Ratingagenturen und ihr Einfluss auf dem Finanzmarkt. Ist eine Regulierung notwendig?


Diplomarbeit, 2013

52 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1. Die Rating-Agenturen
1.1 Formendes Ratings
1.2 Die Chronologie der Rating-Agenturen

2. Das Rating-Verfahren
2.1 Der Prozess des Rating-Verfahren und dessen Mängel
2.2 Der Besorgnis erregend Einsatz des Gauss-Copula-Modells
2.3 Die Debatten um den IOSCO Code of Conduct
2.3.1 Transparenz der Ratingmethodik
2.3.2 Human Resources
2.3.3 Untersuchung der Ratings
2.3.4 Der Interessenkonflikt
2.4 Die Anwendung von Angaben aus Säule III
2.5 Die Bedeutung von Ratings für die Determinierung der Eigenkapitalunterlegung

3 Zwischenfazit

4. Strukturierte Finanzprodukte
4.1 Arten der Verbriefung
4.2 Grundstruktur und Beteiligte des Verbriefungsprozesses am Beispiel von Asset Backed Securities
4.2.1 True-Sale-Verbriefungen
4.2.2 Synthetische Verbriefungen
4.2.3 Tranchierung
4.2.4 Risikoadjustierte Renditen
4.2.5 Mehrfach-Tranchierung

5. Analyse des Risikos
5.1 Transferrisiko
5.2 Perfektionierung der Sicherheiten durch Credit Enhancement
5.3 Die Schwierigkeit der systematisierten Finanzprodukte

6 Die Finanzkrise
6.1 Die Chronologie
6.2 Die Machtstellung der systematischen Finanzprodukte

7 Ausblick und Fazit
Literaturverzeichnis und Quellen
Publikation
Internet-Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Schematischer Verlauf des Rating-Prozesses

Abbildung 2 Bewertungsskala der Rating-Agenturen

Abbildung 3 Das Drei-Säulen-Konzept aus Basel II

Abbildung 4 Klassifizierung nach Assetklassen Abbildung

Abbildung 5 Typische Transaktions- und True-Sale-Struktur

Abbildung 6 Synthetische Verbriefung

Abbildung 7 Ausfallwahrscheinlichkeiten innerhalb der nächsten fünf Jahre

Abbildung 8 Dichtefunktion der Ausfallwahrscheinlichkeiten

Abbildung 9 Renditeaufschläge in Abhängigkeit von der Tranche

Abbildung 10 Wiederverbriefung durch Mehrfachtranchierung strukturierter Finanzprodukte

Abbildung 11 Emission von RMBS gegenüber der Ausgabe von mezzaninen ABS CDOs

Abbildung 12 Risikogewichte im Kreditrisikostandardansatz

Abbildung 13 Beispiel für ein CDO auf ABS 50

Abbildung 14 S&P/Case Shiller Composite 20 Home Price Index

Abbildung 15 MBS-Markt und Leitzinsen in den USA

Abbildung 16 Preisentwicklung der MBS

Einleitung

“There are two superpowers in the world today in my opinion. There’s the United States and there’s Moody’s Bond Rating Service. The United States can destroy you by dropping bombs, and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds. And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.”1

Würden alle Marktteilnehmer über alle Angaben verfügen, wären Rating-Agenturen überflüssig. Mangelnde Fertigkeiten der Darlehensnehmer oder mangelnde Zeit, sich Informationen zu beschaffen, machen die Rating-Agenturen unerlässlich. Ihnen wird eine vielfältige Macht unterstellt, da sie mit ihren Rückmeldungen den Fluss der Milliardensummen beeinflussen. Sie dienen als Lieferanten der wichtigen Daten für Kapitalanleger und tragen deshalb nach Meinung zahlreicher Fachleute eine Mitschuld an der Subprime-Krise.2

Im Jahr 2007 häuften sich die Zahlungsverzüge unter den Subprime-Krediten wegen des langsameren Anstiegs der Immobilienpreise und der enorm kurzfristigen Zinsen. Aus diesem Grund haben die Rating-Agenturen viele strukturierte Finanzprodukte extrem abgewertet, denen sie vorher noch das Prädikat AAA für höchste Bonität verliehen hatten. Dies hat zu einem Vertrauensverlust bei den Investoren und einem Liquiditätseinbruch geführt. Ein aktiver Markt für Verbriefungsprodukte war somit nicht mehr existent. Beeinflusst von der Fortentwicklung gerieten auch viele Bankinstitute in den Abwärtsstrudel, da sie gewaltig am Verbriefungsgeschäft beteiligt waren.

