Eine teure Schale voller Äpfel. Wie gross ist der Nutzen eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagement für Unternehmen?


Seminararbeit, 2016

58 Seiten, Note: 5.7 (Schweiz)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Key Words

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Der rote Faden
1.2 So nicht! ...oder: Der etwas andere Einstieg in mein Thema
1.2.1 Verwenden Sie nur Ihr eigenes Wissen
1.2.2 Behalten Sie ihr Wissen bis zum Schluss für sich
1.2.3 Hauptsache mal anfangen
1.2.4 PR innerhalb der Organisation? Wer braucht das denn?
1.2.5 Eine Schale mit Äpfeln aufstellen ist genug der Arbeit
1.3 Abgrenzungen und Grenzen
1.4 Ausgangslage und Relevanz dieses Buches
1.4.1 Allgemeine und aktuelle Herausforderungen
1.4.2 Physischen Gefahren und ihre Herausforderungen
1.4.3 Globale und zukunftsgerichtete Herausforderungen - Kondratieffzyklen
1.5 Ausgangsfrage

2 Theorie
2.1 Gesundheit
2.1.1 Warum sollten wir Gesund sein?
2.1.2 Definition der Gesundheit
2.1.3 Gesundheitsmodelle
2.2 BGM
2.2.1 Definition BGM
2.2.2 Ziele und Zielgruppe des BGM
2.2.3 Interventions- und Präventionsformen
2.3 BGF
2.3.1 Ziele und Zielgruppe des BGF
2.4 Ressourcen und Stressoren
2.4.1 Belastungen bei der Arbeit
2.4.1.1 Wie wirken sich Belastungen aus?
2.4.1.2 Burnout
2.4.2 Stressmodelle
2.4.2.1 Eustress und Distress
2.4.2.2 Person-Environment-Fit-Model (PE-Fit)
2.4.3 Ressourcen
2.4.3.1 Motivation
2.4.3.2 Modelle für Verhaltensänderungen und Ressourcenkonservierung
2.4.3.3 Führung
2.5 Wie wirkt sich Arbeitsplatzzufriedenheit aus?
2.6 Warum BGM implementieren?

3 Auswertung
3.1 Ablauf der BGM-Implementierung
3.1.1 Hauptsache mal anfangen...? (vgl. Kap. 1.2.3)
3.1.2 Kompetenzentwicklung
3.2 Kosten-Nutzen-Verhältnis des BGM
3.2.1 Nutzen des BGM
3.2.2 Investition in das BGM: Fazit
3.2.3 Tools, Fragebögen und weiterführende Literatur

4 Handlungsempfehlungen

5 Tabellenverzeichnis

6 Quellenverzeichnis

7 Abbildungsverzeichnis

Abstract

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist eine zukunftssichernde Massnahme von Unternehmen mit dem Zielfokus, dass gesunde MitarbeiterInnen durch ihr Schaffenswerk massgeblich zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung von Unternehmen beitragen. BGM ist eine zentrale Managementaufgabe.

Herausforderungen ¤ Schnellere Bearbeitungszeiten von Tätigkeiten im Arbeitsumfeld, kürzere Produktlebenszyklen, eine älter werdende Bevölkerung, flexiblere Gestaltung der Arbeitsabläufe inkl. räumlicher Trennung, zunehmender Kostendruck, ständig steigende und sich verändernde Anforderungen und der ungebrochene Trend zu Globalisierung (Fähigkeit zur interkulturellen Interaktion) wirkt sich auf die Befindlichkeitslage der MitarbeiterInnen aus.

Führung ¤ Führung, als evidenter Faktor für das Wohlbefinden der MitarbeiterInnen, ist eine Schlüsselfunktion innerhalb des BGM. Wenn Führungskräfte ihren Teamkollegen und MitarbeiterInnen in ihrem Streben nach Selbstverantwortung, Sinnhaftigkeit und sozialer Zugehörigkeit im Arbeitsumfeld Unterstützung und Hilfestellung anbieten und das Management diese Haltung als Vision oder Firmenkultur dauerhaft festigen kann, ist ein wichtiger Aspekt der Arbeiten innerhalb des BGM-Prozesses erfüllt.

