Strategien und Probleme von Müllverwertung innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS


Seminararbeit, 2016

13 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die politische Ökologie des Mülls

3. Müllverhältnisse innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS

4. Conclusio

5. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Entwicklungsregionen auf der ganzen Welt kämpfen im Zuge der voranschreitenden Globalisierung zunehmend mit dem Problem eines exorbitanten Müllaufkommens und dessen inadäquaten Managements. Dies liegt zum einen an den fehlenden finanziellen und institutionellen Rahmenbedingungen um mit einem wachstumsbedingten, steigenden Abfallaufkommen effektiv und nachhaltig umgehen zu können und zum anderen am Export von immer rascher verbrauchten Konsumgütern aus den Industrienationen des globalen Nordens in diese Regionen. Gerade in Afrika hat sich daher in den letzten Jahrzehnten ein enormes Problemfeld in der Entwicklung des Kontinents aufgetan, da im Bereich Müll und Abfall an vielen Orten eine Verwertungsstrategie fehlt. Das hat langfristig gesehen sowohl fatale Auswirkungen auf Flora und Fauna als auch auf die lokalen Bevölkerungen, etwa durch Umweltverschmutzungen und hygienische Defizite. Ferner führen diese Entwicklungen auch immer wieder zu Konflikten. Dabei muss beachtet werden, dass sich in Afrika ein anderer Charakter des Mülls herausgebildet hat als in den westlichen Industrienationen. Während Müll im globalen Norden aufgrund des klassisch ökonomischen Paradigmas der Gewinnverwertung häufig negiert und mit enormen Kosten verbunden wird, gilt er in vielen Regionen des Sub-Sahara Raums als Einnahmequelle von Staaten und als Ressource und Gebrauchswert lokaler Bevölkerungen. Als „Risiko“ wird Müll und Abfall lediglich dann empfunden, wenn es zu Verteilungskämpfen oder größeren Umwelt- und Gesundheitskatastrophen kommt, weshalb immer noch weitgehend auf umweltschonende und nachhaltige Verwertungspraxen verzichtet wird. Der enorme Anstieg des Müllaufkommens in Afrika aufgrund von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, sowie der voranschreitenden Urbanisierung verdeutlicht dennoch die Notwendigkeit regionaler Müllverwertungsstrategien. Diesem Problem wurden sich in jüngster Zeit auch zahlreiche regionale Wirtschaftsgemeinschaften, sowie die Afrikanische Union bewusst.

In dieser Seminararbeit soll daher ein Überblick über zentrale Strategien aber auch Probleme im Umgang mit Müll und Abfall am Beispiel der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften ECOWAS gegeben werden. ECOWAS ist dabei besonders von Müllexporten aus Europa betroffen. Diese regionale Wirtschaftsgemeinschaft wurde auch deshalb in die nähere Betrachtung gezogen, weil hier im Vergleich zu anderen Regionen Afrikas ein relativ hohes Engagement bei der Müllbekämpfung besteht, sowie Transparenz bei den Strategien und Programmen vorzufinden ist. Die Arbeit gliedert sich dabei in eine kurze, einleitende Darstellung der politischen Ökologie des Mülls, basierend auf den Ausführungen aus dem Seminar „Die ökologische Krise aus multidisziplinärer Perspektive“, einer empirischen Betrachtung der Müllverwertungsstrategien und deren Probleme in der ECOWAS Region, sowie einer Conclusio und der Ausarbeitung zentraler Erkenntnisse. Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen: Welche Auswirkungen hat die sogenannte „garbage crisis“ auf die Sub-Sahara Regionen Afrikas und wie wird schließlich damit umgegangen? Dabei rücken primär die staatlich und überstaatlich gelenkten Strategien von ECOWAS in den Mittelpunkt der Forschung. Aber auch lokale Standpunkte und Strategien der Bevölkerungen sollen, falls vorhanden, in die Analyse mit einbezogen werden, da diese die hauptbetroffenen Akteure der Müllkrise bilden.

