ Fahrzeuge addiert wird. Restriktion (2.4) stellt sicher, dass die Maximalhöhen der einzelnen Positionen nicht verletzt werden, indem die Höhe eines Fahrzeugs mit der Binärvariable [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] multipliziert wird. Ist ein Fahrzeug auf einer bestimmten Position nicht vorgesehen­, so ist diese Restriktion mit dem Wert 0 auf der linken Seite immer erfüllt. Die Binärv­ariable [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] kann somit nur auf jenen Positionen den Wert 1 annehmen, auf denen die Fahr­zeughöhe kleiner gleich der Maximalhöhe ist. Da jede Position nur von einem Fahr­ze­ug be­legt werden kann und in diesem Modell nur Fahrzeuge mit einer Positionskapazität von klei­ner gleich 1 betrachtet werden, darf die Summe der Binärvariablen aller Fahrzeuge­ auf ei­ner bestimmten Position höchstens 1 betragen (Restriktion (2.5)). Die Definition­ von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] als Binärvariable wird in (2.6) abgebildet.

2.3. Anwendungsbereiche von Optimierung

OR findet bei der Beladungsplanung von Autozügen in der Praxis zahlreiche Anwendungsmög­lichkeiten, die alle auf dem in Kapitel 2.2 vorgestellten Grundmodell basieren. Sie verfolgen dabei das Ziel der Kostenreduktion und/oder der Steigerung der Kunden­zufrieden­heit durch reibungslose Verladung. Unter anderem ist bei der DB Fernverkehr AG unter dem Namen „KATIA“ (Kapazitätsoptimierte Buchbarkeit im Autozugverkehr) ein Optimierungsmodell in Betrieb, das über die Annahme von eingehenden Buchungen ent­scheidet.3 Dabei werden die Fahrzeuge in Höhenkategorien unterteilt und bereits vor der Buchungsanfrage das Gewicht eines sog. Dummy-Fahrzeuges für jede Höhenkategorie er­mittelt. Zum Zeitpunkt der Anfrage wird anschließend nur das Gewicht des Dummy-Fahr­zeugs mit dem Gewichtsintervall der Höhenkategorie des Fahrzeugs verglichen und der Auftrag angenommen, sobald eine Verladung des Fahrzeuges mit einer vorher festgeleg­ten Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden kann.4 Dieser proaktive Ansatz verfügt da­her während der eigentlichen Abfrage über eine sehr kurze Rechenzeit, was sich besonders in der hohen Praxistauglichkeit widerspiegelt. Ebenfalls wird bei der DB Fernverkehr AG eine Software mit dem Namen „SILVIA“ (Support im Ladeprozess von Autozugterm­inals) einge­setzt.5 Da die Stellplatzkapazitäten eines Terminals begrenzt sind, ist es erforderlich, mit der Verladung der Fahrzeuge so früh wie möglich zu beginnen . Allerdings kommen die Fahrzeuge in zufälliger Reihenfolge am Terminal an, sodass ein zuvor festgelegter­ Beladungsplan nur selten exakt ausgeführt werden kann.6 Stattdessen wird „SILVIA“ zur rollierenden Planung genutzt, um Beladungspläne über noch nicht verladene Fahrzeuge im Zeitab­lauf zu verändern. Hierbei wird geprüft, ob die Möglichkeit besteht, eingetroffene Fahr­zeuge bereits auf einen Waggon zu verladen, sodass alle noch eintreffenden Fahrzeuge ebenso verladen werden können.7 Auch in verwandten Zweigen des Transportwesens, wie etwa der Verladung von Containern auf Zügen oder Schiffen, finden Optimierungsmodelle zur Entscheidungsunterstützung Anwendung. Dabei lassen sich strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Problem der Autozugverladung identifizieren: Container treffen z. B. in gleicher Weise zu unterschiedlichen, zuvor nicht genau bekannten Zeiten ein, sodass eine Beladungsplanung dynamisch verfolgt werden muss.8 Unterschiede finden sich vor allem in dem Prozess der eigentlichen Verladung sowie den Eigenschaften der physischen Restrikt­ionen­ wieder.9 Außerdem werden bei den in der Literatur behandelten Problemen der Containerverladung heuristische Verfahren zur Lösung angewendet, um die Rechenzeit zu verkürzen.10 Es werden somit nicht-optimale Ergebnisse geduldet, wohingegen das MTP auf eine exakte Bestimmung zielt. In der Literatur existieren bereits robuste Optimierungsmodelle zur Containerverladung, in denen die Länge der Überhänge, defekte Waggons und die Gewichte der Container unsichere Parameter darstellen.11 Der Umgang mit unsicheren Con­tainergewichten lässt sich entsprechend auch auf ein robustes Optimierungsmodell der Auto­zugverladung übertragen.

