Im Anfang war der Chor. Hatte er bei Sophokles noch Vorrang vor Antigone und Kreon?

Textanalyse aus einem neuen Blickwinkel


Seminararbeit, 2015

23 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract ... 1

Einleitung ... 2

Der Chor im antiken Griechenland ... 6

Der Aufbau der Tragödie und die Gesänge des Chores ... 7

Textanalyse ... 9

Zusammenfassung ... 21

Literaturliste ... 22

Abstract

Heutige Vorstellungen über die Funktionen eines Chores sind gewöhnlich von Wahrnehmungen und Erfahrungen im traditionellen Musikbetrieb geprägt. Andererseits erlebt das Publikum im zeitgenössischen Theater zunehmend Inszenierungen von alten und neuen Stücken, in denen mit sprechenden, singenden und tanzenden Chören experimentiert wird. Gemeinsam scheint allen diesen Formen zu sein, dass der Chor als künstlerisch-ästhetisches Beiwerk zum eigentlichen Bühnengeschehen fungiert.

Im antiken Griechenland war es hingegen der Chor, der zuerst da war, und zu dessen Aktivitäten die von Schauspielern dargestellten Szenen nach und nach hinzugefügt wurden. Da die griechische Tragödie in ihrer Blütezeit eine Grundstruktur mit fixen Regeln aufwies, die dem damaligen Publikum vertraut waren, fehlen genaue Informationen darüber, nach welchen Vorgaben eines Autors der Chor zu agieren hatte. Neben den Rollentexten existieren in den Stücken nur spärliche Nebentexte mit möglichen Hinweisen auf diese Vorgaben.

In dieser Seminararbeit soll die Textanalyse einer zweisprachigen Ausgabe der Antigone die inhaltlichen Bezüge zwischen den Chorliedern und der tragischen Handlung herstellen und zugleich aus einer neuen Perspektive die nach wie vor führende Rolle des Chores in den Tragödien des Sophokles nachweisen.

Für mein ursprüngliches Vorhaben, aus dem Text irgendwelche Regieanweisungen des Autors für Aktionen und Bewegungsmuster des Chores zu erschließen, kam ich auch unter Zuhilfenahme älterer kommentierter Ausgaben zu keinem Ergebnis. Es finden sich im Stück lediglich zwei Textstellen, in denen Dionysos vom Chor mit seinem Gefolge zum Tanz herbeigerufen wird.

Einleitung

Antigone, die Tragödie des Sophokles (497/496 bis 406/405), wurde im Jahre 442 v. Chr. in Athen uraufgeführt. Der „Urtext“ wurde wie derjenige seiner anderen Stücke immer wieder abgeschrieben und für Wiederaufführungen an den Dyonisos-Festen verwendet. Im Jahre 330 v. Chr. gab die Stadt Athen eine offizielle Abschrift aller Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides heraus, um Verfälschungen vorzubeugen.[1] Von diesen Texten ist nichts erhalten. [2]

In der Epoche zwischen dem späten dritten und dem späten sechsten Jahrhundert n. Chr. kam es zu einem hohen Bücherverlust, meist durch Kriege und Zerstörungen.[3] Was bis in die Neuzeit erhalten geblieben ist, stellt einen äußerst geringen Anteil an der antiken griechischen und lateinischen Literatur dar. Für den Text der Antigone existiert als älteste Handschrift ein Minuskel-Codex aus dem zehnten Jahrnhundert, der alle sieben erhaltenen Tragödien des Sophokles – von ursprünglich 123 Dramen – enthält, der Codex Mediceus Laurentianus pluteus 32.9 in Florenz.[4]

Bis zum 15. Jahrhundert haben verschiedene byzantinische Gelehrte die erhaltenen Texte mit kommentierenden Bemerkungen – Scholien [5] – versehen. Im Jahre 1502 erschien die erste gedruckte Ausgabe aller erhaltenen Tragödien in Venedig. 1786 schuf der Altphilologe Richard F. P. Brunck[6] die erste maßgebliche Sophokles-Ausgabe, auf der spätere Herausgeber aufbauen konnten. Brunck benutzte für diese lateinische Edition der sieben Tragödien die Kommentare des Scholiasten Demetrios Triklinios, die dieser um 1400 anfertigte.

Die Tragödie der Antigone spielt um 1230 vor Christus, nach dem Kampf um Theben. Antigones Brüder haben sich gegenseitig im Zweikampf getötet, nachdem Polyneikes die Stadt Theben angegriffen und Eteokles sie verteidigt hat. König Kreon lässt den toten Polyneikes als Feind der Stadt unbegraben liegen und verbietet unter Androhung der Todesstrafe dessen Bestattung. Doch Antigone nimmt für sich das von den Göttern stammende Recht in Anspruch, den Bruder zu beerdigen, damit er ins Totenreich einziehen kann, und sie antwortet dem König: οὔτοι συνέχθειν, ἀλλὰ συμφιλεῖν ἔφυν („nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da“).

Kreon lässt Antigone gefangen nehmen und lebendig in ein Felsengrab einschließen. Dort erhängt sie sich. Dem blinden Seher Teiresias gelingt es, Kreon sein Unrecht klar zu machen, und dieser eilt zum Felsengrab, um Antigone zu retten. Er findet dort seinen Sohn Haimon neben der Toten, mit der er verlobt war. Haimon geht wütend mit dem Schwert auf Kreon los, aber tötet sich dann selbst damit. Als Eurydike, die Ehefrau Kreons, durch einen Boten von dem Geschehen erfährt, tötet auch sie sich. Kreon bleibt am Ende verzweifelt zurück.

Diese hier dargestellte Zusammenfassung der Antigone-Tragödie entspricht unserer üblichen Sichtweise, mit der wir eine griechische Tragödie sowohl als Lesestoff als auch als Theateraufführung wahrnehmen. Es kommt uns auf den Handlungsverlauf und den darin enthaltenen Konflikt an, hier auf die einander gegenüberstehenden Gesetze von Staat und Religion, repräsentiert von Kreon und Antigone. Der Chor scheint dabei eine untergeordnete Rolle zu spielen, indem seine Standlieder mit ihren rituellen Wendungen und allgemeingültigen Reflexionen als Interpretation der Handlung aufgefasst werden. Nur gelegentlich greift er aus diesem Hintergrund in das Bühnengeschehen ein und agiert als Repräsentant einer definierten Gruppe.

In meiner Textanalyse werde ich, anders als sonst in der Literatur zur griechischen Tragödie üblich, nicht vom dramatischen Geschehen ausgehen, sondern ausschließlich von den Chortexten. Das Hauptinteresse gilt ja in der Regel dem dramatischen Geschehen und nicht den lyrischen Texten des Chores. Meine Entscheidung, das Gegenteil zu versuchen und mich auf diese Texte zu konzentrieren, beziehungsweise die dramatische Handlung völlig auszuklammern, brachte mich auf den Gedanken, dass der antike Chor wahrscheinlich auch alleine, nur mit dem zu ihm gehörenden Text, eine vollwertige Aufführung mit einer großartigen Wirkung hätte präsentieren können.[7] Das würde auch zu den historischen Forschungen über den Chor passen, wonach vor dem Hinzutreten einzelner Schauspieler nur reine Chor-Auftritte mit Tänzen und lyrischen Gesängen stattfanden. Ich meine daher, dass die Handlung in den frühen Tragödien des Aischylos, aber auch noch später bei Sophokles, nicht als die Hauptsache der Theateraufführungen angesehen werden darf, sondern dass sie nur als Illustration dessen gedacht war, was der Chor in seinen poetischen Gesängen und Pantomimen zu sagen hatte: allgemeingültige Wahrheiten, mythische Erzählungen und den Kult um Dionysos, zu dessen jährlichem Fest die Aufführungen stattfanden.

Man sollte auch nicht vergessen, dass das Wort ἐπεισοδιον (epeisodion) soviel bedeutet wie „Hinzugekommenes“. Das heißt, die Hauptsache der griechischen Tragödie waren immer noch die Lieder des Chores, die πάροδοι (parodoi, Einzugslieder) und die στάσιμα (stasima, Standlieder [8]), zu denen die Spielszenen hinzugefügt worden sind.