Kompetenzentwicklung ¤ Organisationen und MitarbeiterInnen (also auch Führungskräfte) müssen ihre Verantwortung für das Gelingen des BGM und seiner Prozesse und Massnahmen teilen. So ist es wichtig, dass sowohl die Organisation als auch die MitarbeiterInnen, in jeweils zu analysierenden Bereichen, ihre Kompetenzen ausbauen. Situationen nicht als bedrohlich (stressig) zu empfinden, sondern als Herausforderung ist Sache beider Parteien: Die Organisationen schaffen entsprechende Verhältnisse und die MitarbeiterInnen passen ihre Verhaltensmuster (wenn nötig durch Kompetenzentwicklungsmassnahmen) an.

Training und Schulung ¤ Schulungs- oder Trainingsmassnahmen innerhalb des BGM sollen auf unterschiedlichen Ebenen (Organisation, Team oder Individuum) und mit unterschiedlichen Inhalten zu möglichst dauerhaften Verhaltensänderungen führen.

Gesundheit ¤ Als Basis allem ist die Gesundheit der Quell allen Erfolges, dessen Förderung und Erhaltung oberstes Ziel aller menschlichen Handlungen sein sollte. Dabei spreche ich, wie es die Definition vorsieht, von physischer und psychischer Gesundheit auf allen Ebene, die durch menschliche (Grund-)Bedürfnisse gesteuert werden. Nur wenn Menschen rundum gesund sind, kann sich Erfolg einstellen.

Key Words

Betriebliches Gesundheitsmanagement, betriebliche Gesundheitsförderung, Gesundheit, Personal-, Team- und Organisationsentwicklung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsproduktivität, Kooperationsfähigkeit, Fach- und Methodenkompetenz, Verhaltens- und Verhältnisprävention, Stress und Burnout, Ressourcen, PE-Fit, Verhaltenssteuerung- und Regulation

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Der rote Faden

Gesundheit ist der erste globale Megatrend, bei dem nicht mehr Rohstoffe und Technologien, sondern Menschen im Mittelpunkt stehen. (Leo A. Nefiodow, Zukunftsforscher)

Esoterik klingt es aus der einen Ecke, „spür-mich“ aus der anderen. Zeit und Geld für Gesundheit haben wir nicht, sagen die einen, was hat Gesundheit mit Arbeit zu tun, die anderen.

In diesem Buch stelle ich das Grundwesen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) als Managementaufgabe und sein Nutzen für alle beteiligten Akteure (Organisationen und MitarbeiterInnen) vor.

Den roten Faden dieses Buches verstehe ich als die Zusammenführung von psychologischen und physiologischen Aspekten der Gesundheit sowie einer Gegenüberstellungen von Kosten und Nutzen für alle Beteiligten aus Sicht der Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie (AOP) unter Zuhilfenahme von empirisch bestätigten Modellen, Metaanalysen und Einzeluntersuchungen auf Basis heutigem Wissenstandes (...und versuche mit Handlungsempfehlungen (HE ) den Praktikerinnen und Praktikern einen Leitfaden zur Implementierung ihres BGM zu geben – vgl. dazu auch Kap. 1.2).

1.2 So nicht! ...oder: Der etwas andere Einstieg in mein Thema

1.2.1 Verwenden Sie nur Ihr eigenes Wissen...

HE Jeder ist aus eigenen Erfahrungen mit dem Thema Gesundheit vertraut..., oder nicht? Laien- und Halbwissen kann sicher helfen ein BGM innerhalb einer Organisation zu implementieren, sollte jedoch um systematische und vertiefte Aspekte sowie professioneller Unterstützung ergänzt werden (Schneider, 2012). Ein derart umfassendes Themenfeld wie das BGM bedarf je nach Themenbetrachtung zweier Strategien zu systematischen Vermittlung von Inhalten: Vereinfachung und/oder Vertiefung. Aus diesem Grunde werde ich im Kapitel 2.1. die wichtigsten Begriffe definieren und im weiteren Verlauf relevante Inhalte einzeln darstellen oder vereinfacht zusammenfassen.