In der vorliegenden Arbeit werden unter den Begriffen „Müll“ und „Abfall“ generell jegliche Materialien und Gebrauchsgegenstände verstanden, die innerhalb einer Verbrauchsgesellschaft keinen Gebrauchs- und/oder Tauschwert mehr besitzen, somit also als „überschüssiges Material“ angesehen werden.[1]

2. Die politische Ökologie des Mülls

Anhand des Beispiels der urbanen Müllverhältnisse- und Verwertungsstrategien in der indischen Stadt Bangalore, konnte bereits Nicolas Schlitz aufzeigen, dass sich die Abfallwirtschaft in Regionen des globalen Südens in einem Spannungsverhältnis zwischen sich rasch etablierenden kapitalistischen Produktions- und Konsumationsweisen und lokalen sowie staatlichen Verwertungsstrategien befindet.[2] Ähnliches gilt auch für den sub-saharischen Kontext der gesellschaftlichen Müllverhältnisse. Dies bedeutet vor allem, dass die im Zuge der Globalisierung oftmals unkontrolliert implementierten, neoliberalen Wirtschaftsparadigma in den Regionen des globalen Südens in keinster Weise mit den dort vorherrschenden traditionellen Müllmanagementstrategien d’accord gingen. Ebenso ist die Konzeptionalisierung von Müll in beiden Regionen der Welt äußerst unterschiedlich ausgeprägt. Während westliche Industrienationen und hier vor allem die Städte über hochtechnologisierte und oftmals staatlich gelenkte „solid waste management (SWM)“ Systeme[3] verfügen, liegt die Abfallwirtschaft in den Entwicklungsregionen häufig in der Hand lokaler, agrargeprägter Bevölkerungen, da staatliche Institutionen durch Geld- und Logistikmangel, Korruption oder anderer Interessensgewichtung nicht in der Lage oder willens sind sich in dem Ausmaß darum zu kümmern wie es von Nöten wäre. Hinzu kommen der Standpunkt den die klassische Ökonomie im Westen gegenüber Müll und Abfall einnimmt und die Kontextabhängigkeit der Definition.[4] Im globalen Norden ist Müll gemeinhin negativ konnotiert. Er gilt als Risiko, beziehungsweise als etwas Schmutziges, Abstoßendes und sich als (Umwelt-)Verschmutzung materialisierendes. Die Wirtschaft sieht darin kein Gut mit dem Gewinn erzielt werden könnte, weshalb Müll-und Abfallmanagement bisher auch kaum Eingang in ökonomische Überlegungen marktwirtschaftlich orientierter Staaten fand. Beide Faktoren führen schließlich zu Strategien die im großen Maße auch Staaten des globalen Südens betreffen, auf die später näher eingegangen wird.

In weiten Teilen des globalen Südens wiederum wird Müll und Abfall nicht per se negativ definiert. Gerade in den Untersuchungsregionen West- und Südafrika wird er durchaus als etwas Positives angesehen. Als stetig vorhandene Ressource, Gebrauchswert und Einkommensquelle, etwa durch weitverbreitetes Recycling.[5]

Beim Einfluss des Standpunktes und der Kontextabhängigkeit westlich definierter Müllverhältnisse auf den globalen Süden spielt der Sozialmetabolismus eine entscheidende Rolle. Dieser definiert “the entire flows of materials and energy [between society and nature] that are required to sustain all human economic activities”.[6] Nun ist der Sozialmetabolismus im globalen Norden völlig verschieden von jenem des globalen Südens, weshalb hier von zwei verschiedenen Regimen gesprochen werden muss, die sich dennoch wechselseitig bedingen und beeinflussen. Im globalen Norden basiert dieser Sozialmetabolismus auf dem Credo eines uneingeschränkten Wirtschaftswachstums mit gleichzeitig stetig anwachsendem Verbrauch von (endlichen) Ressourcen und einem Anstieg des Müllaufkommens. Dieses Müllaufkommen muss in immer aufwendigeren und teureren Prozessen bewältigt werden. Hinzu kommt, dass Müll durch eine weitverbreitete Konsum- und Wegwerfmentalität der Gebrauchs- und Tauschwert entzogen wurde. Er gilt als „überschüssiges Material“, dass zwar nie wirklich verschwindet aber durch die vielfältigen und stetig vorhandenen Möglichkeiten der Entsorgung der Verantwortung des Einzelnen entzogen wird.[7] Ebenso werden die ökonomischen und sozialen Grundlagen dieser Entsorgungsmentalität kaum hinterfragt, wie etwa die Müllexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer beweisen.