Im Rahmen dieser Abschlussarbeit wird in den Kapiteln 1-3 auf diese Problematik eingegangen.

Wie funktionieren Rating-Agenturen? Wie kommen Bewertungen zustande? Welche Bewertungsmethoden wurden verwendet? Ist eine Regulierung notwendig?

Die Bedeutsamkeit der Rating-Agenturen und deren Einflussnahme auf den Finanzmarkt werden hier erläutern. Dabei sollen die Fakten, wie die Rating-Agenturen ihre Bewertungsmethoden entwickelt und angewendet haben, deutlich werden. Zum Schluss werden aktuelle Trends und Regulierungsvorschläge aufgezeigt. Zu Beginn der Ausführungen wird erklärt, was unter einer „Rating-Agentur“ zu verstehen ist. Im Focus werden die drei größten Agenturen genauer beleuchtet. Durch einen abschließenden Vergleich werden die verschiedenen Arbeitsmethoden und Risikobewertungen der drei Agenturen veranschaulicht und erläutert. Als Zwischenfazit folgt eine Untersuchung der Notwendigkeit neuer Regulierungen für die Ratingprozesse.

Im 2. Teil der Ausarbeitung (Kapitel 4-6) beinhaltet den Zusammenhang zwischen den neuen Finanzprodukten und der Bildung der größten Finanzkrise der vergangenen Jahrzehnte.

Erst einmal wird auf die diversen Designe von Verbriefungen und ihren Konstruktion sowie auf die beteiligten Gesellschaft und Konzerne eingegangen. Darauffolgend sollen die Gefahren der Produkte, die von zahlreichen Experten und Leihen unterschätzt wurden und somit maßgeblich zur Entstehung und Fortentwicklung der Finanzkrise beigetragen haben, verdeutlicht werden.

Weiterhin wird im zweiten Abschnitt erklärt, dass die Mitglieder des Teams der New Yorker Investmentbank JPMorgan Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht wissen konnten, was zehn Jahre später aus ihrer Idee werden sollte. Mittels neuartiger Finanzprodukte unternahmen sie den Versuch, ihre Kreditrisiken besser zu „managen“. Die neuartigen Produkte hießen noch nicht ABS, CDO etc., sondern „Bistro-Deals“ (Abkürzung für „Broad Index Secured Trust Offering“). Die in diesem Teilbereich der Abschlussarbeit beschriebenen Wertpapiere wurden in der Folgezeit so erfolgreich, dass der damalige Notenbankchef Alan Greenspan nur Lob für sie übrig hatte: „Diese Instrumente (Verbriefungen, CDOs) haben das Risiko unter diejenigen gestreut, die dazu bereit waren und von denen man annehmen muss, dass sie dazu in der Lage waren. Kreditentscheidungen sind nun einmal Ergebnis der Erwartung, signifikante Teile des Risikos abwälzen zu können. Diese Risikostreuung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Banken-ja sogar das Finanzsystem-jüngst den Stürmen standhalten konnten. Im Großen und Ganzen hat die Entwicklung dieser Instrumente und Techniken zu größerer Kreditverfügbarkeit, zu einer effizienteren Allokation von

Risiken und Ressourcen und zu stabileren Finanzmärkten geführt.“3 Ende 2007, nach Ausbruch der Finanzkrise, waren JPMorgan’s (Erfinder der ersten „Bistro-Deals“) fassungslos über die Folgen. Ein Mitglied der Gruppe schrieb in einer emotionalen E­Mail: „Was für ein Monster wurde hier erschaffen?“, ein anderer bemerkte: „Es ist, als hättest du ein bildhübsches Kind gekannt, das aufwuchs und ein furchtbares Verbrechen beging.“4