1.2.2 Behalten Sie ihr Wissen bis zum Schluss für sich...

HE Ohne die konsequente Kommunikation von Beginn an Ihres Projektes und ohne dass Sie gerade Ihre Führungskräfte ins Boot holen, wird es Ihr BGM-Projekt schwer haben, erfolgreich implementiert werden zu können. Führungskräfte fungieren dabei im Speziellen als Innovatoren, Mentoren, Mediatoren und Vorbilder (Schneider, 2012, S. 85/104) und sind der Gesundheitsfaktor Nr. 1 (Perwiss, 2016).

1.2.3 Hauptsache mal anfangen...

HE Versäumen Sie es, wie bei allen Managementprozessen, nicht, konkrete Ziele zu vereinbaren und einen verbindlichen Projektplan zu erstellen. Legen Sie klare Rahmenbedingungen und organisationale Strukturen fest, um den Erfolg der Massnahmen des BGM zu sichern und um nicht Gefahr zu laufen, dass Einzelmassnahmen unkoordiniert am gewünschten Effekt vorbeizielen, Kosten generieren und der umfängliche Nutzen sich eben nicht entwickeln kann (Schneider, 2012, S. 211), denn „ohne Ziele kommt es nicht zum Handeln, sondern allenfalls zu Verhalten.“ (Betsch, Funke, Plessner, 2011)

1.2.4 PR innerhalb der Organisation? Wer braucht das denn?

HE Schneider (2012) weisst in vielen Beispielen darauf hin, dass die Kommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Organisation, speziell bei der Umsetzung eines BGM-Projektes, einer grossen Wichtigkeit zukommt. Weiter führt sie aus, dass MitarbeiterInnen, die sich zwar zum Thema Gesundheit im Grundsatz wohlwollend äussern, sich noch lange nicht aktiv beteiligen und daher bereits in der Planungsphase genügend finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen für die interne Kommunikation bereitgestellt werden sollen (Schneider, 2012, S. 211). Sogar von einem „kommunikativen Kraftakt“ spricht die Schweizerische Post (HR Today Special, 2/2012, S. 20), die seit 2013 mit dem „Friendly Work Space“ Label ausgezeichnet ist.

1.2.5 Eine Schale mit Äpfeln aufstellen ist genug der Arbeit...

HE Die Thematisierung der Inhalte des BGM beinhaltet neben klassischen biomedizinischen Aspekten vor allem auch die Auseinandersetzung mit der psychischen bzw. psychosozialen Sichtweise. Hier ist es von grösster Bedeutung, dass intrinsische Motivatoren gefunden und vermittelt werden, die die tatsächlichen zu beabsichtigten Verhaltensänderungen der Beteiligten hervorrufen können. Die Bewusstseinsbildung steht immer vor der Verhaltensänderung (Betsch et al., 2011) und wird auch im transtheoretischen Modell von Prochaska und Di Clemente und im Zürcher Ressourcen Modell von Storch et al. (vgl. 2.4.3.2) beschrieben.

1.3 Abgrenzungen und Grenzen

Ich gehe in diesem Buch nicht auf die Implementierung oder der detaillierten Prozessbeschreibung eines BGM oder der spezifischen Ausarbeitung von Fragebögen ein.

Wenn immer es jedoch die theoretische Betrachtung erlaubt, werde ich Handlungsempfehlungen für PraktikerInnen aussprechen oder weitergehende (Online-)Literatur angeben.

