Intertextualität und Interkulturalität. Zwei Formen der Aneignung des Fremden


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2015

18 Seiten, Note: 17/20


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

I-Zu Begriffen Intertextualität und Aneignung des Fremden
1-Intertextualität
2-Die Aneignung des Fremden

II-Intertextualität und Interkulturalität
1-Text als Kultur
2-Dezentrierung des Subjekts
3-Die Übersetzung
4- Die interkulturelle Hermeneutik

III- Aneignung des Fremden durch literarische Epochen
1-Sturm und Drang
2-Klassik
3-Die Moderne

IV- Andere Formen der Aneignung des Fremden
1-Die Mobilität
2-Die Remythologisierung
3-Die Inversion
4-Die Kolonisation: das Beispiel von Afrika

V. Globalisierung und Transkulturalität: jenseits der Grenzen

Schluss

Literaturverzeichnis

Der Autor der vorliegenden Arbeit ist kein Deutsch-Muttersprachler. Bitte haben Sie Verständnis für grammatikalische Fehler und Uneinheitlichkeiten im Ausdruck.

Einleitung

In der heutigen bzw. aktuellen Gesellschaft besteht eine der Eigenschaft oder Fähigkeit des Menschen darin, sich an den neuen fremden Realitäten einer globalisierten Welt anzupassen. Dies setzt voraus, dass er sich diese ihm gesellschaftlich und sogar auch kulturell fremden Wirklichkeiten aneignet. Im literarischen Bereich „wird, im positiven Verständnis des Begriffs, unter Aneignung in der Regel der Prozess verstanden, in dessen Verlauf der Leser sich ein Werk so zueignet, dass die Welt des Textes mit seiner eigenen Welt verschmilzt“ [1]. Von dieser Bestimmung ausgehend wird die Frage nach den Formen der Aneignung des Fremden im Mittelpunkt der Überlegung gestanden. In dieser Hinsicht hat sich Horst Turk darum bemüht, sich mit der Intertextualität als eine Form dieser Aneignung auseinanderzusetzen. Trotzdem setzt die Beschäftigung mit solch einem Thema zunächst voraus, nicht nur die Begriffe Intertextualität und Aneignung des Fremden zu bestimmen, sondern auch zu rechtfertigen, inwiefern die Bemühung von Horst Turk ihren Weg in diesem Rahmen finden kann. Dann wird die Untersuchung der Aneignung des Fremden durch literarische Epochen Anlass zur Erwähnung anderer Formen solcher Aneignung geben. Letzten Endes wird zu zeigen versucht, die Aneignung des Fremden im Zusammenhang mit hochaktuellen Begriffen der Globalisierung und Transkulturalität in Bezug auf die Grenzüberschreitungen ans Licht zu bringen.

I-Zu Begriffen Intertextualität und Aneignung des Fremden

1-Intertextualität

Der Begriff der Intertextualität wird im Rahmen der poststrukturalistischen Denkbewegungen entwickelt. Der poststrukturalistische Theoretiker Michael Bachtin entwickelte erst den Begriff der Dialogizität. Durch diesen Begriff hebt er den Sachverhalt hervor, dass es eine Art Beziehung zwischen dem Werk und anderen literarischen Werken gibt. Ihm zufolge entsteht ein literarischer Text aus anderen Texten und Kontexten. So gesehen spricht er also vom Dialog von Texten. Diese Auffassung des Textes als ein geistiges Produkt, das im Dialog mit anderen Texten steht, wurde später von anderen Poststrukturalisten und zwar Julia Kristeva als Intertextualität formuliert. Im Rahmen des Poststrukturalismus wird der Begriff „Intertextualität“ einerseits Textanalytisch angewandt. Er bezeichnet „spezifische Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Texten und ihren Hypotexten bzw. Prätexten, d.h. zu jenen Texten, die in anderen absorbiert und transformiert werden.“ [2] Andererseits wird Intertextualität im Poststrukturalismus Sprachontologisch angewandt und verweist auf die Tatsache, dass alle Wörter, die das Individuum beim Sprechen benutzt, schon eine von anderen Menschen geprägte Bedeutung tragen. Der Begriff der Intertextualität ist mit dem der literarischen Montage gleichzusetzen. Die Montage lässt sich in Anlehnung an Jürgen Stenzel definieren als die „unvermittelte […] Einfügung eines oder mehrerer in der außenfiktiven Welt vorgeformter Texte in dem laufenden Erzählprozess.“ [3] Die Montage in Literatur bezeichnet also „die umfangreiche Integration heterogener fremder Diskurs- und/oder Textausschnitte in einem eigenen Text.“ [4] In diesem Zusammenhang bezeichnet die Intertextualität die „Übernahme mündlich oder schriftlich vorformulierter Äußerungen in den Erzählvorgang“ [5]. Horst Turk auch, was die Frage der Intertextualität angeht, fasst den Text als „Umschlagplatz der je so beschaffenen Wirklichkeit, die sich nie unhabhängig von der Beziehung zwischen Texten aus der Sprache, dem Erkennen oder Handeln herleiten lässt“[6]. Ihm zufolge besteht die Realität, die in einem Text dargestellt ist, aus der Summe von Zügen oder Spüren anderer Texte. Diese Bezugnahme von Texten auf Texte erscheint in Form von Zitaten, Kontrafaktur oder Anspielung.

