Das Lernbüro als alternative Unterrichtsform. Strukturveränderungen vom offenen zum geschlossenen Lernbüro


Seminararbeit, 2015

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.Die Organisation des Lernbüros Geschichte
1.1 Die Struktur des Lernbüros
1.2 Die Umsetzung des „offenen Lernbüros“ Geschichte
1.3 Zwischenfazit

2.Zwei Versuchsmodelle für das Lernbüro
2.1 Das „halboffene Lernbüro“ – ein Feldversuch
2.2 Zwischenfazit
2.3 Das „geschlossene Lernbüro“ – ein Feldversuch
2.4 Zwischenfazit

3.Interne Evaluation der Lernbüros

4.Weiterarbeit im Fachbereich Geschichte

5.Abschlussbetrachtungen zur Weiterarbeit im neuen Schuljahr

Bibliographie

Anhang

Einleitung

Die voranschreitende und den Alltag bestimmende Globalisierung, die hohe Heterogenität von Lerngruppen und der Wandel pädagogischer und didaktischer Repertoires lassen es nicht zu, dass die Schule ein starres Gebilde ist. Vielmehr muss die Institution Schule sich stets weiterentwickeln und zuweilen auch neu erfinden.

Bereits 2007 beriet der Menschenrechtsrat der UN in einer Generalversammlung über die Möglichkeiten für die praktische Umsetzung, behinderten Menschen Zugang zu inklusiver Bildung zu ermöglichen.1 In Deutschland ist die Umsetzung dieser Ziele seit 2009 verbindlich geregelt und im Berliner Schulgesetz unter § 36 Abs. 2 festgehalten.2

Das Kollegium der X-Schule in einem Berliner Stadtteil hat sich dem Anspruch dieser Aufgabe in besonderem Maße verschrieben. Im Juli 2008 startete ein Schulversuch, nach §76 Abs.1 SchulG, der der Heterogenität der Lerngruppen, insbesondere der Förderung lernschwacher Schüler3, der Integration behinderter Schüler und der Begabtenförderung durch abwechslungsreiche Lernarrangements, wie dem Projekt-, Werkstatt- oder Lernbürounterricht gerecht zu werden versucht.4

Der Autor reflektiert in der vorliegenden Arbeit die Gestaltung und Weiterentwicklung des Lernbüros von einer offenen zu einer geschlossenen Form. Er wird die Arbeit in den verschiedenen Gremien der Schule, u.a. der Fachkonferenz, dem Jahrgangsteam, der Gesamtkonferenz und der Schulkonferenz, dokumentieren.5 Mit Hilfe der Vorgaben des Rahmenlehrplans, des internen Evaluationsberichtes der Schule und persönlicher Erfahrungen aus der Arbeit im Lernbüro Geschichte von 2012 bis 2015 wird der Autor die Notwendigkeit zur Einführung eines „geschlossenen Lernbüros“ begründen. Er nimmt dabei, wie seine Fachkollegen im Bereich Geschichte, sein Mitwirkungsrecht bei der eigenverantwortlichen Organisation und Selbstgestaltung sowie der Qualitätssicherung laut §67 Abschnitt 4 des Schulgesetztes wahr.6

Das im Folgenden intensiv betrachtete Lernbüro findet täglich in einem 90-minütigen Unterrichtsblock statt. Zum abgebildeten Fächerkanon gehören Deutsch, Mathematik, Englisch (in Jahrgang 7 und 8), Erdkunde, Geschichte und Biologie. Die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch werden neben dem Lernbüro auch im Klassenverband unterrichtet. Für die anderen aufgezählten Fächer gibt es keinen anleitenden gemeinsamen Klassenunterricht.7

Die Schüler wählen für jeden Tag der Woche, in welchem Lernbüro sie zu welchem Thema arbeiten möchten. Die Anzahl der Themen pro Fach und Jahrgang wird durch die Fachkonferenzen und Jahrgangsteams abgestimmt. Es gibt keine Mindest- oder Maximalzahl für den Besuch eines Lernbüros. Wichtig ist, dass die Schüler im Lernbüro mit Schülern aus allen Klassen des Jahrgangs zusammenarbeiten, dass sie in ihrem eigenen Lerntempo arbeiten und möglichst alle Themen des Jahrgangs erfolgreich abschließen. Die Materialien sind wie Karteikartenboxen in einem Büro arrangiert und werden (Lern-)Baustein genannt. Die Schüler arbeiten diese systematisch ab.