Es ist interessant, dass Friedrich Schiller in den eigenen Tragödien den Chor mit seiner Aufgabe, allgemeingültige Wahrheiten auszusprechen, für unentbehrlich hielt. Aber er benötigte ihn nicht mehr als Hauptakteur, dessen Reflexionen durch das Spiel der Darsteller illustriert wurden, sondern als das sinnlich-poetische Element, das die Handlung ergänzte und „reinigte“:

„Der Chor verläßt den engen Kreis der Handlung, um sich über Vergangenes und Künftiges, über ferne Zeiten und Völker, über das Menschliche überhaupt zu verbreiten, um die großen Resultate des Lebens zu ziehen und die Lehren der Weisheit auszusprechen. Aber er tut dieses mit der vollen Macht der Phantasie, mit einer kühnen lyrischen Freiheit, welche auf den hohen Gipfeln der menschlichen Dinge, wie mit Schritten der Götter, einhergeht – und er tut es, von der ganzen sinnlichen Macht des Rhythmus und der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet. Der Chor reinigt also das tragische Gedicht, indem er die Reflexion von der Handlung absondert und eben durch diese Absonderung sie selbst mit poetischer Kraft ausrüstet; …“[9]

Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1780-1819) legte im Jahre 1808 eine deutsche SophoklesGesamtausgabe vor, für die er eine ausführliche Vorrede verfasste. Diese wurde 2009 in dem Band Dokumente zur Theorie der Übersetzung antiker Literatur in Deutschland seit 1800 in Auszügen nachgedruckt. Wie Schiller in seinem oben zitierten Essay schrieb auch Sorger dem Chor eine überragende Rolle zu, und zwar ebenfalls nicht wegen seiner Mitwirkung in der dramatischen Handlung, sondern wegen der metatheatralen „philosophischen“ Gesänge, die er meist außerhalb des „engen Kreises der Handlung“ (vgl. Schiller-Zitat) dem Publikum darbot:

„Die höchste und feierlichste Art dieser Gesänge sind beim Sophokles die, welche ich die philosophischen nennen möchte, in welchen der Chor, vom Anlass der Gegenwart ausgehend, tiefe Blicke in das menschliche Leben oder in die innerste Natur der Dinge tut. Der betrachtende Charakter derselben offenbart sich überall, in der Einfalt und schmucklosen Wahrheit des Ausdrucks, der, ohne Bilder der Vergleichung, nur immer darauf geht, die Dinge recht tief und eigentlich nach ihrem Wesen auszusprechen, in dem einfachen und doch innerlich fest in sich verbundenen Bau der Rede, so fern von kühnen Übergängen und Sprüngen, wie von künstlichen und geschmückten Verwicklungen. Die Strophen, von mäßiger Länge und leicht zu übersehn, enthalten immer jede einen Hauptgedanken, beziehn sich ziemlich streng auf ihre Gegenstrophen, und jede von ihnen ist durch leichte Verknüpfung in ihrem Innern zu einem freien Ganzen gerundet.“[10]

Der Chor im antiken Griechenland

Das Wort Chor(von griechisch χορος) bezeichnete ursprüglich den Platz, auf dem Gesänge und Tänze von einer Gruppe aufgeführt wurden. Seit dem fünften Jahrhundert v. Chr. nannte man diesen Platz ὀρχεστρα (orchestra), und das Wort χορος (choros) wurde zur Bezeichnung für die Darbietung und auch für die Ausführenden.

Alljährlich fanden in Athen Kultfeiern zu Ehren des Gottes Dionysos statt, der die Menschen von ihren Sorgen befreien sollte. Ursprünglich waren es Weinlesefeste, die sich immer mit demselben Ritus abspielten: vor dem mit Trauben geschmückten Alter des Dionysos wurde ein Schafbock, der so genannte (tragos) geopfert, ein gleichzeitig heiliges Opfertier und zugleich der schlimmste Feind des Weinstockes. Der Chor bildete sich aus festlich gekleideten Männern und Jünglingen, die von einem Vorsänger angeführt wurden und Hymnen auf den Weingott sangen. Diese Festgesänge waren Wechselgesänge und wurden als Dithyramben bezeichnet. Neben diesen Hymnen auf Dionysos wurden auch andere lyrische Texte gesungen, die alte Dichtungen und Mythen enthielten, und die zuerst aus dem Gedächtnis gesungen und später, im sechsten Jahrhundert v. Chr. aufgezeichnet wurden.

„Der Chor besaß einen überragenden Stellenwert im festlichen und kultischen Leben des antiken Griechenland, was durch die erhaltene Chorlyrik […] belegt ist, […]. Die gesamte Chordichtung, die eigens für die Aufführung durch Chöre geschrieben worden ist, belegt den Chor als eine eigenständige, vielgestaltige, metrisch komplexe, nicht dramatische, theatrale Gattung.“[11]

In ihrem Lexikon-Artikel bezeichnet Ulrike Haß den Chor auch als „Keimzelle und tragendes Formelement des antiken Dramas“, da die Spielszenen „in die Chorlieder eingelassen“ seien. Der Chor ziehe zu Beginn der Aufführung mit dem Eingangslied ein und sei während der gesamten Dauer der Aufführung an seinem Platz auf der Orchestra anwesend.[12]

Dass neben dem Gesang auch die pantomimischen Tänze des Chores in der griechischen Tragödie eine große Bedeutung hatten, beschreibt Gasparo Angiolini in einem Programmheft von 1765 unter dem Titel Dissertation sur les ballets pantomimes des anciens:

„[3] Beim Lesen dessen, was uns in antiken Fragmenten berühmter Autoren über die pantomimischen Ballette überliefert wurde, ist man - ich gebe es zu - versucht, die unglaublichen Eindrücke, die diese Ballette auf die Zuschauer machten, ins Reich der Fabel zu verweisen. […] Ohne hier ein Wissen auszubreiten, das auch bei anderen nicht in Vergessenheit geriet, werde ich mich darauf beschränken, zu sagen, dass Lukian uns versichert, dass man zu seiner Zeit bei den pantomimischen Aufführungen ebenso weinte wie bei Tragödien. […] [13] Die Saltation der Alten war also nichts anderes als der wahre pantomimische Tanz, oder die Kunst, die Füße, die Arme, den Körper im Takt zum Klang von Instrumenten zu bewegen und dem Zuschauer durch Gesten, Zeichen und durch den Ausdruck von Liebe, Hass, Wut und Verzweiflung das verständlich zu machen, was man darzustellen beabsichtigt. […] [15]… Aber wenn die pantomimischen Tänzer tragische Stoffe aufführten, wenn ihre Schauspiele der nur rezitierten Tragödie vorgezogen wurden, […] [16]… so steht außer Zweifel, dass die Tänze damals auf die Zuschauer sehr viel lebhafteren Eindruck machten als das einfache Spiel der Schauspieler;…“ [13]

Der Aufbau der Tragödie und die Gesänge des Chores

Die griechische Tragödie folgte einem strengen Grundschema und begann stets mit dem Prolog als einem kurzen erklärenden Monolog oder Dialog von ein bis zwei Schauspielern. Danach folgte der Einzug des Chores mit dem Einzugslied, der πάροδος (parodos). Der Chor in der

Tragödie bestand aus fünfzehn Choreuten, die vom κορψφαιοσ (koryphaios) angeführt wurden. Als singender Gesamtchor verstand er sich als eine Einheit, die von sich in der ersten Person Singular sprach und auch wie eine einzige Person angesprochen wurde. [14]

Gelegentlich konnte der Chor stärker in die dramatische Handlung eintreten, indem er mit einem oder mehreren Schauspielern einen lyrischen Wechselgesang aufführte. Die Schauspieler konnten in selteneren Fällen auch selbst lyrische Verse als Monodie oder Duett singen. [15]

Bernd Zimmermann beschreibt in seinem Buch Die griechische Tragödie die Struktur der Tragödie so, wie auch ich sie für richtig halten möchte, nämlich aus einem Blickwinkel, der dem Chor einen Vorrang vor den Spielszenen einräumt und sich an der Anordnung der Chorlieder orientiert. Das ergibt sich schon aus der oben erwähnten Bedeutung des griechischen Begriffes ἐπεισοδιον (epeisodion), hinzugekommene Spielszene. Bezugnehmend auf die Poetik des Aristoteles schreibt Zimmermann:

„Bei den Chorliedern unterscheidet er zwischen Parodos (Einzugslied des Chores) und Stasimon (Standlied, d. h. alle Chorlieder außer der Parodos). Durch diese Chorlieder zerfällt der Rest einer Tragödie in Prolog (der ganze Teil der Tragödie vor dem Einzug des Chores), Epeisodion (der ganze Teil der Tragödie zwischen ganzen Chorliedern) und Exodos (der ganze Teil der Tragödie nach dem letzten Chorlied).“ [16]

Alle Tragödien des Sophokles folgten streng dieser unveränderlichen Grundstruktur mit dem festgeschriebenen Wechsel von Standliedern und Spielszenen. Außerdem wurden ein linearer Handlungsablauf und die Einheit von Zeit und Ort[17] eingehalten. Es gab keine Rückblenden, und es wurden grundsätzlich keine Tötungen dargestellt. Solche Szenen wurden in Form von Botenberichten oder als so genannte „Mauerschau“ dem Publikum mitgeteilt.