2-Die Aneignung des Fremden.

Bevor wir auf die Frage nach dem eingehen, was unter Aneignung des Fremden verstanden wird, gehen wir zunächst mal auf die nach dem, was der Begriff des Fremden ausmacht.

Der Begriff des „Fremden“ ist eine substantivierte Form des Adjektivs fremd, das bedeutet unbekannt, ungewohnt, unvertraut. Das Fremde würde also das bezeichnet, was man unbekannt ist bzw. was aus einem anderen Milieu stammt. Die Aneignung ihrerseits bezeichnet die Tatsache, sich etwas zu eigen zu machen oder in Besitz nehmen. Unter Aneignung des Fremden versteht man also den Sachverhalt, das in Besitz zu nehmen, was man unbekannt bzw. nicht eigen ist.

Intertextualität als Form der Aneignung des Fremden würde also bedeuten, dass indem man bereits bestehende Äußerungen und Schriften in dem Erzählvorgang übernimmt, ist man dabei, sich diese zu Eigen zu machen.

Im Sinne von Horst Turk ist die Poetik der Intertextualität ein Phänomen, das zweifellos zu der Aneignung des Fremden gehört[7]. Im Rahmen der interkulturellen Studien ist dieses Konzept von großer Bedeutung, „denn sein heuristischer Wert besteht darin, dass es die Erfahrung des Fremden auf einem Stand der Sache erörtert.“[8]

II-Intertextualität und Interkulturalität

In dem folgenden Arbeitsteil unseres Referats setzen wir uns zum Hauptziel, auf den Zusammenhang bzw. das Wechselverhältnis zwischen Intertextualität und Interkulturalität bzw. Text und Kultur einzugehen.

1-Text als Kultur

Ein Interkulturalitätsansatz, Pierre Kodjio Nenguie zufolge, „setzt einen Dialog zwischen der Literatur und Kultursemiotik, eine Fundierung des Textbegriffs in der Kultur und des Kulturbegriffs im Text […] voraus.“ [9] Durch diese Worte gäbe er uns zu verstehen, dass im Rahmen der interkulturellen Studien man die Beziehung zwischen Text bzw. Literatur und Kultur und umgekehrt untersucht. Des Weiteren fordert Pierre Kodjio:

Bei der Bestimmung des Literaturbegriffs sollen nicht nur die Kategorie der Geschichtlichkeit und der Gesellschaftlichkeit in den Mittelpunkt gerückt werden, sondern auch die der Textualität und der Kulturalität, weil literarische Werke kulturelle Normen, Codes, Verhaltensweisen und Denkschemata darstellen und außerdem als ein Spiel mit anderen Texten aufgefasst werden“[10].

Durch dieses Statement lenkt Kodjio die Aufmerksamkeit sowohl auf die Kulturalität literarischer als auch auf derer Beziehung zueinander. Hier wird nicht nur als Bestandteil der Geschichte und der Gesellschaft, sondern eben als Konkretisation der Kultur definiert. Den Text als Kultur zu bezeichnen wäre also ihn als „Medium der Erkenntnis kulturspezifischer Denk- und Lebensformen, die inner- und außertextlich artikuliert werden können.“ [11] Hier ist es angebracht zu erwähnen, dass es sich nicht um eine wortgetreue, sondern um eine metaphorische Wiedergabe und Vermittlung des Kulturellen handelt.

Renate Lachmann bringt auch die Intertextualität mit interkulturellen Prozessen in Verbindung, wenn sie intertextuelle Verfahren mit Bachtins Kategorie der Dialogizität kombiniert[12]. Schließlich kann das Verhältnis zwischen Interkulturalität und Intertextualität in Anlehnung an die Germanisten Maja Razbojnikova- Frateva und Hans-Gerd Winter geklärt werden. Ihrer Meinung nach ist die Tatsache, dass „verinnerliche Normen, Geschlechterrollen, Gewalt- und Machtverhältnisse problematisiert und im dialogischen Prozess der Inszenierung im ästhetischen Medium gelockert oder gar aufgelöst werden.“ [13]

Um jetzt zu zeigen, wie sich Kultur in Texten manifestiert, stellt uns Georgios Floros die HOLONTEX- Methode dar.[14] Diese Methode basiert auf einer holistischen Betrachtungsweise von Texten und bezieht sich auf die Gesamtvorstellungen, die der Autor in einem Text anspricht, ohne sie jedoch im Text notwendigerweise explizit zu machen. Diese Methode besteht aus vier Schritten:

- Erstlektüre des Textes unter holistischen Gesichtspunkten. Dabei versucht der Interpret oder Leser, die Elemente zu ermittelt, die für den Text relevant sind.
- Aufstellen der Liste der Elemente, d.h. die vermuteten Elemente formulieren.
- Holistisches Lesen des ganzen Textes. Hier wird auf der Liste der Elemente ein Element ausgewählt und an den Text angelegt und die Textstellen markiert, die einen bestimmten Elementteil entweder ansprechen und ergänzen oder ihm widersprechen.
- Gewichtung der Element(teile) nach dem Zweck.