1.4 Ausgangslage und Relevanz dieses Buches

Zahlen können nicht sprechen, sie bilden nur ab und erklären nichts. Oft sind es aber genau diese nackten Zahlen, die Menschen innehalten lassen, um über die Hintergründe nachzudenken. (Schneider, 2012, S. 63)

1.4.1 Allgemeine und aktuelle Herausforderungen

Organisationen werden sich in der Zukunft mit tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen auseinandersetzen müssen (Vgl. 1.4.3). Dabei wird der Umgang und das Verständnis der Gesundheit von Menschen/MitarbeiterInnen einen wichtigen Einfluss auf die Bewältigung der Herausforderungen haben (Scherrmann, 2015, S. 84f). Physische, psychische und ökonomische Aspekte der Gesundheit werden demnach vereint werden müssen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 1) „Die häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit 2010“

Bedingt durch den globalen Konkurrenzdruck (i) werden sich Organisationen und MitarbeiterInnen zunehmend mit Themen wie Arbeitsplatzabbau, Umstrukturierungen bzw. Arbeitsverdichtungen sowie Kosteneinsparungen und erhöhter Komplexität und Geschwindigkeit von Arbeitsprozessen konfrontiert sehen. Zudem wird gerade in Ländern ohne nennenswerte Rohstoffressourcen, die Kreativität einen stetig wachsenden Stellenwert in der Arbeitswelt bekommen. Gerade für diese Art der Arbeitsleistung braucht es physisch und vor allem psychisch belastbare Arbeitskräfte. Abb. 1 zeigt, dass psychische Erkrankungen in Deutschland bereits mit 12%, Platz vier der Ursachen für Arbeitsunfähigkeit, sind und diese Art der Gesundheitsstörungen mit 60% Steigerung seit 2000 den grössten prozentualen Zuwachs verzeichnen (Kauffeld, S., 2014). Forscher nehmen an, dass in den nächsten 20 Jahren psychische Störungen auf Platz zwei vorrücken werden (BR alpha, 2011). Weiter sind psychische Störungen mit längeren Ausfallzeiten verbunden als somatische Erkrankungen (Meyer, M., Weirauch, H. & Weber, F., 2012). Auch befinden sich unter den Personen mit Muskel- und Skeletterkrankungen viele, die psychische Probleme auf ihrer körperlichen Ebene austragen (Schneider, 2012, S. 32, 64f).

Durch die permanente Erreichbarkeit via Chat, E-Mail und Handy schwindet die klare Trennlinien zwischen Arbeits- und Berufsleben (ii). Unternehmen werden sich, nicht zuletzt auch aufgrund des Fachkräftemangels, künftig stärker mit BGM beschäftigen müssen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben/sein/werden (Employer Branding) (iii). Weiter wird der demographische Wandel (iv) die Unternehmen und MA vor neue Herausforderungen stellen. 2015 feierten in der Schweiz zum erste Mal mehr Menschen ihren 65. Geburtstag als ihren 20. (HR Today Special, 07/2015). Aufgrund längerer Arbeitszeiten und älterer MitarbeiterInnen wird ein gut ausgebautes BGM, mit gezielten Massnahmen eines gemeinsamen Miteinander der Generationen, diesem Trend positiv entgegenwirken können. Letztlich zeigen Vergleiche, dass die Kosten (v) in Gesundheitssystemen bereits steigen und weiter und stärker ansteigen dürften (vgl. Abb.2). Neben staatlichen Programmen, wie beispielsweise dem Programm „Gesundheit 2020“ (BAG, 01/2013, S. 6-8, 10, 23) des BAG sind Organisationen gefordert, sich mit Massnahmen innerhalb strukturierter BGM’s an diesen makroökonomischen Themen zu beteiligen, denn zurzeit werden lt. diesem Papier schweizweit, weder in der Medizin noch in der Psychologie, ausreichend Mittel für die Gesundheitsprävention investiert.

„Die Schweiz hat [...] nicht nur gesundheitspolitisches, sondern auch ein gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Interesse an möglichst gesunden Menschen“ (BAG, 01/201, S. 16).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 2) „Entwicklung der Gesundheitskosten und Anteil am BIP“

Somit kann BGM zwei der vier vom Bundesrat genannten Handlungsfelder mit abdecken.

1. Lebensqualität sichern

BGF, klassischer Gesundheitsschutz (Arbeitsschutz: Vgl. 1.4.2), komplementärmedizinische Ansätze und die Früherkennung von psychischen Krankheiten

2. Chancengleichheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 3) „Handlungsfelder der Strategie Gesundheit2020“

Stärkung der Gesundheitskompetenz und der Selbstverantwortung von Menschen.