Die Bezeichnungen für die verschiedenen Strukturelemente der Tragödie wie πάροδος (parodos), ἐπεισοδιον (epeisodion) und στάσιμον (stasimon) standen nicht schon im Text von Sophokles, sondern wir kennen sie von Aristoteles, der den Aufbau der Tragödie im zwölften Kapitel seiner Poetik erklärt hat:

„Die qualitativen Teile der Tragödie, welche man als Arten verwenden muss, haben wir vorhin besprochen; diejenigen Teile, die sich quantitativ unterscheiden, sind folgende: Prolog, Epeisodion, Exodos und Chorlied, welches seinerseits in die Parodos und das Stasimon zerfällt. Diese Bestandteile sind allen Dramen gemeinsam, der Tragödie eigentümlich sind die Gesänge von der Bühne und die Kommoi.“ [18]

Auch die Antigone des Sophokles entsprach allen diesen Regeln. Im Prolog lässt Sophokles Antigone und ihre Schwester Ismene auftreten. In ihrem Dialog bittet Antigone die Schwester vergeblich um die gemeinsame Bestattung des Bruders Polyneikes.

Das darauf folgende Einzugslied des Chores, die πάροδος (parodos), ist ein Triumphlied angesichts des Sieges über die Feinde Thebens. Nach der πάροδος folgt das erste ἐπεισοδιον (epeisodion), die erste Spielszene, in der Kreon sein vorher angeordnetes Bestattungsverbot bekräftigt und dann von einem Wächter erfährt, dass dieses übertreten worden sei.

Danach singt der Chor sein erstes στάσιμον (stasimon) und reflektiert darin über die Fähigkeiten des Menschen zum Guten und zum Bösen. Im Verlauf der Tragödie folgen weitere ἐπεισοδια (epeisodia) und στάσιμα (stasima) und am Ende eine Schlussszene, der ἐξοδος (exodos). Insgesamt ist die Antigone -Tragödie also ein fünfaktiges Stück mit fünf Standliedern und fünf Spielszenen, eingerahmt von einem Prolog mit dem Einzugslied am Anfang und einer Schlusszene am Ende. Diese Schlussszene enthält ein gemeinsames Klagelied des Chores mit Kreon, den κομμος (kommos) [19]. Ein solcher kann in verschiedenen Spielszenen eingebaut sein und vom Chor allein oder von diesem gemeinsam mit einem Darsteller gesungen werden. Wie immer hat auch in der Antigone das Schlusswort der Chor.

Textanalyse

Meine Textanalyse geht, wie schon erwähnt, von einem anderen Blickwinkel als dem üblichen aus. Es geht mir nicht um die Frage, welche Rollen und Funktionen der Chor in den Spielszenen übernimmt.[20] Der Ablauf der Tragödie wird hier anhand der Liedtexte und nicht der Spielszenen beschrieben. Nur die wenigen Zeilen, die vom Chor innerhalb der Handlung gesprochen oder gesungen werden, werde ich ebenfalls kommentieren. Dagegen werden alle Spielszenen außer Acht gelassen, in die der Chor nicht aktiv eingreift.

Es ist mir noch eine Sache sehr wichtig, dass nämlich die Identitäten des Chores offensichtlich zwei verschiedene sind. Es kommt in dem Stück ja nicht nur gelegentlich vor, dass der Text auf einer Metaebene lokalisiert ist. Sie ist der Hauptort, wo sich der Chor bewegt, und wo er nicht als eine definierte Gruppe von Mitwirkenden, sondern als eine singuläre Identität auftritt. Diese Metaebene ist, wie ich meine, das Ursprüngliche, aus dem die Tragödie erst entstanden ist. Die Gesänge und Tänze in noch älterer Zeit bewegten sich ausschließlich auf dieser Ebene. Ekstatische Dithyramben zu Ehren des Dionysos und mythische Erzählungen wurden in lyrischen Versen gesungen und mit ausdrucksstarken pantomimischen Bewegungen begleitet. Dialogische Spielszenen kamen erst später mit den Tragödiendichtern hinzu – als zusätzliche Illustration zu den Botschaften der Chorsänger.

Als Textgrundlagen für meine Textanalyse dienen die zweisprachige Edition von Norbert Zink und eine alte griechische Ausgabe mit einem ausführlichen deutschen Kommentar von August Jacob aus dem Jahr 1849. Für meine „Hauptperson“, den Chor, der in den üblichen Personenregistern immer nur als „Chor der thebanischen Greise“ bezeichnet wird, halte ich eine Differenzierung in mindestens zwei Identitäten für erforderlich. Schon für das Einzugslied kann die Bezeichnung „thebanische Greise“ nicht gelten, da der singende und tanzende Chor definitiv eine vorgegebene Instanz,[21] ein zentrales Bauelement und eine „prädramatische“ [22] Formation der griechischen Tragödie ist.

PARODOS: Das Einzugslied (Vers 100-161)

STRAHL DER SONNE, DAS SCHÖNSTE LICHT, DAS DEM SIEBENTORIGEN THEBEN AUFGING VON ALLEN FRÜHEREN, ENDLICH BIST DU ERSCHIENEN, O GOLDENEN TAGES AUGE

Nach dem Prolog, dem in die Handlung einführenden Dialog zwischen Antigone und Ismene, zieht der Chor ein und singt einen Hymnus an die hilfreichen Götter, die der Stadt Theben zum Sieg gegen einfallende Feinde verhalfen. Diese Feinde seien durch den Blitz des Zeus und die Schläge des Ares vertrieben worden, als sie schon nahe daran waren, die sieben Tore Thebens zu überwinden. Namentlich nennt der Chor nur Polyneikes, der sich gegen das eigene Volk erhoben habe, und der zusammen mit dem eigenen Bruder im Zweikampf gefallen sei. Hierfür benutzen die Chorsänger die Formulierung πλὴν τοιν στυγεροιν („außer dem feindlichen Brüderpaar“).[23]

Die Geschichte des Kampfes wird in zwei Strophenpaaren – jeweils Strophe und Gegenstrophe – besungen. Sie gipfelt in der Anrufung des Bacchus, weil die Siegesgöttin Nike jubelnd in Theben eingezogen sei (150-154):

ἐκ μὲν δὴ πολέμων
τῶν νῦν θέσθε λησμοσύναν,
θεῶν δὲ ναοὺς χοροῖς
παννυχίοις πάντας ἐπέλθωμεν, ὁ Θήβας
δ' ἐλελίχθων Βάκχιος ἄρχοι.

Macht Platz dem
Vergessen jetzt, gehen wir
doch zu allen Tempeln der Götter
im Tanz die ganze Nacht lang, der Erschütterer
Thebens, Bakchios gehe voran!