Felix Rohatyn, eine legendäre Erscheinung an der Wall Street, der für Lazard Frères im Corporate Finance tätig war, drückte es so aus: Derivate sind „finanzielle Wasserstoffbomben, gebaut auf PCs von 26-jährigen MBA-Absolventen.“5

1. Die Rating-Agenturen

Rating-Agenturen spielen für Investoren bei Anlageentscheidungen im Geschäft der Verbriefung von Hypothekenkrediten eine extrem hohe Rolle. Viele Geldanleger - einschließlich institutioneller Investoren - beschäftigten sich, wegen der hohen Komplexität der strukturierten Produkte, mit keiner eigenen Untersuchung der Kreditwürdigkeit.6

Ein Rating ist die Bewertung der Bonität eines Schuldners. Makroökonomische Elemente wie die Liquidität oder das Preislevel eines Marktes bleiben dabei unberücksichtigt. Die unterschiedlichen Rating-Agenturen verwenden unterschiedliche Verfahren. Daher hat die International Organization of Standardization (ISO) bereits einen Standard mit Mindestanforderungen für Ratingprozesse gefordert.7

1.1 Formen des Ratings

Bei dem Rating wird zwischen internem und externem Rating unterschieden. Das interne Rating beinhaltet eine Bonitätsüberprüfung des Firmenkunden, der ein Darlehen benötigt. Diese Begutachtung wird von den Kreditinstituten während des Kreditvergabeprozesses durchgeführt.8 Das externe Rating erfolgt durch unabhängige

Rating-Agenturen. Dabei bestimmt der Auftraggeber eigenhändig, wie detailliert die Umsetzung sein soll und wofür das Rating-Ergebnis verwendet wird.9

1.2 Die Chronologie der Rating-Agenturen

Die Geschichte der drei berühmtesten Rating-Agenturen geht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Begonnen hat alles mit der Veröffentlichung von Fachzeitschriften und Büchern, die von Henry Varnum Poor (1812-1905), einem der Namensgeber von Standard & Poor’s, verfasst wurden. Seine Leser waren in erster Linie Firmeninhaber und Investoren. Poor wurde der Herausgeber des Magazin „The American Railroad Journal“. Kurz vor dem Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) veröffentlichte Poor 1860 das Buch „History of the Railroads and Canals of the United States of America”. Diese Lektüre verschaffte potenziellen Anlegern eine Übersicht über die größtmöglichen Verkehrswegeprojekte. Das darauf folgende Werk „Manual of the Railroads of the United States” (1870) informierte seine Leser über die Umsätze und Gewinne regionaler Eisenbahngesellschaften in den USA. Im Verlauf der Entwicklungsstufe der USA zur weltgrößten Wirtschaftsmacht herrschte ein enormer Bedarf an großen Investitionen im Gefüge der Infrastruktur - im Besonderen bei den Eisenbahngesellschaften. Dadurch stieg die Anfrage nach Henry Poors Veröffentlichungen umso mehr und sein Vertriebsnetz erstreckte sich bis zu den Investoren aus Europa. Auch die Bankinstitute konnten durch „Poor’s Manuals“ wichtige Informationen bekommen.