2.4. Auswirkung von Gewichtsabweichungen

Um Auswirkungen von Abweichungen vom deterministischen Gewicht zu verdeutlichen, wird eine Testinstanz mit 30 Fahrzeugen gelöst:

Ein fiktiver Autozug besteht aus drei Waggons mit jeweils zwei Ladedecks und einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t pro Deck. Mit einem Zufallsgenerator werden Zufallszahlen für die Fahrzeuggewichte zwischen 1.200 und 1.700 kg und Fahrzeughöhen zwischen 130 und 190 cm generiert. Zusätzlich wird zufällig festgelegt, ob ein Fahrzeug eine Dachbreite größer gleich oder kleiner 135 cm aufweist und somit auf dem Oberdeck eine geringere Maximalhöhe zur Verfügung steht. Die Positionskapazität eines jeden Fahrzeugs beträgt 1. Für alle Rechnungen wurden die Modelle in AMPL implementiert und mit dem Solver CPLEX 12.6.1 auf einem Computer mit einem Intel Core i5, zwei Kernen mit 2,5 GHz, 8 GB RAM und Mac OS X Yosemite 10.10.5 gelöst. Die optimale Lösung zu der Testinstanz sieht einen Beladungsplan vor, in dem 30 Fahrzeuge verladen werden.

In der Realität werden die Parameter für das Fahrzeuggewicht von dem Fahrzeughalter bei der Buchung übermittelt, allerdings beruhen diese Angaben aller Wahrscheinlichkeit nach auf Werten, bei denen zu dem Leergewicht des Fahrzeugs nur ein auf einer Schätzung basierendes Gewicht der Ladung addiert wird. Daher ist es möglich, dass sich das tatsächliche Fahrzeuggewicht vom nominalen Wert unterscheidet. Möglicherweise entscheidet sich der Fahrzeughalter auch nach der Buchung für ein anderes, schwereres Fahrzeug. Um zu demonstrieren, in welchem Umfang die Fahrzeuggewichte in der Testinstanz schwanken dürfen, ohne die Zulässigkeit der gefundenen Lösung zu beeinträchtigen, wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um die Schlupfvariablen der Gewichtsrestriktionen zu betrachten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2.1: Schlupfvariablen der Gewichtsrestriktion einer Testinstanz

Wie sich Tabelle 2.1 entnehmen lässt, scheint bei Schwankungen der Fahrzeuggewichte besonders die Einhaltung des Maximalgewichts auf dem Unterdeck des ersten sowie des dritten Waggons gefährdet zu sein. Hier beträgt der Puffer zu der Gewichtsobergrenze gerade einmal 3 bzw. 4 kg. Bereits eine Abweichung von mehr als 3 kg eines einzigen Fahrzeugs auf dem ersten Waggon würde zu einer Gewichtsüberschreitung und somit zur Unzulässigkeit des Beladungsplans führen. Des Weiteren beträgt der Puffer der oberen Decks des ersten und dritten Waggons gerade einmal 10 bzw. 14 kg. Es lässt sich demnach feststellen, dass das optimale Ladeschema selbst bei geringer Abweichung in der Praxis nicht durchführbar gewesen wäre.

2.5. Einordnung in entscheidungstheoretische Grundlagen

Da es sich bei der Entscheidung unter Unsicherheit über den Beladungsplan eines Autozugs um ein komplexes reales Problem handelt, wird es im Folgenden als Hilfestellung in das Grundmodell der Entscheidungstheorie12 eingeordnet:

Bei der Beladungsplanung von Autozügen kann mithilfe der Entscheidungstheorie eine rationale Entscheidung getroffen werden. Da im Rahmen der Beladungsplanung von Autozügen der optimale Beladungsplan jener ist, der die Anzahl der verladenen Fahrzeuge maximiert, spricht man von einer Maximierungszielvorstellung. Um letztendlich die bestmögliche Entscheidung treffen zu können, wird eine Menge an Handlungsalternativen definiert, die alle möglichen Kombinationen von Fahrzeugen auf den verschiedenen Positionen eines Autozugs, unter Einhaltung aller Restriktionen, umfasst. Eine Handlungsalternative stellt hier ein zulässiger Beladungsplan dar, dabei zählt auch die Verladung keines einzigen Fahrzeugs als mögliche Handlungsalternative . Da keine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeiten eines bestimmten Umweltzustandes, hier die Ausprägung der tatsächlichen Fahrzeuggewichte, getroffen werden kann, handelt es sich um eine Entscheidung­ unter Ungewissheit. Aufgrund der Kontinuität der Umweltzustände lässt sich eine Strukturierung der Entscheidungssituation jedoch nicht in Ergebnis- bzw. Entscheidungsmatrix vornehmen, ersatzweise allerdings implizit mittels mathematischer Funktionen beschreiben.13

Bei Betrachtung von Ungewissheit ist nicht unbedingt die Handlungsalternative optimal, die das höchste absolute Ergebnis aufweist (Maximax-Kriterium), vielmehr kann sich alternativen Entscheidungsregeln, wie z.B. dem Maximin-Kriterium bedient werden. Nach diesem Kriterium, welches für risikoscheue ET in Betracht kommt, wird aus allen Handlungsalternativen diejenige ausgewählt, deren Mindestergebnis maximal ist. Um die Risikobereitschaft eines ET noch differenzierter zu betrachten, lässt sich außerdem die Hurwicz-Regel anwenden, mit welcher die Handlungsalternative ausgewählt wird, deren gewichtete Summe aus Mindest- und Höchstgewinn maximal ist. Hierbei kann die Gewichtung durch einen vom ET bestimmten Parameter vorgenommen werden.14

3. Robuste Optimierung

In den Praxisanwendungen von OR wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens ein Parame­ter von Unsicherheit betroffen sein, was bedeutet, dass diese bei Realisierung von den zu­vor angenommenen Werten abweichen können. Dies kann unter anderem auf Mess- oder Rundungsfehler (z.B. Temperatur, aktuelles Inventar) und Schätzfehler (z.B. Nachfrage, Kos­ten oder Preise) zurückgeführt werden.15 Im Wesentlichen gibt es zwei mögliche Ansätze­ im Bereich der Optimierung, um diese Art von Unsicherheit über Parameter a priori zu be­rücksichtigen: die stochastische und die robuste Optimierung.16 Bei der stochastischen Opti­mierung muss die tatsächliche Wahrscheinlichkeitsverteilung der unsicheren Parameter­ be­kannt sein oder geschätzt werden, um unterschiedliche Szenarien mit Wahrscheinlichkei­ten­ gewichten zu können. Außerdem werden Restriktionsverletzungen bei diesem Ansatz mit Strafkosten (Stochastische Optimierung mit Rekursion, Szenariooptimierung) oder mit ei­ner bestimmten Wahrscheinlichkeit (Chance-Constraint Programming) erlaubt. Tatsächlich befass­t sich Stochastische Optimierung überwiegend mit weichen Restriktionen.17 Bei der robusten Optimierung ist die Kenntnis über die Wahrscheinlichkeitsverteilung, wenn überhaupt existent, nicht notwendig. Stattdessen wird die Unsicherheit­ ­durch beschränkte, konve­xe Unsicherheitsmengen abgebildet.18 Einer der wichtigsten Vorteile gegenüber der stochastischen Optimierung ist die Vermeidung der nichtlinearen Zielfunktionen19, was eine erhebliche Verkürzung der Rechenzeit der Modelle zur Folge hat. Außerdem ist die Rechenbarkeit bei der stochastischen Optimierung oft stark eingeschränkt, da die Lösungsräume nichtkonvex sein können.20 Diese Eigenschaften sind vor allem in Bezug auf die Praxistauglichkeit eines Ansatzes enorm bedeutend.21 Es gibt zahlreiche weitere Ansätze, um Unsicherheit zu antizipieren, wie z. B. die dynamische Programmierung und die Sensitivitätsanalyse, wobei diese a posteriori durchgeführt wird um die Sensitivität einer Lösung auf mögliche Abweichungen zu untersuchen.22 Diesen Methoden fehlt jedoch die Berücksichtigung, der in der Ökonomie unterstellten Risikoaversion des Entscheidungsträgers (ET), daher wird im Weiteren der Fokus auf die robuste Optimierung gerichtet.23