Mit diesen Zeilen beendet der Chor die Anrufung der Götter und geht mit den Versen 155-161 in die Spielszene über: „Doch siehe, es kommt, nunmehr König dieses Landes, Kreon…“ Er stellt die Frage, warum der König den Rat der Alten zu einer Besprechung rufen ließ. Durch diese Frage verwandelt sich der Chor gleichsam in die Gruppe der thebanischen Greise. Später, nach dem Monolog Kreons, sind sie weiterhin noch mit wenigen Zeilen an der Spielszene beteiligt. Ihr Anführer bedeutet dem König (211-214), dass er, ob er der Stadt nun gut oder schlecht gesinnt sei, in jedem Fall das Recht habe, über die Lebenden und die Toten zu bestimmen. Diese Haltung der Greise dem König gegenüber ist schon einigermaßen kühl, und sie wird es noch mehr, als sie sich weigern, den toten Polyneikes zu bewachen (216). Und sie behaupten, dass wohl keiner so dumm sein werde, dem König den Gehorsam zu verweigern (218 u. 220).

Der Chor agiert hier in der Rolle der thebanischen Greise deutlich reserviert und unterwirft sich nicht dem unangemessenen Wunsch des Königs. [24] Später erregen sie gar den Zorn des Herrschers, weil sie die Vermutung äußern, die unerlaubte Bestattung des Polyneikes könnte von den Göttern eingefädelt sein (278-279).

1. STASIMON: Erstes Standlied (Vers 332-383)

VIELGESTALTIG IST DAS UNGEHEURE, UND NICHTS IST UNGEHEUERER ALS DER MENSCH

Im ersten Standlied, das wie das Einzugslied aus zwei Strophen und zwei Gegenstrophen besteht, besingt der Chor das Ungeheure, das den Menschen und seine Taten ausmacht, im Guten wie im Bösen. Der Mensch hat die Natur zu Wasser und zu Lande bezwungen, er beherrscht die Jagd und die Viehzucht, und er hat die Sprache, das Denken und die Politik gelernt. Allein vor dem Tod gibt es für ihn kein Entrinnen. Er vermag auch schwere Krankheiten zu heilen und Großartiges zu erfinden, aber er kann sowohl Gutes als auch

Schlechtes tun. Er muss nicht nur die Gesetze seines Landes, sondern auch die Gesetze der

Götter einhalten. Wer dies aber nicht tut, hat kein Recht in der Stadt zu bleiben. Die letzten

Verse (376-383) sind, wie schon im Einzugslied, ein Übergang in die nächste Spielszene. Der Chor sieht, wie Antigone, als Täterin gefasst, herbei gebracht wird. Er spricht aus, was auch das Publikum weiß: die Unglückselige ist die Tochter des unglückseligen Ödipus (379-383):

ὦ δύστηνος
καὶ δυστήνου πατρὸς Οἰδιπόδα,
τί ποτ᾽; οὐ δή που σέ γ᾽ ἀπιστοῦσαν
τοῖς βασιλείοισιν ἄγουσι νόμοις
καὶ ἐν ἀφροσύνῃ καθελόντες;

Unglückselige
und Tochter des unglückseligen Vaters Ödipus,
was gibt es? Haben sie doch nicht dich,
ungehorsam dem königlichen Gebot,
bei sinnlosem Tun ergriffen und bringen dich daher?

Dieser Kommentar kann auf der Metaebene vom Chor stammen, aber auch innerdramatisch von den thebanischen Greisen. In dieser zweifachen Identität erhält der Chor die Reserviertheit gegenüber dem König aufrecht. Sowohl als übergeordnete Instanz als auch in seiner Rolle im dramatischen Spiel weiß der Chor, ebenso wie das Athener Publikum, dass die Bestattung eines Angehörigen seit jeher eine heilige Pflicht ist.

Im zweiten Epeisodion sind die Äußerungen der thebanischen Greise erneut sehr spärlich verteilt. Einmal stellen sie nur lapidar fest, dass Kreon soeben aus dem Haus kommt (386), ein anderes Mal kommentieren sie den Charakter Antigones. Sie habe die gleiche schroffe Art wie ihr Vater und könne niemals nachgeben (471-472). Auch diese Stelle kann man nicht als eine regelrechte Verurteilung Antigones interpretieren, der Chor bleibt wiederum sowohl als Mitspieler als auch als unbeteiligter Kommentator distanziert. Eine weitere Äußerung ist dagegen von Mitleid geprägt und betrifft die um ihre Schwester weinende Ismene (526-530):

καὶ μὴν πρὸ πυλῶν ἥδ᾽ Ἰσμήνη,
φιλάδελφα κάτω δάκρυ᾽ εἰβομένη:
νεφέλη δ᾽ ὀφρύων ὕπερ αἱματόεν
ῥέθος αἰσχύνει,
τέγγουσ᾽ εὐῶπα παρειάν.

Da, schau hin, Ismene vor dem Tor,
aus Liebe zur Schwester Tränen vergießend!
Eine Wolke an den Brauen entstellt
das hochrote Gesicht
und benetzt die reizende Wange.

Am Ende der Spielszene vergewissern sich die thebanischen Greise ungläubig bei Kreon, ob er tatsächlich entschlossen ist, Antigone seinem Sohn zu entreißen und zu töten (574 u. 576):

ἦ γὰρ στερήσεις τῆσδε τὸν σαυτοῦ γόνον;
δεδογμέν᾽, ὡς ἔοικε, τήνδε κατθανεῖν.

So wirst du denn den eigenen Sohn von ihr reißen?
Ist es fest beschlossen – so sieht es aus, dass sie sterben muss?

2. STASIMON: Zweites Standlied (Vers 583-630)

GLÜCKLICH, DESSEN LEBEN KEINE LEIDEN KENNT. DENN WEM DAS HAUS ERSCHÜTTERT WURDE VON DEN GÖTTERN HER, AN UNHEIL FEHLT DEM NICHTS BIS ZUM LETZTEN GLIEDE DES GESCHLECHTS

Mit dem zweiten Standlied erinnert der Chor an das unentrinnbare Schicksal von Antigones Urahnen. Der Stamm der Labdakiden sei von Generation zu Generation immer wieder dahingerafft worden, und auch jetzt, da sich im Hause des Ödipus erstmals das Licht ausbreitete, würden sie wieder von den unterirdischen Göttern der Unterwelt niedergemäht. Zugleich aber geschehe dies wegen des Unverstandes und der Verblendung (599-603):

νῦν γὰρ ἐσχάτας ὕπερ
ῥίζας ὃ τέτατο φάος ἐν Οἰδίπου δόμοις,
κατ᾽ αὖ νιν φοινία θεῶν τῶν νερτέρων
ἀμᾷ κόνις λόγου τ᾽ ἄνοια καὶ φρενῶν
ἐρινύς.

Jetzt nämlich war über die letzten Wurzeln
Licht gebreitet im Hause des Ödipus, da mäht
sie wieder nieder blutig der unterirdischen
Götter Sichel, des Wortes Torheit und der Sinne
Verhängnis.

Mit diesen Sätzen endet die erste Gegenstrophe. Scheinbar ist hier die Unvernunft und Verblendung der Antigone gemeint, aber mit seinem Vorwissen gibt der Chor[25] damit auch einen versteckten Hinweis auf die Verfehlung des Kreon, die zum Untergang des ganzen Hauses führt.

Die zweite Strophe beklagt, dass Zeus den Verfehlungen der Menschen keinen Einhalt gebieten kann, obwohl er niemals durch den Schlaf geschwächt wird und alterslos im Olymp herrscht. In der zweiten Gegenstrophe werden die vielen Hoffungen und unbedachten Wünsche der Menschen gerügt. Ihre Selbsttäuschung und ihr Spiel mit dem Feuer führt sie ins Unheil, weil sie manchmal durch das von Göttern gesandte Schicksal etwas Schlechtes für gut halten. Ihr Handeln bewahrt sie oft nur für eine sehr kurze Zeit vor dem Verderben.

Ab Vers 626 leitet das Standlied wieder in die nachfolgende Szene über. Der Chor weist Kreon auf die Ankunft seines Sohnes Haimon hin und auf dessen Verzweiflung über die getäusche Ehe-Aussicht mit Antigone. Auch nehmen die Greise wieder indirekt Stellung gegen Kreon, indem sie ein gewisses Mitleid mit Haimon zeigen. In den Dialog von Kreon und Haimon mischen sie sich wieder nur mit kurzen Bemerkungen ein: falls ihr Alter sie nicht täuschte, würden sie die Argumente Kreons für recht vernünftig halten (681-682). Aber nach Haimons Gegenrede fordern sie Kreon auf, auch die Worte seines Sohnes zu bedenken (724-725):

ἄναξ, σέ τ᾽ εἰκός, εἴ τι καίριον λέγει,
μαθεῖν, σέ τ᾽ αὖ τοῦδ᾽: εὖ γὰρ εἴρηται διπλῇ.