Anders sah dies lange Zeit in den Regionen des globalen Südens aus. Hier etablierte sich bereits früh eine Art „environmental altruism“, manifestiert durch Mülltrennung und Wiederverwertung/Recycling.[8] Verhaltensmuster die sich im globalen Norden erst seit ein paar Jahrzehnten versuchen als soziale Praxis zu etablieren. Der Sozialmetabolismus war und ist in einigen Regionen weitgehend von einem Gleichgewicht zwischen Material- und Energieaufwand zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards und den Angeboten des natürlichen Lebensraumes geprägt.

Durch den Prozess der Globalisierung kommt es aber unweigerlich zu Interaktionen beider Regime, die primär durch das kapitalistische Wachstumsparadigma geprägt sind. Dies führt wiederum zu einer fundamentalen sozio-ökonomischen Transformation, bei welcher der „westliche Sozialmetabolismus“ auch Einzug in die Gesellschaften des globalen Südens hält, manifestiert durch Industrialisierung, Urbanisierung und einen gesteigerten Ressourcenverbrauch. Aber auch Konsum- und Wegwerfmuster treten vermehrt in Regionen wie etwa dem Sub-Sahara Raum auf. Dort wo Handel mit Gütern und Dienstleistungen besteht, entsteht auch unweigerlich Handel mit Müll, so Moore.[9] Die Praxis zeigt, dass diese Handelsmuster eng mit globalen Kapitalflüssen, ungleichen politischen, sozialen und ökonomischen Beziehungen und variierenden Entwicklungsprozessen verknüpft sind. Durch diese ungleichen Kooperationsmuster entsteht auch in den Entwicklungsregionen der „Imperativ der Entsorgbarkeit“, bei welchem die Materialität von Müll zunehmend missachtet und das Management in Richtung Dematerialisierung und Entsorgung tendiert. Die einst weitverbreitete soziale Praxis des Mülls als Gebrauchs- und Tauschwert geht verloren. Verbunden damit sind im Westen entwickelte teure und hochtechnologisierte Entsorgungssysteme, die oftmals in Schwellen- und Entwicklungsländern aus Logisitik- und Kostengründen nicht angewandt werden können. Ebenso befinden sich Müllentsorgungsstrategien in jenen Regionen in einem Spannungsfeld zwischen öffentlicher Hand, privatisierten Dienstleistern und lokalen Strategien der Bevölkerung. Dennoch besitzen beide Regionen mittlerweile die gleichen Aufkommen und ähnliche gesellschaftliche Praktiken der Klassifizierung von Müll und Abfall. Diese Realität der Müllverhältnisse führte in jüngerer Vergangenheit nicht nur in Indien, wie Schlitz beschreibt[10], zur sogenannten „garbage crisis“, sondern auch im Sub-Sahara Raum, mit unterschiedlichen Strategien der (Nicht-)Bewältigung auf die in den folgenden Kapiteln anhand zweier Regionalorganisationen nun näher eingegangen werden soll.

3. Müllverhältnisse innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS

Der Westafrikanische Raum und gerade die ECOWAS stehen vor zwei zentralen Problemfeldern regionaler Müllverarbeitungsstrategien. Einerseits mangelt es an staatlichen und überstaatlich organisierten Müllmanagementstrategien, weshalb in vielen Fällen NGO´s und gemeinschaftsbasierte Organisationen diese Aufgaben übernehmen müssen. Andererseits bildet der importierte „toxic waste“ eines der größten Probleme der gesamten Region, mit fatalen Auswirkungen für Menschen und Umwelt.[11]

Beide Faktoren hängen laut einer ECOWAS-internen Studie aus dem Jahr 2011 massiv mit der Wasserknappheit, der mangelnder Wasserqualität und der Landverödung in der Region zusammen.[12] Nach einem kurzen Überblick über die Ursachen und Auswirkungen dieser Faktoren soll auf die Strategien der EOCWAS, sowie einzelner Mitgliedsstaaten, sofern vorhanden, eingegangen werden.