1.4.2 Physischen Gefahren und ihre Herausforderungen

Seit 1992 führt das BFS regelmässige Studien (Intervall 5 Jahre) zur Erhebung der Häufigkeit auftretender gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen durch. Die „Schweizerische Gesundheitsbefragung“ (SGB) findet national und die ergänzend durchgeführte „Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen“ (EWCS) international statt. Neben den psychischen und psychosozialen Aspekten (die die Gesundheit in erheblichem Masse schädigen können, wenn psychische Auslöser und Schutzmechanismen nicht im Gleichgewicht sind) kommt das BFS in seiner Aktuellen Studie (BFS, 01/2016) zu dem Schluss, dass die physischen Risiken (Tragen schwerer Lasten, Lärm, Exposition gegenüber toxischen Substanzen, falsche Ergonomie am Arbeitsplatz, etc.) nicht an Bedeutung verloren haben. 2012 waren 52% aller Beschäftigten mindestens dreier dieser Gefahren ausgesetzt, was einer 10%-igen Steigerung gegenüber 2007 entspricht (Abb. 4). Bis auf die Gefahr des Passivrauchens haben sich alle Risiken erhöht, so dass der Handlungsbedarf zur weiteren Reduktion auch in diesem Aspekt hoch bleibt.

Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz relativ schlecht ab. Höchste Zahlen der geleisteten Arbeitsstunden, dem Arbeitstempo, Termindruck und der Anzahl von Reorganisationen belasten ArbeitnehmerInnen auf der psychosozialen Ebene (Abb. 5).

Als Fazit hält das BFS (BFS, 01/2016, S. 24) fest: „Die SGB und die EWCS sind Querschnittserhebungen [...]. Zwar lassen sich daraus keine Kausalzusammenhänge ableiten, jedoch zeigen sie eine enge Korrelation zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand auf. So geht [...] aus der SGB hervor, dass Personen, die mindestens drei physischen Risiken ausgesetzt sind, deutlich häufiger angeben, keinen guten allgemeinen Gesundheitszustand zu haben, als Personen, die keinen solchen Risiken ausgesetzt sind (13% gegenüber 5%). ...“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 4) „Physische Risiken nach Geschlecht“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 5) „Psychosoziale Risiken in der Schweiz und in der EU“

1.4.3 Globale und zukunftsgerichtete Herausforderungen - Kondratieffzyklen

Die unter 1.4.1 angesprochenen tiefgreifenden Veränderungen der Weltwirtschaft können durch den Ansatz des Zukunftsforschers Nicolai Kondratieff erklärt werden und daraus Handlungsstrategien entwickelt werden. Seiner Theorie der langen Wellen entwickelt sich die Weltwirtschaft in langen Zyklen, die jeweils durch Schübe (40-60 Jahre) mit bahnbrechenden Basisinnovationen gekennzeichnet sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 6) „Die langen Wellen der Konjunktur“

Ab Beginn des dritten Jahrtausends traten wir in die den sechsten Zyklus ein, der durch die Basisinnovationen „psychosoziale Gesundheit“ und „Biotechnologie“ beschrieben ist. Noch besitzt dieser Zyklus nicht die Kraft, die Weltwirtschaft in einen stabilen Aufschwung zu bewegen (Nefiodow, L.A. & Nefiodow, S., 2014), dennoch ist der Zeitpunkt für eine eingehende Auseinandersetzung mit BGM (vgl. Abb. 7a) ideal.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (Abb. 7) „Das herkömmliche Gesundheitswesen“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 7a) „Das neu aufkommende Gesundheitswesen“

Bis zum 5. Kondratieffzyklus standen Effizienzsteigerungen von Maschinen und dadurch erreichbare Produktivitätsverbesserungen im Vordergrund.