Herr, es ist billig, dass du, wenn sein Wort zu-trifft,
lernst, du auch von ihm: geredet ist gut von beiden Seiten.

Als Haimon weggeht, warnen die Greise den Vater, dass dieser jugendliche Geist in seinem Zorn und Schmerz zu allem fähig sein könnte (766-767). Von der Unerbittlichkeit Kreons betroffen, befürchten sie, dass Kreon beide Schwestern töten wolle (770), und nach seinem Nein fragen sie ihn, welche Todesart er für Antigone vorgesehen habe (772).

3. STASIMON: Drittes Standlied (Vers 781-805)

EROS, UNBESIEGT IM KAMPFE, DER DU ÜBER DEINE BEUTE HERFÄLLST, […] WEDER KANN EIN UNSTERBLICHER DIR ENTFLIEHEN NOCH DIR EINER VON DEN KURZLEBIGEN MENSCHEN

Dieses kurze Standlied besteht nur aus einer Strophe und einer Gegenstrophe. Es reflektiert über Eros, den Gott der Liebe und des Begehrens, der über alle Meere und Länder zieht, und dem alle Götter ebenso wie die Menschen ausgeliefert sind. Eros verleitet die Gerechten zur Ungerechtigkeit, und so wurde auch der Streit zwischen Vater und Sohn durch seine Macht verursacht. Den Sieg hat dabei der Liebreiz Antigones davon getragen, [26] weil hier auch die Göttin Aphrodite unbezwingbar ihr schalkhaftes Spiel getrieben hat. Sogar der Chor selbst wird beim Anblick der armen Antigone dazu verleitet, von der Bahn des Gesetzes abzweichen. Denn er kann seine Tränen nicht zurückhalten und ergreift so Partei für die Verurteilte und gegen das Gebot des Königs (Gegenstrophe, V. 791-794 u. 801-805):

σὺ καὶ δικαίων ἀδίκους
φρένας παρασπᾷς ἐπὶ λώβᾳ,
σὺ καὶ τόδε νεῖκος ἀνδρῶν ξύναιμον
ἔχεις ταράξας:

νῦν δ᾽ ἤδη 'γὼ καὐτὸς θεσμῶν
ἔξω φέρομαι τάδ᾽ ὁρῶν ἴσχειν δ᾽
οὐκέτι πηγὰς δύναμαι δάκρυ
τὸν παγκοίτην ὅθ᾽ ὁρῶ θάλαμον
τήνδ᾽ Ἀντιγόνην ἀνύτουσαν.

Du verleitest auch den Sinn von Gerechten
Zum Unrecht, so dass sie verderben,
du hast auch diesen Streit blutsverwandter
Männer, Verwirrung stiftend, hervorgerufen.

Nun komme sogar ich schon von der Bahn des Gesetzes
ab, wenn ich das da sehe, zurückhalten aber
kann ich nicht mehr den Quell meiner Tränen,
weil ich unsere Antigone zur Kammer, die alle
bettet, dort gehen sehe.

KOMMOS (Klagelied): Wechselgesang mit Antigone (Vers 806-875)

ABER BERÜHMT UND MIT VIEL LOB GEHST DU IN DIESE TOTENGRUFT

Das Klagelied Antigones beginnt mit der vierten Spielszene, und hier ist der Chor wieder mit seiner doppelten Identität als Ältestenrat und zugleich als höhere Instanz, die bereits die ganze Geschichte kennt, vertreten. Auf Antigones Klagegesang antwortet er ihr, was die Ältesten nicht wissen können, dass sie durch ihren Tod Berühmtheit und Lob erringen werde. Denn sie erleide ein Los, das außer ihr nur Göttern zuteil wurde (817-822 und 835-838):

οὐκοῦν κλεινὴ καὶ ἔπαινον ἔχουσ᾽
ἐς τόδ᾽ ἀπέρχει κεῦθος νεκύων,
οὔτε φθινάσιν πληγεῖσα νόσοις
οὔτε ξιφέων ἐπίχειρα λαχοῦσ᾽,
ἀλλ᾽ αὐτόνομος ζῶσα μόνη δὴ
θνητῶν Ἅιδην καταβήσει.

ἡμεῖς δὲ βροτοὶ καὶ θνητογενεῖς.
καίτοι φθιμένῃ μέγα κἀκοῦσαι
τοῖς ἰσοθέοις σύγκληρα λαχεῖν.
ζῶσαν καὶ ἔπειτα θανοῦσαν.

Aber berühmt und mit viel Lob
Gehst du in diese Totengruft,
weder von verderblichen Krankheiten geschlagen
noch mit dem Lohn des Schwertes,
sondern dir selbst Gesetz, gehst du als einzige denn
von den Sterblichen zum Hades.

…wir sind Menschen und stammen von Menschen.
Und es ist groß vor aller Welt, wenn auch im
Untergang, dasselbe Los wie Götter gehabt zu
haben im Leben und künftig im Tode.

Im weiteren Verlauf des gemeinsamen Klagegesanges wird die Position des Chores ein wenig unklar, denn so sehr er in Gestalt der alten Thebaner das Mädchen bedauert, so sehr treten jetzt zum Mitleid auch Vorwürfe. Antigone habe die Göttin Dike durch ihre Gehorsamsverweigerung gegenüber Kreon schwer erzürnt, aber dieses Schicksal habe sie leider von ihrem Vater Ödipus geerbt (853-856). Obwohl die Ehrung der Toten eine fromme Tat sei, so habe sie doch durch ihren Eigensinn ihr Leben zerstört, weil sie das Gebot des Königs übertreten habe. Und das dürfe niemals geschehen, „wem Staatsgewalt auch immer gehört“ (872-875). Mit diesem letzten Zusatz geht der Chor bei allen Vorwürfen doch wieder auf Distanz zu Kreon, dem auch schon Antigone und Haimon vorgeworfen haben, ein Tyrann zu sein. Kurz bevor Antigone in die Gruft geführt wird und den heftigen Wunsch äußert, Kreon möge dasselbe Unheil erleiden wie sie, rechtfertigt der Chor ihren Ausbruch mit den Worten, sie sei eben immer noch in höchster Erregung (929-930).

4. STASIMON: Viertes Standlied (Vers 944-987)

ES MUSSTE AUCH DANAËS LEIB DAS HIMMLISCHE LICHT LASSEN GEGEN ERZGEFÜGTE BEHAUSUNG

Angesichts der furchtbaren Bestrafung Antigones erinnert der Chor an drei Mythen, in denen sich das Schicksal ähnlich grausam erwies. So wurde Danaë, die Geliebte des Zeus und Mutter des Perseus von ihrem eigenen Vater in eine Eisenkammer eingeschlossen, damit ihr Sohn nicht eines Tages den Großvater töten würde, wie vom Orakel geweissagt.

In der ersten Gegenstrophe besingt der Chor das Schicksal des thrakischen Königs Lykurg, der mit seinem Jähzorn Dionysos beleidigte und deshalb in ein steinernes Gefängnis gesperrt wurde. Diese Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Lykurg und Dionysos gab es in vielen verschiedenen Variationen. Hier begründet der Chor Lykurgs Bestrafung damit, dass dieser den Verehrerinnen des Dionysos die Ausübung ihres Kultes verwehrt habe.

Den größten Raum im vierten Standlied, nämlich zweite Strophe und zweite Gegenstrophe, nimmt das Schicksal der Kleopatra ein, der verstoßenen Gattin des Königs Phineus (981-987):

ἁ δὲ σπέρμα μὲν ἀρχαιογόνων
ἄντασ᾽ Ἐρεχθειδᾶν,
τηλεπόροις δ᾽ ἐν ἄντροις
τράφη θυέλλαισιν ἐν πατρῴαις
Βορεὰς ἅμιππος ὀρθόποδος ὑπὲρ πάγου
θεῶν παῖς. ἀλλὰ κἀπ᾽ ἐκείνᾳ
Μοῖραι μακραίωνες ἔσχον, ὦ παῖ.