Laut einer UN-Studie aus dem Jahr 2009 werden in Westafrika lediglich 40 Prozent des täglich anfallenden Mülls in einer geeigneten Weise entsorgt, etwa in Müllverbrennungsanlagen, Recyclingstationen und ähnlichem.[13] Die restlichen 60 Prozent dieses Mülls landen in der Umwelt, also auf der Straße. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Situation aufgrund der voranschreitenden Urbanisierung und des Bevölkerungswachstums der letzten Jahre deutlich verschlechtert hat. Die fehlenden Müllverwertungsstrategien haben mehrere Gründe. Zum einen fehlt es schlichtweg in allen Mitgliedsstaaten der ECOWAS an staatlichen Mitteln um ein modernes, nachhaltiges und zielgerichtetes Müllmanagement auf die Beine zu stellen, damit das täglich anfallende Abfallaufkommen bewältigt werden kann. Ist Kapital vorhanden, wird es von den Regierungen vorrangig in Infrastrukturprojekte investiert, um die hohen Kosten der Gesundheitsversorgung zu minimieren, sowie die Bekämpfung der Armut voranzutreiben und die Landflucht zu verhindern. Es scheitert also auch am Willen und den Handlungsspielräumen politisch Verantwortlicher Mittel dafür in die Hand zu nehmen. Die kommunale Abfallwirtschaft hat in den meisten Staaten Westafrikas einfach keine vorrangige Priorität. „Municipal Solid Waste (MSW) management has continually been an intractable problem in recent times beyond the capacity of most municipal/state governments”.[14]

Neben fehlenden Finanzmitteln, politischem Willen und eingeengten Handlungsspielräumen spielt auch die Mentalität lokaler Bevölkerungen eine wesentliche Rolle. Müll gilt gemeinhin, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, immer noch als Gebrauchsgegenstand mit dem sich in den unterschiedlichsten Art und Weisen Geld machen lässt. Müll wird daher oftmals nicht fachgerecht entsorgt, sondern in illegalen Deponien oder einfach an der Straße gebunkert, wo Müllsammler mit wiederverwertbaren Teilen des Abfalls Geld machen. Auch sind die teils stark verarmten Bevölkerungen nicht in der Lage für eine staatliche Müllentsorgung Abgaben zu entrichten, welche wie etwa in Europa wiederum einen Teil der Müllverwertung finanzieren würden. Eine weitere wesentliche Rolle in den prekären Müllverhältnissen Westafrikas spielen regionale Konflikte. „The waste management problems are worse in African countries afflicted by conflict and political instability, for instance, Côte d’Ivoire, Sudan, Somalia and Liberia”.[15] In dem Bericht der UN wurden bereits zwei westafrikanische Staaten als Beispielhaft dafür angeführt, die Elfenbeinküste und Liberia. Aber auch Bürgerkriege und politische Krisen in Sierra Leone, Nigeria, Burkina Faso, Mali und dem Senegal führten zum erliegen staatlicher Müllentsorgungsstrategien.

Schlussendlich gibt es daher auch im Bereich der Müllpolitik und der Gesetzgebung exorbitante Lücken zwischen Vorhaben und Umsetzung. Viele westafrikanische Staaten setzten bilaterale und multilaterale Umweltabkommen, in deren Bereich auch das Müllmanagement fällt, mangelhaft oder gar nicht um.[16] Die zunehmende Privatisierung des Mullmanagements in Staaten wie Nigeria und Ghana führt wiederum zur Ökonomisierung einer staatlichen Dienstleistung und zu inadäquaten Entsorgungsmethoden aufgrund fehlender staatlicher Kontrollen.[17]

Das wohl noch größere Problem, neben der nicht schritthaltenden Abfallwirtschaft mit dem Wachstum städtischer Gebiete, ist der aus aller Welt nach Westafrika exportierte „toxic waste“. Hierunter fallen primär elektronische Gebrauchsgegenstände wie Computer und Handys, aber auch Klimaanlagen und Kühlschränke die in anderen Regionen der Welt keinen Wert mehr besitzen, deren Entsorgung innerhalb der eigenen Landesgrenzen jedoch als zu teuer erscheint. Seit den 1980er Jahren werden jährlich millionen Tonnen elektronischen Mülls in Staaten wie Ghana, Benin, Togo oder die Elfenbeinküste exportiert, die UN spricht hier von einer „toxic waste invasion“.[18] Dieser Abfall enthält jedoch in den meisten Fällen stark giftige Stoffe wie Blei, Quecksilber und Cadmium. Diese Stoffe müssten eigentlich in hochtechnologisierten und teuren Recyclinganlagen abgebaut werden. Die Realität in Westafrika sieht jedoch anders aus. Auf offenen Mülldeponien, viele davon illegal errichtet, wird der elektronische Schrott nicht fachgerecht entsorgt. Die giftigen Stoffe sickern in das Grundwasser und vergiften naheliegende Flüsse und in weiterer Folge die Wasserversorgungen von zahlreichen Dörfern.[19] Zudem erkranken tausende Menschen an den Giften bei ihrer Arbeit auf den Deponien, wo versucht wird durch Recycling mit dem „second hand Müll“ Geld zu machen. Von staatlicher Seite wird dagegen relativ wenig unternommen, da die Länder für die Annahme des „toxic waste“ bezahlt werden. Somit erschließt sich etwa für Staaten wie Ghana durch den Import von elektronischem Müll eine immer wichtiger werdende Einnahmequelle, mit jährlichen Umsätzen von an die 300 Millionen Dollar. Aber auch neue Wirtschaftszweige entstehen in den Staaten Westafrikas, etwa durch die Reparatur und den Wiederverkauf des elektronischen Abfalls.