Die Rating-Agentur Standard & Poor's erhielt ihren Namen erst nach derVerschmelzung mit der Standard Statistics Company (einem Unternehmen, das Finanzdaten von US- Unternehmen sammelte) im Jahr 1941. Seit dem Jahr 1966 befindet sich Standard & Poor's im Besitz des Medienkonzerns McGraw-Hill. Publikationen zur Information von Investoren waren zwar schon gewöhnlich, doch ein Rating-System nach heutigem Gesichtspunkten gab es noch nicht. Das allererste Rating wurde 1909 von John Moody (1868-1958), der im selben Jahr die Vertretung Moody's Investors Dienstleistung gründete, publiziert. Auch Moody schrieb und veröffentlichte erst einmal wie Poor ein Buch. Erst im Jahr 1900 erschien sein Werk „Moody's Anleitung of Industrial and Miscellaneous Securities”. Der Gegensatz zu Poors Veröffentlichungen lag darin, dass es nicht um einzelne Betriebe handelte, sondern um den von ihnen herausgegebene Anleihen und Aktien. Moodys Ratgeber wurde ein Kassenschlager, dem ein stetiges Druckwerk und zusätzliche Schriften folgten. Im Jahr 1907 musste John Moody zwar sein Betrieb aufgrund des zu geringfügigen Eigenkapitals verkaufen, doch es dauerte nicht lange, ehe er zwei Jahre danach mit seinem neuen Buch „Moody's Analyses of Railroad Investments” zurückkam.

Die Eigentümlichkeit seines Bewertungssystems von Anlagen bestand aus dem bis jetzt alltäglichen Buchstabensystem fort.10 Außerdem bot Moody neben den Vergleichsdaten darüber hinaus noch eine (Kauf-)Empfehlung als Zusammenfassung. Im Jahr 1913 wurde dann die kleinste der heutigen großen Rating-Agenturen eröffnet - die Fitch Publishing Company. Das „Fitch Bond Book“ war ein Rundfunk-Gesellschaft-Produkt des Unternehmens. Dabei legte der Verleger John Knowles besonderen Wert auf die Analyse der in den USA gehandelten Kreditbeanspruchung. Mit der Veröffentlichung der „Fitch Listings of Investition Banks and Brokers” im Jahr 1921 erweiterte sich der Tätigkeitsfeld der Rating-Agentur. Die Fitch-Ratings spielten bei der Internationalisierung des Ratings darüber hinaus auf dem US-Markt in den 90er Altersjahren eine wichtige Rolle. Der Durchbruch gelang 1933 bei der Zusammenlegung mit der „IBCA“, einem englischen Rating-Unternehmen, das auf nicht-amerikanische Banken spezialisiert war.

Obgleich es heute eine Menge Rating-Agenturen gibt, kommt keine an die „großen Drei“ heran. Für die Vergangenheit der Agenturen hat das Jahr 1970 eine große Bedeutung. Fortan verlangten sie von den Anleiheemittenten eine Gratifikation für ihre Ratings. Ein fremdes Etappenziel war die Einführung der Zertifizierung der drei Rating-Agenturen (1975). Standard & Poor's, Moody's Investors Service und Fitch waren nun so genannte „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations” (NRSRO). Der Einfluss dieser drei Agenturen, zeigt sich in zahlreichen Verweisen in den US-amerikanischen Gesetzen. Die weltweiten Marktanteile von Moody’s Investors Service und Standard & Poor’s betragen jeweilig 40%, der Marktanteil von Fitch Ratings beträgt ca. 10-15 %.11

2. Das Rating-Verfahren

Der Rating-Prozess läuft in mehreren Phasen ab. Für das Ablaufschema gibt es keine Normung. Die Handlung ist vom Emittenten bedingt:

2.1 Der Prozess des Rating-Verfahren und dessen Mängel

Die Hauptaufgabe der Rating-Agenturen ist die Evaluation der Bonität eines Schuldners. Dabei werden die Rückzahlungs- und Ausfallwahrscheinlichkeiten der ausgeliehenen Gelder ermittelt. Ein Betrieb oder eine Nation darf am internationalen Kapitalmarkt erst dann eine Schuldverschreibung erlangen, wenn es von mindestens zwei der drei Rating-Agenturen bewertet wurde. Alle Agenturen verwenden anspruchsvolle Rating­Modelle. Ein Teil basiert auf dem handfesten verfügbaren Zahlen. Der anderer Teil ist der Ermittlung des „Rating-Ergebnisses“ ist ein gut gehütetes Geheimnis. Nach dem Bewertungsprozess wird die Evaluation in Form eines Buchstabencodes aufgezeigt. Diese sind bei jeder Agentur unterschiedlich, doch die Klassifizierung von AAA bis C ist bei den drei Marktführern ähnlich. Während aber im Verlauf Standard & Poor's die Kreditausfallwahrscheinlichkeit „probability of default“ prognostiziert, benutzt die Rating­Agentur Moody’s den Erwartungsverlust „expected loss“ als Risikomaß. Zudem bezieht Moody’s die Möglichkeit in das Rating ein, dass sich die geldliche Konstellation des Schuldners nach einer Zahlungseinstellung abermals zum Guten hin wendet, so dass er wieder Gutschriften leisten kann („recovery in the event of loss“). Die Bonität von12