Ihre Herkunft reichte zurück zu den in
Urzeiten geborenen Söhnen des Erechtheus.
In weit entfernten Höhlen wurde sie
mitten in den Winden des Vaters aufgezogen:
Tochter des Boreas, schnell auf dem Pferd, leichtfüßig am Berg,
ein Kind der Götter. Dennoch wurde auch sie
von den Schicksalsgöttinnen nicht verschont, oh Kind![27]

Friedrich Wilhelm Schneidewin erklärt in seiner kommentierten Ausgabe der Antigone, dass Kleopatra dem Sophokles mehr als die anderen beiden Schicksalsopfer am Herzen lag, weil sie zum Ahnengeschlecht der Athener gehörte.[28] Sie war die Tochter des Windgottes Boreas und musste erleben, dass ihren beiden Söhnen von der Stiefmutter Idaea die Augen mit einem Weberschiffchen ausgestochen wurden.

Die fünfte Spielszene wird zur vermeintlichen Wende, da der Seher Teiresias Kreons Untergang prophezeit und ihn dadurch zum Umdenken veranlasst. Der Chor, jetzt ganz in der Rolle des Ältestenrates und nicht wissend, dass Kreons Schicksal besiegelt ist, rät ihm jetzt, auf das Schnellste zu handeln, um Antigone noch zu retten (1091-1093, 1100-1101 und 1107):

ἁνήρ, ἄναξ, βέβηκε δεινὰ θεσπίσας:
ἐπιστάμεσθα δ᾽, ἐξ ὅτου λευκὴν ἐγὼ
τήνδ᾽ ἐκ μελαίνης ἀμφιβάλλομαι τρίχα,
μή πώ ποτ᾽ αὐτὸν ψεῦδος ἐς πόλιν λακεῖν.
ἐλθὼν κόρην μὲν ἐκ κατώρυχος στέγης
ἄνες, κτίσον δὲ τῷ προκειμένῳ, τάφον.
δρᾶ νυν τάδ᾽ ἐλθὼν μηδ᾽ ἐπ᾽ ἄλλοισιν τρέπε.

Dieser Mann, Herr, ist weg, nachdem er Fürchterliches prophezeite.
Wir aber wissen, seit dieses weiße Haar
anstatt des schwarzen herunterfällt, dass er
noch nie eine Lüge in die Stadt hinein gesagt.
Geh hin und lass das Mädchen aus der unterirdischen Gruft und weihe dem offen Daliegenden ein Grab.
Geh und tue es und überlass‘ es andern nicht!

5. STASIMON: Fünftes Standlied (Vers 1115-1152)

VIELNAMIGER, DER KADMEISCHEN JUNGFRAU STOLZ UND DES SCHWER DONNERNDEN ZEUS SPROẞ, DER DU BESCHIRMST DAS GEFEIERTE ITALIEN

Das fünfte Standlied ist wie die Parodos eine Anrufung des Gottes Dionysos, dieses Mal aber nicht, um einen Freudengesang anzustimmen wie nach der Niederschlagung der Feinde Thebens, sondern hier ruft der Chor Dionysos um Hilfe an, weil die Stadt von schwerer Krankheit befallen sei, nachdem Kreon die Bestattung des Polyneikes verboten hatte. Der Gott möge mit seinem Gefolge in der Stadt erscheinen und dieses „miasma“, diese böse Ansteckung, endgültig vertreiben. Er solle „mit reinigendem Fuß“ kommen und durch nächtliches Rasen und Tanzen die Stadt vom Übel befreien.

Diese Stelle in der Antigone gilt als das älteste Zeugnis dafür, dass „ein solches ekstatisches Tanzen als Reinigung aufgefasst wurde, die von argen psychischen Qualen befreit,…“[29] . Außerdem weisen die Zeilen deutlich auf die kultische Basis [30] der griechischen Tragödie zurück (1140-1152):.

καὶ νῦν, ὡς βιαίας ἔχεται
πάνδαμος πόλις ἐπὶ νόσου,
μολεῖν καθαρσίῳ ποδὶ
Παρνασίαν ὑπὲρ κλιτὺν
ἢ στονόεντα πορθμόν.
ἰὼ πῦρ πνειόντων χοράγ᾽
ἄστρων, νυχίων
φθεγμάτων ἐπίσκοπε,
παῖ Διὸς γένεθλον, προφάνηθ᾽
ὦναξ, σαῖς ἅμα περιπόλοις
Θυίαισιν, αἵ σε μαινόμεναι
πάννυχοι χορεύουσι
τὸν ταμίαν Ἴακχον.

Auch jetzt, wo von gewaltiger Krankheit
die Stadt mit dem gesamten Volk erfasst wird,
komm mit reinigendem Fuß über den
Parnass-Hügel oder
die tosende Furt.
Io, der feuerhauchenden Sterne
Chorführer, des nächtlichen
Jubelschalles Aufseher,
zeusentsprossenens Kind, erscheine,
oHerr, zusammen mit deinen
Dienerinnen, die dich imRausch
die ganze Nacht hindurch betanzen,
den waltenden Jakchos.

Der Chor weiß, dass er an dieser Stelle das Unheil durch die Anrufung nicht mehr abwenden kann, aber er folgt in diesem Stasimon der kultischen Konvention, auf der die Tragödie gründet. Gerade hier, am Höhepunkt des Spannungsbogens, seinem größten und ausdrucksstärksten Auftritt, kann der Chor unmöglich in der Rolle der unwissenden Greise agieren. Denn er ist in diesem Moment nicht mehr ein kleiner Teil der Handlung, sondern er wird gleichsam selbst zur Tragödie.

KOMMOS (Klagelied): Wechselgesang mit Kreon (Vers 1257-1352)

BITTE UM NICHTS MEHR; DENN AUS DEM BESTIMMTEN SCHICKSAL GIBT ES FÜR STERBLICHE KEINE BEFREIUNG

Die Schlussszene, zugleich das Klagelied Kreons mit dem Chor, kann nur noch illustrieren, was der Chor dem Athener Publikum bereits in der vorausgegangenen vergeblichen Anrufung des Dionysos vermittelte: für Kreon ist das Spiel aus, seine Schuld ist offenbar geworden, und aus dem für ihn bestimmten Schicksal gibt es keine Befreiung. Hier wird der Chor noch einmal für einige Zeilen zum Ältestenrat, der mit Kreon gemeinsam die schrecklichen Folgen beklagt, die der unbesonnene Befehl und die Entweihung des göttlichen Bestattungsgebotes hervorriefen (1257-1260):

καὶ μὴν ὅδ᾽ ἄναξ αὐτὸς ἐφήκει
μνῆμ᾽ ἐπίσημον διὰ χειρὸς ἔχων,
εἰ θέμις εἰπεῖν, οὐκ ἀλλοτρίαν
ἄτην, ἀλλ᾽ αὐτὸς ἁμαρτών.

Sieh, da kommt unser Herr selbst,
ein deutlich Mal in seinen Händen haltend – wenn
man’s sagen darf -, nicht fremder Schuld, sondern
selbst hat er gefehlt.

Das letzte Wort hat schließlich wieder der Chor als höchste Instanz der Tragödie und zugleich auch als Ältestenrat. Aus der Spielszene heraus preist er in den Schlussversen des Klageliedes die Besonnenheit, die der Mensch durch Schicksalsschläge im Ater lernt, als das größte Glück:

Schlusswort des Chores (Vers 1347-1352)

πολλῷ τὸ φρονεῖν εὐδαιμονίας
πρῶτον ὑπάρχει. χρὴ δὲ τά γ᾽ εἰς θεοὺς
μηδὲν ἀσεπτεῖν. μεγάλοι δὲ λόγοι
μεγάλας πληγὰς τῶν ὑπεραύχων
ἀποτίσαντες
γήρᾳ τὸ φρονεῖν ἐδίδαξαν.

Bei weitem ist Besonnenheit das höchste
Glück; man darf den Bereich der Götter in
keiner Weise entweihen; doch große Worte von
Prahlenden haben, wenn sie unter großen
Schlägen gebüßt,
im Alter vernünftiges Besinnen gelehrt.