Die neoliberale Praxis der Auslagerung des Müllaufkommens von reicheren in ärmere Regionen der Welt wird durch die Kennzeichnung der „Güter“ verschleiert, weshalb diese Praxis immer noch massive Anwendung findet. Europäische Staaten wie die Niederlande oder auch Großbritannien kennzeichnen den exportierten „E-Müll“ als neuwertig, während rund 70 Prozent davon bereits gebraucht sind und rund 30 Prozent davon wiederum nicht mehr funktionieren.[20] Die exportierenden Staaten müssten diese Güter eigentlich als Müll kennzeichnen, das würde jedoch ein deutliches Mehr an Kosten verursachen, da es sich um gefährliche Stoffe handelt. Solange die Geräte auf dem Papier aber als neuwertig gelten, entfallen diese hohen Kosten.

Aber auch regionaler Elektromüll wird auf solchen nichtfachgerechten Deponien zunehmend entsorgt. Dies liegt an der zunehmend westlich geprägten Konsum- und Entsorgungsmentalität in Afrika. Mittlerweile stammen an die 85 Prozent des anfallenden „toxic waste“ in Westafrika aus der Region selbst.[21]

Wie sehen nun regionale und überregionale Strategien der Müllbekämpfung- und Vermeidung in Westafrika aus?

Sowohl staatliche Behörden als auch überstaatliche Gremien wie die „West African Health Organization (WAHO) fanden bisher kaum brauchbare Lösungsansätze für eben beschriebene Problemlagen. Als erster Schritt in Richtung einer überregionalen Müll- und Abfallstrategie gilt die 1998 in Kraft getretene „Bamako Convention on the Control of Transboundary Movement of Hazardous Waste in Africa“.[22] Der 1991 von der Organisation Afrikanischer Staaten (OAU) ins Leben gerufene Vertrag sollte das Problem des Exports giftiger Abfälle nach Afrika und spezielle nach Westafrika lösen, aktuelle Entwicklungen zeigen jedoch das der Vertrag lediglich auf dem Papier existiert und nie wirklich volle Umsetzung erlangte. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft handelt im Bereich einer regionalen Müllstrategie ebenfalls sehr zögerlich. Nur durch gemeinsame Initiativen mit Institutionen der UNO wird sich dieses Problems überhaupt erst angenommen, etwa durch eine 2005 erstellte Studie zu Müllstatistiken in den jeweiligen Mitgliedsländern.[23] Seitdem werden vor allem regionale Programme des Müllmanagements in Kooperation mit lokalen Initiativen gefördert, regelmäßige Statistiken über Müllaufkommen in Westafrika erstellt, Workshops mit lokalen Vertretern abgehalten sowie Experten in Strategien der Müllvermeidung geschult und in die jeweiligen Umweltministerien der Staaten entsandt.[24] ECOWAS setzt hier vor allem auf die Einbindung des privaten Sektors, wenn es um das Problem des Müllaufkommens und einem effektiven Umgang damit geht, wobei wiederum den Staaten die Verantwortung von Seiten der intergouvernementalen Organisation weitgehend abgenommen wird. Auf staatlicher Ebene tendiert das „solid waste management“ in vielen Ländern Westafrikas in Richtung Privatisierung. Als Beispielhaft gelten hier Ghana und Nigeria, wo ein Großteil des Müllmanagements durch eine Koexistenz staatlicher Behörden mit einem informellen, privaten Sektor abgedeckt wird.

4. Conclusio

In jüngster Zeit adressiert die Zivilgesellschaft verstärkt das Problem des aufkommenden Müllproblems in Westafrika. Ein geplanter Export von hunderten Tonnen an Müll aus dem Libanon, der selbst unter einer Müllkrise leidet, in den westafrikanischen Staat Sierra Leone wurde durch eine massive Ablehnung des Vorhabens von Seiten der Bevölkerung gestoppt.[25] Auch andere Strategien, auf die nun kurz eingegangen werden soll, können zielführend sein um das Müllproblem in Westafrika dauerhaft zu lösen.