Unternehmen wird durch Expertenmeinungen und anhand des langfristig strukturellen Elementes des Kreditausfallrisikos fraglos („through-the-cycle methodology“). Kurzfristig zyklische Veränderungen der Ausfallwahrscheinlichkeit bleiben dabei unberücksichtigt bestehen.13 Im Gegensatz dazu werden bei der Validierung von Structured-Finance- Produkten (z.B. ABS, CDOs) quantitative Modelle herangezogen.14 Eine Benachteiligung dieser quantitativen Arten ist die mangelnde Berücksichtigung zahlreicher Risikofaktoren. Wären beispielsweise der Zinsanstieg und die Rezession auf dem Immobilienmarkt mit in die Validierung einbezogen worden, hätte eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit früher erkannt werden können. Das hätte die drastischen Abwertungen des zuvor teilweise noch mit AAA bewerteten Lichtbildausweises im Jahr 2007 unnötig gemacht. Einzeln schon deshalb, weil es ohne AAA-Tranchen nicht länger zur Aktienausgabe von CDOs gekommen wäre.15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Bewertungsskala der Rating-Agenturen16

Der Zusammenhang zwischen Immobilienpreisen und Bonität wurde nicht genügend beachtet, weil die Rating-Agenturen den Diversifikationseffekt der geografischen Streuung glorifiziert und die gemeinsame Verknüpfung von der nationalen Zinspolitik unterschätzt hatten. Die Immobilienpreise fielen nach der Zinserhöhung mit den Fed nicht nur lokal in einigen „Neuen Welten, stattdessen landesweit. Zudem sollten Rating-16

Agenturen Angaben über das Kreditvergabeverhalten der Originatoren berücksichtigen, da die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Krediten eines Originators miteinander korreliert sind. Auch systemweite Konsequenzen bei den Dispersionen von Finanzinstrumenten müssen in die Ratings mit einbezogen werden. Um die geschätzte Robustheit des Ratings herauszufinden, sollen finanzmarkttypische Stress-Tests und faktorspezifische Sensitivitätsanalysen das Rating ergänzen. In der Regel sollten Rating-Agenturen die wahrheitsgemäßen Angaben von Daten revidieren, die sie von Originatoren und ähnlichen Akteuren zum Anlässe der Evaluation des Produkts erhalten.17

2.2 Der Besorgnis erregend Einsatz des Gauss-Copula-Modells

Traditionelle Finanzprodukte, wie z. B. festverzinsliche Wertpapiere, haben normalerweise nur einen Emittenten. Das Wagnis eines Zahlungsausfalls zieht sich nur auf den einen Debitoren. Die neuen Structured-Finance-Artikel bündelten allerdings eine erhebliche Menge von Risiken in einem Blatt (JPMorgan). Als einer der ersten Emittenten fasste es dazu über 300 Einzelkredite aus ihrem Coporate Finance-Bereich zusammen. Die Aufgabenstellung der Korrelation war demnach allen am