Durch die Offenheit bei der Wahl der Themen im Lernbüro bearbeiten die Schüler fast nie dasselbe Thema oder dieselbe Karteikarte. Diese Form des Lernbüros wird im Folgenden als „offenes Lernbüro“ bezeichnet.

Eine weitere Form ist das „halboffene Lernbüro.“ Die Schüler teilen sich weiterhin nach eigenem Interesse einem Lernbüro zu. Sie arbeiten allerdings an einem themengleichen Baustein und werden in einer Anfangs- und einer Abschlussphase der Lernbürostunde angeleitet, auch wenn sie an unterschiedlichen Schwerpunkten/ Karten des Bausteins arbeiten.

Das vom Autor angestrebte Lernbüro ist die geschlossene Form. Hier arbeitet eine feste Schülergruppe mit Hilfe von binnendifferenzierten Arbeitsmaterialien und abwechselnd angeleiteten sowie freien Arbeitsphasen kooperativ an einem Lernbaustein. In der letzten Sitzung wird der Baustein durch einen Test abgeschlossen.

Die vorliegende Arbeit wird folgend eine Rekapitulation der bisherigen offenen Lernbüroform im Fach Geschichte einschließen, den vom Autor durchgeführten Feldversuch zum „halboffenen“ und „geschlossen Lernbüro“ Geschichte dokumentieren und die Beschlüsse sowie Diskussionen der schulischen Gremien auswerten. Auf dieser Grundlage werden Rückschlüsse auf bleibende, veränderte und noch zu verändernde organisatorische Strukturen im Lernbüro gezogen.

1.Die Organisation des Lernbüros Geschichte

1.1 Die Struktur des Lernbüros

Welche Faktoren waren ausschlaggebend für die Einführung des Lernbüros an der X-Schule? Diese Frage fällt auch nach mehr als sieben Jahren Lernbüro beim Austausch mit Kollegen aus anderen Schulen oder bei der Einarbeitung neuer Kollegen im Team der XSchule. Ausschlaggebend waren sinkende Abschlüsse, überfüllte, heterogene Schulklassen, in denen Regelverstöße, Störungen und Platzmangel (für offene Unterrichtsformen) den Unterricht für Lehrer und Schüler erschwerten.

Das neue Konzept Lernbüro will jedem Schüler helfen, die eigenen Stärken auszubauen und Schwächen auszugleichen, mehr Chancengleichheit für den „Brennpunktstandort“ W. zu erzielen, Probleme und Problemstellungen gemeinsam in offenen Lernsituationen mit verschiedenen Methoden zu bearbeiten und Lösungsansätze zu formulieren.8

Das Lernbüro will den Schülern ermöglichen, in immer neuen Konstellationen ihre sozialen Kompetenzen zu erweitern, projektorientiert und fächerübergreifend zu arbeiten, während sie von den Lehrern bei den Lernprozessen durch Beratung unterstützt werden.9 Die in den Rahmenlehrplänen festgeschriebenen Grundlagen werden durch die Bausteine abgedeckt und sind methodisch so angelegt, dass die Schüler ausreichend Zeit für die Übung und Festigung haben.10

In Klasse 7 und 8 können die Schüler ihre Abschlusstests während der Lernbürozeit bei ihrem jeweiligen Lernbürolehrer schreiben. Zusätzlich gibt es eine weitere Prüfungsstunde am Nachmittag zwischen 14.30-16.00 Uhr. Im 9. und 10. Jahrgang werden keine Tests in den Lernbüros geschrieben. Von Dienstag bis Freitag gibt es nach dem regulären Unterricht zwischen 14.30 – 16.50 Uhr verschiedene Zeitstränge mit Prüfungsstunden.

1.2 Die Umsetzung des offenen Lernbüro Geschichte

Im folgenden Kapitel reflektiert der Autor die Arbeit im Lernbüro Geschichte im Schuljahr 2012/13 im 8. Jahrgang der X-Schule.