2-Dezentrierung des Subjekts.

Intertextualität ist nämlich ein Leitbegriff des Poststrukturalismus, der Strategien und Verfahren der Aneignung des Fremden darstellt. Durch ihre Darstellung von Texten als in Dialog miteinander stehende Produkte bzw. „Diskurse, die andere Diskurse in sich einbeziehen, kritisieren, produzieren und reproduzieren“ [15], rückt sie den Text selber und die um ihn herum kreisenden Diskurse in den Vordergrund und legt deshalb keinen Akzent auf dessen schreibende Subjekt bzw. Autor. Pierre Kodjio zufolge setzt dieser Dialogismus, d.h. Dialog von Texten das Verschwinden des Subjekts des Schreibens voraus[16]. Der Literaturwissenschaftler Marc Angenot weist darauf hin, dass die Idee von Intertextualität innerhalb der literaturkritischen Bewegung der 1960er und 1970er Jahre „Tel Quel“ entstand und entwickelt wurde, um den Tod des Autors bzw. des Subjekts zu erklären[17]. Horst Turk ist auch derselben Meinung, indem er schreibt „ die Poetik der Intertextualität optiert für eine Dezentrierung des Subjekts, womit sie abermals eine Grenzüberschreitung begeht.[18] Er illustriert des Weiteren, dass „ die Rede von der Dezentrierung des Subjekts nicht nur eine wiederholt auftretende Opinion gegen die Selbstinterpretation der Schriftkultur darstellt, sondern auch eine Anpassung der Schriftkultur an avancierte szientifische und technische Standards unter Ausschaltung des Subjekts.“[19]

[...]


[1] Alois Wielacher und Andrea Bogner (Hrsg.), Interkulturelle Germanistik, Verlag J.B.Metzler, Stuttgart/Weimar, 2003.

[2] Vgl. Germain Nyada, Kindheit, Autobiografik und Interkulturalität. Ein Beitrag zur sprachübergreifenden und (kon-) textorientierten Literaturtheorie, Lt. Verlag Dr. W. Hopf, Berlin, 2001, S.145.

[3] Jürgen Stenzel , Mit Kleister und Schere. Zur Handschrift von Berlin Alexanderplatz. In: H.L.Anold (Hrsg.): Zeitschrift für Literatur, Heft 13/14, Alfred Döblin, Frankfurt/M., Text₊Kritik, 1972, S.39-44, hier S.39.

[4] Vgl. Germain Nyada, a.a.O., S.147.

[5] Ebd. S.121.

[6] Horst Turk, Intertextualität als Form der Aneignung des Fremden, in: Wierlacher, Alois( Hg.), Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik: Akten des Kongresses der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik, Iudicium Verlag, München,1987.S.634.

[7] Vgl. Horst Turk, a.a.O., S. 633.

[8] Ebd .

[9] Pierre Kodjio Nenguie : Interkulturalität im Werk von Alfred Döblin (1878-1957). Literatur als Dekonstruktion totalitärer Diskurse und Entwurf einer interkulturellen Anthropologie, Band I ibidem-Verlag, Stuttgart, 2005, S.31.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Vgl. Renate Lachmann : Gedächtnis und Literatur. Intertextualität in der russischen Modern, Suhrkamp Frankfurt/M., 1990, S.51.

[13] Maja Razbojnikova- Frateva und Hans-Gerd Winter (Hrsg.): Interkulturalität und Intertextualität. Elias Canetti und Zeitgenossen, Thelem, Dresden, 2007, S. 13.

[14] Vgl. Georgios Floros : Zur Repräsentation von Kulturen in Texten. In: Gisela Thome, Claudia Giehl und Heidrum Gerzymisch (Hrsg.): Kultur und Übersetzung. Methodologische Probleme des Kulturtransferts, Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen, Gunter Narr Verlag, Tübingen, 2002, S.76-91, hier S.81-82.

[15] Vgl. Pierre Kodjio, a.a.O, S.35.

[16] Ebd. S.34.

[17] Marc Angenot zit. n. Germain Nyada, a.a.O. S.145.

[18] Horst Turk, a.a.O. S.635.

[19] Ebd. S. 636.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Intertextualität und Interkulturalität. Zwei Formen der Aneignung des Fremden
Hochschule
Université de Yaoundé I
Veranstaltung
UE: 542
Note
17/20
Autor
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V321633
ISBN (eBook)
9783668220669
ISBN (Buch)
9783668220676
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Travail encourageant et bien mené. L' auteur de ce travail pointilleux a un regard scientifique sur ce dont il présente de façon claire et précise. Il maitrise à ce niveau les concepts d' intertextualité et d' interculturalité, dont il ressort parfaitement les nuances de sens"
Schlagworte
Interculturalité, intertextualité, culture, Multiculturalité, Appropriation de l' Autre, Littérature
Arbeit zitieren
Floriant Telesport Soh Mbe (Autor:in), 2015, Intertextualität und Interkulturalität. Zwei Formen der Aneignung des Fremden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321633

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