Zunächst darf der Zivilbevölkerung der Zugang zu wiederverwertbaren Abfällen von staatlicher und überstaatlicher Seite nicht verwehrt werden. Viele Menschen in Westafrika bestreiten ihren täglichen Lebensunterhalt aus dem Sammeln und Recyceln von Müll. Ein engerer politischer Dialog von staatlicher aber auch überstaatlicher Ebene mit den zahlreichen lokalen Initiativen des Müllmanagements ist ebenso dringend angebracht wie eine stärkere Finanzierung dieser. Der Ausbau von organischer Müllverwertung, wie Kompostierung, sollte ebenfalls in Hinblick auf bereits bestehende lokale Programme forciert werden. Das langsame Aufkommen von biologisch abbaubaren Produkten in Westafrika spricht für die zukunftsgerichteten Entwicklungen in diesem Bereich.

Die reicheren Industriestaaten des globalen Nordens müssen ebenfalls in die Pflicht genommen werden, sollten sie weiterhin wie bisher ihre Abfälle als Endprodukte nach Westafrika exportieren. Hier gilt es international bestehende Gesetze stärker zu kontrollieren und zu sanktionieren. Ebenso müssen regionale Behörden finanziell und logistisch unterstützt werden, damit die Einhaltung auch konsequent überwacht werden kann. Fördergelder sollten auch verstärkt in Institutionen wie das “African Institute of Sanitation and Waste Management” fließen, welches über den Bildungsweg versucht bei den Menschen ein Bewusstsein für die Müllproblematik zu schaffen.

5. Literaturverzeichnis:

Ajaero, Christopher (2011): Session 6: ECOWAS Programme on Environment Statistics, in: Research and Statistics Directorate ECOWAS Commission

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ECOWAS (2013): Raising awareness for eco-friendly behaviors in waste collection practices, unter: http://www.sern.eu/sern/projects/ecowas/overview.html

Furedy, Christine (1994): One world of waste: Should countries like India deal with solid waste problems trough source separation? , in: Volume 2, Social Scieneces, Canadian Asian Studies Association

Haberl, Helmut/Fischer-Kowalski, Marina (2011): A socio-metabolic transition towards sustainability? Challenges for another Great Transformation, S. 3

Kwabena Adu (2015): Tödliches Wasser, in: Südwind Magazin, Nr. 11

Labous, Jane (2012): UN Concerned About West Africa’s E-Waste Problem, in: Voice of America, unter: http://www.voanews.com/content/un-concerned-about-west-africas-e-waste-problem-139281333/152040.html

Moore, Sarah A. (2011): Global garbage: waste, trash trading, and local garbage policies, Routledge, Milton Park, Oxon

Ogwueleka, T. Ch. (2009): Municipal solid waste characteristics and management in Nigeria, S. 174, in: Iran. J. Environ. Health. Sci. Eng., 2009, Vol. 6, No. 3, pp. 173-180

Osibanjo, Oladele (2012): Draft ECOWAS E-Waste Regional Strategy, in: University of Ibadan, Ibadan, Nigeria

UNECA (2009): Africa review report on waste management, main report

UNECA: Africa Review Report on Waste Management (Executive Summary)

UNEP (2012): Domestic Consumption is Main Contributor to Africa's E-Waste, in: UNEP News Center, unter: http://www.unep.org/NEWSCENTRE/default.aspx?DocumentId=2667&ArticleId=9022

Wai, Mustapha (2016): Dirty Deal: Sierra Leone Civilians say no to Lebanese garbage imports, in: Back Star News, unter: http://www.blackstarnews.com/global-politics/africa/dirty-deal-sierra-leone-civilians-say-no-to-lebanese-garbage

[...]


[1] Da es in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlichste Definitionen und Auffassungen von „Müll“ und „Abfall“ gibt, lehne ich mich an die von Nicolas Schlitz im Seminar „Die ökologische Krise aus multidisziplinärer Perspektive“ verwendeten Ausführungen an.