Der Autor übernahm das Lernbüro Geschichte im 8. Jahrgang an allen 5 Wochentagen. Es waren vier Pflichtbausteine vorhanden, die die Schüler in beliebiger Reihenfolge bearbeiten durften. Durch die Wahlmöglichkeit der Büros lernte der Verfasser viele Schüler erst nach einem Vierteljahr, andere Schüler erst im zweiten Halbjahr und manche Schüler gar nicht kennen. Um dieses Missverhältnis auszugleichen bzw. nicht wieder entstehen zu lassen, griff der Autor auf eine stärkere organisatorische Struktur zurück. Für den kommenden 9. Jahrgang wurde auf Vorschlag des Autors, der zu diesem Zeitpunkt mit der Fachleitung für Geschichte und Sozialkunde betraut wurde, eine monatlich verpflichtende Teilnahme am Lernbüro Geschichte eingeführt. Die Absprache erfolgte im Jahrgangsteam.11

Des Weiteren wurde dem Verfasser bei der Arbeit mit den Schülern erneut verdeutlicht, dass historisches Verständnis nicht einfach einer bloßen Abarbeitung von Texten und Quellen bedarf, sondern dass die Schüler das Gelesene und Erlernte anwenden müssen, indem sie auf eine Problemstellung Bezug nehmen, ein eigenes Urteil fällen oder in eine Diskussion eintreten.12 Die bis dato eingesetzten Bausteine entsprachen gekürzten Lehrbuchtexten und griffen die notwenigen Arbeitsschritte und –formen nicht auf. Der Aufbau eines laut Rahmenplan geforderten Demokratie- und Geschichtsverständnisses wird dabei kaum unterstützt.13

Bei sieben Schulklassen des Jahrgangs mit 177 Schülern und vier Pflichtbausteinen hätten 708 geschriebene Tests vorliegen müssen. Letztendlich wurden genau 100 Tests geschrieben, was eine Erfüllung von 14% der Vorgaben ausmacht.14

1.3 Zwischenfazit

Die unbefriedigenden Ergebnisse im Lernbüro Geschichte des 8. Jahrganges wurden auf Vorschlag des Autors zu einem Leitthema des Fachbereichs Geschichte auf der Fachkonferenz vom 8. Juni 2013. Im Sinne der Qualitätssicherung und der Etablierung von Qualitätsmarkern (§67 Abs. 2& 4 SchulG15 ) im Lernbüro wurden die folgenden Punkte kriterienorientiert diskutiert.16 Wie können die Fachkompetenzen für Geschichte, u.a. die Narrativität sowie die Urteils- und Deutungskompetenz,17 so erhöht werden, dass eine bestmögliche Förderung und Forderung für jeden einzelnen Schüler eintritt, ohne eine Überforderung hervorzurufen? Welche Form des Arbeitsmaterials sollte gewählt werden, damit den unterschiedlichen Anforderungsniveaus Rechnung getragen wird und die Bildungsstandards eingehalten werden können?18 Welche Maßnahmen sind mit dem Schulprogramm vereinbar, lassen den Schülern die nötige Wahlfreiheit bei der Lernbüroauswahl und garantieren dennoch das regelmäßige Erscheinen der Schüler?

Die Fachkollegen konnten in einer offenen Diskussion keine allgemeingültigen Regularien für alle Jahrgänge finden. Die Hauptkritiken für eine Veränderung des bestehenden Lernbüroprinzips bestanden in der Reduzierung der Wahlfreiheit der Schüler bei den Lernbausteinen, der generellen Lernbüroauswahl, dem benötigten aber zu umfassenden Classroom-Management sowie dem immensen Aufwand für die Kollegen, die als „Lernbaustein-Autoren“ hätten tätig werden müssen.

Der Autor schlug daher vor, dem Lernbüro Geschichte einen „thematischen Stundenplan“ zu Grunde zu legen. Für alle Schüler war nun durch den Plan festgelegt, in welcher Reihenfolge die Bausteine zu bearbeiten sind, in welchen Monaten der Lernbaustein zur Verfügung steht und wie viele Sitzungen maximal benötigt werden sollten, um den Baustein erfolgreich abzuschließen. Der Autor möchte damit das eigenständige Lernen der Schüler fördern.19 Der Arbeit an den Lernbausteinen wurde eine Einstiegssequenz vorangesetzt und zum Ausklang eine Sicherungs- und Abschlusssequenz eingeführt, mit dem wesentlichen Ziel, die Sprechanteile im Lernbüro zu erhöhen (ausführliche Erklärungen unter 2.1).