Zumindest in entwickelten Ländern wird es künftig eher auf die Arbeitsproduktivität von Menschen ankommen, die wesentlich von drei Faktoren abhängen (Nefiodow, L.A. & Nefiodow, S., 2014):

Arbeitsteilung, Fach- und Methodenkompetenz

Einzelne MA können eine Aufgabe nicht mehr alleine bewältigen und Aufgabenteilung führt zur Spezialisierung, die ihrerseits durch Kompetenzen erworben werden muss.

Kooperationsfähigkeit

Die zu bearbeitenden Teilaufgaben müssen koordiniert sein, somit sind Arbeitsteilung und Kooperationsfähigkeit wie zwei Seiten derselben Medaille.

Einsatzbereitschaft

Arbeitsproduktivität kann schlussendlich nur erreicht werden, wenn MA ihr Wissen, ihre Kooperationsbereitschaft und die gute Organisation aller Teilschritte auch wirklich wollen. Somit schafft die Einsatzbereitschaft dazu den nötigen Rahmen.

Nefiodow fasst zusammen: „Eine genauere Analyse der Arbeitsproduktivität zeigt, dass sie entscheidend von der psychosozialen Gesundheit im Betrieb abhängt. Als strategische Waffe kann Gesundheit ihr volles Potenzial aber nur entfalten, wenn sie nicht auf die stoffliche und körperliche Ebene [...] beschränkt wird.“ (Nefiodow, 2014)

1.5 Ausgangsfrage

Antworten auf die Ausgangsfrage „Wie gross ist der Nutzen eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) für Unternehmen?“ gebe ich vor allem über theoretische Betrachtungsweisen unter Bezugnahme der Nutzen für Organisationen und MA.

2 Theorie

Das Missverständnis ist das Allgemeine, das Verstehen die Ausnahme. (A. Schopenhauer, zitiert nach Schneider, 2012, S. 17). Daher gliedere ich die für BGM relevanten Aspekte, definiere, strukturiere und vertiefe sie im zweiten Kapitel.

2.1 Gesundheit

„Gesund zu sein heisst, lieben und arbeiten zu können“. (Siegmund Freud). Selbst wenn die Diskussion über die Worte „lieben“ und „arbeiten“ zu unterschiedlichen Resultaten kommt, wird bereits durch Freuds Zitat erkennbar, dass Gesundheit etwas mit Handlungen während eines ganzen Tages (und das über Jahre hinweg) zu tun hat.

2.1.1 Warum sollten wir Gesund sein?

Die folgenden Zitate bringen auf den Punkt, warum die Gesundheit einen zentralen Stellenwert besitzen sollte und sich die systematische Vertiefung mit diesem Thema im beruflichen Kontext sowie dem BGM fast nicht vermeiden lässt: (i) „Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“ und (ii) „Überhaupt aber beruhen Neun Zehntel unseres Glücks allein auf der Gesundheit“ (Arthur Schopenhauer). Beschrieben werden die grundsätzliche Möglichkeit der Leistungserbringung (i) und der grosse Anteil der Gesundheit am menschlichen Wohlbefinden (ii), wobei letztes in den meisten Gesundheitsmodellen gar als ideale Zielvorstellung verankert ist (vgl. Abb. 8). Die Wortverwandtschaft „Wohlbefinden“ und „Zufriedenheit“ scheint mir eine Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Arbeitszufriedenheit und seiner Auswirkung auf Leistung und Wohlbefinden von MA notwendig. (vgl. 2.5)

2.1.2 Definition der Gesundheit

Die WHO definiert Gesundheit als einen „Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein dem Fehlen von Krankheiten“ (1946) und erweiterte 1987 die Definition, Gesundheit sei die „Fähigkeit und Motivation, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben führen zu können.“