Zusammenfassung

Was meine ursprüngliche Fragestellung betrifft, ob der Dichter in seinem Text indirekte Regieanweisungen gibt, wie sich der Chor auf der Orchestra zu bewegen habe, so ist Derartiges überhaupt nicht im Text zu finden. So wie auch die Überschriften zu den einzelnen Teilen des Stückes nicht vom Autor selbst stammen, sondern von späteren Bearbeitern erschlossen wurden. Direkt von Sophokles ist nur der „nackte“ Tragödientext in einer Handschrift des 10. Jahrhunderts erhalten. Darin lassen sich zwei Stellen finden, die einen Hinweise auf den Chortanz enthalten, und zwar die beiden Anrufungen des Dionysos im Einzugslied und im fünften Stasimon.

Im ersten Fall geht es um einen Freudentanz aus Anlass des Sieges über die sieben Angreifer Thebens, und im zweiten Fall wendet sich der Chor mit einem Notruf an Dionysos, er möge für die Stadt Theben mit seinem Gefolge „auf reinigendem Fuß“ die ganze Nacht hindurch rasende Tänze aufführen. Für diese Arten von Tänzen, an denen die Chöre bei ihren kultischen Festen teilnahmen, gibt es weder im Antigone-Text, noch in anderen Quellen genauere Hinweise, wie sie ausgesehen haben mögen. Da das Athener Publikum mit ihnen vertraut war, wäre diesbezüglich eine Regieanweisung unnötig gewesen.

Jedenfalls müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass der Rhythmus der griechischen Musik eng mit dem Sprachrhythmus verknüpft war, und dass dementsprechend auch der Tanz im Theater unmittelbar von der Metrik der Chorlieder abhängig war. Nähere Hinweise könnte vielleicht eine genaue Untersuchung der Versmaße geben, da diese für die Chorlieder stets andere waren als für die gesprochenen Texte.

Da ich in meinem Textanalyse-Kapitel ausschließlich die Texte des Chores, das heißt, alle Liedertexte und die wenigen innerdramatische Sprechtexte, behandelt habe, zeigte sich, dass deren Inhalte fast immer außerhalb der Bühnenhandlung auf einer metatheatralen Ebene zu verorten waren. Dazu gehörten Berichte über frühere tragische Vorkommnisse, die in Bezug zum Bühnengeschehen standen, [31] und philosophische Betrachtungen über das Leben der Menschen und ihr Verhältnis zu den Göttern, wobei zwar den Schwächen der Menschen die Schuld am Unglück gegeben, andererseits aber auch den Göttern vorgeworfen wurde, dass sie die Hoffnungen und Neigungen der Menschen ausnützten, um sie dann zu bestrafen. In diesem Sinne ist auch die Anrufung des Liebesgottes Eros im dritten Stasimon zu verstehen, weil er durch sein Wirken die Menschen immer wieder vom rechten Weg abbringt.

Als Conclusio kann man, glaube ich, mit Recht sagen: bei Sophokles hatte der Chor noch Vorrang vor Antigone und Kreon. Eine Alternative, die anscheinend auch für unser heutiges Theater immer interessanter werden könnte.

Literaturliste

Textgrundlagen

ZINK 1981
Sophokles: Antigone. Griechisch und Deutsch. Übersetzt von Norbert Zink. Reclam, Stuttgart 1981, 144 Seiten

JACOB 1849
Sophokles' Antigone: griechisch mit Anmerkungen nebst einer Entwicklung des Grundgedanken und der Charaktere in der Antigone. Hrsg. von August Jacob. Dümmler, Berlin 1849, 152 Seiten. Online verfügbar unter: Https://books.google.de/books?id=S00EAAAAQAAJ (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

Weitere Textausgaben

BRUNCK 1786
Richard Franz Philipp Brunck: Sophoclis Tragoediae septem; ad optimorum exemplarium fidem emendatae cum versione et notis ex editione Rich. Franc. Phil. Brunck., Tomus II. Treuttel, Straßburg 1786. [= erste bis heute maßgebliche Ausgabe der Sophokles-Werke]. Online verfügbar unter: Https://books.google.de/books?id=D5ECfIaUCNUC (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

HÖLDERLIN 1804
Friedrich Hölderlin: Sophokles. Antigone. In: Friedrich Hölderlin, Werke in zwei Bänden. Band 1. Harenberg 1982 (erste Auflage 1804), S. 397-450. [Download verfügbar unter: Http://gutenberg.spiegel.de/buch/antigone-6244/1 (zuletzt geprüft am 30.07.2015)].

SCHNEIDER 1826
Gottlieb Carl Wilhelm Schneider: Sophokles. Antigone. Griechisch, mit kurzen teutschen Anmerkungen. In: Sophokles, Tragödien. Siebentes Bändchen. Hoffmann, Weimar 1826. Https://books.google.de/books?id=UwpEAAAAYAAJ (zuletzt geprüft am 30.07.2015)

BOECKH 1843
August Boeckh: Des Sophokles Antigone: griech. u. deutsch. Veit u. Compagnie, 1843, 301 Seiten. Online verfügbar unter: Https://books.google.de/books?id=qc8TAAAAYAAJ (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

SCHNEIDEWIN 1852
Sophokles. Erklärt von F. W. Schneidewin. Viertes Bändchen: Antigone. Weidmansche Buchhandlung, Leipzig 1852, 155 Seiten. Https://books.google.de/books?id=_ntq4wQV9jEC (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

Sekundärliteratur

ANGIOLINI 1765
Gasparo Angiolini: Dissertation sur les ballets pantomimes des anciens, pour servir de programme au ballet pantomime tragique de Semiramis Composé par Mr. Angiolini Maître des Ballets du Théâtre près de la Cour à Vienne, & représenté pour la premiére fois sur ce Théâtre le 31 Janvier 1765. [Programmheft zum Ballett Semiramis].

BAUR 1999
Detlev Baur: Der Chor im Theater des 20. Jahrhunderts. Typologie des theatralen Mittels Chor. De Gruyter, Berlin 1999, 231 Seiten. Https://books.google.de/books?id=OXIjAAAAQBAJ (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

BIERL 2001
Anton Bierl: Der Chor in der Alten Komödie: Ritual und Performativität. De Gruyter, Berlin 2001, 457 Seiten. Https://books.google.de/books?id=y64XU4ZLNLEC (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

BIERL 2006
Anton Bierl: Tragödie als Spiel und das Satyrspiel. Die Geburt des griechischen Theaters aus dem Geiste des Chortanzes und seines Gottes Dionysos. In: Aufgang. Jahrbuch für Denken, Dichten, Musik. Hrsg. von J. Sánchez de Murillo u. M. Thurner. Bd. 3: Kind und Spiel, Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 111–138. Https://unibas.academia.edu/AntonBierl. (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

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Max von Boehn: Der Tanz. Volksverband der Bücherfreunde, Wegweiser Verlag, Berlin 1925, 268 Seiten.

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Friedhelm Brusniak: Chor und Chormusik. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgem. Enzyklopädie der Musik, begründet von Friedrich Blume. Zweite, neubearb. Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher. Sachteil 2. Bärenreiter, Kassel u.a., Metzler, Stuttgart u. Weimar 1995, Sp. 766-816.

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P. J. Finglass: The textual transmission of Sophocles' dramas. In: K. ORMAND, ed., The Blackwell Companion to Sophocles. Blackwell, Oxford 2012, S. 9-24.

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Bernhard Zimmermann, Stasimon. In: Der neue Pauly (DNP), Enzyklopädie der Antike; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 11: Sam -Tal. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, Spalte 918 - 919.

ZIMMERMANN 2005
Bernhard Zimmermann, Die griechische Tragödie : eine Einführung. Patmos, Düsseldorf 2005. [Patmos Paperback].

Internet-Ressourcen

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Ulrich Johannes Beil (Universität München / Universität Zürich): Dionysos-Reflexionen. Fest und Präsenz in Sophokles'/Brechts Antigone. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. Online verfügbar unter: Http://www.inst.at/trans/16Nr/05_7/beil16.htm (zuletzt geprüft am 30.07.2015).