Risikobewertungsprozess beteiligten gegenwärtig. Um die Unsicherheit prophezeien zu können, wird - symbolisch gesprochen - unterstellt, wie viele Äpfel in einem Korb in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn ein einziger Apfel erste Anzeichen von Fäulnis aufweist. Im Jahr 2000 befasste sich der Vizepräsident der Risikomanagementabteilung des AXA-Konzerns in Weltstadt, David X. Li. mit dieser Frage in einem vielbeachteten Aufsatz.18 Er bemängelte die Vorgehensweise, Kreditereignisse mit Wahrscheinlichkeiten ihres Auftretens binnen eines gewollten Zeitraums (in der Regel ein Jahr,) zu versehen. Zur Veranschaulichung führte er an, dass die Autokovarianzfunktion der unabhängigen Episoden, in den beide Partner eines 50jährigen Paares binnen eines Jahres versterben, sehr gering ist. Jedoch binnen eines Zeitraumes von 100 Altersjahren bei 1,0 liegt. Aufgrund dieser Überlegung entwickelte er ein Risikoabschätzungsverfahren mit den Gauss’schen Copula-Funktionen (Copula = Paar). Er wandte es auf CDOs an. Sein Verfahren wurde gleich darauf in jeder Bank, von Investmentgruppen und in den Rating-Agenturen genutzt. Abgesehen davon, dass kein Modell alle Parameter erfassen kann (Li sagte selbst: „The most dangerous part is when people believe everything coming out of it“19 ), führte dessen massenhafte Nutzung durch alle Marktteilnehmer zu einer eigenen Wechselbeziehung. Auch die UBS benutze ebenfalls dieses Verfahren und kam zu dem Entschluss, dass die Super-Senior AAA- Tranchen selber im schlimmsten Falle nicht länger als 2 % ihres Wertes verlieren würden.20 Gegen diese 2 % versicherte man sich zusätzlich, so dass ein Risiko absolut ausgeschlossen wurde. Wo kein Risiko fortbestand, war die Bildung von Rücklagen unnötig. Mit dieser Arbeitsweise hätte man das CDO-Portfolio unendlich agieren lassen können. Eine Hypothese, deren Anwendung bei der UBS zu verhängnisvollen Auswirkungen führen sollte.

2.3 Die Debatten um den IOSCO Code of Conduct

Die elementarste Anforderung an die Rating-Agenturen ist die Einhaltung der Vorschriften des IOSCO (International Organization of Securities Commissions) Code of Conduct. Der im Januar 2004 von der Internationalen Anordnung der Wertpapier­aufsichtsbehörden veröffentlichte Code enthält Regelungen, die die Beschaffenheit des Ratingprozesses, die Ungebundenheit der Rating-Agenturen sowie deren Verpflichtungen gegenüber den Emittenten und Adressaten der Ratings beeinflussen. Im Mai 2008 beauftragte die Europäische Ausschuss das Committee of European Securities Regulators (CESR) die Befolgung der Vorschriften des IOSCO Codes zu inspizieren. Zudem machte das CESR Vorschläge zur Neuausrichtung des Codes, die sich in diesen vier Kerngedanken resümierend autorisieren:

- Transparenz der Ratingmethodik
- Human Resources
- Überprüfung der Ratings
- Interessenkonflikte

Das CESR bewertet den IOSCO Code of Conduct inklusive einer bestimmten Modifikation als globalen Mindeststandard, der von jeder Rating-Agentur befolgt werden sollte. Der Widerruf einer Regulierungsvorschrift wird allerdings abgelehnt, weil man sich davon keine gute Beeinflussung der Integrität und Qualität des Ratingprozesses verspricht. Stattdessen soll ein internationales Aufsichtsgremium mit Vertretern aus der Ratingbranche gefestigt werden. Das CESR ist wie die meisten Marktteilnehmer, mit denen es die Weiterempfehlungen zusammen erarbeitet hat, der Ansicht, dass eine Problemlösung durch den Markt die überlegenere Ausweichlösung ist. Sollte aber das Überwachungsorgan nicht in der Lage sein, seinen Aufgaben nachzukommen, müsse über eine zusätzliche Handlung nachgedacht werden. Um circa die Einhaltung des IOSCO Codes zu sicherstellen, sollen die Rating-Agenturen alljährlich eine Stellungnahme weitergeben, inwiefern ihre Geschäftsprinzipien mit denen des Codes gleichen. Abweichungen sollen fundiert werden.21