[2] Schlitz, Nicolas (2014): Die Krise privatisierter „Entsorgbarkeit“ und die Neuverhandlung gesellschaftlicher Müllverhältnisse in Bangalore, S. 333-334

[3] Furedy, Christine (1994): One world of waste: Should countries like India deal with solid waste problems trough source separation?, S. 87

[4] Moore, Sarah A. (2011): Global garbage: waste, trash trading, and local garbage policies, S. 135 vgl. Moriguchi 1999: S. 5

[5] Moore, Sarah A. (2011): Global garbage: waste, trash trading, and local garbage policies, S. 140

[6] Haberl, Helmut/Fischer-Kowalski, Marina (2011): A socio-metabolic transition towards sustainability? Challenges for another Great Transformation, S. 3

[7] Schlitz, Nicolas (2014): Die Krise privatisierter „Entsorgbarkeit“ und die Neuverhandlung gesellschaftlicher Müllverhältnisse in Bangalore, S. 335

[8] Furedy, Christine (1994): One world of waste: Should countries like India deal with solid waste problems trough source separation?, S. 89-90

[9] Moore, Sarah A. (2011): Global garbage: waste, trash trading, and local garbage policies, S. 133

[10] Schlitz, Nicolas (2014): Die Krise privatisierter „Entsorgbarkeit“ und die Neuverhandlung gesellschaftlicher Müllverhältnisse in Bangalore, S. 344

[11] Unter dem Begriff „toxic waste“ sind vor allem elektronische Abfälle aus allen Regionen der Welt gemeint, die in zahlreichen westafrikanischen Staaten unter prekären Bedingungen und häufig illegal endgelagert werden.

[12] Ajaero, Christopher (2011): Session 6: ECOWAS Programme on Environment Statistics, in: Research and Statistics Directorate ECOWAS Commission

[13] UNECA (2009): Africa review report on waste management, main report, S. 6

[14] UNECA (2009): Africa review report on waste management, main report, S. 6

[15] Ders., S. 6

[16] Als Beispielhaft gilt hier die Nichtumsetzung der Basler, Stockholmer und Rotterdamer Umweltabkommen in den Bereichen Müll und Chemikalien durch westafrikanische Staaten.

[17] Ogwueleka, T. Ch. (2009): Municipal solid waste characteristics and management in Nigeria, S. 174

[18] UNECA (2009): Africa review report on waste management, main report, S. 7

[19] Der Fluss Densu in Ghana gilt beispielsweise als einer der verseuchtesten Flüsse in ganz Afrika. Die Verschmutzung wird primär durch ein fehlendes Müllmanagement hervorgerufen, unter: Koranteng, Kwabena Adu (2015): Tödliches Wasser, in: Südwind Magazin, Nr. 11

[20] Labous, Jane (2012): UN Concerned About West Africa’s E-Waste Problem, in: Voice of America, unter: http://www.voanews.com/content/un-concerned-about-west-africas-e-waste-problem-139281333/152040.html, aufgerufen am 19.03.16

[21] UNEP (2012): Domestic Consumption is Main Contributor to Africa's E-Waste, in: UNEP News Center, unter: http://www.unep.org/NEWSCENTRE/default.aspx?DocumentId=2667&ArticleId=9022, aufgerufen am 19.03.16

[22] Bamako Convention, unter: http://www.unep.org/delc/BamakoConvention, aufgerufen am 19.03.16

[23] Ajaero, Christopher (2011): Session 6: ECOWAS Programme on Environment Statistics, in: Research and Statistics Directorate ECOWAS Commission

[24] ECOWAS (2013): Raising awareness for eco-friendly behaviors in waste collection practices, unter: http://www.sern.eu/sern/projects/ecowas/overview.html , aufgerufen am 19.03.16

[25] Wai, Mustapha (2016): Dirty Deal: Sierra Leone Civilians say no to Lebanese garbage imports, in: Back Star News, unter: http://www.blackstarnews.com/global-politics/africa/dirty-deal-sierra-leone-civilians-say-no-to-lebanese-garbage, aufgerufen am 19.03.16

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Details

Titel
Strategien und Probleme von Müllverwertung innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS
Hochschule
Universität Wien  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
VO Die ökologische Krise aus multidisziplinärer Perspektive
Note
1
Autor
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V337156
ISBN (eBook)
9783656986423
ISBN (Buch)
9783656986430
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Müll, Müllkrise, ECOWAS, Afrika, Westafrika, Umweltpolitik, regionale Integration, Sub-Sahara
Arbeit zitieren
Eric Hugo Weinhandl (Autor:in), 2016, Strategien und Probleme von Müllverwertung innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337156

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