Da die X-Schule keine äußere Differenzierung umsetzt, muss der als nicht lehrerkonzentriere Lernbürounterricht motivierende und selbsterklärende Arbeitsmaterialien auf verschiedenen Anforderungsstufen anbieten.20 Bei der Neuerstellung der Lernbausteine achtete der Autor besonders auf das Anknüpfen an methodisches Fachwissen und Verweise auf bereits bearbeitete Methoden und Sachgegenstände der vorherigen Bausteine.

Die Fachkollegen einigten sich abschließend darauf, dass der Autor und Vorsitzende der Fachkonferenz Geschichte in einem Feldversuch die von ihm genannten Vorschläge im kommenden 9. Jahrgang aufgreift, umsetzt und bei Gelingen eine Ausweitung auf andere Jahrgänge erfolgt.

[...]


1 http://www.un.org/Depts/german/menschenrechte/a-hrc-4-29.pdf entnommen am 19.07.2015 um 14:19 Das Recht von Menschen mit Behinderungen auf inklusive Bildung, S. 5, S. 14.

2 GEWERKSCHAFT FÜR ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT (Hrsg.): Schulrecht für das Referendariat, Berlin 2014, S. 38f.

3 Anm. d. Autors: Im Sinne der Gleichberechtigung, inkludieren die Konzepte der Begriffe Schüler, Lehrer und Kollegen sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht.

4 GEWERKSCHAFT FÜR ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT (Hrsg.): Schulrecht für das Referendariat, Berlin 2014, S.68f.

5 Vgl. dazu HORSTER, Leonhard; ROLFF, Hans-Günter: Unterrichtsentwicklung. Grundlagen, Praxis, Steuerungsprozesse, Weinheim 2001, S. 192f.

6 Ebenda, S.64f.

7 Schul-URL anonymisiert

8 Anonymisierte Quelle

9 Ebenda, S. 8.

10 Ebenda, S. 11.

11 Vgl. dazu HORSTER, Leonhard; ROLFF, Hans-Günter: Unterrichtsentwicklung. Grundlagen, Praxis, Steuerungsprozesse, Weinheim 2001, S. 194.

12 Vgl. dazu SENATSVERWALTUNG FÜR BILDUNG, JUGEND UND WISSENSCHAFT BERLIN: Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I. Geschichte; Berlin 2006, S.12f.

13 SENATSVERWALTUNG FÜR BILDUNG, JUGEND UND WISSENSCHAFT BERLIN: Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I. Geschichte; Berlin 2006, S.5.

14 Vgl. dazu M1.

15 Siehe dazu: GEWERKSCHAFT FÜR ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT (Hrsg.): Schulrecht für das Referendariat, Berlin 2014, S. 64f.

16 Vgl. dazu HORSTER, Leonhard; ROLFF, Hans-Günter: Unterrichtsentwicklung. Grundlagen, Praxis, Steuerungsprozesse, Weinheim 2001, S. 189f.

17 SENATSVERWALTUNG FÜR BILDUNG, JUGEND UND WISSENSCHAFT BERLIN: Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I. Geschichte; Berlin 2006, S.12f.

18 Vgl. dazu §27 SEK I VO (http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/rechtsvorschriften/vo_sek_i.pdf?start&ts=1427792292&file=vo_sek_i.pdf entnommen am 22.07.2015 um 15:08.)

19 GEWERKSCHAFT FÜR ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT (Hrsg.): Schulrecht für das Referendariat, Berlin 2014, S. 64f.

20 HANDREICHUNG INDIVIDUELLES LERNEN, DIFFERENZIERUNG UND LEISTUNGSÜBERPRÜFUNG, Berlin 2009, S.1f.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Lernbüro als alternative Unterrichtsform. Strukturveränderungen vom offenen zum geschlossenen Lernbüro
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
12
Katalognummer
V334407
ISBN (eBook)
9783668245631
ISBN (Buch)
9783668245648
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernbüro, Unterrichtsform, offener Unterricht, Methoden, Unterrichtsmethoden, Classroom Management, Schulentwicklung, Rahmenplan, Rahmenplehrplan, ISS, Geschichte
Arbeit zitieren
Sebastian Putzier (Autor:in), 2015, Das Lernbüro als alternative Unterrichtsform. Strukturveränderungen vom offenen zum geschlossenen Lernbüro, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334407

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