2.3.1 Transparenz der Ratingmethodik

Das Ziel der Kommunikation von Ratingergebnissen muss sein, die Rücksicht der Adressaten im Ratingprozess zu fördern und die mit dem Finanzinstrument verbundenen Gefahren zu erkennen. Dazu verpflichtet müssen die Rating-Agenturen den Marktteilnehmern zeitnahe Angaben über ihre Modelle und deren Annahmen zugänglich machen. Aus den Szenario- und Sensitivitätsanalysen kann sich der Auftraggeber ein Bild über die Ratingstabilität machen. Sind die Analysen wie im Fall der MBS-Produkte auf eine eher geringe Menge historischer Daten gestützt, sollte dies genannt werden. Dadurch können nämlich nur vage Prognosen, wie sich ein Portfolio in gewollten Szenarien gebaren wird, abgegeben werden. Die begrenzte Masse an Vergangenheitsdaten war ein Grund dafür, dass die Autokorrelation unter den Zahlungsausfällen unterbewertet wurde.22 Bei der Veröffentlichung der Ratings in strukturierten Artikeln muss darauf hingewiesen werden, dass sich deren Rating substanziell von dem einer normalen Unternehmensanleihe differenziert. Eine einheitliche Ratingskala, wie sie derzeit benutzt wird, ist daher nicht zweckdienlich, um dem Investor die Ausprägungen bewusst zu machen. Entweder müssten Zusätze auf besondere Risiken von strukturierten Finanzprodukten aufmerksam machen oder es müsste eine andere Skala benutzt werden.

[...]


1 Friedman, Tom 1996 http://www.pbs.org/newshour/qerqen/friedman.html

2 Vgl. Hasnain Kazim 2007 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0.1518.499674.00.html

3 Vgl. Greenspan, Alan (2002), zitiert nach Kothari, Vinod 2006, Seite 27

4 Vgl. Tett, Gillian 08 Mai 2009 http://www.ft.com

5 Vgl. Hansell, Saul & Muehring, Kevin, 1992 http://www.institutionalinvestor.com

6 Vgl. Financial Stability Forum 2008, Seite 8, http://www.financialstabilityboard.org

7 Vgl. The Committee of European Securities Regulators 2008, Seite 19, www.cmvm.pt

8 Vgl. Eisen, Mathias 2007, Seite 58f., http://www.financialstabilityboard.org

9 Vgl. Foerderland Internetseite 2013 http://www.foerderland.de/?id=357

10 Vgl. Eisen, Mathias 2007, Seite 90f.

11 Vgl. Eisen, Mathias 2007, Seite 81f.

12 Kredit und Finanzen 2007 http://www.kredit-und-finanzen.de/basel-2/ratingprozess.html

13 Vgl. Altman, Edward & Rijken, Herbert 2005, Seite. 4

14 Vgl. CGFS 2008, Seite 1 www.bis.org/

15 Vgl. CGFS 2008, Seite 9 www.bis.org/

16 Elschen, Rainer & Lieven, Theo 2009, Seite 104

17 Vgl. Financial Stability Forum 2008, Seite. 36, http://www.financialstabilityboard.org

18 Vgl. Li, X. David. 2000, Seite 58ff., http://www.maths.lth.se

19 Whitehouse, Mark 2005, http://www.nowandfutures.com

20 Vgl. Tett, Gillian 2009, Seite 162

21 Vgl. The Committee of European Securities Regulators 2008, Seite 53 ff. http://www.cmvm.pt

22 Vgl. CGFS 2008, Seite 1, http://www.bis.org

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Ratingagenturen und ihr Einfluss auf dem Finanzmarkt. Ist eine Regulierung notwendig?
Hochschule
Leibniz Akademie Hannover - Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Hannover  (Wirtschaftsakademie Hannover)
Veranstaltung
Betriebswirt BWA
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
52
Katalognummer
V323043
ISBN (eBook)
9783668226852
ISBN (Buch)
9783668226869
Dateigröße
1731 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ratingagenturen, einfluss, finanzmarkt, regulierung
Arbeit zitieren
Dirk Neugebauer (Autor:in), 2013, Ratingagenturen und ihr Einfluss auf dem Finanzmarkt. Ist eine Regulierung notwendig?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323043

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