Wikipedia

(alle zuletzt geprüft am 30.07.2015)

URL ANTIGONE : Https://de.wikipedia.org/wiki/Antigone_(Sophokles)

URL BÜCHERVERLUSTE :
Https://de.wikipedia.org/wiki/Bücherverluste_in_der_Spätantike

URL DREI EINHEITEN
Drei Aristotelische Einheiten: Https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Aristotelische_Einheiten

URL POETIK I
Aristoteles Poetik, Kap. 12, griechisch: Http://www.gottwein.de/Grie/aristot/aristpoet12.php

URL POETIK II
Aristoteles Poetik: deutsch von Alfred Gudeman (1921). In: Projekt Gutenberg. Hrsg. von Marc D'Hooghe als eBook. 2005. Http://www.gutenberg.org/files/16880/16880-h/16880-h.htm

URL SCHOLION
Https://de.wikipedia.org/wiki/Scholion

URL SOPHOKLES
Https://de.wikipedia.org/wiki/Sophokles


[1] MANUWALD 2012, S. 53.
[2] Es existieren auch noch mindestens 17 Papyrusfragmente, die bis auf das erste vorchristliche Jahrhundert zurückgehen, deren Texte aber von geringerer Qualität sind als die der erhaltenen mittelalterlichen Abschriften.
[3] URL BÜCHERVERLUSTE.
[4] MANUWALD 2012, S. 54.
[5] Scholien sind Kommentare, die auf ältere, nicht mehr verfügbare Kommentare zurückgehen (URL SCHOLION).
[6] Richard Franz Philipp Brunck (1729-1803).
[7] Möglicherweise hatte auch Jette Steckel diese Vorstellung, als sie ihre Antigone für das Wiener Burgtheater inzenierte. In den meisten Kritiken kamen ihre Chorszenen am besten weg, vor allem wenn sie mit dröhnnender Musik und einem bombastischen Lichtspektakel begleitet waren. „Antigone ist’s wurscht, was Onkel Kreon sagt“ titelte der Kurier (Barbara Mader, 01.06.2015, Kurier, Kultur). Ich könnte hinzufügen: dem Publikum ist’s egal, was Antigone und Kreon sagen. Der Chor stiehlt ihnen die Schau.
[8] Das Wort Standlied besagt nicht, dass es vom Chor im Stehen gesungen wird, sondern dass sich der Chor nach dem Einzug bereits auf seinem „Standort“, der ὀρχεστρα (orchestra), befindet. (Seeck 2000, S. 192).
[9] SCHILLER 1980, S. 13, Zeile 14-26.
[10] SOLGER 2009, S. 45-46.
[11] Zitat HAẞ, S. 49.
[12] Auch hier wird der Chor als das zuerst Dagewesene beschrieben, zu dem nach und nach die Spielszenen hinzugekommen sind: „in die Chorlieder eingelassen“ (HAẞ, S. 49).
[13] ANGIOLINI 1765.
[14] MANUWALD, S. 26, Fußnote 75; nach Aristoteles, Poetik, Kap. 12.
[15] ZIMMERMANN 2005, S. 22.
[16] Ebenda, S. 21-22.
[17] Drei Aristotelische Einheiten: der Handlung, der Zeit und des Ortes. Den Begriff gibt es erst seit dem 16. Jahrhundert. (URL DREI EINHEITEN)
[18] Μέρη δὲ τραγῳδίας, οἷς μὲν ὡς εἴδεσι δεῖ χρῆσθαι, πρότερον εἴπομεν, κατὰ δὲ τὸ ποσὸν καὶ εἰς ἃ διαιρεῖται κεχωρισμένα τάδε ἐστίν, πρόλογος, ἐπεισόδιον, ἔξοδος, χορικόν, καὶ τούτου τὸ μὲν πάροδος τὸ δὲ στάσιμον, κοινὰ μὲν ἁπάντων ταῦτα, ἴδια δὲ τὰ ἀπὸ τῆς σκηνῆς καὶ κομμοί. (URL POETIK I); Übersetzung nach Alfred Gudeman (URL POETIK II).
[19] „Wechselgesang von Einzelrolle und Chor wird Kommos (eigentlich ‚Klage‘) oder, wenn nicht geklagt wird, Amobaion (‚Wechsel‘) genannt. […]. Da sich keine einheitliche Verwendung durchgesetzt hat, können beide Termini nur zur ungefähren Kennzeichnung dienen und bleiben daher meist etwas vage.“ [SEECK, S. 192].
[20] Als alte Thebaner treten die Chormitglieder in den Dialog mit Kreon ein und werden von ihm als der auserwählte Ältestenrat zur Beratung zusammengerufen („ausgewählt aus allen“); an anderen Stellen spielen sie eine dem Publikum vergleichbare Rolle von anwesenden Beobachtern, die noch nicht wissen, was geschehen ist oder geschehen wird. Gelegentlich tritt der Chor sowohl als Gruppe der alten Thebaner auf und zugleich als der von außen reflektierende Chor, der mit beiden Hauptpersonen Klagelieder singt.
[21] „Der Chor spielt immer einen Chor. Die Funktionen der Chöre ergeben sich also nicht einfach aus ihrer Identität als Greise, Kriegsgefangene, attische Bauern usw. Andernfalls wären die Chorlieder lediglich störende und artifizielle Einlagen dieser Gruppen. Der Chor ist, wie wir sahen, nicht eine geschlossene Figur im Sinne einer dramatis persona; seine Identität ist nicht vergleichbar mit der der Protagonisten, sie entsteht nur über die Gruppe, die v.a. ein Chor ist. (BAUR 1999, S. 26).
[22] „Das aus heutiger Sicht Prädramatische des Chores, das in der Tradition der archaischen Chorlyrik verankert ist…“
(BIERL 2001, S. 14).
[23] Alle Feinde „außer dem feindlichen Brüderpaar“ sind von Zeus und Ares besiegt worden.
[24] Zwar wurden Feinde nicht bestattet und außerhalb der Stadt liegen gelassen, aber deren Angehörige durften selbstverständlich die seit alten Zeiten streng vorgeschriebenen Bestattungszeremonien durchführen. Insofern war Kreon mit seinem Verbot im Unrecht. (Vgl. JACOB 1849, S. 3).
[25] Der Chor ist ja der eigentliche Erzähler der Tragödie – diese wird zusätzlich von den Schauspielern vorgespielt.
[26] Weil Haimons Liebe über die Loyalität zum Vater triumphierte.
[27] (Nur hier: eigene freie Übersetzung): Die Choreuten sprechen hier direkt die arme Antigone an, die ebenso wie die Genannten vom Schicksal heimgesucht wurde.
[28] SCHNEIDEWIN 1852, S. 120.
[29] Zitat HOESSLY 2007, S. 81.
[30] „Der Gott, der so dringlich als Nothelfer angerufen wird, entpuppt sich im gleichen Hymnus als der […] immer schon eingetroffene Gott; er, der erst kommen soll, bezeugt allein durch die […]Aufführung des Stückes Antigone im Rahmen der athenischen Dionysien, seine Anwesenheit. Die Metatheatralität dieses […] Chorlieds besteht also darin, dass die Darbietung des mythischen Geschehens demonstrativ unterbrochen wird, um das, was sich […] tatsächlich abspielt, ins Bewusstsein zu rufen. […] Was auf den ersten Blick als spätmoderne Projektion erscheinen mag, erweist sich auf den zweiten als Tribut des […] Dramendichters […] an die kultische Basis der Tragödie selbst.“ (Zitat URL BEIL).
[31] Nicht als Ergänzungen der Handlung aufzufassen, da die Handlung umgekehrt eine Illustration der Chorgesänge war.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Im Anfang war der Chor. Hatte er bei Sophokles noch Vorrang vor Antigone und Kreon?
Untertitel
Textanalyse aus einem neuen Blickwinkel
Hochschule
Universität Salzburg  (FB Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar "Ordnungen des Chorischen"
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2015
Seiten
23
Katalognummer
V320600
ISBN (eBook)
9783668198968
ISBN (Buch)
9783668198975
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sophokles, Antigone, Griechische Tragödie, Griechischer Chor, Dionysos-Fest, Parodos = Einzugslied, Stasimon = Standlied
Arbeit zitieren
Ilona Pichler (Autor:in), 2015, Im Anfang war der Chor. Hatte er bei Sophokles noch Vorrang vor Antigone und Kreon?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320600

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