Robuste Optimierung in ihrer elementaren Form beruht dabei auf den folgenden drei Annahmen:24

1. Jede Variable repräsentiert „Here-and-now“-Entscheidungen. Sie müssen getroffen werden, bevor sich die Unsicherheit der Parameter realisiert.
2. Vorausgesetzt, die Ausprägungen der unsicheren Parameter befinden sich tatsächlich in der zuvor deklarierten Unsicherheitsmenge, so trägt der Entscheidungsträger die volle Verantwortung für mögliche Konsequenzen seiner Entscheidung.
3. Die Restriktionen des unsicheren linearen Modells sind "hart": Eine Verletzung wird nicht toleriert, solange sich die realisierten Parameter in der Unsicherheitsmenge befinden.

Bei der robusten Optimierung konstruiert der Entscheidungsträger somit eine Lösung, die opti­mal für alle möglichen Realisierungen in einer gegebenen Unsicherheitsmenge ist.25 In der Literatur gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, die den hohen Nutzen der robusten Optimie­rung in verschiedenen Anwendungsbereichen aufzeigt, wie z.B. im Supply Chain Ma­nagement (Ben-Tal et al. 2005), im Gesundheitswesen (Fredriksson et al. 2011), in der Finanz­wirtschaft (Lobo 2000), der Fertigungsplanung (Yan und Tang 2009) oder dem Marketing (Wang und Curry 2012).

[...]


1 Vgl. Lutter/Werners (2015), S. 434ff.

2 Vgl. Lutter/Werners (2015), S. 437; Lutter (2015), S. 67; ebenda (2015), S. 68

3 Vgl. Werners/Lutter (2014), S. 108.

4 Vgl. Werners/Lutter (2015), S. 442ff.

5 Vgl. Werners/Lutter (2014), S. 111f.

6 Vgl. Lutter (2015), S. 1.

7 Vgl. Werners/Lutter (2014), S. 111; Lutter (2015), S. 3.

8 Vgl. Bruns/Knust (2012).

9 Vgl. Lutter (2016), S. 64.

10 Vgl. Bruns/Knust (2012); Corry/Kozan (2008), S. 736ff.

11 Vgl. Bruns et al. (2014), S. 640f.

12 Vgl. Werners (2013), S. 18f.

13 Vgl. Werners (2013), S. 19.

14 Vgl. Scholl (2001), S. 54.

15 Vgl. Ben-Tal/El Ghaoui/Nemirovski (2009), S. 3f; Bram/Yanıkoğlu/den Hertog (2015), S. 124.

16 Vgl. Bram/Yanıkoğlu/den Hertog (2015), S. 124f.

17 Vgl. Ben-Tal/Nemirovski (1999), S. 1.

18 Vgl. Bram/Yanıkoğlu/den Hertog (2015), S. 128f.

19 Vgl. Marti (2015), S. 45ff.

20 Vgl. den Hertog (2013).

21 Vgl. Bram/Yanıkoğlu,/den Hertog (2015), S. 124f.

22 Vgl. Werners (2013), S. 109ff.; Ben-Tal/Nemirovski (1998) S. 773.

23 Vgl. Bai/Carpenter/Mulvey (1997), S. 895.

24 Vgl. Ben-Tal/El Ghaoui/Nemirovski (2009), S. 9.

25 Vgl. Bertsimas/Brown/Caramanis (2011), S. 465; Beyer/Sendhoff (2007), S. 3190; Bai/Carpenter/Mulvey (1997), S. 896; Vgl. Ben-Tal/El Ghaoui/Nemirovski (2009), S. 151.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Beladungsplanung von Autozügen bei unsicheren Fahrzeuggewichten
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
31
Katalognummer
V317051
ISBN (eBook)
9783668166639
ISBN (Buch)
9783668166646
Dateigröße
872 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
robuste Optimierung, Autozugverladung, Operations Research, stochastische Optimierung, Beladungsplanung, Budget of Uncertainty, Szenarioanalyse, zweistufige Optimierung, einstufige Optimierung, Motorail Transportation Problem, Autozug, Unsicherheit, Ungewissheit, entscheidungstheoretische Grundlagen
Arbeit zitieren
Dominik Kensy (Autor:in), 2016, Beladungsplanung von Autozügen bei unsicheren Fahrzeuggewichten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317051

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