2.1.3 Gesundheitsmodelle

„Die Gesundheit [menschliches Wohlbefinden] ist sowohl für das Individuum, als auch für die Gesellschaft [somit auch für Organisationen] von zentraler Bedeutung“ (BFS, 01/2016). Da die Kurzdefinitionen nicht umfassend und übersichtlich genug sind, wurden Gesundheitsmodelle entwickelt (Abb. 8). Obwohl sich die Inhalte der Modelle nicht decken und bei Weiterentwicklungen Teilaspekte nicht übernommen wurden, tendiere ich dazu, sie im Sinne einer umfassenden systemisch-konstruktivistischen Betrachtung von Gesundheit nebeneinander bestehen zu lassen und die jeweiligen Errungenschaften für sich gesehen, positiv zu werten. Anders jedoch als zum Arzt zu gehen und sich dort behandeln zu lassen oder bei Unterweisungen und Ratschlägen im Bereich des klassischen Arbeitsschutzes (hier geben Personen Selbstverantwortung ab), soll bei der späteren Betrachtung des BGM/BGF, innerhalb der Prävention, die Autonomie jedes MA gestärkt werden (Schneider, 2012, S. 44, 52). Dementsprechend bildet auch die DIN EN ISO 9241-2 genannte Ziele ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 8) „Gesundheitsmodelle“

I. Das biomedizinische Modell erklärt zwar nicht die motivational günstige Auswirkung von Stress (vgl. 2.4.2.1), liefert aber bis heute wichtige Indikatoren z.B. für den Arbeitsschutz (besitzt im BGF immer noch einen hohen Stellenwert: vgl. 2.3 und 1.4.2), der durch seinen präventiven Charakter die Schwächung potenzieller Risiken bewirkt. Nimmt man durch Umformulierungen diesem Modell seinen belehrenden Unterton („du sollst“, „du darfst nicht“ ruft häufig Reaktanzen hervor), kann es sich positiv für das BGF innerhalb des BGM eignen.

II. Das salutogenetische Modell von A. Antonovsky basiert auf erstaunlichen Forschungsresultaten des israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen, das Überlebende des Holocaust auf gleiche Inhaftierungsbedingungen gänzlich unterschiedlich reagierten und sich beide Gruppen jeweils von der anderen deutlich im physischen und psychischen Gesundheitszustand unterschieden. Antonovsky folgerte als Ergebnis seiner Arbeiten, dass sich beide Gruppen durch ein besonderes Phänomen (er nannte es Kohärenzsinn: engl. Sence of coherence SOC) unterschieden. Diese Erkenntnis legte die Basis, dass die drei inneren Zustände (i) Verstehbarkeit, (ii) Machbarkeit und (iii) Sinnhaftigkeit (vgl. Tab.1) oder Bedeutsamkeit einer (Arbeits-) Situation einen grossen positiven Einfluss auf das Erleben haben und positiv mit einem guten Gesundheitszustand korrelieren (Schneider, 2014). Weiter legten Antonovskys Ergebnisse den Grundstein für weitere Erkenntnisse im Sinne der Auswirkungen des Führungsverhaltens, der Bewältigung und dem Erleben von Stress und der zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie der thematischen Erarbeitung unterschiedlicher (Stress-)Modelle (vgl. 2.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Tab. 1) „Grundsatzfragen des salutogenetischen Modells“ nach Scherrmann (2015)

[...]

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Eine teure Schale voller Äpfel. Wie gross ist der Nutzen eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagement für Unternehmen?
Hochschule
Kalaidos Fachhochschule Schweiz  (Kalaidos FH, Zürich)
Veranstaltung
Unternehmenspsychologie
Note
5.7 (Schweiz)
Autor
Jahr
2016
Seiten
58
Katalognummer
V335040
ISBN (eBook)
9783668255890
ISBN (Buch)
9783668255906
Dateigröße
2509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebliches Gesundheitsmanagement, betriebliche Gesundheitsförderung, Gesundheit, Personal-, Team- und Organisationsentwicklung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsproduktivität, Kooperationsfähigkeit, Fach- und Methodenkompetenz, Verhaltens- und Verhältnisprävention, Stress und Burnout, Ressourcen, PE-Fit, Verhaltenssteuerung- und Regulation, Wirtschaftspsychologie, Unternehmenspsychologie
Arbeit zitieren
Mirko Behrens (Autor:in), 2016, Eine teure Schale voller Äpfel. Wie gross ist der Nutzen eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagement für Unternehmen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335040

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